VG Ansbach, Beschluss vom 11.07.2011 - AN 15 S 11.01195
Fundstelle
openJur 2012, 116582
  • Rkr:
Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Klage gegen Nr. 2 und 3 des Bescheids des Landratsamts ... vom 19. Mai 2011 aufschiebende Wirkung hat.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

2. Der Antragsteller hat 3/5, der Antragsgegner 2/5 der Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Das Landratsamt ... hatte dem Antragsteller nach einem Widerruf früher erteilter Waffenbesitzkarten am 9. Juni 2009 die Waffenbesitzkarte Nr. ... erteilt. Im Zuge von Ermittlungen zur Zuverlässigkeit legte die Polizeiinspektion ... dem Landratsamt einen Vorgang des Finanzamts ..., Steuerfahndungsstelle, vor, wonach im Anwesen des Antragstellers am 7. Juli 2010 eine Wohnungsdurchsuchung in Anwesenheit von Ehefrau und Tochter des Antragstellers durchgeführt wurde. Nach dem Aktenvermerk des Fahndungsprüfers vom 8. Juli 2010 durchsuchte dieser das Schlafzimmer des Antragstellers und seiner Ehefrau im ersten Obergeschoss. Beim Öffnen der rechten Tür des Kleiderschranks bemerkte er sofort, dass oben auf der Hutablage rechts ein Revolver lag. Weil selbst als waffensachkundig geprüft, habe er den Revolver aus dem Kleiderschrank herausgenommen, um ihn zu überprüfen. Dabei habe sich herausgestellt, dass es sich um einen mit fünf Patronen geladenen Revolver der Marke Smith & Wesson mit dem Kaliber ...357, Magnum, gehandelt habe. Er habe die Waffe entladen und den Fund seiner bei der Durchsuchung anwesenden Kollegin mitgeteilt, sowie zur Dokumentation Aufnahmen gefertigt. Weiter wurde unter anderem ausgeführt, dass die benachrichtigte Polizei mitgeteilt habe, die Waffe könne im Haus bleiben, wenn sie ordnungsgemäß im vorhandenen Safe aufbewahrt werde. Er sei dann mit der Ehefrau des Antragstellers in den Keller gegangen. Diese habe den Safe geöffnet und er habe den entladenen Revolver und die fünf Schuss Munition hineingelegt. Dann habe er sich noch davon überzeugt, dass die Ehefrau des Beschuldigten den Safe ordnungsgemäß verschlossen habe. Im Aktenvermerk der leitenden Fahndungsprüferin vom selben Tag wurde festgehalten, dass die Ehefrau des Antragstellers, nach Klärung der Formalitäten, gebeten worden sei, den Standort des Tresors zu nennen und diesen zu öffnen. Sie habe sich überzeugt, dass zum Zeitpunkt der Öffnung keine Waffe im Tresor gewesen sei. Mit dem Antragsteller sei später telefoniert worden. Er sei aufgefordert worden mitzuteilen, wo sich seine Waffe befinde. Diese Auskunft habe der Antragsteller unter Hinweis darauf verweigert, dass die Steuerfahndung einen Durchsuchungsbeschluss habe und suchen solle. Als Beschuldigter habe er das Recht, die Auskunft zu verweigern. Kurze Zeit später sei ihr Kollege mit einer Magnum ...375, geladen mit fünf Patronen, gekommen und habe mitgeteilt, dass er die Waffe im Schlafzimmerschrank gefunden habe. Das zuständige Landratsamt habe mitgeteilt, dass auf den Antragsteller zwei Waffen registriert seien, wobei für den Revolver die Aufbewahrung in einem Tresor im Keller und für das Gewehr eine Aufbewahrung im Schützenverein erlaubt sei. Auf den in diesem Zusammenhang ergangenen, seit 26. Februar 2011 rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichtes ..., mit dem eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen verhängt wurde, wird Bezug genommen.

