LAG München, Urteil vom 27.07.2011 - 11 Sa 319/11
Fundstelle
openJur 2012, 117065
  • Rkr:
Tenor

I. Auf die Berufungen der Parteien wird das Urteil des Arbeitsgerichts Augsburg vom 24.02.2011 - Gz. 7 Ca 895/10 - zum Teil abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.179,50 € (netto) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.03.2009 zu zahlen.

II. Die Kosten der Berufung hat die Klägerin zu 53/100, der Beklagte zu 47/100 zu zahlen. Von den Kosten der 1. Instanz  hat die Klägerin 63/100, der Beklagte 37/100 zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob und in welcher Höhe der Beklagte der Klägerin einen Schaden zu ersetzen hat, den er ihr in Ausübung einer betrieblichen Tätigkeit zugefügt hat.

Der verheiratete, keinem Kind zum Unterhalt verpflichtete Beklagte war seit dem 02.04.2007 bei der Klägerin als Lkw-Fahrer zu 40 Wochenstunden und einer Brutto-Vergütung in Höhe von zuletzt 0,00 € monatlich beschäftigt. Mit Schreiben vom 27.04.2007 sprach die Klägerin dem Beklagten ein absolutes Alkoholverbot am Arbeitsplatz aus und wies ihn darauf hin, dass er sich bei einer Blutalkoholkonzentration ab 0,3 ‰ strafbar machen und seinen Arbeitsplatz verlieren könne. Unter Umständen nehme ihn die Vollkaskoversicherung der Klägerin in Regress. Der Beklagte bestätigte die Kenntnisnahme des Schreibens.

Am 28.06.2008 gegen 3.20 Uhr fuhr der Beklagte mit dem Lkw der Klägerin, amtliches Kennzeichen X, samt Anhänger mit amtlichem Kennzeichen X und Wechselbrücke auf der Bundesautobahn 61 in Fahrtrichtung Süden. Er kam bei trockener Straße von der Fahrbahn ab und fuhr in den rechts vom Standstreifen gelegenen Graben. Bei dem Versuch, den Sattelzug aus dem Graben zu steuern, schleuderte der Sattelzug auf die Fahrbahn zurück und steuerte unkontrolliert in Richtung Mittelschutzplanke, bevor er wieder nach rechts ausscherte. Dabei stürzte der Anhänger des Sattelzugs mitsamt der sich darauf befindlichen Wechselbrücke um und verlor einen Großteil seiner Ladung. Um 5.15 Uhr hatte der Beklagte eine Blutalkoholkonzentration von 0,94 ‰.

Durch inzwischen rechtskräftigen Strafbefehl wurde der Beklagte wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr gem. §§ 316 Abs. 1 u. Abs. 2 StGB zu 35 Tagessätzen à 30,- € verurteilt.

Nach dem Gutachten des Sachverständigenbüros W. vom 07.07.2008 beliefen sich die voraussichtlichen Kosten für die viertägige Reparatur des Lkw auf 8.377,32 € netto. Tatsächlich legte die Klägerin eine Rechnung über Reparaturkosten in Höhe von 3.991,14 € netto vor.

