Bayerischer VGH, Urteil vom 23.08.2011 - 11 B 10.1202
Fundstelle
openJur 2012, 117458
  • Rkr:
Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerinnen haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerinnen dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1. Die am 27. Juni 1964 in Kiew geborene Klägerin zu 1) ist Tochter, die am 15. Juli 1987 (nach anderer Angabe: am 28.7.1987) ebenfalls in Kiew geborene Klägerin zu 2) Enkelin der am 22. März 1939 in Kodra (Ukraine) geborenen Frau Alla …. Dieser wurde am 14. November 1944 durch den Reichsführer SS - Reichsminister des Innern zusammen mit ihrer Mutter die deutsche Staatsangehörigkeit auf Widerruf verliehen. Die vom gleichen Tag stammende Einbürgerungsurkunde wurde im Wartheland ausgestellt; die Mutter von Frau … wird darin als im Wartheland wohnhaft bezeichnet.

In einem über die Mutter von Frau … angelegten Personalblatt, das den Vermerk "Erfassung 1944" trägt, wurde ausgeführt, die Mutter von Frau … sei ukrainischer, ihr Ehemann zur Gänze deutscher Abstammung. Er sei am 18. September 1944 unter einer näher bezeichneten Nummer der Einwandererzentralstelle geschleust worden.

Am 11. März 1997 stellte das Bundesverwaltungsamt Frau … einen bis zum 10. März 2007 gültigen Staatsangehörigkeitsausweis aus, in dem sie als deutsche Staatsangehörige bezeichnet wird.

Sie verließ eigenen Angaben zufolge am 28. August 1997 die Ukraine und meldete sich ebenfalls nach eigener Darstellung am 30. August 1997 bei der Beklagten zu 1) an. Ihren nach der Einreise gestellten Antrag, sie als Spätaussiedlerin aufzunehmen, lehnte das Bundesverwaltungsamt durch Bescheid vom 23. Juli 1998, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 29. März 1999, ab, da weder ein Härtefall im Sinn von § 27 Abs. 2 BVFG vorliege noch sich feststellen lasse, dass Frau … deutsche Volkszugehörige sei. Die gegen diese Verwaltungsentscheidungen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Köln durch rechtskräftig gewordenes Urteil vom 12. November 2002 (Az. 2 K 4793/99) ab.

Am 10. Februar 2003 stellte das Zentrale Ausgleichsamt Bayern Frau … eine Bescheinigung nach § 100 BVFG aus, in der sie als Vertriebene im Sinn von § 1 Abs. 2 Nr. 2 BVFG (Umsiedlerin) bezeichnet wird.

2. Die Klägerinnen, die damals im Besitz eines für Besuchszwecke ausgestellten, bis zum 12. August 2002 befristeten Schengen-Visums waren, reisten am 20. Juni 2002 in das Bundesgebiet ein. Nach dem Ablauf der Geltungsdauer dieser Visa blieben sie ohne Aufenthaltstitel im Bundesgebiet.

Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 13. August 2002 beantragte die Klägerin zu 1) unter Abgabe einer Erklärung gemäß Art. 3 RuStAÄndG bei der Beklagten zu 1) u. a. die Ausstellung von Staatsangehörigkeitsausweisen für sich und die Klägerin zu 2). Die Beklagte zu 1) stellte die Verbescheidung dieser Anträge im Einvernehmen mit dem Bevollmächtigten der Klägerinnen bis zum Abschluss eines vor dem Bundesverwaltungsamt anhängigen Verfahrens zurück, in dem die Klägerin zu 1) ihre Aufnahme nach dem Bundesvertriebenengesetz unter Einbeziehung der Klägerin zu 2) beantragte.

Dieses Begehren lehnte das Bundesverwaltungsamt durch Bescheid vom 25. Februar 2004, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 8. September 2005, ab, da es sich bei der Klägerin zu 1) nicht um eine deutsche Volkszugehörige handele. Denn sie stamme nicht von deutschen Volkszugehörigen ab und habe sich zudem nicht ausschließlich zum deutschen Volkstum bekannt. Auch liege kein Härtefall im Sinn von § 27 Abs. 2 BVFG vor. Das klageweise geltend gemachte Begehren der Klägerinnen, die Bundesrepublik Deutschland zu verpflichten, ihnen Bescheinigungen darüber zu erteilen, dass sie als Vertriebene bzw. Abkömmlinge von Vertriebenen Aufnahme gefunden hätten, wies das Verwaltungsgericht Minden durch Urteil vom 24. April 2007 (Az. 6 K 1242/06 <juris>) ebenso ab wie die in jenem Verfahren hilfsweise gestellten Anträge, die Bundesrepublik Deutschland zur Erteilung von Aufnahmebescheiden nach § 100 Abs. 1 BVFG i.V.m. §§ 26 f. des Aussiedleraufnahmegesetzes, weiter hilfsweise zur Erteilung von Aufnahmebescheiden gemäß § 27 Abs. 2 BVFG zu verpflichten. Den Antrag, gegen dieses Urteil die Berufung zuzulassen, lehnte das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen durch Beschluss vom 16. September 2008 (Az. 12 A 1749/07) ab. Das sinngemäße Begehren der Klägerin zu 1), die Bundesrepublik Deutschland zu einem Wiederaufgreifen des durch den Widerspruchsbescheid vom 8. September 2005 abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens zu verpflichten, blieb ohne Erfolg (Urteil des VG Minden vom 30.6.2010, Az. 11 K 3412/09). Durch Beschluss vom 1. Juni 2011 (Az. 12 A 1901/10) lehnte es das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen ab, gegen diese Entscheidung die Berufung zuzulassen.

Bereits am 7. Februar 2006 hatten die Klägerinnen gegen "den Freistaat Bayern, vertreten durch die Landeshauptstadt München" Klage mit den Anträgen erhoben,

a) festzustellen, dass die Klägerin zu 1) als Vertriebene deutscher Volkszugehörigkeit im Bundesgebiet Aufnahme gefunden habe;

b) die Beklagte zu verpflichten, u. a. der Klägerin zu 2) zu bestätigen, dass sie als Abkömmling einer Vertriebenen deutscher Volkszugehörigkeit im Bundesgebiet Aufnahme gefunden habe und als solche ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland nehmen könne;

c) festzustellen, dass sie Deutsche im Sinn von Art. 116 Abs. 1 GG seien.

Durch Beschluss vom 31. Mai 2006 (Az. M 25 K 06.566) trennte das Verwaltungsgericht die vorbezeichneten Klageanträge a) und b) ab; diese Rechtsschutzbegehren wurden in der Folgezeit unter dem erstinstanzlichen Aktenzeichen M 4 K 06.2085 geführt.

Das unter dem Aktenzeichen M 26 K 06.566 anhängig gebliebene Begehren, hinsichtlich dessen die Klägerinnen in der Folgezeit klarstellten, dass es sich nur gegen die Beklagte zu 1) richte und das sie um den Hilfsantrag erweiterten, die Beklagte zu 1) zu der Feststellung zu verpflichten, dass sie deutsche Staatsangehörige seien, wies das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 10. März 2008 ab. "Statusdeutsche" im Sinn von Art. 116 Abs. 1 GG sei die Klägerin zu 1) u. a. deshalb nicht, da sie nicht nach den Vorschriften des Bundesvertriebenengesetzes Aufnahme gefunden habe. Sie habe diese Rechtsstellung damit auch der Klägerin zu 2) nicht vermitteln können. Den Antrag der Klägerinnen, gegen diese Entscheidung die Berufung zuzulassen, lehnte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof durch Beschluss vom 30. Juli 2008 (Az. 5 ZB 08.1167) ab.

Die unter dem Aktenzeichen M 4 K 06.2085 geführten Klageanträge, die die Klägerinnen gegen die beiden Beklagten des vorliegenden Rechtsstreits richteten, wies das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 27. Mai 2008 als unzulässig ab. Dem Antrag, hiergegen die Berufung zuzulassen, entsprach der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ebenfalls nicht (Beschluss vom 29.8.2008 Az. 5 ZB 08.1896).

Am 27. November 2008 wurden die Klägerinnen in die Ukraine abgeschoben.