Nach Anhörung widerrief das Landratsamt ... die Waffenbesitzkarte des Antragstellers (Nr. 1 des Bescheids). Weiter verfügte es, dass der Antragsteller die in der Waffenbesitzkarte eingetragenen näher bezeichneten beiden Schusswaffen und eventuell vorhandene Munition innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung des Bescheides dauerhaft unbrauchbar zu machen oder einem Berechtigten zu überlassen habe. Darüber sei binnen sechs Wochen nach Zustellung des Bescheids ein Nachweis vorzulegen (Nr. 2 des Bescheids). Weiter verfügte es, dass die Waffenbesitzkarte im Original binnen sechs Wochen nach Zustellung des Bescheides beim Landratsamt abzugeben sei (Nr. 3 des Bescheids) und stellte fest, dass die Nrn. 1, 2 und 3 des Bescheides kraft Gesetzes sofort vollziehbar seien (Nr. 4 des Bescheids). Für den Fall, dass den Anordnungen unter Nrn. 2 und 3 nicht fristgerecht Folge geleistet werde, drohte es im Hinblick auf die Nr. 2 die Sicherstellung der Waffen durch das Landratsamt und im Hinblick auf Nr. 3 ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR an.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Waffenbesitzkarte sei nach § 45 Abs. 2 WaffG zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen einträten, die zur Versagung hätten führen müssen. Hierzu gehöre das Fehlen der Zuverlässigkeit. Personen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass sie mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren würden, seien nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 b WaffG stets als unzuverlässig anzusehen. Nach dem im Strafbefehl rechtskräftig festgestellten Sachverhalt habe der Antragsteller seine Schusswaffe nicht nur so unsachgemäß gelagert, dass auch nichtberechtigte Personen hierauf freien Zugriff gehabt hätten, was ein Verstoß gegen die Aufbewahrungspflicht nach § 36 Abs. 2 WaffG sei, vielmehr habe er die Waffe darüber hinaus auch in geladenem Zustand außerhalb des Tresors aufbewahrt, was gegen die Pflicht zur getrennten Aufbewahrung von Waffen und Munition verstoße. Da § 45 Abs. 2 WaffG keine Ermessensvorschrift sei, sei die Waffenbesitzkarte zu widerrufen gewesen, weil der Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitze. Im Übrigen wird auf den Bescheid Bezug genommen.

Hiergegen erhob der Antragsteller am 16. Juni 2011 fristgerecht Klage und stellte am selben Tag einen Eilantrag. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, der Antragsgegner unterlasse es, die in § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG geforderte Prognoseentscheidung zu treffen. Auch wäre es richtig gewesen, im vorliegenden Fall § 5 Abs. 2 WaffG zur Anwendung zu bringen. Ferner unterscheide der Antragsgegner nicht zwischen § 45 Abs. 2 Satz 1 oder Satz 2 WaffG, so dass offensichtlich Rechtsvorschriften nicht richtig angewandt worden seien. Weil der Widerruf rechtswidrig sei, bestehe auch keine Rechtsgrundlage für Vollstreckungsmaßnahmen, so dass diese einzustellen seien. Durch die Abgabe von Waffen, Munition und Waffenbesitzkarte würde dem Antragsteller ein nicht wieder gut zu machender Schaden entstehen.

Der Antragsteller beantragt,

„die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen“.

Der Antragsgegner stellt den Antrag,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, nach den Feststellungen des Amtsgerichts habe der Antragsteller seinen Revolver entgegen seiner gesetzlichen Pflicht nicht nur nicht in seinem Tresor aufbewahrt, sondern sogar in geladenen Zustand im Schlafzimmer seines Einfamilienhauses im Kleiderschrank aufbewahrt und zwar so, dass er nach dem Öffnen des Schranks offen zu sehen gewesen sei und durch seine Abwesenheit Frau und Tochter freien Zugriff auf die geladene Waffe gehabt hätten. Er habe also deutlich zu erkennen gegeben, dass er seinen waffenrechtlichen Aufbewahrungspflichten in besonders schwerwiegendem Maße nicht nachkommen wolle. Das Landratsamt habe daher davon ausgehen können, dass die Risiken, die von einem Waffenbesitz des Antragstellers ausgingen, nicht mehr hätten hingenommen werden können, weil er nicht mehr das Vertrauen verdiene, dass er jederzeit mit Waffen und Munition sorgfältig umgehe.

Im Übrigen werde auf die Akten Bezug genommen.

II.

Der zulässige Eilantrag ist nur im tenorierten Umfang begründet.