Mit Schreiben vom 10.03.2009 verlangte die Klägerin von dem Beklagten Schadensersatz in Höhe von insgesamt 16.718,18 € netto. Neben den Reparaturkosten für den Lkw gemäß dem Sachverständigengutachten setzte sich dieser Gesamtbetrag aus den Sachverständigenkosten für dieses Gutachten in Höhe von 718,20 €, aus dem Kostenvoranschlag für die Reparatur des Anhängers der Fa. R. M. Kfz-Service GmbH über 2.701,48 €, aus Vorhaltekosten für den Lkw für die viertägige Reparaturdauer in Höhe von 434,52 € sowie aus Bergungskosten gemäß der Rechnungen der Fa. D. F. GmbH über 1.382,85 €, 1.938,30 € und 1.140,51 € zusammen. Des Weiteren forderte die Klägerin eine Unkostenpauschale von 25,- €. Nachdem der Beklagte die Schadensersatzansprüche sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach mit Schreiben vom 17.03.2009 zurückwies, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 26.03.2010 die vorliegende Klage erhoben, die dem Beklagten am 03.04.2010 zugestellt worden ist. Die Klägerin hat geltend gemacht, der Beklagte habe den Verkehrsunfall auf Grund seines Alkoholkonsums und seiner alkoholbedingten Fahrfehler grob fahrlässig verursacht. Zum Unfallzeitpunkt sei die Straße trocken gewesen und in Fahrtrichtung Süden gerade verlaufen. Auf Grund des Verschuldensgrades scheide eine Haftungsprivilegierung zu Gunsten des Beklagten aus. Der Klägerin sei nicht entgegenzuhalten, dass sie weder eine Vollkaskoversicherung für den Lkw und den Anhänger noch einen Schutzbrief für eine eventuell notwendig werdende Bergung des Sattelzuges abgeschlossen habe. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bestehe keine Verpflichtung des Arbeitgebers zum Abschluss einer Vollkaskoversicherung. Darüber hinaus sei ein Schutz des Arbeitnehmers bei grober Fahrlässigkeit nicht zu erreichen, weil der Versicherer gegen den schädigenden Arbeitnehmer Rückgriff nehmen könne, wenn dieser Leistungen an den Versicherungsnehmer, d. h. an den Arbeitgeber, erbringe. Gleiches gelte für eine Transportversicherung. Schließlich würden Vollkaskoversicherungen für Lkws, Anhänger und Wechselbrücken regelmäßig mit einer Selbstbeteiligung von jeweils 5.000,- € abgeschlossen werden, sodass jedenfalls ein Schaden in Höhe von 15.000,- € zu ersetzen wäre. Hinzu käme der Selbstbehalt der Haftpflichtversicherung der Klägerin für die beschädigten Waren und Bergungskosten.

Neben den bereits mit Geltendmachungsschreiben vom 10.03.2009 verlangten Schadenspositionen hat die Klägerin im Rahmen des hiesigen Verfahrens des Weiteren Ausgleich des Selbstbehalts der Haftpflichtversicherung für die beschädigten Waren in Höhe von 1.340,25 € netto und des Schadens an der Wechselbrücke, der aufgrund des Totalschadens mit 4.000,- € abzüglich dem Schrottwert von 150,- € beziffert wurde, d. h. insgesamt 22.059,13 € eingeklagt.

Die Klägerin hat zuletzt unter Klagerücknahme im Übrigen beantragt:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 17.522,25 € zu bezahlen nebst Zinsen aus 12.332,- € in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz jährlich seit dem 24.03.2009 sowie Zinsen aus weiteren 5.190,25 € in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz jährlich ab Klageerhebung.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, dass bei der festgestellten Blutalkoholkonzentration lediglich mittlere Fahrlässigkeit vorliege. Es habe sich um ein sog. Augenblicksversagen gehandelt, das sich auch aus einem familiären Streit vor Fahrtantritt erkläre. Aus der Fürsorgepflicht sei die Klägerin ihm gegenüber verpflichtet gewesen, in Ansehung eines bei Fahrtätigkeit möglichen und erheblichen Sachschadens sowohl eine Vollkaskoversicherung als auch einen die Bergungskosten deckenden Schutzbrief abzuschließen. Er hat die Schadenshöhe bestritten und im Einzelnen gerügt, dass die Klägerin Kostenvoranschläge von mit ihr verbundenen Unternehmen vorgelegt habe. Des Weiteren hat er den angesetzten Wert der Wechselbrücke bestritten. Jedenfalls sei bei der Festsetzung des Schadensersatzes sein nur geringer monatlicher Verdienst in Höhe von 2.300,- € brutto und die Tatsache, dass sein neues Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 15.02.2011 ende, zu berücksichtigen. Des Weiteren sei einzubeziehen, dass er über keine Vermögenswerte wie Sparbuch, Lebensversicherung, Wohnungseigentum oder Fahrzeug verfüge. Schließlich sei ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Klägerin verwirkt, weil diese trotz seiner Ablehnung einer Einstandspflicht ein weiteres Jahr bis zur Klageerhebung habe vergehen lassen.