3. Mit der von ihnen am 17. April 2009 zum Verwaltungsgericht München erhobenen Klage beantragten sie im ersten Rechtszug:

1. Die Beklagten werden verpflichtet, den Klägerinnen eine Aufnahmegenehmigung zur ständigen und endgültigen Wohnsitznahme im Bundesgebiet als Vertriebene (Klägerin zu 1) sowie als Abkömmlinge eines Vertriebenen deutscher Staatsangehörigkeit (Klägerin zu 1) und 2)) zu erteilen.

2. Die Beklagten werden verpflichtet, den Klägerinnen zu gestatten, in das Bundesgebiet einzureisen und eine Vorwegzustimmung gemäß dem Aufenthaltsgesetz zu erteilen.

Die Klägerin zu 1) sei seit ihrer Geburt Vertriebene. Sie besitze deshalb einen sich aus § 7 BVFG a.F. und aus § 6 AuslG bzw. § 7 AufenthG ergebenden Anspruch darauf, sich dauerhaft im Bundesgebiet aufzuhalten. Zuständig für die Erteilung dieser vertriebenenrechtlichen Zuzugsgenehmigung sei nach § 100 Abs. 2 BVFG die Beklagte zu 1) unter Beteiligung des Beklagten zu 2). Die der Klägerin zu 1) zustehenden Rechte und Vergünstigungen könne sie nur unter den Voraussetzungen der §§ 9 f. BVFG in Anspruch nehmen. Hierfür sei es notwendig, dass sie ihren ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet genommen habe. Das Verfahren nach §§ 26 f. BVFG müsse sie nicht durchlaufen, da sie sich nicht auf ihre Spätaussiedlereigenschaft bzw. ihre Eigenschaft als Abkömmling eines Spätaussiedlers berufe. Die Klägerinnen bezogen sich ferner auf Schriftsätze, die ihr Bevollmächtigter am 26. November 2008 an die Beklagte zu 1) und am 28. November 2008 an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gerichtet hat (Bl. 4 - 7 der Akte des Klageverfahrens M 4 K 09.1717). Im letztgenannten Schreiben wurde u. a. ausgeführt, der Vertriebenenstatus enthalte das immanente Recht, sich dauerhaft im Bundesgebiet aufzuhalten. Aus vertriebenenrechtlicher Sicht ergebe sich dieser Anspruch aus § 100 Abs. 1 BVFG i.V.m. § 94 BVFG in der vor dem 1. Januar "1994" geltenden Fassung. Gleiches folge aus der millionenfachen Praxis, der zufolge sich Vertriebene unabhängig von einem Visum oder der Zustimmung der Ausländerbehörde dauerhaft im Bundesgebiet aufhalten dürften; die Weigerung der Beklagten, zur Wahrnehmung von Rechten nach dem Bundesvertriebenengesetz den Zutritt in das Bundesgebiet zu gestatten, verstoße damit auch gegen Art. 3 GG. Die behördliche Verpflichtung, einen Vertriebenen aufzunehmen bzw. es ihm zu erlauben, sich dauerhaft im Bundesgebiet als Vertriebener oder Abkömmling eines Vertriebenen aufzuhalten, sei nicht ausländerrechtlicher Natur, sondern entspringe dem Vertriebenenrecht. Nicht ausschlaggebend sei, ob durch die Wiedereinreise und den ständigen Aufenthalt in Deutschland die Eigenschaft erworben werde, Deutscher im Sinn von Art. 116 Abs. 1 GG zu sein.

Die Beklagten beantragten im ersten Rechtszug jeweils, die Klage abzuweisen. Die Beklagte zu 1) sah sich als sachlich und örtlich unzuständig an; die Regierung von Oberbayern - Ausgleichsamt - machte namens des Beklagten zu 2) geltend, bei ihr sei nie ein Antrags- oder Aufnahmeverfahren eingeleitet worden.

Zuletzt mit Schreiben vom 6. Mai 2009 forderte das Verwaltungsgericht den Bevollmächtigten der Klägerinnen gemäß § 82 Abs. 2 Satz 2 VwGO auf, bis zum 22. Mai 2009 eine ladungsfähige Anschrift der Klägerinnen mitzuteilen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht machte der Bevollmächtigte der Klägerinnen geltend, er habe deren ladungsfähige Anschrift mit Schreiben vom 13. Mai 2009 mitgeteilt. Er übergab aus seiner Handakte ein von diesem Tag datierendes, an das Verwaltungsgericht adressiertes Schriftstück, in dem eine Adresse der Klägerinnen genannt wurde, und merkte dazu an, dieses Schreiben sei im Original an das Verwaltungsgericht gesandt worden. Das Ziel der Klage umschrieb er in der mündlichen Verhandlung dahingehend, dass es den Klägerinnen darum zu tun sei, "als Vertriebene einen Aufenthaltstitel nach dem Aufenthaltsgesetz" zu bekommen.

Durch Urteil vom 14. September 2009 wies das Verwaltungsgericht die Klage als unzulässig ab, da sie wegen fehlender Angabe einer ladungsfähigen Anschrift der Klägerinnen nicht den sich aus § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO ergebenden zwingenden Voraussetzungen genüge. Das in der mündlichen Verhandlung übergebene Schreiben sei nicht innerhalb der gemäß § 82 Abs. 2 Satz 2 VwGO gesetzten Frist bei Gericht eingegangen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme nicht in Betracht, da es an einem förmlichen Wiedereinsetzungsantrag fehle.

Hilfsweise merkte das Verwaltungsgericht an, dass die Klage auch unbegründet sei. Die Klageanträge seien so auszulegen, dass der Antrag 1 auf eine Aufnahme im Bundesgebiet nach vertriebenenrechtlichen Vorschriften, der Antrag 2 auf eine Aufnahme nach aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen abziele. Unter welchen Voraussetzungen eine Person im Sinn von Art. 116 Abs. 1 GG als Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit in dem in dieser Bestimmung genannten Gebiet Aufnahme gefunden habe, beurteile sich seit dem Inkrafttreten des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl I S. 2094) abschließend nach den in jenem Gesetz getroffenen Regelungen. Seitdem könnten Personen, die - wie die Klägerinnen - die Aussiedlungsgebiete nach dem 31. Dezember 1992 verlassen hätten, nur noch dann Aufnahme in der Bundesrepublik Deutschland finden, wenn sie Spätaussiedler im Sinn von § 4 Abs. 1 oder 2 BVFG seien. Sinn und Zweck dieser Regelung schlössen es aus, für den genannten Personenkreis eine Aufnahme im Sinn von Art. 116 Abs. 1 GG unter anderen als den im Bundesvertriebenengesetz aufgestellten Voraussetzungen zuzulassen. Für die Durchführung eines Aufnahmeverfahrens sei seit dem 1. Januar 2005 nur noch das Bundesverwaltungsamt zuständig, so dass hinsichtlich des Klageantrags 1 keiner der beiden Beklagten des vorliegenden Rechtsstreits passivlegitimiert sei. Einem Anspruch der Klägerin zu 1) auf Aufnahme stehe zudem entgegen, dass sie wegen fehlenden Bekenntnisses zum deutschen Volkstum keine Spätaussiedlerin sei. Handele es sich bei der Klägerin zu 1) aber um keine deutsche Volkszugehörige (und damit nicht um eine Spätaussiedlerin), könne sie diese Rechtsstellung auch nicht gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 BVFG der Klägerin zu 2) vermitteln.

Die Klägerin zu 1) sei ferner nicht selbst Vertriebene im Sinn von § 1 BVFG. Abkömmlinge eines Vertriebenen deutscher Volkszugehörigkeit könnten nur noch dann Aufnahme in der Bundesrepublik Deutschland finden, wenn sie Abkömmlinge eines Spätaussiedlers seien. Die Mutter bzw. Großmutter der Klägerinnen sei jedoch Umsiedlerin und damit gerade nicht Spätaussiedlerin. Art. 116 Abs. 1 GG gewähre unmittelbar weder einen Anspruch auf Einreise in das Bundesgebiet noch ein Bleiberecht, um dadurch erst noch Aufnahme im Sinn dieser Vorschrift zu finden und damit den Status eines Deutschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit zu begründen. Aus ihrer Abstammung von einer Umsiedlerin könnten die Klägerinnen aufenthaltsrechtlich keinen Sonderstatus ableiten.

Wegen der Erwägungen, mit denen das Verwaltungsgericht den Klageanspruch 2 verneinte, wird auf Abschnitt II.2 der Entscheidungsgründe des Urteils vom 14. September 2009 verwiesen.