Im Hinblick auf Nr. 2 und 3 des Bescheids ist der Antrag nach §§ 86 Abs. 3, 88 VwGO als Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO analog auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Klage auszulegen, weil sich der Antragsteller nach seiner Antragsbegründung gegen den faktischen Vollzug wendet und der Antragsgegner von einem gesetzlich angeordnetem Sofortvollzug ausgeht, weshalb er den Beginn der sechswöchigen Erfüllungsfristen mit der Bekanntgabe des Bescheids und nicht mit seiner Unanfechtbarkeit verknüpft hat. Insoweit ist der Antrag daher statthaft (vgl. BayVGH, Beschluss vom 13.10.2010 14 CS 10. 2198 <Juris> m.w.N). Er ist auch begründet. Denn entgegen den Ausführungen des angegriffenen Bescheids ergibt sich der Sofortvollzug insoweit nicht kraft Gesetzes. § 45 Abs. 5 WaffG in der ab 1. April 2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des Waffengesetzes und weiterer Vorschriften vom 26. März 2008 (BGBl I Seite 426) beschränkt nämlich nach seinem eindeutigen Wortlaut den Wegfall der aufschiebenden Wirkung einer Klage in den Fällen fehlender Zuverlässigkeit oder Eignung auf die Rücknahme nach § 45 Abs.1 WaffG und den Widerruf nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG, während Entscheidungen nach § 46 WaffG nicht erfasst sind. Weil das Landratsamt auf Grund seiner unzutreffenden Rechtsauffassung einen Sofortvollzug nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO für die Nummern 2 und 3 seines Bescheids nicht angeordnet hat, hat die Klage nach § 80 Abs. 1 VwGO in diesem Umfang aufschiebende Wirkung.

Im Übrigen war der Antrag abzulehnen.

Soweit der Eilantrag den in Nr. 1 des Bescheids enthaltenen Widerruf betrifft, ist er als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage statthaft. Die Klage gegen eine Rücknahme einer Erlaubnis nach dem Waffengesetz (hier in Form einer Waffenbesitzkarte) oder gegen ihren Widerruf, soweit dem jeweils ein Wegfall der Zuverlässigkeit oder Eignung zugrunde liegt, hat nach § 45 Abs. 5 WaffG keine aufschiebende Wirkung mehr. Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 3, wenn die Klage in einem durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fall keine aufschiebende Wirkung hat, wie hier gegen den in Nr. 1 des Bescheids verfügten Widerruf, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.

Soweit mit dem Eilantrag die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. 1 des angegriffenen Bescheids angeordnet werden soll, war der Eilantrag abzulehnen, weil er unbegründet ist.

Bei der Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung anzuordnen ist, sind die widerstreitenden Interessen gegeneinander abzuwägen. Im Rahmen dieser Abwägung können auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs berücksichtigt werden. Bleibt dieser mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos, wird bei einer Eilbedürftigkeit die Abwägung in der Regel zum Nachteil des Betroffenen ausfallen, da dann das von der Behörde geltend gemachte besondere öffentliche Interesse am Sofortvollzug überwiegt. Umgekehrt überwiegt das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, wenn der Rechtsbehelf offensichtlich begründet ist. In allen anderen Fällen entscheidet eine Abwägung der beteiligten öffentlichen und privaten Interessen, die für oder gegen die Dringlichkeit der Vollziehung sprechen, über die Gewährung vorläufigen Rechtschutzes (BVerwG, Beschluss vom 29.4.1974 DVBl 1974, 566). Dabei geht das Gesetz im Grundsatz davon aus, wie der gesetzliche Ausschluss der aufschiebenden Wirkung zeigt, dass das öffentliche Interesse, ungeachtet eines noch schwebenden Rechtsbehelfsverfahrens den Widerruf der Waffenbesitzkarten durchzusetzen, überwiegt (vgl. zur entsprechenden Situation im Wehrrecht, BVerwG, Beschluss vom 28.3.1996 Buchholz 448.11 § 74 ZDG Nr. 2).