Das Arbeitsgericht Augsburg hat durch Urteil vom 24.02.2011 den Beklagten zur Zahlung eines Schadensersatzes in Höhe von 7.010,56 € nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der an sich gegebene Schadensersatzanspruch der Klägerin in Höhe von 17.087,73 € gem. §§ 280, 249, 276 BGB wegen grob fahrlässiger Unfallverursachung um einen Betrag in Höhe von 10.077,17 € zu kürzen sei. Nach den Grundsätzen des § 254 BGB sei unter Abwägung aller für die Schadensteilung in Betracht kommenden Umstände dem Beklagten eine Schadenstragung in voller Höhe nicht zumutbar. Die Klägerin müsse sich entgegenhalten lassen, dass sie ihr Eigentum am Fahrzeug nicht durch den Abschluss einer Kaskoversicherung geschützt habe. Hierfür spreche auch die Neuregelung in § 81 Abs. 2 VVG, nach der sich Versicherer bei grob fahrlässig herbeigeführten Versicherungsfällen nicht mehr wie bis zum 31.12.2007 vollständig von ihrer Haftung freizeichnen könnten. Deshalb müsse geprüft werden, welche Leistungen die Versicherung der Klägerin bei grober Fahrlässigkeit erbracht hätte. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte und unter Berücksichtigung, dass kein Fall besonders grober oder gröbster Fahrlässigkeit vorliege, sei davon auszugehen, dass die Versicherung die Hälfte des Schadens ersetzt hätte. Gleiches gelte in Bezug auf den die Bergungskosten absichernden Schutzbrief. Die Addition der geltend gemachten Schadenspositionen, reduziert um die Hälfte, ergebe einen Gesamtbetrag in Höhe von 10.077,17 €. Hilfsweise hat das Arbeitsgericht seine Entscheidung auf die Überlegung gestützt, dass Haftungserleichterungen bei grober Fahrlässigkeit nicht ausgeschlossen seien. Deshalb sei die Schadenshöhe ins Verhältnis zu setzen zum bisherigen bzw. derzeitigen Bruttoverdienst des Beklagten, was ein deutliches Missverhältnis aufweise. Unter Berücksichtigung dessen, dass die Klägerin auf den Abschluss einer Vollkaskoversicherung bzw. eines Schutzbriefes verzichtet habe, sei die an sich bestehende Schadensersatzforderung ebenfalls um 10.077,17 € zu reduzieren.

Gegen das den Parteien jeweils am 18.03.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 25.03.2011, beim Landesarbeitsgericht München eingegangen am 28.03.2011, Berufung eingelegt und diese zugleich begründet. Der Beklagte hat seinerseits mit Schriftsatz vom 30.03.2011, eingegangen am 31.03.2011, Berufung eingelegt und diese mit dem am 28.04.2011 eingegangenen Schriftsatz vom selben Tage begründet.