4. Auf den Antrag der Klägerinnen hin, gegen dieses Urteil die Berufung zuzulassen, trennte der 10. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs durch Beschluss vom 27. Oktober 2009 (Az. 10 ZB 09.2633) denjenigen Teil des Verfahrens ab, der das auf eine Verpflichtung der Beklagten gerichtete Begehren der Klägerinnen zum Gegenstand hat, ihnen eine Aufnahmegenehmigung als Vertriebene bzw. als Abkömmlinge einer Vertriebenen zu erteilen; der Rechtsstreit wurde insoweit an den erkennenden Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abgegeben. Hinsichtlich des bei ihm verbliebenen Klagebegehrens lehnte der 10. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs den Antrag auf Zulassung der Berufung durch Beschluss vom 6. Juli 2010 ab, da keine ernstlichen Zweifel daran bestünden, dass das Verwaltungsgericht die Klage zu Recht wegen unterbliebener rechtzeitiger Mitteilung der ladungsfähigen Anschrift der Klägerinnen abgewiesen habe, und diese Sachbehandlung frei von Verfahrensfehlern erfolgt sei.

Hinsichtlich des an ihn abgegebenen Teils des Rechtsstreits ließ der erkennende Senat die Berufung durch Beschluss vom 17. Mai 2010 zu.

Im Berufungsverfahren beantragen die Klägerinnen bei Schluss der mündlichen Verhandlung:

Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 14. September 2009 wird abgeändert und die Beklagten werden verpflichtet, den Klägerinnen zu gestatten, ihren ständigen Aufenthalt und Wohnsitz im Bundesgebiet als Vertriebene (Klägerin zu 1) sowie als Abkömmlinge eines Vertriebenen deutscher Staatsangehörigkeit (Klägerin zu 1) und 2)) zu nehmen.

Hilfsweise wiederholen sie ihre im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht gestellten, auf Seite 3 der Niederschrift über die dortige mündliche Verhandlung festgehaltenen Beweisanträge.

Soweit sie ursprünglich angekündigt hatten, den im ersten Rechtszug gestellten Klageantrag 2 auch im Berufungsverfahren weiterverfolgen zu wollen, erklärte ihr Bevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof, dieser Teil des Klagebegehrens werde nicht mehr geltend gemacht.

Zur Begründung der Berufung führen die Klägerinnen im Wesentlichen aus, die Klägerin zu 1) sei nach der Vertreibung und während des noch andauernden Vertreibungsschicksals ihrer Mutter geboren worden. Sie habe deshalb das Vertreibungsschicksal originär erworben. Gleiches gelte hinsichtlich der deutschen Volkszugehörigkeit der Mutter der Klägerin zu 1), da diese die Erziehung der Klägerin zu 1) bis zu deren Selbständigkeit geprägt und mit ihr Deutsch gesprochen habe. Als sog. Spätgeborene sei die Klägerin zu 1) in die durch ihre Mutter geprägte Bekenntnislage in ihrer Familie hineingewachsen. Die Eintragung der ukrainischen Volkszugehörigkeit in ihren Inlandspass erkläre sich daraus, dass die Volkszugehörigkeit ihrer Mutter in deren Inlandspass fehlerhaft als "ukrainisch" eingetragen und ihr Vater tatsächlich Ukrainer gewesen sei. Beide Klägerinnen seien im Zeitpunkt ihrer Einreise in der Lage gewesen, ein einfaches Gespräch auf Deutsch zu führen. Ferner sei die Klägerin zu 1) hinsichtlich ihrer deutschen Volkszugehörigkeit durch ein Schlüsselerlebnis geprägt worden. Im Übrigen komme es auf die Volkszugehörigkeit nicht an, da die Erteilung eines Aufenthaltstitels als Vertriebener unabhängig von der Volkszugehörigkeit zu beurteilen sei. Denn nicht nur Vertriebene deutscher Volkszugehörigkeit seien berechtigt, Rechte und Vergünstigungen in Anspruch zu nehmen.

Die Klägerin zu 2) sei in einer deutsch geprägten Familie aufgewachsen und deshalb ebenfalls deutsche Volkszugehörige; zudem sei sie als Abkömmling einer Vertriebenen deutscher Volkszugehörigkeit berechtigt, sich dauerhaft im Bundesgebiet aufzuhalten.

Die Eigenschaft, die die Kinder eines Vertriebenen erwerben würden, sei nicht inhaltsleer. Für Vertriebene, die bereits vor dem 1. Januar 1993 den Vertriebenenstatus nach §§ 1 ff. BVFG erworben hätten, jedoch keine Spätaussiedler sein wollten, sei kein besonderes Aufnahmeverfahren vorgesehen. Sie fänden vielmehr auch ab dem 1. Januar 1993 aufgrund der bisherigen Regelungen Aufnahme. Ob solche Personen hierdurch Deutsche im Sinn des Grundgesetzes würden, werde in einem gesonderten Verfahren zu entscheiden sein.

Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Beklagten seien nicht verpflichtet, ein Gesuch gemäß § 100 Abs. 2 Satz 3 BVFG an die zuständige "Vertriebenenbehörde" zu richten, sei unzutreffend. Da Vertriebene nach erfolgreicher Absolvierung des Vertriebenenverfahrens einen Anspruch darauf besäßen, sich wieder dauerhaft im Bundesgebiet niederzulassen, im Fall der Klägerinnen jedoch kein Verwaltungsverfahren mehr vorgesehen sei, das zur allgemeinverbindlichen Ausstellung eines Vertriebenenausweises führe, müsse jede Behörde, die zugunsten eines Vertriebenen Rechte festzustellen oder sie ihm zu gewähren habe, entweder den Vertriebenenstatus anerkennen oder diesen bei Zweifeln feststellen lassen. Die Auffassung, dass das dann nicht der Fall sei, wenn das Gesuch nach § 100 Abs. 2 Satz 3 BVFG für Aufenthaltszwecke dienen solle, widerspreche dem Wortlaut der Regelung. Auch wäre eine solche Auslegung verfassungswidrig, da die Klägerinnen dann keine Möglichkeit besäßen, die Rechte, die sich aus ihrem Vertriebenenstatus ergäben, gerichtlich feststellen zu lassen oder sie durchzusetzen.

In Reaktion auf die Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofs, Beweismittel für die Versendung des Schreibens vom 13. Mai 2009 beizubringen, trugen die Klägerinnen vor, sie seien durch ihren Prozessbevollmächtigten gebeten worden, ihre Adresse in der Ukraine mitzuteilen, damit bei der Deutschen Botschaft eine Erlaubnis zum Betreten des Bundesgebiets oder ein Visum zum Zweck der Teilnahme an einem Termin beantragt werden könne. Eine in der Kanzlei des Klagebevollmächtigten tätige Rechtsanwältin, die der russischen Sprache mächtig und der die Adresse fernmündlich mitgeteilt worden sei, habe diese in die Akte eingetragen. Nachdem sie der zuständigen Sekretariatsmitarbeiterin die Anschrift erläutert habe, sei das Schreiben vom 13. Mai 2009 verfasst und sofort zur Post gebracht worden. Zur Glaubhaftmachung dieses Vorbringens legten die Klägerinnen die vom 1. Juli 2010 stammende eidesstattliche Versicherung einer Mitarbeiterin der Kanzlei des Klagebevollmächtigten vor. Aufgrund der zahlreichen Akten, die das Verwaltungsgericht in Bezug auf die Klägerinnen geführt habe, könne es durchaus zu Irrläufern oder dazu gekommen sein, dass das Schreiben vom 13. Mai 2009 nicht abgeheftet worden sei.

Die Beklagten beantragen jeweils,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die vom Verwaltungsgericht beigezogenen Verwaltungsvorgänge der beiden Beklagten verwiesen.