Im vorliegenden Fall ergibt die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotene, aber auch ausreichende summarische Überprüfung, dass die Erlaubnis in Form einer Waffenbesitzkarte mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Recht widerrufen wurde. Maßgebend für die gerichtliche Entscheidung im Falle des Widerrufs einer waffenrechtlichen Erlaubnis ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, weil es sich um einen rechtsgestaltenden Verwaltungsakt handelt (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 16.5.2007 NVwZ 07, 1201, 1202; Urteil vom 13.12.1994, Buchholz 402.5 WaffG Nr. 72).

Das zum maßgebenden Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung geltende und daher hier anzuwendende Waffengesetz vom 11. Oktober 2002, in Kraft mit Wirkung vom 1. April 2003 (BGBl I Seite 3970, berichtigt S. 4592, zuletzt geändert mit Gesetz vom 19. Juli 2009 BGBl I S. 2062), bestimmt in § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG, dass Erlaubnisse nach diesem Gesetz zu widerrufen sind, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Diese Bestimmung ist anwendbar. Sie ist, abgesehen von der Sonderregelung für das waffenrechtliche Bedürfnis nach § 45 Abs. 3 WaffG, die abschließende Regelung für den hier vorliegenden Fall nachträglich eingetretener Versagungstatsachen. Zwar trifft die Rüge des Antragstellers zu, der Antragsgegner habe im Bescheid nicht zwischen Satz 1 und 2 des § 45 Abs. 2 WaffG unterschieden. Aus der Begründung ergibt sich aber unzweideutig, dass der Widerruf als gebundene Entscheidung wegen nachträglichen Wegfalls der Zuverlässigkeit als Erlaubnisvoraussetzung ausgesprochen wurde und nicht als Ermessensentscheidung wegen Verletzung von Nebenbestimmungen eines Bescheides. Unabhängig davon hat das Gericht bei einer in der Hauptsache erhobenen Anfechtungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts zu prüfen. Ein Verwaltungsakt ist aber nicht rechtswidrig, wenn sich sein Spruch aus anderen als von der Behörde angegebenen Rechtsgrundlagen als rechtmäßig erweist (BVerwG, Beschluss vom 12.12.1991 InfAuslR 1992, 38):

Gemäß § 10 WaffG wird die Erlaubnis zum Erwerb und Besitz von Waffen durch eine Waffenbesitzkarte erteilt. Voraussetzung hierfür ist nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG unter anderem, dass der Antragsteller die erforderliche persönliche Zuverlässigkeit besitzt (§ 5 WaffG). Entgegen der Auffassung des Antragstellers kommt § 5 Abs. 1 WaffG und nicht § 5 Abs. 2 WaffG in Betracht, weil der zweite Absatz der Bestimmung bei Geldstrafen die Verhängung von mindestens 60 Tagessätzen voraussetzt. Auch lässt sich aus § 5 Abs. 2 WaffG nicht entnehmen, dass er die Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG für den Fall sperren soll, dass weniger als 60 Tagessätze Geldstrafe verhängt werden. Werden, wie hier nur 50 Tagessätze verhängt, bedeutet dies nur, dass die gesetzliche Vermutung fehlender Unzuverlässigkeit, die im Einzelfall widerlegbar ist, nicht eintritt. Hierauf kommt es aber nicht an, wenn die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG, der Fälle der absoluten, weil nicht widerlegbaren Unzuverlässigkeit betrifft, erfüllt ist.

Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG besitzen die erforderliche Zuverlässigkeit u. a. Personen nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition nicht sorgfältig verwahren werden. Weiter besitzen nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c WaffG die erforderliche Zuverlässigkeit u. a. Personen nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind.

Diese Bedingungen für eine fehlende Zuverlässigkeit und damit für einen Widerruf sind im vorliegenden Fall voraussichtlich erfüllt, wobei die tatsachengestützte berechtigte Besorgnis einer nicht sorgfältigen Verwahrung oder einer Überlassung an Nichtberechtigte je für sich die Annahme einer fehlenden Zuverlässigkeit gerechtfertigt hätten.