Die Klägerin meint, das Arbeitsgericht habe die hypothetischen Leistungen einer Vollkaskoversicherung vom Schadensbetrag nicht abziehen dürfen. Sie sei nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht zum Abschluss einer derartigen Versicherung verpflichtet. Darüber hinaus habe das Arbeitsgericht den Abzug falsch berechnet. Während es bei der Schadensberechnung die tatsächlichen Reparaturkosten des Lkws in Höhe von 3.991,14 € ansetze, gehe es im Rahmen der Anrechnung von einem Betrag in Höhe der hälftigen Veranschlagung durch den Gutachter in Höhe von 4.188,66 € aus. Im Übrigen verteidigt sie die Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts. Soweit der Beklagte behaupte, es seien Gefälligkeitsrechnungen seitens mit ihr verbundener Unternehmen vorgelegt worden, sei diese Behauptung ins Blaue hinein ohne Anhaltspunkte geschehen. Selbst wenn sie Reparaturrechnungen nicht bezahlt hätte, was nicht der Fall sei, so wäre der geltend gemachte Schaden trotzdem bereits entstanden, da die jeweiligen Firmen durchsetzbare Ansprüche auf Bezahlung der jeweiligen Rechnungen ihr gegenüber hätten.

Die Klägerin beantragt unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Augsburg:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin über die im Urteil des Arbeitsgerichts Augsburg vom 24.02.2011, Az. 7 Ca 895/10, zugesprochenen 7.010,56 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz jährlich aus 3.950,67 € seit 24.03.2009 und aus weiteren 3.059,89 € seit dem 03.04.2010 hinaus weitere 10.511,69 € zu bezahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz jährlich aus 8.381,33 € seit dem 24.03.2009 und aus 2.130,36 € seit dem 03.04.2010.

2. Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

Der Beklagte beantragt unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Augsburg:

 1. Die Klage wird abgewiesen.

 2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

 3. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Er bestreitet, grob fahrlässig den streitgegenständlichen Verkehrsunfall am 28.06.2008 verursacht und hierbei den Lkw samt Anhänger der Klägerin erheblich beschädigt zu haben. Ihm könne lediglich der Vorwurf relativer Fahruntauglichkeit gemacht werden. Ohne Angabe exakter Trinkmengen, Alkoholqualitäten, Zeiträume des Alkoholkonsums sowie exakter Körpermerkmale des Beklagten sei eine Rückrechnung auf den Unfallzeitpunkt nicht möglich.

Der Beklagte bestreitet darüber hinaus den geltend gemachten Schaden der Höhe nach. Die Reparaturkosten seien weder notwendig noch erforderlich gewesen. Im Rahmen des bestehenden Treue- sowie Fürsorgeverhältnisses der Klägerin ihm gegenüber wäre diese verpflichtet gewesen, preiswertere Ersatzteile, ggf. gebrauchte Ersatzteile, zu verwenden. Angesichts der bestehenden Firmenverflechtungen dränge sich der Verdacht von Gefälligkeitsrechnungen auf. Er bestreitet insoweit, dass die Klägerin die Reparaturkosten auch tatsächlich an ihre Schwesterfirmen bezahlt habe. Mit dem Arbeitsgericht sei von einer Verpflichtung zur Schadensminderung durch den Abschluss einer Vollkaskoversicherung nebst Schutzbrief auszugehen, die zu einer erheblichen Kürzung der Schadensersatzansprüche bei Verstoß gegen diese Obliegenheit führe. Schließlich rügt der Beklagte, dass das Arbeitsgericht die Voraussetzungen der Verwirkung abgelehnt habe.

Wegen des Vortrags der Klägerin im Einzelnen wird auf ihre Schriftsätze vom 25.03.2011 und 06.06.2011 und den Schriftsatz des Beklagten vom 28.04.2011 Bezug genommen.

Gründe

I.

Die nach § 64 Abs. 2 lit. b) ArbGG statthaften Berufungen beider Parteien sind frist- und formgerecht eingelegt sowie begründet worden und daher zulässig, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO.

II.

Die Berufung der Klägerin ist nur zum Teil begründet, diejenige des Beklagten ist insgesamt unbegründet.

Das Arbeitsgericht ist zu Recht von einer Schadensersatzpflicht des Beklagten aufgrund grob fahrlässiger Herbeiführung des Verkehrsunfalls am 28.06.2008 ausgegangen. Lediglich in Bezug auf die vorzunehmende Haftungserleichterung kommt das erkennende Gericht zu einer anderen Wertung.

