OLG München, Urteil vom 28.07.2011 - 1 U 522/11
Fundstelle
openJur 2012, 117107
  • Rkr:
Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 14.01.2011, Az. 31 O 1479/09, wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Beklagte betreibt das Kreiskrankenhaus S.

Die Klägerin war die Ehefrau des am 31.08.1941 geborenen und am 23.12.2006 verstorbenen Theodor H. und ist Mitglied der Erbengemeinschaft nach diesem.

Der Ehemann der Klägerin litt unter diversen Erkrankungen, insbesondere an langjährigem Diabetes mellitus Typ 2 mit diabetischer Mikro- und Makroangiopathie, diabetischer Nephropathie, beidseitigen Carotisstenosen und koronarer Herzerkrankung bei Z. n. PTCA/Stent der rechten Koronararterie (RCA).

Die Klägerin fand ihren Ehemann am 14.11.2006 im Badezimmer gestürzt auf. Der um 11:20 Uhr herbeigerufene Notarzt traf den Ehemann der Klägerin laut Notarztprotokoll vorübergehend bewusstlos und mit stark erniedrigtem Blutdruck (70/60 mmHg) an und veranlasste unter der Diagnose einer unklaren Synkope den Transport ins Kreiskrankenhaus S.

Bei Aufnahme im Kreiskrankenhaus war der Ehemann der Klägerin wieder ansprechbar. In der Aufnahmeuntersuchung wurden ein weiterhin erniedrigter Blutdruck (90/50 mmHg), eine Tachykardie (130/min), Fieber (40°C) Blutergüsse an beiden Knien sowie offene Stellen an beiden Füßen festgestellt. Die Aufnahme auf die Intensivstation erfolgte unter den Arbeitsdiagnosen unklare Synkope bei fieberhaftem Infekt, Hypotonie und Exsikkose. Die behandelnden Ärzte stellten ein septisches Krankheitsbild fest. Im Labor bei Aufnahme waren die Entzündungswerte (insbesondere der CRP-Wert) deutlich erhöht. Es wurden noch am Aufnahmetag Blutkulturen abgenommen. In einer Computertomographie des Kopfes vom 14.11.2006 zeigte sich keine akute zerebrale Pathologie als Ursache der Synkope. Im Röntgenbild des Thorax zeigte sich kein Hinweis auf ein entzündliches Infiltrat der Lunge. Es wurde eine intravenöse Flüssigkeits- sowie Katecholamingabe zur Stabilisierung des Kreislaufs begonnen.

Ab dem 15.11.2006 wurde der Ehemann der Klägerin mit einer Kombination der Antibiotika Piperacillin/Sulbactam, Ciprofloxacin und Metronidazol intravenös behandelt.

Am 16.11.2006 erlitt der Ehemann der Klägerin einen generalisierten Krampfanfall. Die daraufhin durchgeführte zerebrale Computertomographie zeigte dafür keine Ursache, weshalb von einer metabolisch-toxischen Genese ausgegangen wurde. Weiter lag am 16.11.2006 der Endbefund der zuvor abgenommenen Blutkulturen vor, der den Nachweis des Bakteriums Streptococcus dysgalactiae ssp. equisimilis erbrachte. Das Antibiotikum Ciprofloxacin wurde durch dass Medikament Moxifloxacin ersetzt, die Behandlung mit Piperacillin/Sulbactam und Metronidazol wurden fortgesetzt.

Vom 16.11. bis 27.11.2006 wurde der Ehemann der Klägerin nach Intubation invasiv beatmet. Am 19.11.2006 musste der Ehemann der Klägerin einmalig reanimiert werden. Weil die bereits bei Aufnahme erhöhten Nierenwerte vorübergehend weiter angestiegen waren, wurde der Ehemann der Klägerin vom 20.11. bis zum 30.11.2006 dialysiert.

Am 28.11.2006 wurde die erste Antibiotikabehandlung am 14. Tag abgesetzt. Am gleichen Tag stieg die Körpertemperatur des Patienten wieder auf bis zu 38,5 Grad an. Nach der Vornahme entsprechender Untersuchungen gingen die Beklagten ab dem 1.12.2006 von dem Verdacht auf eine Mitralklappenendokarditis aus. Am 2.12.2006 wurde erneut eine antibiotische Therapie mit Penicillin G und Imipenen begonnen.

