LG Würzburg, Urteil vom 22.06.2011 - 1 HK O 821/11
Fundstelle
openJur 2012, 116500
  • Rkr:
Tenor

1. Die einstweilige Verfügung vom 4.5.2011 wird aufrechterhalten.

2. Die Verfügungsbeklagte trägt die weiteren Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Der Verfügungskläger (im Folgenden Kläger) ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gehört (Einzelheiten Bl. 1 - 6 der Antragsschrift = Bl. 10-15 d.A.).

Die Beklagte betreibt gerichtsbekannt allein in Deutschland 11 ... Einrichtungshäuser, 25 ... Diskontmärkte, 29 ... Diskont-Einrichtungshäuser und 22 ... Trendmöbelhäuser und ist der zweitgrößter Möbelhändler nach ... Ihr Umsatz dürfte über 2 Milliarden Euro liegen

...

Der Kläger beanstandet die blickfangmäßige Werbung der Verfügungsbeklagten (im Folgenden Beklagte) aus dem Prospekt "Neueröffnung viele Abteilungen jetzt neu - gültig bis 11.4.2011" (A1, vgl. auch den Tenor des angegriffenen Beschlusses) als irreführend, nachdem im beworbenen Bettpreis nicht die wesentlichen Teile wie Lattenrost und Matratze enthalten waren und nach seiner Ansicht ein entsprechender Hinweis fehlte.

Außerdem erläutere der Sternchenhinweis nicht ausreichend deutlich.

Das Landgericht Würzburg erließ am 5.5.2011 trotz Vorliegens einer Schutzschrift antragsgemäß folgende einstweilige Verfügung:

Der Antragsgegnerin wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern, untersagt, im geschäftlichen Verkehr für Möbel zu werben mit der blickfangmäßigen Abbildung eines Bettes, welches bis hin zum Bettzeug einschließlich Sprungfederrahmen (Lattenrost) und/oder Matratzen ausgestattet ist und hierzu im Blickfang einen Preis zu nennen, der das Bett nur als leeres Bettgestell beinhaltet, (gemäß Prospekt "... Sonntag geöffnet 10.04.211, Neu Eröffnung Viele Abteilungen jetzt neu", Angebote "xora 899,-", "... 3.999,-", ... 1.699,-" und/oder "... 2.999,-").

Die Beklagte legte gegen die ihr am zugestellte Entscheidung am 18.5.2011 Widerspruch ein und beantragt, die einstweilige Verfügung vom 4.5.2011 aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt Aufrechterhaltung des angegriffenen Beschlusses.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstand wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie die Schutzschrift verwiesen.

Gründe

Die einstweilige Verfügung war auf den Widerspruch hin auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen; dies führte zu ihrer Bestätigung.

Der Kläger kann von der Beklagten die Unterlassung der beanstandeten Werbung als unlautere geschäftliche Handlung verlangen (§§ 8 Abs.1 S. 1, 5 Abs.1 S.1 UWG), da sie geeignet ist, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmer spürbar zu beeinträchtigen (§3 Abs.1 UWG).

Der Kläger ist gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG zur Geltendmachung der wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüche befugt.

Das Gericht hält den Kläger für aktivbefugt.

Die Mitglieder des Klägers (z.B. Seite 18 der Mitgliedsliste A7, auch die von der Beklagten aufgeführten vier Versandhäuser) sind nach Ansicht des Gerichts als Mitbewerber nach § 2 Abs. 1 Nr. UWG anzusehen angesichts des weiten Verbreitungsgrads des streitgegenständlichen Prospekts (dessen Seite 1), der Vielzahl und Größe der Geschäfte der Beklagten und ihrer bundesweiten Werbung über alle Medien.

Die Zulässigkeit der streitgegenständlichen Werbung bestimmt sich nach Beurteilung des sogenannten Blickfangs, wie die Parteien zutreffend übereinstimmend annehmen.

Es wird von der Beklagten nicht ernsthaft in Frage gestellt, dass das jeweilige Schlafzimmer mit Doppelbett als Blickfang der angesprochenen Werbung dient, (zum Begriff Bornkamm in Köhler/Bornkamm UWG, 29. Aufl. Rn 2.93 zu § 5), auf den die neuen Regeln anzuwenden sind (Bornkamm a.a.O. Rn 2.96).

Demnach ist der Blickfang nicht wie früher isoliert, sondern in seinem Kontext zu beurteilen.