Gründe

Gegenstand des Berufungsverfahrens bildet nach dem vom Klagebevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof gestellten Berufungsantrag nur noch das Begehren der Klägerinnen, die Beklagten unter (diesbezüglicher) Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zu verpflichten, ihnen einen ständigen Aufenthalt und eine Wohnsitznahme im Bundesgebiet als Vertriebene bzw. Abkömmlinge einer Vertriebenen deutscher Staatsangehörigkeit zu gestatten. Eines gesonderten Ausspruchs über die teilweise Berufungsrücknahme, die darin liegt, dass die Klägerinnen den in der Berufungsbegründung vom 28. Mai 2010 noch angekündigten Berufungsantrag 2 nicht weiterverfolgen (eine Klagerücknahme scheidet insoweit aus, da über diesen Teil des Streitgegenstandes durch den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 6.7.2010, a.a.O., bereits rechtskräftig entschieden wurde und eine Klagerücknahme nur bis zum Eintritt der Rechtskraft möglich ist), bedarf es nicht, da die Rechtsfolgen einer (teilweisen) Berufungsrücknahme unmittelbar kraft Gesetzes eintreten, § 126 Abs. 2 Satz 4 VwGO einen diesbezüglichen feststellenden Ausspruch nur für den Fall der fiktiven Berufungsrücknahme vorschreibt, und über die auf den zurückgenommenen Teil entfallenden Kosten im Rahmen der Schlussentscheidung zu befinden ist.

Soweit die Berufung aufrecht erhalten wurde, ist sie zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage auch hinsichtlich des damaligen Antrags 1 im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

1. Abweichend von der rechtlichen Beurteilung durch das Verwaltungsgericht ist die Klage als zulässig anzusehen.

a) Der Zulässigkeit der Klage steht es nicht entgegen, dass die Klägerinnen innerhalb der ihnen gemäß § 82 Abs. 2 Satz 2 VwGO gesetzten Frist keine ladungsfähige Anschrift mitgeteilt haben.

Das Verwaltungsgericht war allerdings berechtigt, eine solche Aufforderung auszusprechen. § 82 Abs. 1 VwGO erfordert, von Ausnahmen abgesehen, bei natürlichen Personen die Angabe einer Wohnungsanschrift, unter der die Partei tatsächlich zu erreichen ist (BVerwG vom 13.4.1999 DVBl 1999, 989). Eine Ausnahme von dieser Regel griff im gegebenen Fall nicht ein; insbesondere ging aus den Behördenakten nicht hervor, wo sich die Klägerinnen nach ihrer Abschiebung aus dem Bundesgebiet aufhielten. Auch die Tatsache, dass sie anwaltlich vertreten waren, machte die Angabe einer Anschrift, unter der gerichtliche Mitteilungen an sie gerichtet werden konnten, nicht entbehrlich (vgl. auch dazu BVerwG vom 13.4.1999, a.a.O., S. 991). Hätte ihr Bevollmächtigter nämlich das Mandat niedergelegt, was im erstinstanzlichen Verfahren ohne die sich aus § 87 Abs. 1 ZPO ergebenden Beschränkungen möglich gewesen wäre, wäre es für das Verwaltungsgericht wichtig gewesen, mit den Klägerinnen unmittelbar auf dem Postweg Verbindung aufnehmen zu können. Die Annahme, die Angabe ihrer aktuellen Anschrift sei den Klägerinnen unmöglich oder unzumutbar gewesen, verbietet sich schon im Hinblick darauf, dass ihre Adresse ihrem Bevollmächtigten - wie dessen Schreiben vom 13. Mai 2009 zeigt - bekannt war bzw. von ihm offenbar unschwer in Erfahrung gebracht werden konnte.

Da die ladungsfähige Anschrift der Klägerinnen dem Verwaltungsgericht nicht innerhalb der zuletzt mit gerichtlichem Schreiben vom 6. Mai 2009 gesetzten Frist mitgeteilt wurde, durfte grundsätzlich von einer nicht formgerechten Klageerhebung ausgegangen werden. Die Klägerinnen besitzen jedoch einen Anspruch darauf, dass ihnen gemäß § 82 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 60 VwGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten, durch das gerichtliche Schreiben vom 6. Mai 2009 in Lauf gesetzten Frist gewährt wird.

Sie haben zwar keinen ausdrücklichen Wiedereinsetzungsantrag gestellt. Ein solcher Antrag ist nach § 60 Abs. 2 Satz 4 VwGO jedoch dann entbehrlich, wenn die versäumte Rechtshandlung innerhalb der Antragsfrist nach § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO nachgeholt wurde. Ihre ladungsfähige Anschrift haben die Klägerinnen dem Verwaltungsgericht in dem Augenblick mitgeteilt, als ihr Bevollmächtigter in der am 14. September 2009 durchgeführten mündlichen Verhandlung ein Duplikat des Schreibens vom 13. Mai 2009 vorlegte, in dem ihre Adresse genannt wird. Dies geschah auch innerhalb der zweiwöchigen Frist nach § 60 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO. Denn diese Frist wurde in Lauf gesetzt, als der Bevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung am 14. September 2009 davon erfuhr, dass das von ihm behauptetermaßen an das Verwaltungsgericht abgesandte Schreiben vom 13. Mai 2009 dort nicht bekannt war (vgl. zur Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der Kenntniserlangung von der Fristversäumung in derartigen Fällen Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, RdNr. 26 zu § 60).

Wenn der Bevollmächtigte der Klägerinnen den Entwurf des Schreibens vom 13. Mai 2009 dem Verwaltungsgericht mit dem Bemerken übergab, es sei im Original an das Gericht gesandt worden (vgl. Seite 2 der Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 14.9.2009), so liegt darin bei sachgerechter Auslegung dieser Erklärung (§ 88 VwGO) die Geltendmachung des Wiedereinsetzungsgrundes, auf den sich die Klägerinnen berufen (vgl. zu dem Erfordernis, die tatsächlichen Umstände, aus denen ein Wiedereinsetzungsanspruch hergeleitet wird, innerhalb der Frist nach § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO vorzutragen, sofern sie bei Gericht nicht offenkundig sind, z.B. Schmidt in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, RdNr. 23 zu § 60). Denn diese Einlassung enthält in Verbindung mit dem Datum des Schreibens vom 13. Mai 2009 zumindest die konkludente Behauptung, der Klagebevollmächtigte sei der gerichtlichen Aufforderung vom 6. Mai 2009 so rechtzeitig nachgekommen, dass die Mitteilung über die aktuelle Anschrift der Klägerinnen das Gericht bei normalem Verlauf innerhalb offener Frist erreichen würde. Weitergehender Sachvortrag kann von einem Prozessbevollmächtigten, der in einer mündlichen Verhandlung erstmals - und für ihn allen erkennbaren Umständen nach überraschend - mit dem gerichtlichen Vorhalt konfrontiert wird, eine von ihm abzugebende, fristgebundene Erklärung liege dem Gericht nicht vor, im Regelfall nicht erwartet werden.

Im Verfahren auf Zulassung der Berufung hat der Klagebevollmächtigte sodann die Umstände näher dargelegt, aufgrund derer er der Auffassung ist, ihn treffe kein Verschulden daran, dass die Mitteilung über die Anschrift der Klägerinnen nicht rechtzeitig zu den Akten des Verfahrens M 4 K 09.1717 gelangt ist. Eine solche Ergänzung eines im Kern bereits während der Zweiwochenfrist des § 60 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO vorgetragenen Grundes, aus dem sich nach Auffassung der Klagepartei ein Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ergibt, ist auch noch nach Fristablauf möglich (so ausdrücklich BVerwG vom 27.7.1982 Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 126).

Im Berufungsverfahren hat die Klagepartei ihre Darstellung, das Schreiben vom 13. Mai 2009 sei so rechtzeitig abgesandt worden, dass es das Verwaltungsgericht bei normalem Verlauf noch vor dem Ende der in der richterlichen Aufforderung vom 6. Mai 2009 gesetzten Frist hätte erreichen müssen, in geeigneter Weise glaubhaft gemacht. Der erkennende Senat erachtet diese Darstellung für plausibel. Für ihre Richtigkeit spricht u. a., dass es sich angesichts der Vielzahl der Streitsachen, die die Klägerinnen beim Verwaltungsgericht anhängig gemacht haben, trotz der Angabe des zutreffenden Aktenzeichens auf dem Entwurf des Schreibens vom 13. Mai 2009 nicht ausschließen lässt, das Original dieses Schriftstücks könnte versehentlich einer anderen Verfahrensakte zugeordnet worden sein. Bei dieser Sachlage muss von einer unverschuldeten Fristversäumnis im Sinn von § 60 Abs. 1 VwGO ausgegangen werden.