In einer transthorakalen Ultraschalluntersuchung des Herzens vom 28.11.2006 zeigte sich kein sicherer Anhalt für eine Endokarditis. Eine transösophageale Echokardiographie (TEE), nach Durchführung einer Magenspiegelung (Ösophago-Gastro-Duodenoskopie, ÖGD) zum Ausschluss von Ösophagusvarizen, wurde empfohlen, aber am 29.11.2006 invasive Untersuchungen von Seiten der Angehörigen zunächst abgelehnt.

Am 01.12.2006 ergab sich nach weiteren Untersuchungen (ua. TEE; ÖGD) der hochgradige Verdacht auf eine Mitralklappenendokarditis.

Nach erneuter Abnahme von Blutkulturen, die im Verlauf steril bleiben, wurde am Abend des 01.12.2006 eine erneute Antibiotikabehandlung mit Imipenem/Cilastatin und Penicillin G intravenös begonnen.

Am 7.12.2006 wurde bei ihm eine Tracheotomie durchgeführt. Am 12.12.2006 wurde ein Verdacht auf septische Enzephalopathie mit Hirnschädigung festgestellt. Bei einem schließlich am 14.12.2006 durchgeführten CCT zeigten sich bei dem Patienten zwei Hirnabszesse. Am selben Tag wurde der Ehemann der Klägerin in die neurologische Klinik der LMU M., Klinikum G., verlegt.

Dort wurde auf der neurologischen Intensivstation behandelt. Im weiteren Krankheitsverlauf kam es bei ihm zu einem progredienten Multiorganversagen bei gleichzeitig zunehmender Mitralklappendestruktion. Am 23.12.2006 verstarb der Ehemann der Klägerin wegen septischen Multiorganversagens.

Die Klägerin hat vorgetragen:

Ihr Ehemann sei im Krankenhaus der Beklagten fehlerhaft behandelt worden. Die Antibiose, mit der ihr Ehemann ab dem 14.11.2006 behandelt worden sei, sei nicht ausreichend gewesen und zu früh abgesetzt worden. Daneben sei die erneute Antibiotikatherapie mit Penicillin G und Imipenen zu spät begonnen worden. Die Einholung eines neurologischen Konsils sei ebenfalls verspätet gewesen. Schließlich hätte ihr Ehemann zu einem früheren Zeitpunkt als dem 14.12.2006 angesichts des gezeigten Krankheitsbildes in die neurologische Klinik der LMU M. verlegt werden müssen. Die grob fehlerhafte Behandlung ihres Ehemanns habe schließlich zu dessen Tod geführt. Die Beklagte seien daher verpflichtet, an die Erbengemeinschaft nach Theodor H. ein Schmerzensgeld in Höhe von jedenfalls 50.000,00 € zu zahlen und Ersatz für den in Form von Beerdigungskosten entstandenen materiellen Schaden von 16.865,48 € zu leisten.

Die Klägerin hat beantragt,

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Erbengemeinschaft nach Theodor H., verstorben am 23.12.2006, ein angemessenes Schmerzensgeld zu bezahlen, das der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zumindest jedoch EUR 50.000,00 nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2007 zu bezahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 16.865,48 zzgl. 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt:

die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte hat vorgetragen:

Der Ehemann der Klägerin sei im Krankenhaus der Beklagten lege artis behandelt worden. Die zunächst vorgenommene breite antibiotische Therapie sei sachgerecht gewesen. Ebenso sei es sachgerecht gewesen, die antibiotische Therapie am 17.11.2006 durch Einsatz eines anderen Antibiotikums zu modifizieren, Nach Besserung des Zustands des Patienten am 28.11.2006 habe die Antibiose ausgesetzt werden können. Eine früher einsetzende Antibiotikatherapie hätten das Leben des Patienten nicht verlängert. Die Höhe der von der Klägerin geltend gemachten Beerdigungskosten werde bestritten.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Hinzuziehung des Sachverständigen Prof. Dr. med. Johannes B.

Das Landgericht wies mit Urteil vom 14.1.2011 die Klage ab.