1. Mit dem Arbeitsgericht ist davon auszugehen, dass der Beklagte seine arbeitsvertraglichen Pflichten dadurch grob fahrlässig verletzt hat, dass er seinen Dienst im alkoholisierten Zustand angetreten, den Lkw trotz einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 0,94 ‰ gefahren und in Folge der Alkoholisierung und alkoholbedingter Ausfallerscheinungen einen Schaden am Fahrzeug verschuldet hat, §§ 280 Abs. 1, 276, 254 BGB i. V. m. dem Arbeitsvertrag, § 823 Abs. 1 BGB.

a) Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (vgl. BAG, Urt. v. 23.01.1997 - 8 AZR 893/95 -, NZA 1998, 140; LAG Köln, Urt. v. 09.11.2005 - 3 (7) Sa 369/05 -, NZA-RR 2006, 311). Im Gegensatz zum rein objektiven Maßstab bei einfacher Fahrlässigkeit sind bei grober Fahrlässigkeit auch subjektive Umstände zu berücksichtigen. Es ist deshalb zu prüfen, ob der Schädigende nach seinen individuellen Fähigkeiten die objektiv gebotene Sorgfalt erkennen und erbringen konnte (vgl. BAG, Urt. v. 18.01.2007 - 8 AZR 250/06 -, AP BGB § 254 Nr. 15).

b) Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall erfüllt, denn der Beklagte hat den Schaden durch einen objektiv und subjektiv schwerwiegenden Pflichtenverstoß verursacht.

Entgegen der Auffassung des Beklagten kommt es für die Feststellung des Grades des Verschuldens nicht lediglich auf den eigentlichen Unfallhergang an, sondern bereits auf das Geschehen beim Dienstantritt. Angesichts des ausdrücklich erteilten Alkoholverbots vom 27.04.2007 und der bei einem Berufskraftfahrer zu unterstellenden Kenntnis der Gefahren alkoholisierten Führens von Kraftfahrzeugen hat der Beklagte in besonderer Weise leichtfertig und unverantwortlich gehandelt, als er in den frühen Morgenstunden des 28.06.2008 seinen Dienst angetreten und den ihm anvertrauten Lkw mit einem Blutalkoholwert von jedenfalls 0,94 ‰ gesteuert hat. Hinzu kommt, dass die Reaktions- und Konzentrationsfähigkeit zu der fraglichen Tageszeit ohnehin herabgesetzt und ihm aufgrund seiner regelmäßigen nächtlichen Fahrten auch bekannt war. Er hat damit die ihm als Arbeitnehmer obliegende Sorgfaltspflicht in einem ungewöhnlich hohen Maße verletzt und das außer Acht gelassen, was jedem einleuchtet (vgl. BAG, Urt. v. 23.01.1997, aaO). Dabei kann ihn der behauptete Streit mit seiner Ehefrau nicht entlasten. Wenn dieser seine Konzentrationsfähigkeit erheblich gemindert hätte, hätte er seinen Fahrdienst nicht antreten dürfen, sondern sich arbeitsunfähig melden müssen. Bezüglich des Unfallgeschehens als solchem ist ebenfalls von einer grob fahrlässigen Herbeiführung durch ihn auszugehen. Zwar war er nicht absolut fahruntüchtig, weil seine Blutalkoholkonzentration den Grenzwert von 1,1 ‰ nicht erreicht hat. Eine absolute Fahruntüchtigkeit kann jedoch auch bei einer Blutalkoholkonzentration von unter 1,1 ‰ vorliegen, wenn alkoholbedingte grobe Fahrfehler oder Ausfallerscheinungen vorliegen. An die Ausfallerscheinungen sind umso geringere Anforderungen zu stellen, je mehr sich die Blutalkoholkonzentration dem Grenzwert von 1,1 ‰ nähert (vgl. OLG Saarbrücken, Urt. v. 07.04.2004 - 5 U 688/03 -, NJW-RR 2004, 1404). Derartige Ausfallerscheinungen sind im vorliegenden Sachverhalt zu bejahen. Der Beklagte ist bei trockener Witterung und gerader Straße von der Fahrbahn abgekommen, ohne dass hierfür eine andere Ursache als seine alkoholbedingte Fahrweise in Betracht zu ziehen war.