Da seit dem Ende der in der gerichtlichen Aufforderung vom 6. Mai 2009 gesetzten Frist bis zur Nachholung der zunächst unterbliebenen Verfahrenshandlung am 14. September 2009 weniger als ein Jahr vergangen ist, steht auch § 60 Abs. 3 VwGO einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht entgegen.

b) Die Klägerinnen haben ferner, wie das bei Verpflichtungsklagen erforderlich ist (vgl. z.B. BVerwG vom 28.11.2007 BVerwGE 130, 39/46 mit umfangreichen Nachweisen aus der älteren Rechtsprechung), das in diesem Rechtsstreit verfolgte Begehren vor Klageerhebung an die beiden Beklagten herangetragen.

Im Verhältnis zur Beklagten zu 1) steht dies außer Frage. Denn von ihr hat der Klagebevollmächtigte zuletzt in seinem Schreiben vom 17. November 2008 verlangt, den Klägerinnen ein Aufenthaltsrecht in Deutschland aufgrund der ihnen behauptetermaßen zukommenden Rechtsstellung als Vertriebene bzw. als Abkömmlinge einer Vertriebenen zuzuerkennen. Da die Beklagte zu 1) über dieses Begehren nicht entschieden hat, liegen insoweit die Voraussetzungen einer Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO) zweifelsfrei vor.

In Würdigung der Besonderheiten des vorliegenden Falles sieht der erkennende Senat das Erfordernis, dass ein mit einer Verpflichtungsklage eingeforderter Verwaltungsakt zuvor bei einer Behörde des beklagten Rechtsträgers beantragt worden sein muss, aber auch im Verhältnis zum Beklagten zu 2) als erfüllt an. Zwar muss davon ausgegangen werden, dass die Klägerinnen vor einer Behörde dieses Beklagten niemals ein Verwaltungsverfahren im Sinn von Art. 9 BayVwVfG eingeleitet haben, das den Erlass eines Verwaltungsakts zum Ziel hatte, mit dem ihnen (die Einreise und) ein Aufenthalt wegen ihrer behaupteten Eigenschaft als Vertriebene bzw. als Abkömmlinge einer Vertriebenen ermöglicht werden sollte. Weder enthalten die dem Gericht vorliegenden, umfangreichen Akten einen derartigen Antrag, noch war ihr Bevollmächtigter in der Lage, auf die mit einer Präklusionsandrohung versehene Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Mai 2010 hin (vgl. die Nummer 3.b dieses Schreibens) ein Schriftstück vorzulegen, mit dem der im vorliegenden Rechtsstreit eingeklagte Anspruch zum Gegenstand eines Verwaltungsverfahrens vor einer Behörde des Beklagten zu 2) gemacht wurde. Auch in der mündlichen Verhandlung am 22. August 2011 konnte er diesbezügliche Unterlagen nicht zur Verfügung stellen.

Das Begehren der Klägerinnen, sich wegen der von ihnen in Anspruch genommenen Rechtsstellung als Vertriebene (bzw. als Abkömmlinge einer Vertriebenen) im Bundesgebiet aufhalten zu dürfen, wurde jedoch aus Anlass der Eingabe, die Frau … am 11. Februar 2004 an den Bayerischen Landtag gerichtet hat, durch das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen inhaltlich auch unter diesem rechtlichen Blickwinkel überprüft. Denn auf Seite 4 der am 30. März 2004 unter dem Aktenzeichen V 3/6082-01/101/04 abgegebenen Stellungnahme zu dieser Landtagseingabe führte das Ministerium aus, für das auf einen Verbleib im Bundesgebiet gerichtete Verlangen der Klägerinnen seien "Anspruchsgrundlagen nach dem BVFG nicht erkennbar". Abschließend hielt es nochmals fest "mangels jeglicher Anspruchsvoraussetzungen nach dem BVFG" könne ihnen "kein Bleiberecht" gewährt werden. Damit hat die in Bayern für das Vertriebenenwesen zuständige oberste Landesbehörde genau jenen nach Auffassung der Klägerinnen aus ihrem behaupteten Vertriebenenstatus resultierenden Anspruch auf Aufenthalt in Deutschland sachlich geprüft, der den Gegenstand des vorliegenden Rechtstreits bildet.

Unschädlich ist, dass das Begehren um Zuerkennung einer solchen Rechtsstellung nicht durch die Klägerinnen selbst, sondern durch ihre Mutter bzw. Großmutter an den Bayerischen Landtag herangetragen wurde. Denn die Klägerinnen hatten Frau … am 2. November 2003 schriftlich bevollmächtigt, sie gegenüber der Beklagten zu 1) zu vertreten. Es steht vor diesem Hintergrund außer Frage, dass es ihrem Willen entsprach, wenn Frau … auch gegenüber anderen Stellen tätig wurde, deren Befassung mit der Angelegenheit dem Anliegen der Klägerinnen förderlich sein konnte.

Der erkennende Senat lässt es ausdrücklich dahinstehen, ob die Darstellung eines behaupteten Anspruchs im Rahmen einer an die Volksvertretung gerichteten Petition immer dann zur Erfüllung des Erfordernisses ausreicht, dass vor der Erhebung einer Verpflichtungsklage das streitgegenständliche Anliegen an eine Behörde desjenigen Rechtsträgers herangetragen worden sein muss, gegen den sich das gerichtlich geltend gemachte Verpflichtungsbegehren richtet, wenn sich die für die betroffene Materie zuständige oberste Landesbehörde gegenüber der Volksvertretung zu dem später eingeklagten Begehren sachlich geäußert hat. Denn jedenfalls im vorliegenden Fall ist das zu bejahen. Das in § 68 Abs. 2 VwGO und § 75 Satz 1 VwGO zum Ausdruck kommende Erfordernis eines der Anrufung des Gerichts vorausgehenden Antrags bei der Verwaltung soll im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung gewährleisten, dass sich zunächst die Exekutive mit (vermeintlichen) Ansprüchen des Einzelnen befasst (BVerwG vom 31.8.1995 BVerwGE 99, 158/160), ehe die Gerichte hierüber befinden. Im Hinblick hierauf genügt es in Fällen der vorliegenden Art, dass das Parlament eine Petition an die vollziehende Gewalt weitergeleitet hat und das Anliegen dort entweder durch die sachlich zuständige oder eine ihr vorgesetzte, weisungsbefugte Behörde mit verneinendem Ergebnis geprüft wurde.

Sachlich zuständig zur Verbescheidung des hier streitgegenständlichen Begehrens wären im Jahr 2004 in Bayern die Regierungen gewesen, da ihnen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 der damals geltenden Verordnung zur Regelung der Zuständigkeiten im Bereich des Lastenausgleichs und des Flüchtlingswesen (ZustVLaFlüw) vom 25. November 2003 (GVBl S. 880, BayRS 240-1-1-A) nicht nur der Vollzug des Bundesvertriebenengesetzes, sondern auch die "weiteren Aufgaben des Flüchtlingswesens" oblagen. Zu den "weiteren Aufgaben des Flüchtlingswesens" hätte auch die Verbescheidung eines Anspruchs gehört, der aus einem behaupteten Vertriebenenstatus hergeleitet wird, ohne im Bundesvertriebenengesetz eine Rechtsgrundlage zu finden. Zuständige oberste Landesbehörde und zentrale Dienststelle nach § 21 BVFG in der im Jahr 2004 noch geltenden Fassung war nach § 6 Satz 1 ZustVLaFlüw das Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen. Es übte gemäß § 6 Satz 2 ZustVLaFlüw die Sachaufsicht über die mit den Aufgaben des Flüchtlingswesens betrauten Behörden aus; nach § 21 Satz 2 BVFG in der bis zum 23. Mai 2007 geltenden Fassung war es, soweit es nicht selbst zuständig war, bei den Maßnahmen zur Durchführung des Bundesvertriebenengesetzes zu beteiligen. Hat sich die oberste Landesbehörde, die nicht nur die Aufsicht über die Dienststelle führt, die zur Verbescheidung eines später im Wege der Verpflichtungsklage geltend gemachten Anspruchs sachlich zuständig gewesen wäre, sondern die kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung erforderlichenfalls auch selbst in den Verwaltungsvollzug eingebunden werden musste, aufgrund eigener Sachprüfung bereits zu dem Begehren eines Anspruchstellers geäußert, so kann von diesem bei unveränderter Sach- und Rechtslage nicht verlangt werden, vor der Erhebung einer Verpflichtungsklage den klageweise geltend zu machenden Anspruch noch in einem Verwaltungsverfahren im Sinn von Art. 9 BayVwVfG zur Prüfung durch die zuständige nachgeordnete Behörde zu stellen. Denn er darf in einem solchen Fall davon ausgehen, dass diese Dienststelle nicht anders als die oberste Landesbehörde entscheiden würde. Die Rechtslage ähnelt insoweit derjenigen, dass die Aufsichts- die Ausgangsbehörde zu einer bestimmten Sachbehandlung angewiesen hat. So wie in einer solchen Fallgestaltung nicht verlangt werden kann, dass vor der Anrufung des Gerichts erst ein Widerspruchsverfahren durchgeführt wird (vgl. dazu BVerwG vom 15.9.2010 NVwZ 2011, 501), ist hier das Gebot der vorgängigen Anmeldung des einzuklagenden Anspruchs auf Erlass eines bestimmten Verwaltungsakts bei der öffentlichen Verwaltung seinem Sinn und Zweck nach durch die Befassung der zuständigen obersten Landesbehörde mit der Angelegenheit aus Anlass einer Landtagseingabe gegenstandslos geworden.