Nach den Feststellungen des seit 26. Februar 2011 rechtskräftigen Strafbefehls des Amtsgerichts ... und der diesem zugrunde liegenden Ermittlungen der Fahndungsprüfer des Finanzamtes ..., auf denen der angegriffene Bescheid beruht, befand sich der mit fünf Patronen geladene Revolver des Antragstellers in einem unverschlossenen Kleiderschrank im Schlafzimmer. Dies stellt einen Verstoß gegen § 36 Abs. 1 Satz 1 und 2 WaffG dar. Danach muss ein Waffenbesitzer die erforderlichen Vorkehrungen treffen, um zu verhindern, dass Waffen oder Munition abhanden kommen oder Dritte sie unbefugt an sich nehmen. Zum Auffindungszeitpunkt bestand hier aber bei Abwesenheit des Antragstellers eine Zugriffsmöglichkeit der sich in der Wohnung aufhaltenden jeweils waffenrechtlich nicht berechtigten Ehefrau und Tochter. Weiter soll die vom Gesetz als besonders bedeutsam angesehene sichere Verwahrung von Schusswaffen und Munition auch dazu dienen, unbefugt sich in der Wohnung eines Waffenbesitzers aufhaltenden Personen den Zugriff zu erschweren. Der Antragsteller hat ferner durch das Ablegen der geladenen Waffe § 36 Abs. 1 Satz 2 WaffG verletzt, wonach erlaubnispflichtige Schusswaffen, wenn sie sich, wie hier, außerhalb eines in § 36 Abs. 2 WaffG bezeichneten Sicherheitsbehältnisses befinden, getrennt von Munition aufzubewahren sind. Schließlich liegt ein Verstoß gegen § 36 Abs. 2 WaffG vor, wonach erlaubnispflichtige Schusswaffen in einem der dort näher benannten Sicherheitsbehältnisse aufzubewahren sind.

Hinzu kommt, dass der Antragsteller der in der Wohnung anwesenden Ehefrau und Tochter, die, wie er wusste, nicht zum Besitz von Waffen oder Munition berechtigt sind, die tatsächliche Gewalt über Munition eingeräumt, d. h., sie ihnen als Nichtberechtigten überlassen hat (§ 1 Abs. 4 WaffG i. V. m. Anlage 1 Abschn. 2 Nr. 3 zum WaffG). Für ein Überlassen genügt, wenn einem Nichtberechtigten die Möglichkeit eingeräumt wird, sich selbstständig der Waffe oder Munition zu bedienen. Die Aufgabe der eigenen tatsächlichen Gewalt ist hierzu nicht erforderlich (BVerwG, Urteil vom 6.12.1978, 1 C 7.77, Buchholz 402.5 WaffG Nr. 13; BayVGH, Beschluss vom 18.12.2001, BayVBl 2002, 767).

Die Prüfung der Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG ist anhand einer umfassenden Einbeziehung und Bewertung aller Tatsachen vorzunehmen, die für die zukunftsbezogene Beurteilung von Bedeutung sein können. Die erforderliche Prognose hat sich am Zweck des Gesetzes zu orientieren, die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (BVerwG, Beschluss vom 12.10.1998, Buchholz 402.5 WaffG Nr. 83; BayVGH, Beschluss vom 16.9.2008, 21 ZB 08.655 <Juris>).

In Anbetracht des Gefahren vorbeugenden Charakters der Regelung und der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, ist für die Prognose nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich, vielmehr eine auf der Lebenserfahrung beruhende Einschätzung ausreichend und ein Restrisiko muss nicht hingenommen werden (BayVGH, Beschluss vom 7.11.2007, 21 ZB 07.2711; Beschluss vom 16.9.2008, 21 ZB 08.655 jeweils <Juris>). Es genügt, dass bei verständiger Würdigung aller Umstände eine gewisse Wahrscheinlichkeit für einen nicht ordnungsgemäßen Umgang mit diesen Gegenständen besteht (BayVGH, Beschluss vom 16.9.2008, 21 ZB 08.655 <Juris>). Nach diesen Maßstäben ist der Antragsgegner im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die festgestellten Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Antragsteller werde Waffen oder Munition nicht sorgfältig aufbewahren. Weiter ist die Annahme gerechtfertigt, er werde Schusswaffen und Munition einer zur Ausübung tatsächlicher Gewalt nicht berechtigten Person überlassen. Das Verhalten des Antragstellers zeigt wegen des Umstands, dass die nicht ordnungsgemäß aufbewahrte Waffe auch noch mit scharfer Munition geladen war, eine besondere Bedenkenlosigkeit. Diese gewählte Art der „Aufbewahrung“ und der weitere Umstand, dass der Ehefrau auch die Nummernkombination des Waffenschranks bekannt war, erschüttert das Kriterium des Vertrauens in einen zu allen Zeiten und Situationen ordnungsgemäßen und mit der Rechtsordnung im Einklang stehenden Umgang des Antragstellers mit diesen für die Allgemeinheit in besonderem Maße gefährlichen Gegenständen. Es lässt den Schluss zu, dass dem Antragsteller die sichere, ordnungsgemäße Verwahrung der Waffe und der dazugehörigen Munition völlig gleichgültig ist, zumal er im Verfahren keinerlei Einsicht und keinen glaubwürdigen Wandel seiner Einstellung gezeigt hat. Daher ist nach der Lebenserfahrung die Annahme gerechtfertigt, dass der Antragsteller auch künftig Schusswaffen und Munition nicht ordnungsgemäß aufbewahren und auch nichtberechtigten Dritten überlassen wird.