332. Der Beklagte haftet für den entstandenen Schaden jedoch nur in Höhe von drei Bruttomonatsvergütungen. Seine Haftung ist nach den Grundsätzen der eingeschränkten Arbeitnehmerhaftung auf diesen Betrag beschränkt.

a) Nach der Entscheidung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 27.09.1994 (GS 1/89 (A), BAGE 78, 56 ff. = NZA 1994, 1083) finden die Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung auf alle Arbeiten Anwendung, die durch den Betrieb veranlasst sind und die auf Grund eines Arbeitsverhältnisses geleistet werden. Vorsätzlich verursachte Schäden hat der Arbeitnehmer in vollem Umfang zu tragen. Bei grober Fahrlässigkeit hat der Arbeitnehmer in der Regel den gesamten Schaden zu tragen, wobei eine Haftungserleichterung von einer Abwägung im Einzelfall abhängig ist. Bei leichtester Fahrlässigkeit haftet er nicht, während bei normaler Fahrlässigkeit der Schaden in aller Regel zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer verhältnismäßig zu teilen ist. Ob und ggf. in welchem Umfang der Arbeitnehmer an den Schadensfolgen zu beteiligen ist, richtet sich im Rahmen einer Abwägung der Gesamtumstände, insbesondere von Schadensanlass und Schadensfolgen, nach Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkten. Zu den Umständen, denen je nach Lage des Einzelfalls ein unterschiedliches Gewicht beizumessen ist und die im Hinblick auf die Vielfalt möglicher Schadensursachen auch nicht abschließend bezeichnet werden können, gehören der Grad des dem Arbeitnehmer zur Last fallenden Verschuldens, die Gefahrgeneigtheit der Arbeit, die Höhe des Schadens, ein vom Arbeitgeber einkalkuliertes oder durch die Versicherung abdeckbares Risiko, die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb und die Höhe des Arbeitsentgelts, in dem möglicherweise eine Risikoprämie enthalten ist. Auch können u. U. die persönliche Verhältnisse des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sein (vgl. BAG, Urt. v. 18.01.2007 -  8  AZR 250/06 -, aaO; Urt. v. 18.04.2002 - 8 AZR 348/01 -, NZA 2003, 37; Urt. v. 15.11.2001 - 8 AZR 95/01 -, NZA 2002, 612).

Diese Wertvorstellungen, die den Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 20 Abs. 1 und 28 Abs. 1 GG zugrunde liegen (so BAG, Urt. v. 12.10.1989 - 8 AZR 276/88 -, NZA 1990, 97, 98), sind aus Gründen der Rechtssicherheit für beide Vertragsparteien dahingehend zu typisieren, dass eine von der Monatsvergütung des Arbeitnehmers abhängige Haftungshöchstsumme bestimmt wird: Bei einem deutlichen Missverhältnis zwischen Verdienst und dem Schadensrisiko der Tätigkeit ist die Haftung des Arbeitnehmers bei mittlerer Fahrlässigkeit grundsätzlich auf eine, bei grober Fahrlässigkeit  grundsätzlich auf drei Bruttomonatsvergütungen zu beschränken (vgl. Griese, NZA 1996, 803 ff., 808 f.; ders. in Küttner, Personalbuch 2011, 18. Aufl. 2001, „Arbeitnehmerhaftung“ Rn. 16; Hanau/Rolfs, NJW 1994, 1439 ff., 1442; abl. BAG, Urt. v. 12.10.1989 - 8 AZR 276/88 -, NZA 1990, 97; Reichold in Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2009, § 51 Rn. 38).