Die Klägerinnen haben das Recht, auch gegen den Beklagten zu 2) Untätigkeitsklage zu erheben, nicht im Hinblick auf die Zeitspanne verwirkt, die zwischen der Bekanntgabe des Ergebnisses des im Jahr 2004 durchgeführten Petitionsverfahrens und der Klageerhebung im Jahr 2009 verstrichen ist. Da sie am 7. Februar 2006 - auch gegen den Beklagten zu 2) - ein verwaltungsgerichtliches Verfahren eingeleitet haben, in dem festgestellt werden sollte, dass sie bereits als Vertriebene (bzw. als Abkömmlinge einer Vertriebenen) Aufnahme in Deutschland gefunden haben, konnte sich beim Beklagten zu 2) kein schutzwürdiges Vertrauen dahingehend bilden, die Klägerinnen würden für den Fall, dass das Gericht eine schon erfolgte "Aufnahme" verneinen würde, nicht geltend machen, sie müssten wegen der von ihnen beanspruchten vertriebenenrechtlichen Rechtsstellung zumindest künftig in das Bundesgebiet einreisen dürfen.

c) Über das hier streitgegenständliche Begehren wurde noch nicht rechtskräftig entschieden.

Die Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichts Minden vom 24. April 2007 (a.a.O.) erstreckt sich von vornherein nur auf den Beklagten zu 2) des vorliegenden Verfahrens, der zu jenem Rechtsstreit beigeladen worden war. Unabhängig hiervon hatte das Verwaltungsgericht Minden nach dem seinerzeitigen Hauptantrag lediglich darüber zu befinden, ob die Klägerinnen bereits als Vertriebene Aufnahme gefunden haben; mit ihren beiden damals gestellten Hilfsanträgen erstrebten die Klägerinnen ihre (künftige) Aufnahme gemäß § 100 Abs. 1 BVFG in Verbindung mit §§ 26 f. des Aussiedleraufnahmegesetzes bzw. nach § 27 Abs. 2 BVFG. Eine Aufnahme als Personen, die die in § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG genannten Gebiete "als Aussiedler" verlassen wollen (so § 26 BVFG in der Fassung des Aussiedleraufnahmegesetzes vom 28.6.1990, BGBl I S. 1247), verlangen die Klägerinnen im vorliegenden Rechtsstreit jedoch ebenso wenig wie die Ausstellung von Bescheinigungen als Spätaussiedler nach § 27 BVFG heutiger Fassung. Sie berufen sich vielmehr auf die ihnen behauptetermaßen zustehende Rechtsstellung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BVFG bzw. nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 BVFG (jeweils in Verbindung mit § 7 BVFG in der bis einschließlich 31.12.1992 geltenden Fassung).

Zwischen dem Verfahren, das seit dem Nichtzulassungsbeschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 1. Juni 2011 (a.a.O.) rechtskräftig abgeschlossen ist, und dem vorliegenden Rechtsstreit besteht Identität der Streitgegenstände zwar insoweit, als die Klägerin zu 1) dort als zweiten Hilfsantrag das Begehren anhängig gemacht hatte, sie in der Bundesrepublik Deutschland aufzunehmen und ihr eine Übernahmegenehmigung zur Wohnsitznahme in der Bundesrepublik Deutschland zu erteilen. Die Rechtskraft der in jenem Verfahren ergangenen Entscheidungen wirkt nach § 121 Nr. 1 VwGO jedoch gegenüber keinem der Beklagten des hier anhängigen Prozesses.

2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Klägerinnen besitzen keinen Anspruch darauf, dass einer der beiden Beklagten ihnen eine "Gestattung" erteilt, durch die ihnen ein dauernder Aufenthalt und eine Wohnsitznahme im Bundesgebiet als Vertriebene bzw. als Abkömmlinge einer Vertriebenen ermöglicht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof lässt es hierbei ausdrücklich dahinstehen, ob die Klägerin zu 1) den Vertriebenenstatus nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BVFG oder nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 BVFG (jeweils in Verbindung mit § 7 BVFG in der bis einschließlich 31.12.1992 geltenden Fassung) erworben hat. Ebenfalls auf sich beruhen kann, ob sie oder die Klägerin zu 2) Abkömmlinge einer Vertriebenen sind. Denn auch dann, wenn diese Fragen zu bejahen sein sollten, könnten die Klägerinnen im vorliegenden Rechtsstreit hieraus nichts zu ihren Gunsten herleiten.

Aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 10. März 2008 (a.a.O.) steht im Verhältnis zwischen ihnen und der Beklagten zu 1) rechtskräftig fest, dass sie weder deutsche Staatsangehörige noch "sonstige Deutsche" im Sinn von Art. 116 Abs. 1 GG sind. Angesichts der zweifelsfreien Richtigkeit dieser - zudem in einem Verfahren auf Zulassung der Berufung überprüften - Entscheidung ist auch im Verhältnis zum Beklagten zu 2) keine andere rechtliche Beurteilung veranlasst. Die Klägerinnen sind damit Ausländerinnen im Sinn von § 2 Abs. 1 AufenthG. Als solche aber bedürfen sie nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bereits für die Einreise, erst recht aber für den von ihnen erstrebten (Dauer-)Aufenthalt eines Aufenthaltstitels. Ein Recht auf erlaubnisfreien Aufenthalt steht ihnen weder nach den in § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG aufgeführten supranationalen Bestimmungen noch nach den in Kapitel 2 Abschnitt 2 der Aufenthaltsverordnung getroffenen Regelungen zu.

a) Das geltende Recht sieht nicht vor, dass das sich aus § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ergebende Erfordernis eines Aufenthaltstitels durch einen den Aufenthalt und die Wohnsitznahme in Deutschland erlaubenden Verwaltungsakt ersetzt werden kann, der einer Person im Hinblick auf deren Rechtsstellung als Vertriebener oder Abkömmling eines Vertriebenen erteilt wird. Selbst der Aufnahmebescheid nach § 26 BVFG ersetzt, wie § 33 AufenthV zeigt, ein erforderliches Visum nicht. Ihm kommt vielmehr nur die Funktion zu, in der Regel bereits im Vorfeld einer Einreise (vgl. dazu § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG) zu prüfen, ob eine Person mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten nach Begründung eines Aufenthalts im Bundesgebiet die Voraussetzungen des Spätaussiedlerstatus erfüllt.

b) Ein Anspruch auf einen begünstigenden Verwaltungsakt der von den Klägerinnen erstrebten Art ergibt sich auch nicht aus den in § 100 Abs. 1 BVFG erwähnten, vor dem 1. Januar 1993 geltenden Vorschriften. Auch insoweit kann deshalb dahinstehen, ob es sich bei ihnen überhaupt um "Personen im Sinne der §§ 1 bis 3" BVFG handelt.