Zur Begründung führte das Landgericht aus: Die Antibiotikatherapie sei am 15.11.2006 um 8.00 Uhr sei verspätet eingeleitet worden. Dies sei als grober Behandlungsfehler zu bewerten. Die Beklagte habe jedoch nachgewiesen, dass die Verzögerung nicht ursächlich für den Tod des Ehemanns der Klägerin gewesen sei. Der Sachverständige Prof. Dr. B. habe ausgeführt, dass es gänzlich unwahrscheinlich sei, dass bei einer 15 bis 19 Stunden früher begonnenen Antibiotikabehandlung das Leben des Patienten mehr als nur unwesentlich verlängert worden wäre. Die verspätet begonnene Antibiotikatherapie sei erfolgreich gewesen und habe nach 14-tägiger Dauer beendet werden können. Das Risiko für den Patienten, das durch den nicht rechtzeitigen Beginn der Therapie gesetzt worden sei, habe sich also nicht verwirklicht. Studien, die vom Sachverständigen zitiert worden seien, gingen, falls der Tod des Patienten bis zu 30 Tage nach dem verspäteten Beginn der Antibiotikatherapie eingetreten sei davon aus, dass der verzögerte Therapiebeginn das Sterblichkeitsrisiko erhöht habe. Der Ehemann der Klägerin hingegen sei später als 30 Tage nach dem Beginn der Antibiotikatherapie und nach vorübergehend eingetretener Besserung seiner Leiden verstorben. Der Ehemann der Klägerin sei durch den Behandlungsfehler zwar geschwächt worden, diese Schwächung sei aber für den späteren tödlichen Verlauf der Erkrankung nicht mehr ursächlich gewesen. Im Übrigen könnten keine Fehler der Behandlung festgestellt werden. Die Behandlung ab dem 15.11.2006 mit einer breiten, hochdosierten Antibiotikatherapie sei sachgerecht gewesen, da so am besten die Bekämpfung der möglichen Infektionsquelle bei dem Patienten hätte erreicht werden können. Auch auf Veränderungen des Gesundheitszustandes des Patienten hätten die behandelnden Ärzte durch Umstellung der Therapie sachgerecht reagiert. Darüberhinaus sei auch die Beendigung der Antibiotikatherapie am 27./28.11.2006 nicht zu beanstanden, weil die Therapie, laborchemisch nachgewiesen, angesprochen habe und die zu diesem Zeitpunkt bestehende Therapiedauer von 14 Tagen ausreichend gewesen sei. Die erneute Antibiotikatherapie ab dem 1./2.12.2006 sei rechtzeitig begonnen worden. Die behandelnden Ärzte hätten ein neurologisches Konsil nicht verspätet eingeholt. Schließlich hätte der Ehemann der Klägerin auch nicht zu einem früheren Zeitpunkt als dem 14.12.2006 in die neurologische Klinik der LMU M. verlegt werden müssen. Erst die Diagnose von septischen Hirnabszessen bei dem Patienten habe Veranlassung gegeben, diesen in ein Haus einer höheren Versorgungsstufe zu verlegen.

Die Klägerin legte mit Schriftsatz vom 2.2.2011 gegen das ihr am 19.1.2011 zugestellte Urteil Berufung ein und begründete diese mit Schriftsatz vom 2.2.2011.

Die Klägerin trägt vor:

Die Feststellungen des Landgerichts zur angeblich fehlenden Kausalität zwischen dem groben Behandlungsfehler und dem Versterben ihres Ehemanns seien falsch, weil weder der Sachverständige noch das Landgericht dem weiteren Behandlungsgeschehen nachgegangen seien.

Entgegen der Feststellungen des Erstgerichts beruhe das Versterben des Ehemannes der Klägerin sehr wohl auf seiner fehlerhaften Behandlung und zwar den beiden verspätet begonnenen und durchgeführten Antibiotikatherapien. Entgegen den Feststellungen des Sachverständigen hätte sich der Zustand des Ehemanns der Klägerin nach dem Beginn der ersten Antibiotikatherapie am 15.11.06 nur vorübergehend verbessert. Bereits die Extubation am 27.11.06 sei deshalb verfehlt gewesen, ebenso das Absetzen der ursprünglich verspätet begonnen Antibiose.

Der Beweis dafür werde geführt mit dem Umstand, dass es bereits am 28.11.06 zu einem Wiederanstieg der Entzündungsparameter mit wiederum erhöhtem Fieber bis zu 38,5 Grad gekommen sei. Dennoch sei erst am 02.12.06 eine neue antibiotische Therapie begonnen worden. Hierauf hätten sich nach den Feststellungen des Sachverständigen zwar kurzzeitig seine Laborwerte verbessert. Das sei allerdings nicht weiter von Erfolg gekrönt gewesen, weil der Ehemann der Klägerin bereits am 03.12.06 erneut habe intubiert werden müssen und am 07.12.06 sei sogar noch eine Tracheotomie erforderlich gewesen.