Die hiergegen vorgebrachten Argumente greifen nicht durch. Soweit das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 12.10.1989 (aaO) meint, es fehle bereits an einer allgemeinen Rechtsüberzeugung, so dürfte sich diese in den vergangenen zwei Jahrzehnten gewandelt haben (vgl. etwa den Gesetzesantrag des Landes Brandenburg für ein Arbeitsvertragsgesetz, wiedergegeben bei Griese, NZA 1996, aaO, 808 f.). Angesichts der immer wertvolleren Betriebsmittel, die im Arbeitsalltag zum Einsatz kommen, der zunehmenden Leistungsverdichtung am Arbeitsplatz und den gleichzeitig festzustellenden (Netto-)Gehaltsrückgängen bei vielen Beschäftigungsgruppen ist das grundgesetzliche Gebot der Existenzsicherung, Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG, im Rahmen der Arbeitnehmerhaftung stärker zu berücksichtigen. Immerhin hat das Bundesarbeitsgericht in einer neueren Entscheidung zur Arbeitnehmerhaftung den geltend gemachten Schaden an der „vielfach in die Diskussion eingeführten Grenze von drei Monatsgehältern“ gemessen (vgl. BAG, Urt. v. 18.01.2007, aaO, Rn. 42). Auch schließt das geltende Recht keinen Richtwert oder Leitlinien für die Höhe der Schadenshaftung aus (so noch BAG, Urt. v. 12.10.1989, aaO; Reichold, aaO). Die vorstehend genannte Typisierung orientiert sich an den aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 20 Abs. 1 und 28 Abs. 1 GG abgeleiteten Werten, die als „Umstände“ i. S. d. § 254 Abs. 1 BGB in die Schadensbestimmung einfließen. Es geht um eine Abwägung der Schadenstragung nach Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkten (so BAG, Urt. v. 18.01.2007, aaO). Im Übrigen sind Regelwerte der Rechtsfortbildung nicht fremd: Monatsgrenzen liegen etwa der Rechtsprechung zur Rückzahlung von Fortbildungskosten zugrunde (siehe etwa BAG, Urt. v. 14.01.2009 - 3 AZR 900/07 -, NZA 2009, 666).

b) Nach den vorstehenden Grundsätzen ist die Haftung des Beklagten auf drei Bruttomonatsvergütungen zu beschränken.

aa) Mit dem Arbeitsgericht ist von einer Schadenshöhe von 17.087,73 € auszugehen. Die hiergegen im Berufungsverfahren seitens des Beklagten vorgebrachten Einwände greifen nicht durch. Insoweit kann auf die zutreffenden Erwägungen des Arbeitsgerichts verwiesen werden. Ergänzend stützt die Kammer ihre Entscheidung auf folgende Erwägungen: Die Reparaturkosten sind bereits durch das Sachverständigengutachten belegt, das der Beklagte auch zweitinstanzlich nicht in Frage gestellt hat (vgl. BGH, Urt. v. 20.10.2009 - VI ZR 53/09 -, NJW 2010, 606). Es kommt auch nicht darauf an, dass die Klägerin die Reparaturen tatsächlich vornimmt; § 249 Abs. 1 BGB lässt neben der Naturalrestitution auch die Abrechnung fiktiver Instandsetzungskosten auf Gutachtenbasis zu (siehe Knorr in Geigel, Haftpflichtprozess, 26. Aufl. 2011, 1. Teil, 3. Kapitel, Ziffer 5, Rn. 30 f.). Die Klägerin ist nicht darauf zu verweisen, dass sie gebrauchte Ersatzteile verwendet. Diese sind nicht notwendig erhältlich und bieten keine ausreichende Gewähr dafür, dass der entstandene Schaden vollständig beseitigt wird (siehe Knorr, aaO, Rn. 33).