Nach dem vor dem 1. Januar 1993 geltenden Recht wurde ein Aufnahmebescheid solchen Personen erteilt, die die in § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG genannten Gebiete "als Aussiedler verlassen wollen, um im Geltungsbereich dieses Gesetzes ihren ständigen Aufenthalt zu nehmen" (§ 26 BVFG in der Fassung des am 1.7.1990 in Kraft getretenen Aussiedleraufnahmegesetzes). Dass die Klägerinnen aus dieser Regelung keine Rechte herleiten können, hat das Verwaltungsgericht Minden im Urteil vom 24. April 2007 (a.a.O.) auf den in jenem Verfahren gestellten ersten Hilfsantrag hin im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland und zum Beklagten zu 2) bereits rechtskräftig festgestellt. Im Verhältnis zur Beklagten zu 1) gilt schon deshalb nichts anderes, weil keine der Klägerinnen das in § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG bezeichnete Gebiet vor dem 1. Juli 1990 oder danach (aber vor dem 1.1.1993) im Weg des Aufnahmeverfahrens verlassen hat. Für Personen, bei denen es sich nicht um Aussiedler, sondern um sonstige Vertriebene (z.B. um Umsiedler) handelt, sah auch die Rechtslage, wie sie unter der Geltung des Aussiedleraufnahmegesetzes bestand, keine Erteilung eines Aufnahmebescheids vor (vgl. BVerwG vom 23.4.2007 Az. 5 B 7.07 <juris> RdNr. 2). Auch § 100 Abs. 1 BVFG in der Fassung des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes hat den auf Aussiedler beschränkten Anwendungsbereich des Aufnahmeverfahrens nach den vor dem 1. Januar 1993 geltenden Vorschriften der §§ 26 ff. BVFG nicht auf andere Vertriebene erweitert (BVerwG vom 23.4.2007, ebenda).

c) Ein Verfahren, in dem "sonstige" Vertriebene - z.B. unter § 1 Abs. 1 Satz 1 oder § 1 Abs. 2 Nr. 2 BVFG (ggf. in Verbindung mit § 7 BVFG in der bis einschließlich 31.12.1992 geltenden Fassung) fallende Personen - einen gesonderten behördlichen Ausspruch über ihre "Aufnahme" erreichen können, gibt es nicht (so ausdrücklich BVerwG vom 14.9.1999 Az. 5 B 57.99, S. 6 des Beschlussumdrucks). Desgleichen ist dem geltenden Recht eine gesonderte "vertriebenenrechtliche Zuzugsgenehmigung" fremd (OVG NRW vom 1.6.2011, a.a.O., S. 6 des Beschlussumdrucks). Vielmehr lässt § 100 Abs. 2 Satz 1 und 2 BVFG die Erteilung von Ausweisen, in denen die Vertriebeneneigenschaft einer Person festgestellt wird (vgl. § 15 BVFG in der bis einschließlich 31.12.1992 geltenden Fassung) nur noch dann zu, wenn sie vor dem 1. Januar 1993 bzw. bis zum 31. Dezember 1993 beantragt wurden. Diese Stichtagsregelungen und die Bestimmung des § 100 Abs. 2 Satz 3 BVFG, wonach die für die Gewährung von Rechten und Vergünstigungen an Vertriebene zuständige Behörde erforderlichenfalls durch Rückfrage bei der "Vertriebenenbehörde" (nunmehr: beim Bundesverwaltungsamt) klärt, ob der die Vergünstigung Begehrende Vertriebener ist, schließen sowohl die Antragsbefugnis des Betroffenen als auch die Befugnis der "Vertriebenenbehörde" aus, über die Vertriebeneneigenschaft einer Person ihr gegenüber durch feststellenden Statusbescheid zu befinden (BSG vom 21.3.2006 Az. B 5 RJ 54/04 R <juris> RdNr. 18). Enthält das geltende Recht (abgesehen von den in § 100 Abs. 2 Satz 1 und 2 BVFG geregelten Ausnahmen) aber keine Ermächtigung zum Erlass eines die Vertriebeneneigenschaft feststellenden Verwaltungsakts mehr, so können die Klägerinnen auch keinen behördlichen Ausspruch verlangen, durch den zwar nicht das in ihrem Fall bestehende, sich aus § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ergebende Verbot mit rechtsgestaltender Wirkung aufgehoben wird, ohne einen erforderlichen Aufenthaltstitel in das Bundesgebiet einzureisen und sich dort aufzuhalten, durch den jedoch - gleichsam "zur Vorbereitung" der Entscheidung der für die Erteilung eines Aufenthaltstitels zuständigen Behörde - ihre behauptete Eigenschaft, Vertriebene (bzw. Abkömmlinge einer Vertriebenen) zu sein, festgestellt wird.

d) Personen im Sinn der §§ 1 bis 3 BVFG, bei denen es sich nicht um Spätaussiedler handelt, können heute ferner keine Übernahmegenehmigung in entsprechender Anwendung der Verwaltungsübung mehr beanspruchen, die auf der Grundlage der Richtlinie des Bundesministers des Innern vom 19. Juli 1968 (Az. V II 6 - 125210/4) ehedem bestand. Denn diese Richtlinie wird nach der Auskunft, die das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat erteilt hat, seit dem 1. Juli 1990 nicht mehr angewendet (vgl. dazu auch OVG NRW vom 1.6.2011, a.a.O., S. 7 des Beschlussumdrucks). Diese Änderung der Verwaltungspraxis beruht auf sachgerechten Erwägungen, trägt sie doch der Tatsache Rechnung, dass der Gesetzgeber durch das am 1. Juli 1990 in Kraft getretene Aussiedleraufnahmegesetz und sodann durch das Kriegsfolgenbereinigungsgesetz geregelt hat, in Bezug auf welchen Kreis der dem Bundesvertriebenengesetz unterfallenden Personen ein Aufnahmeverfahren durchzuführen und wem hiervon ein Aufnahmebescheid zu erteilen ist. Damit aber steht den Klägerinnen - sollten sie Vertriebene oder Abkömmlinge einer Vertriebenen sein - auch kein Anspruch auf Gleichbehandlung mit jenen Personen zu, denen früher eine Übernahmegenehmigung dann erteilt wurde, wenn eine Prüfung ergeben hat, dass sie den Vertriebenenstatus besitzen. Denn Art. 3 Abs. 1 GG verleiht lediglich einen Anspruch darauf, in Übereinstimmung mit einer bestehenden Verwaltungsübung behandelt zu werden. Hat die vollziehende Gewalt eine bestimmte Verwaltungspraxis demgegenüber aus sachlich einleuchtenden Gründen aufgegeben, entfällt auch ihre Selbstbindung an die bisherige Handhabung bzw. eine ihr zugrunde liegende Verwaltungsvorschrift (BVerwG vom 20.3.1973 BVerwGE 46, 89/90; vom 13.2.1981 Buchholz 431.1 Architekten Nr. 7; BGH vom 13.10.1986 NJW 1987, 1329/1330). Da die Aufgabe der früheren Verwaltungspraxis nur das Verfahren betrifft, in dem eine behauptete, nicht vom Spätaussiedlerstatus umfasste vertriebenenrechtliche Position geltend gemacht werden kann, während die materielle Rechtslage unberührt blieb, die Klägerinnen ferner nicht im Besitz von Übernahmegenehmigungen alten Rechts sind (vgl. zu deren Fortgeltung § 100 Abs. 4 BVFG), ging der Verzicht auf eine Weiterführung des früheren "Übernahmeverfahrens" nicht mit einer ggf. unzulässigen, nachträglichen Änderung eines abgewickelten, der Vergangenheit angehörenden Tatbestands einher (vgl. zu diesem Kriterium BVerwG vom 20.3.1973, ebenda). Da die Klägerinnen vor dem 1. Juli 1990 kein Übernahmeverfahren alten Rechts eingeleitet hatten, können sie auch nicht geltend machen, sie hätten - was ohnehin nur ausnahmsweise in Betracht gezogen werden kann - auf den Fortbestand der früheren Verwaltungspraxis vertraut und sich darauf eingerichtet (vgl. dazu BVerwG vom 18.9.1984 BVerwGE 70, 127/136).

e) Auf § 94 BVFG in der bis einschließlich 31. Dezember 1992 geltenden Fassung können sich die Klägerinnen ebenfalls nicht berufen. Denn diese Bestimmung ist angesichts des Umstandes, dass Art. 1 Nr. 32 des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes § 94 BVFG a.F. einen vollständig anderen Inhalt gegeben hat, auch unter Berücksichtigung der Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes und des Gleichbehandlungsgebots auch zugunsten des unter § 100 Abs. 1 BVFG fallenden Personenkreises nicht mehr anwendbar (BVerwG vom 5.12.2000 DVBl 2001, 664). Der 10. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist diesem Rechtsstandpunkt bereits in der die Klägerinnen betreffenden Entscheidung vom 8. September 2008 (Az. 10 CE 08.2303 <juris> RdNr. 5) beigetreten. Auch der erkennende Senat schließt sich den eingehend und überzeugend begründeten Erwägungen im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Dezember 2000 (a.a.O.) an.