Dies belege anschaulich, dass die Behandlung in der Klinik der Beklagten entgegen den Feststellungen des Erstgerichts auch in der weiteren Folge grob fehlerhaft gewesen sei. Fehlerhaft habe das Landgericht auch übersehen, dass in der Klinik der Beklagten am 12.12.06 nun aufgrund eines EEG ein neuerlicher Verdacht auf eine Sepsis festgestellt worden sei und hierauf ebenfalls unzureichend reagiert worden sei. Der Ehemann der Klägerin sei verspätet erst am 14.12.06 notfallmäßig zur weiteren Therapie in die Neurologische Klinik des Klinikums G. verlegt worden. Zumindest sei ein Obergutachten einzuholen.

Die Klägerin beantragt:

Unter Aufhebung des Endurteils des Landgerichts Ingolstadt Geschäftsnummer 31 0 1479/09 vom 14.01.2011

wird die Beklagte verurteilt, an die Erbengemeinschaft nach Theodor H., verstorben am 23.12.2006, ein angemessenes Schmerzensgeld zu bezahlen, dass der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zumindest jedoch EUR 50.000,00 nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über den Basiszinssatz seit dem 01.07.2007,

wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin EUR 16.865,48 zzgl. fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor:

Die Berufung habe keine Aussicht auf Erfolg. Das Landgericht Ingolstadt habe zutreffend festgestellt, dass der verzögerte Beginn der Antibiose nicht kausal zum Tod des Patienten geführt habe.

Die Berücksichtigung des weiteren Behandlungsverlaufs durch das Landgericht Ingolstadt sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Das Gericht habe den Sachverhalt sowohl richtig als auch vollständig aufgeklärt und festgestellt, dass die weitere Behandlung im Hause der Beklagten in jeder Hinsicht lege artis gewesen sei. Die Einholung eines Obergutachtens sei nicht erforderlich.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Hinzuziehung des Sachverständigen Professor Dr. B. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 19.5.2011 verwiesen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren nimmt der Senat Bezug auf die zwischen den Parteien im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze.

Gründe

Die zulässige Berufung erwies sich als unbegründet.

A. Das Landgericht hat mit zutreffender Begründung die Klage abgewiesen. Es wird zunächst voll umfänglich auf die Entscheidungsgründe des Landgerichts Bezug genommen. Der Klägerin ist es auch in der Berufungsinstanz nicht gelungen den Nachweis zu führen, dass die Beklagten bei der Behandlung des Ehemanns der Kläger über den vom Landgericht festgestellten groben nicht kausalen Behandlungsfehler hinaus weitere kausale Behandlungsfehler begangen haben.

46I. Die Ausführungen des Landgerichts, dass die neunzehnstündige Verzögerung der Antibiotikatherapie für das Versterben des Ehemanns der Klägerin nicht ursächlich war, sind überzeugend. Der Sachverständige hat dargelegt, dass die Verzögerung keinen Einfluss auf den weiteren Verlauf des Behandlungsgeschehens gehabt haben kann, da durch die entnommenen Blutwerte belegt ist, dass die Antibiotika über 14 Tage hinweg antibakteriell gewirkt haben. Weiter hat der Sachverständige angegeben, dass eine verzögerte Antibiotikatherapie möglicherweise den Organismus schwächen kann und die Überlebenschance vermindern kann, dies ist jedoch nur dann anzunehmen, wenn der Patient innerhalb von 30 Tagen stirbt. Schließlich hat der Sachverständige betont, dass durch die verspätete Behandlung im Hinblick auf die Grunderkrankung eine Schwächung für den späteren tödlichen Verlauf der Erkrankung nicht ursächlich gewesen sein kann.

