Bayerischer VGH, Beschluss vom 08.09.2011 - 21 ZB 11.1286
Fundstelle
openJur 2012, 117790
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht vorliegt.

Im Rahmen der nach § 124 a Abs. 5 Sätze 1 und 3 VwGO gebotenen kurzen Begründung ist auszuführen:

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils bestehen nicht. Denn diese liegen nur dann vor, wenn gegen die Richtigkeit des Urteils nach summarischer Prüfung gewichtige Gesichtspunkte sprechen, wovon immer dann auszugehen ist, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und sich ohne nähere Prüfung die Frage nicht beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist. Die Gründe, aus denen heraus bei einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung bestehen können, können auch aus einer unzureichenden Ermittlung und Feststellung des Entscheidens des erheblichen Sachverhalts resultieren (vgl. Kopp/Schenke, VwGO 16. Aufl. 2009 RdNr. 7 zu § 124 m.w.N.).

Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Urteil rechtsfehlerfrei und ausführlich dargelegt, dass nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG eine waffenrechtliche Erlaubnis - wie die dem Kläger erteilte Waffenbesitzkarte (§ 10 Abs. 1 WaffG) - zwingend zu widerrufen ist, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Dies ist dann der Fall, wenn die allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis nicht (mehr) gegeben sind. Das ist unter anderem gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG dann der Fall, wenn die waffenrechtliche Zuverlässigkeit für die Erlaubnis des Inhabers entfallen ist. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 a WaffG stellt es einen absoluten Unzuverlässigkeitsgrund dar, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass Personen und Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwendet werden. Der Senat folgt der überzeugenden und zutreffenden Ausführung des Verwaltungsgerichts und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung des angefochtenen Urteils Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

Das Vorbringen des Klägers in der Antragsbegründung kann diese vom Senat gewonnene Überzeugung von der Richtigkeit der Feststellungen des Verwaltungsgerichts und des von ihm gefundenen Ergebnisses nicht im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ernsthaft in Zweifel zu ziehen.

Denn der Senat ist ebenso wie das Verwaltungsgericht der Überzeugung, dass der Kläger am 24. Mai 2010 seine von ihm getrennt lebende Ehefrau mit den Worten „Irgendwann krieg ich dich und dann bis du tot“ bedroht hat, so dass die Beklagte die Feststellung, dass dem Kläger die erforderliche Zuverlässigkeit fehlt, zutreffend auf die nicht widerlegliche Unzuverlässigkeitsvermutung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 a WaffG gestützt hat.

Bei der Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 a WaffG ist der allgemeine Zweck des Waffengesetzes zu berücksichtigen, nämlich beim Umgang mit Waffen und Munition die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu wahren (§ 1 Abs. 1 WaffG). Damit wird die staatliche Verantwortung zum Schutz der Freiheit und Sicherheit seiner Bürger angesprochen, die vor den schweren Folgen eines nicht ordnungsgemäßen Umgangs mit Waffen bewahrt werden sollen (vgl. BT-Drs. 14/7758 S. 51). § 5 Abs. 1 Nr. 2a WaffG hat in diesem Zusammenhang den Zweck, bei einer auf Tatsachen gestützten Prognostizierbarkeit eines spezifischen waffenrechtlich bedenklichen Verhaltens den Eintritt von Schäden an hohen Rechtsgütern zu verhindern (BT-Drs. a.a.O. S. 54). In Anbetracht des Gefahren vorbeugenden Charakters der Regelung und der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, ist für die Prognose eine auf der Lebenserfahrung beruhenden Einschätzung ausreichend und ein Restrisiko muss nicht hingenommen werden (vgl. BayVGH vom 7.11.2007 21 ZB 07.2711 <juris>). Der Wegfall der erforderlichen waffenrechtlichen Zuverlässigkeit im Sinn des § 5 WaffG trägt auch die Anordnung von Waffenbesitzverboten nach § 41 Abs. 1 und 2 WaffG (BayVGH vom 18.8.2008 Az. 21 BV 06.3271 <juris> m.w.N.).