Wenn das geltende Recht nach alledem keinen gesonderten behördlichen Ausspruch kennt, durch den einem Vertriebenen oder dem Abkömmling einer solchen Person, der nicht Spätaussiedler ist, die Einreise in das und der Aufenthalt im Bundesgebiet losgelöst von der Erteilung eines ausländerrechtlichen Aufenthaltstitels gestattet werden, so ist hiergegen unter dem Blickwinkel des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) nichts zu erinnern.

Den Klägerinnen steht es unbenommen, bei der für ihren Aufenthaltsort zuständigen deutschen Auslandsvertretung das für den angestrebten Daueraufenthalt im Bundesgebiet benötigte nationale Visum im Sinn von § 6 Abs. 4 AufenthG zu beantragen. Dessen Erteilung richtet sich gemäß § 6 Abs. 4 Satz 2 AufenthG u. a. nach den für die Aufenthalts- und die Niederlassungserlaubnis geltenden Vorschriften.

Da § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG grundsätzlich die Möglichkeit eröffnet, eine Aufenthaltserlaubnis auch für im Aufenthaltsgesetz nicht vorgesehene Zwecke zu erteilen, wäre im Rahmen des Verwaltungsverfahrens, das sich an die Beantragung eines Visums im Sinn von § 6 Abs. 4 AufenthG anschließt, zunächst zu prüfen, ob die von den Klägerinnen in Anspruch genommene Rechtsstellung, Vertriebene oder Abkömmlinge einer Vertriebenen zu sein, zur Folge hat, dass ihnen die Einreise und der Daueraufenthalt in Deutschland selbst dann nicht verwehrt werden darf, wenn in der Person des Anspruchstellers (wie bei den Klägerinnen der Fall) das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG eingreift. Gleiches gälte für die Frage, ob die behauptete Eigenschaft der Klägerinnen als Vertriebene oder Abkömmlinge einer Vertriebenen - bei Fehlen eines hieraus resultierenden Anspruchs auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet - zumindest ein den Ausländerbehörden ggf. eröffnetes Ermessen (z.B. hinsichtlich der Frage, ob - und bejahendenfalls in welchem Umfang - die Sperrwirkung der erfolgten Abschiebung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG zu befristen ist) beeinflusst. Sollte eine dieser Fragen - was der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich offen lässt - zugunsten der Klägerinnen zu beantworten sein, wäre im ausländerrechtlichen Verwaltungsverfahren weiter zu klären, ob sie tatsächlich Vertriebene oder Abkömmlinge einer Vertriebenen sind. Sollte sich die mit dem Visumsantrag befasste Auslandsvertretung bzw. die von ihr ggf. im Innenverhältnis (z.B. nach § 31 AufenthV) beteiligte Ausländerbehörde außerstande sehen, diese Frage aus eigener Kenntnis zu beantworten, steht ihnen entweder die Möglichkeit offen, beim Bundesverwaltungsamt einen Antrag nach § 100 Abs. 2 Satz 3 BVFG zu stellen, sofern diese Vorschrift - was aus Anlass dieses Rechtsstreits gleichfalls keiner Entscheidung bedarf - nicht nur in Verfahren vor "Leistungsbehörden", sondern in allen Verwaltungsverfahren anwendbar ist, in denen über die Gewährung von Rechten und Vergünstigungen an Vertriebene zu befinden ist. Sollte § 100 Abs. 2 Satz 3 BVFG so auszulegen sein, dass eine auf der Grundlage dieser Bestimmung erteilte Bescheinigung rechtliche Wirkungen nur im Verhältnis zu Leistungsbehörden entfaltet (so OVG NRW vom 11.12.2009 Az. 12 A 1787/08 <juris> RdNrn. 6 ff.), wäre die zur Entscheidung über den Visumsantrag zuständige Dienststelle gemäß Art. 35 Abs. 1 GG berechtigt, das Bundesverwaltungsamt oder eine andere kundige Behörde um Amtshilfe (sie bestünde in einem solchen Fall in einer rechtsgutachterlichen Stellungnahme zu den aufgeworfenen vertriebenenrechtlichen Fragen) zu ersuchen.

Sollte den Klägerinnen ein Visum verweigert werden, stünde ihnen nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO das Recht zu, hiergegen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz zu beantragen. Das angerufene Verwaltungsgericht wäre alsdann verpflichtet, alle Fragen zu prüfen, von deren zutreffender Beantwortung die Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Visums abhängt. Dazu gehört, sofern es hierauf entscheidungserheblich ankommt, auch, ob die Klägerinnen überhaupt Vertriebene (bzw. Abkömmlinge einer Vertriebenen) sind, und ob diese Rechtsstellung, falls sie ihnen zusteht, Auswirkungen dergestalt zeitigt, dass ihnen deswegen ein (Dauer-) Aufenthalt im Bundesgebiet ermöglicht oder ein der öffentlichen Verwaltung ausländerrechtlich eingeräumtes Ermessen in bestimmtem Sinne ausgeübt werden muss (vgl. zu dem u. a. aus Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Gebot, im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens, in dem über einen behaupteten, aus dem Vertriebenenstatus hergeleiteten Anspruch des Rechtsschutzsuchenden zu befinden ist, dessen Vertriebeneneigenschaft selbst dann gerichtlich nachzuprüfen, wenn diese Eigenschaft in einem gemäß § 100 Abs. 2 Satz 3 BVFG durchgeführten verwaltungsinternen Verfahren durch die für den Vollzug dieser Bestimmung zuständige Behörde verneint wurde, BSG vom 21.3.2006, a.a.O., RdNr. 22). In einem solchen Rechtsstreit könnten die Klägerinnen zudem - wiederum unter der Voraussetzung der Entscheidungserheblichkeit dieses Gesichtspunkts - die Frage, ob sie Vertriebene oder Abkömmlinge einer Vertriebenen sind - gemäß § 256 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 173 VwGO zum Gegenstand einer Zwischenfeststellungsklage machen. Auf diese Weise wäre es ihnen mithin möglich, einen gesonderten, der Rechtskraft fähigen Ausspruch darüber zu erlangen, ob ihnen diese Rechtsstellung zukommt. Der Forderung des Bundesverfassungsgerichts, wonach es auch im Anschluss an die Befolgung bzw. zwangsweise Durchsetzung einer bestehenden Ausreisepflicht möglich sein muss, ein Vertriebenenanerkennungsverfahren wirkungsvoll weiterzubetreiben und bei einer dem Betroffenen günstigen Entscheidung endgültig wieder in das Bundesgebiet einzureisen (BVerfG vom 9.8.1990 InfAuslR 1990, 297/298), genügt das geltende Recht nach alledem.

Dem ersten der beiden Beweisanträge, die die Klägerinnen auch im Berufungsrechtszug hilfsweise gestellt haben, wurde bereits dadurch entsprochen, dass die in Bezug auf Frau … angefallene Vertriebenenakte schon seitens des Verwaltungsgerichts beigezogen wurde; sie ist im Anlagenverzeichnis des Schreibens der Regierung von Oberbayern - Ausgleichsamt - an das Verwaltungsgericht vom 29. April 2009 an erster Stelle aufgeführt. Unabhängig davon kommt es auf die Beweisthemen, die dieser und der zweite der auf Seite 3 der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht festgehalten Hilfsbeweisanträge zum Gegenstand haben, nicht entscheidungserheblich an. Denn die Klägerinnen besäßen aus den vorstehend aufgezeigten Gründen auch dann keinen Anspruch auf die im vorliegenden Rechtsstreit erstrebten "Gestattungen", wenn im Sinne des Hilfsbeweisantrags 1 nachgewiesen worden wäre, dass die Klägerin zu 1) Vertriebene deutscher Volkszugehörigkeit ist und dass sie im Sinne des Hilfsbeweisantrags 2 die deutsche Sprache in einer für die Führung eines einfachen Gesprächs ausreichenden Weise beherrscht.

Die Kostenentscheidung folgt, soweit die Berufung zurückgenommen wurde, aus § 155 Abs. 2 VwGO, im Übrigen aus § 154 Abs. 2 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe im Sinn von § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Streitwertsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit der Empfehlung in Abschnitt II.1.1.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327).