47II. Der Sachverständige hat auch in der Anhörung vor dem Senat betont, dass die Beendigung der Antibiotikatherapie am 27.11.2006 keine Fehler darstellt. Die Diagnose der Ärzte, dass die Infektionsquelle vom Fuß des Patienten ausgehe, also eine schwere Haut- und Weichteilinfektion vorliege, wurde von dem Sachverständigen nicht beanstandet. Der Gutachter hat darauf verwiesen, dass nach den Leitlinien bei derartigen Befunden eine Antibiotikatherapie von 10-14 Tagen durchzuführen ist. Er wies weiter daraufhin, dass die Therapie angeschlagen hatte, die Entzündungszeichen zurückgegangen sind und der Patient extubiert werden konnte. Den Ausführungen des Sachverständigen kann daher entnommen werden, dass auch insoweit die Ärzte der Beklagten lege artis vorgegangen sind.

III. Der Sachverständige hat hinsichtlich der Diagnose der Endokarditis ausgeführt, dass die am 28.11.2006 durchgeführte TGT Untersuchung keinen klaren Befund geliefert habe, so dass zum Ausschluss einer Endokarditis eine transösophageale Echokardiographie (TEE) erforderlich gewesen wäre, wobei eine vorherige Magenspiegelung (Ösophago-Gastro-Duodenoskopie, ÖGD) voranzugehen hat, um eine Verletzung der Speiseröhre bei der TEE Untersuchung auszuschließen. Die Untersuchung wurde am 29. November nicht durchgeführt, da eine Zustimmung der Angehörigen zu dieser Untersuchung nicht vorlag. Die Klägerin hat in ihrer informatorischen Anhörung vor dem Senat dies bestätigt aber einschränkend ausgeführt, dass sie davon ausgegangen sei, dass am gleichen Tag bereits eine Magenspiegelung durchgeführt worden war und sie den Sinn dieser zweiten Untersuchung nicht eingesehen habe. Der Sachverständige hat zutreffend darauf hingewiesen, dass eine Magenspiegelung am 28. November oder am 29.11.2006 den Behandlungsunterlagen nicht entnommen werden kann. In den Behandlungsunterlagen befindet sich vielmehr ein Schreiben der Tochter der Klägerin an den behandelnden Arzt vom 20.11.2006, mit der Bitte von einer Spiegelung der Speiseröhre ihres Vaters abzusehen, um ihn keinen zusätzlichen Stressfaktoren auszusetzen, obgleich die Familie überzeugt sei, dass die Untersuchung eine absolut notwendige und sinnvolle Maßnahme sei. Weiter ist unter dem 29.11.2006 in der Dokumentation vermerkt, dass trotz ausführlicher Erklärungen invasive Untersuchungen seitens der Angehörigen derzeit abgelehnt werden. Der Senat stimmt mit dem Sachverständigen überein, dass kein Notfall vorlag, der eine Untersuchung gegen den Willen der Angehörigen gerechtfertigt hätte, zumal es sich um eine diagnostische Untersuchung gehandelt hat, die, wie auch der Sachverständige im folgenden ausgeführt hat, auch einige Tage später hätte stattfinden können, ohne dass dadurch der Heilungsverlauf nachteilig noch beeinflusst hätte werden können. Insoweit kann die Klägerin der Beklagten nicht vorwerfen, notwendige diagnostische Untersuchungen am 28.11.2006 bzw. 29.11.2006 unterlassen zu haben. Aus dem Schreiben der Tochter der Klägerin vom 20.11.2006 geht auch hervor, dass den Angehörigen die Bedeutung und Notwendigkeit der diagnostischen Untersuchungen sehr wohl bewusst war und sie ihre Entscheidungen abgewogen haben. Es spricht daher nichts dafür, dass der Klägerin am 29.11.2006 die Erforderlichkeit der weiteren Untersuchungen nicht hinreichend erklärt worden ist.