Aus dem Vorfall vom 24. Mai 2010 ergibt sich jedenfalls eindeutig, dass der Kläger gegenüber seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau aggressiv und unkontrolliert reagiert hat, indem er diese im Laufe einer verbalen Auseinandersetzung auf den Hausflur gedrängt, am Arm gepackt und mit den Worten „Irgendwann krieg ich dich und dann bist du tot“ bedroht hat, was dazu geführt hat, dass gegenüber dem Kläger noch am selben Tag ein Kontaktverbot sowie ein Platzverweis ausgesprochen wurden. Das aggressive Verhalten des Klägers belegt auch die Spontanäußerung „Was würden sie denn machen, wenn Ihnen für acht Wochen die Kinder entzogen werden“, die er bei der Wohnungsdurchsuchung am 4. Juni 2010 auf Vorhalt der Drohung gegenüber seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau gemacht hat. Wegen dieses schwerwiegenden Vorfalls, der vom Kläger auch im Antrag auf Zulassung der Berufung nicht konkret in Frage gestellt wurde, liegen jedenfalls tatsachengestützte Anhaltspunkte dafür vor, dass sich der Kläger nach der Lebenserfahrung wiederum unkontrolliert und aggressiv gegenüber seiner früheren Ehefrau verhalten wird, so dass auch die Gefahr des Missbrauchs, nämlich der bewussten nicht ordnungsgemäßen Verwendung von Waffen, zumal bei der gezeigten Einstellung zur Selbstjustiz, zu besorgen ist. Dabei ist es vorliegend auch unerheblich, dass der Konflikt am 24. Mai 2010 ausschließlich verbaler Natur gewesen sei und keinerlei Waffen zum Einsatz gekommen seien.

Auch soweit das Strafverfahren gegen den Kläger in der Berufungsverhandlung nach § 153 Abs. 2 StPO mit der Auflage eingestellt wurde, dass der Kläger seiner getrennt lebenden Ehefrau keine bösen SMS mehr sendet und gegen sie keine Strafanzeige mehr erstattet, ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils.

Zum einen setzt § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG für die zwingende Annahme der Unzuverlässigkeit nicht ein konkretes strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Klägers in der Vergangenheit voraus. Vielmehr wird vom Gesetzgeber die Befürchtung regelwidrigen Verhaltens des Klägers in der Zukunft aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte als zwingender Grund für die Annahme der Unzuverlässigkeit angeführt. Daher zieht nicht nur strafrechtlich relevantes Verhalten in der Vergangenheit die Unzuverlässigkeit des Klägers nach sich. Es reicht hierfür bereits das Vorliegen von Tatsachen aus, welche die Annahme eines unsachgemäßen Umgangs mit der Waffe oder Munition rechtfertigen (vgl. Gade/Stoppa, WaffG, RdNr. 6 zu § 5 WaffG).

Die Einstellung des Strafverfahrens nach § 153 StPO hindert zum anderen die Behörden und Gerichte nicht, die festgestellten Tatsachen als gewichtig einzustufen. Die Bindung der Behörde an eine Einstellung des Strafverfahrens aus bestimmten Gründen sieht das Gesetz nicht vor. Vielmehr haben die Verwaltungsbehörden und im Streitfall auch die Verwaltungsgerichte eigenständig die Verstöße gegen das Waffenrecht festzustellen. Denn einer Straftat kann ordnungsrechtlich größeres Gewicht als in strafrechtlicher Hinsicht zukommen. Dabei ist von dem oben im Einzelnen dargelegten ordnungsrechtlichen Zweck des Waffengesetzes auszugehen, die Allgemeinheit vor dem Schaden zu bewahren, der aus einem Umgang mit Schusswaffen durch nicht in jeder Hinsicht hierfür vertrauenswürdige Personen droht. Dass im Einzelfall bei einer waffenrechtlichen Verfehlung die Schuld im strafrechtlichen Sinn als gering anzusehen ist, bedeutet demnach nicht zugleich, dass die Verfehlung ordnungsrechtlich, d.h. im Hinblick auf den Schutz der Allgemeinheit nicht zur fehlenden Zuverlässigkeit führen kann (vgl. BVerwG vom 26.3.1996 Buchholz 402.5 WaffG Nr. 76 zur möglichen Bewertung als gröblicher Verstoß gegen das Waffengesetz). Es kommt somit nicht darauf an, ob das strafrechtliche Ermittlungsverfahren nach § 153 Abs. 2 StPO eingestellt wurde. Im Übrigen setzt die Verfahrenseinstellung nach § 153 Abs. 1 StPO weder die Feststellung einer schuldhaften Tatbegehung noch eine über den Anfangsverdacht hinausgehende Wahrscheinlichkeit der Tatbegehung voraus. Der Sachverhalt ist auch nicht bis zur Anklagereife oder Sachentscheidung aufzuklären; vielmehr genügt eine Wahrscheinlichkeit der Tatbegehung auf der Basis der bisherigen Ermittlungsstandes (Beulke in Löwe/Rosenberg, StPO und GVG, RdNr. 35 zu § 153 StPO m.w.N.).

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils bestehen daher nicht.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nr. 50.2 des Streitwertkatalogs 2004 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).