Darüber hinaus ist im Rahmen des Hauptsacheverfahrens voraussichtlich die Sorge gerechtfertigt, dass der Antragsteller auch nicht vorsichtig oder sachgemäß mit Waffen oder Munition umgehen wird. Nicht vorsichtig im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG geht jemand mit der Waffe um, wenn nicht alles Zumutbare getan wird, um die von einer Waffe ausgehenden Gefahren für sich oder andere auszuschließen. Es bestand kein Grund, die Schusswaffe in geladenem Zustand außerhalb des Waffenschranks abzulegen. Wegen der besonderen Gefahren für Leib und Leben gerade bei geladenen Waffen und der bei Herunterfallen oder hartem Anstoßen nicht völlig sicheren Sicherungseinrichtungen an der Waffe (vgl. etwa den im Auftrag des Bundesministeriums des Innern beim Bundesverwaltungsamt erstellten und unter der Internetadresse des Bundesverwaltungsamts - www.bva.bund.de - allgemein zugänglichen Fragenkatalog für die Sachkundeprüfung vom 1.1.2010 unter 12.13), entspricht es vielmehr grundlegenden und zumutbaren Vorsichtsmaßregeln, sie nicht, auch nur für eine kurze Zeit, geladen liegen zu lassen. Es gehört zu den unbedingt zu beachtenden Grundregeln im Umgang mit einer Schusswaffe, dass sie im geladenen Zustand nicht aus der Hand gelegt werden darf (vgl. den o.g. Fragenkatalog unter 4.31). Wer solche Grundregeln nicht beachtet, geht auch nicht sachgemäß i. S. v. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG mit Waffen und Munition um und lässt dies wegen seiner gezeigten Bedenkenlosigkeit und einer nicht erkennbaren grundlegenden Änderung seiner Einstellung auch künftig befürchten.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161, 155 Abs. 1 VwGO. Bei der Kostenquotelung war zu berücksichtigen, dass der Antragsteller nur im Hinblick auf zwei Nebenentscheidungen obsiegt hat.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2 GKG.

Dabei war von einem Streitwert in der Hauptsache von 5.000 EUR auszugehen (§ 52 Abs. 2 GKG). Das Gericht folgt in Bezug auf den Widerruf von Waffenbesitzkarten nicht dem unverbindlichen Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, weil Gegenstand solcher Verfahren nicht eine Nutzung der Gegenstände in wirtschaftlicher Hinsicht und auch nicht der konkrete Wert einer bestimmten Waffe und gegebenenfalls der Munition ist, die der Antragsteller erwerben bzw. besitzen will, sondern allein die abstrakte Berechtigung zum Erwerb und Besitz von Waffen, einschließlich der dafür vorhandenen Munition. Die maßgebliche Bedeutung bemisst sich danach allein nach dem Wert, den die Erlaubnis für den Antragsteller hat. Weil der Sach- und Streitstand für den Wert dieser nicht vermögensrechtlichen Erlaubnis keine konkreten Anhaltspunkte bietet, ist der Streitwert nach dem gesetzlichen Auffangstreitwert festzusetzen.

Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren war die Hälfte hiervon anzusetzen.