Aber selbst wenn die behandelnden Ärzte sich über den erklärten Willen der Angehörigen hätten hinwegsetzen dürfen und die beiden Untersuchungen bereits am 29.11.2006 hätten durchführen können, kann weder der Vorwurf eines Behandlungsfehlers erhoben werden, noch eine Kausalität festgestellt werden. Wie der Sachverständige ausgeführt hat, hatte die um drei Tage verspätete Diagnose einer Endokarditis keinen Einfluss auf den weiteren Heilverlauf. Zwar hätte dann eine kunstgerechte Antibiotikatherapie früh gestartet werden können, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit hätte die frühere Therapie am Verlauf nichts geändert, da auch bei korrekter Behandlung die Endokarditis eine Mortalitätsrate von 18-27% bzw. bei chronisch kranken Patienten von bis zu 50% aufweist. Weiter erläuterte der Sachverständige, dass Blutuntersuchungen Anfang Dezember gezeigt hätten, dass die Bakterien nicht gewachsen sind, woraus gefolgert werden kann, dass das Antibiotikum die Bakterien im Griff gehabt habe und daher eine frühere endokarditistypische Untersuchung an dem weiteren letalen Verlauf nichts wesentliches geändert hätte. Der Sachverständige hat angegeben, dass ein dreitägiges Abwarten zwischen TGT und TEE keinen Behandlungsfehler darstellen würde, da die Blutproben vom 24.11.2006 und vom 1.12.2006 jeweils negativ gewesen sind. Nur wenn Blutkulturen am 28./29.11.2006 auffällig gewesen wären, hätte unabhängig von dem Ergebnis einer transösophagealen Echokardiographie (TEE) eine endokarditische Antibiotikatherapie erfolgen müssen. Die Blutproben vom 24.11.2006 und 1.12.2006 waren nach den Feststellungen des Sachverständigen negativ ausgefallen, so dass davon ausgegangen werden kann, dass sich am 28./29.11.2006 kein anderes Ergebnis gezeigt hätte.

Im Ergebnis heißt dies, dass ein dreitägiges Abwarten zwischen TGT und TEE keinen Behandlungsfehler darstellt, darüber hinaus die Verzögerung der Untersuchung in den Verantwortungsbereich der Angehörigen des Ehemanns der Klägerin fällt, da sie invasive Untersuchungen zunächst abgelehnt haben, wobei diese Entscheidung aber keinen Einfluss auf das weitere Geschehen hatte.

IV. Hinsichtlich des Vorwurfes, dass das neurobiologische Konsil verspätet eingeholt wurde und der Ehemann der Klägerin zu spät in die neurologische Klinik verlegt worden ist, kann voll umfänglich auf die Entscheidungsgründe des Landgerichtes auf Seite 7 verwiesen werden. Es ist noch hinzuzufügen, dass aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine frühere Einholung eines neurologischen Konsils und eine frühere Verlegung in eine Klinik höheren Versorgungsgrades an dem tragischen Verlauf der Krankheit etwas geändert hätte.

V. Die Voraussetzung für die Einholung eines Obergutachtens sind nicht gegeben; die Ausführungen des Sachverständigen sind überzeugend und gut begründet.

VI. Der Senat sieht sich im Hinblick auf das persönliche Schreiben der Klägerin vom 29. Juni 2011 zu folgenden Bemerkungen veranlasst:

1. Insoweit das Schreiben neue Vorwürfe gegen die Beklagten enthält, können diese in einem Anwaltsprozess keine Berücksichtigung finden.

2. Der Umstand, dass der Ehemann in einem Krankenhaus des Universitätsklinikums M. verstorben ist, rechtfertigt keinerlei Zweifel an der Eignung des Gutachters. Auch die Zusammenarbeit zweier Kliniken reicht nicht aus, um den Vorwurf begründen, dass der Sachverständige nicht neutral sein könne.

3. Im übrigen vermag der Senat die von der Klägerin in ihrem Schreiben aufgeführten Widersprüche nicht zu erkennen. Der Sachverständige hat dargelegt, dass bei einer Diagnose der Endokarditis am 28.11.2006 bereits eine Antibiotikatherapie drei Tage früher hätte eingeleitet werden können, jedoch der Zeitraum von drei Tagen keinen Einfluss auf den weiteren tragischen Krankheitsverlauf gehabt hätte. Es ist unstrittig, dass zwischen dem 28. November und dem 2. Dezember keine Antibiotikabehandlung erfolgte. Insoweit kann der Sachverständige nicht darauf hingewiesen haben, dass eine andere Antibiotikatherapie ausreichend gewesen sei. Der Sachverständige hat vielmehr erklärt, dass die Antibiotikatherapie vom 19. November bis 28. November auch bezüglich der Endokarditis gewirkt hat, er hat jedoch an keiner Stelle diese Antibiotikatherapie als eine optimale Endokarditistherapie eingestuft. Die Sachverständigenanhörung hat auch keine Anhaltspunkte ergeben, dass die Endokarditis bereits zu Behandlungsbeginn hätte diagnostiziert werden können.

B. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO.

C. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

D. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben. Dem Rechtsstreit kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu.

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