Zusätzlich stehen der Klägerin darüber hinaus sog. Vorhaltekosten in Höhe von 434,52 € zu (vgl. BGH, Urt. v. 10.05.1960 - VI ZR 235/59 -, NJW 1960, 133;  Knorr, aaO, Rn. 108).

Mithin ergibt sich ein Gesamtschaden in Höhe von 17.522,25 €.

bb) Der Schaden ist im vorliegenden Fall jedoch auf drei Bruttomonatsvergütungen zu beschränken.

Die Fahrertätigkeit des Beklagten gehörte unstreitig zu seinen vertraglich geschuldeten Arbeitsaufgaben und war damit betrieblich veranlasst, weshalb die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung Anwendung finden.

Bei der Tätigkeit eines Lkw-Fahrers realisieren sich regelmäßig Schadensrisiken, deren Beträge ein Mehrfaches der monatlichen Bruttovergütung des betreffenden Arbeitnehmers ausmachen. So beträgt im vorliegenden Fall der behauptete Schaden 17.522,25 € und ist das 6,5fache des monatlichen Bruttoverdienstes des Beklagten. Darüber hinaus besteht bei Lkw-Fahrern eine besonders hohe Schadensgeneigtheit der Tätigkeit, die sich aus der regelmäßig anzutreffenden Verkehrsdichte, der oft schwierigen Witterungsbedingungen und den im Fernverkehr häufigen Nachtfahrten begründet.

Bei einem Bruttogehalt des Beklagten im Rahmen des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin in Höhe von 2.762,50 € ergibt sich ein Schadensersatzanspruch von 8.287,50 €.

45cc) Dieser Betrag ist nicht weiter zu mindern. § 81 Abs. 2 VVG, wonach bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls der Versicherer lediglich berechtigt ist, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen, nicht aber gänzlich abzulehnen, findet keine (analoge) Anwendung auf Arbeitnehmer. Der Arbeitnehmer ist nicht Repräsentant des Arbeitgebers, der Versicherungsnehmer ist (vgl. Burmann in Burmann/Haß/Jahnka, Straßenverkehrsrecht, 21. Aufl. 2010, § 81 Rn. 9). Eine Regelungslücke besteht nicht, da die Quotenregelung des § 81 Abs. 2 VVG nach dem Sinn und Zweck nur zu Gunsten des Versicherungsnehmers gilt (Keyers/Nugel, NJW-Spezial 2008, 681; Waas/Palonka in Däubler/Hjort/ Schubert/Wolmerat, Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2010, § 619 Rn. 16; a. A. Gross/Wesch, NZA 2008, 849).

c) Schließlich ist der Anspruch der Klägerin nicht verwirkt, § 242 BGB. Der Beklagte hat keine Umstände vorgetragen, aus denen sich sein Vertrauen rechtfertigen könnte, nach dem Geltendmachungsschreiben der Klägerin vom 10.03.2009 nicht mehr gerichtlich in Anspruch genommen zu werden. Allein der Zeitablauf zwischen diesem Schreiben und der Klageerhebung mit Schriftsatz vom 26.03.2010 genügt nicht. Hierin ist kein besonderer Umstand zu sehen, der den Eindruck erwecken konnte, dass die Klägerin ihr Recht nicht mehr geltend machen wolle (vgl. BAG, Urt. v. 25.04.1002 - 5 AZR 498/99 -, NZA 2001, 966, 967).

III.

Die Kostenentscheidung für den (gesamten) Rechtsstreit beruht auf §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO.

IV.

Die Berufung war gem. § 72 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 ArbGG für beide Parteien zuzulassen, weil die Entscheidung im Hinblick auf § 81 Abs. 2 VVG grundsätzliche Bedeutung hat und von dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 12.10.1989 - 8 AZR 276/88 - abweicht.

      Dr. Eulers                  Kain                  Onigbanjo