Der Blickfang selbst, hier die fotografisch dargestellten Schlafzimmer "Alice-Möbelprogram" "..."; "...", "..." mit Preis darf jedenfalls keine objektive Unrichtigkeit enthalten (Bornkamm a.a.O. Rn 2.97), da eine dreiste Lüge nie zulässig sein kann.

19Als Leistung beworben wird jeweils ein Schlafzimmer mit Bett und Schrank.

Im Blickfang kann man konkret von einer halben Wahrheit ausgehen, also den in der Leistung nicht enthaltenen Lattenrost und ggf. die Matratze berücksichtigen, oder anders gewendet, den Umfang der zu einem bestimmten Preis beworbenen Leistung allein nach dem Blickfang (Foto des Schlafzimmers) bestimmen.

Dann muss jedenfalls für eine zulässige Einschränkung dieser beworbenen Leistung ein durch einen Stern oder anderes hinreichend deutliches Zeichen gekennzeichneter, deutlicher und aufklärender Hinweis vorhanden sein.

Im Gegensatz zu dem Sachverhalt in dem von der Beklagten herangezogenen Hinweisbeschluss des brandenburgischen Oberlandesgerichts nimmt im streitgegenständlichen Prospekt der erläuternde Text selbst nicht am Blickfang teil.

Schon aus diesem Grunde sind die Erwägungen des Oberlandesgerichts hier wohl nicht einschlägig, zumal diese wegen fehlender Meinungsumfrage zur dort gegebenen Werbung auch bei den tatsächlichen Annahmen nicht überzeugend erscheinen.

Das hier auf den einschränkenden Hinweis verweisende Zeichen, also die Zahlen, dürfte allerdings entgegen der Meinung des Klägers drucktechnisch ausreichend deutlich gestaltet und gut erkennbar sein, da die jeweilige Ziffer auf dem farbig gestalteten Prospekt gut lesbar ist und unschwer dem Text zugeordnet werden kann.

Der einschränkende Hinweis selbst ist aber nach Ansicht des Gerichts nicht geeignet, einen möglichen Irrtum des Verbrauchers auszuschließen, also irreführend im Sinne der Blickfangbeurteilung.

Eine sichere tatsächliche Entscheidungsgrundlage durch Durchführung einer repräsentativen Meinungsumfrage wollten die Parteien im vorliegenden ausdrücklich nicht schaffen, so dass letztlich eine theoretische Beurteilung erfolgen muss.

Der europäisch definierte Verbraucher, also die durchschnittlich informierte, verständige und situationsadäquate aufmerksame Leserschaft des streitgegenständlichen Prospekts, wird zu einem relevanten Teil annehmen (vgl. zur hier wohl irrelevanten Irreführungsquote, Bornkamm a.a.O. Rn 2. 106a und die Angaben in der Meinungsumfrage A9 zum Prozentsatz der spontan oder nach oraler Aufklärung zu ihrem Nachteil Getäuschter), hier werde ein Schlafzimmer, mit Schrank und Doppelbett mit den zum Schlafen erforderlichen Beigaben verkauft.

Nach der Ansicht des Gerichts reicht bei den fraglichen Angeboten der lapidare Satz,

"Gegen Mehrpreis: Schrank- und Bettbeleuchtung, Passepartoutrahmen, Kopfteilpolster sowie Rahmen und Auflagen",

nicht aus, den Verbraucher vor dem Irrtum zu bewahren, dass er für einen Lattenrost oder Bettkasten extra bezahlen muss.

Zu einem Doppelbett, beschrieben (z.B. Nr. 1 Schlafraum-Programm ...) mit Liegefläche ca. 180 x 200cm, gehört nach Meinung des Gerichts als durchschnittlichen Konsumenten zumindest die Möglichkeit, ohne weitere Kosten zumindest eine vorhandene Matratze einlegen zu können.

Der Kunde wird nicht erwarten, das Bett als solches nur durch Zusatzzahlungen überhaupt als Bett benutzen zu können.

Dies gilt umso mehr, als die meisten gegen Mehrpreis erhältlichen Zutaten (etwa Schrank- und Bettbeleuchtung, Spiegelfront, Passepartoutrahmen, Passpartout mit Beleuchtung, Beimöbel, Kopfteilpolster) für die blickfangmäßig beworbene Funktion als Schlafzimmer gar nicht erforderlich und auf den Betten und Beimöbeln noch zahlreiche weitere Auflagen wie Decken und Kissen und sonstiger Dekor vorhanden sind.

Diese Beurteilung gilt in verstärktem Maß für das Angebot Nr. 2.

Hier fehlt der bei den anderen Schlafzimmerbeschreibungen enthaltene Hinweis völlig, dass Rahmen und Auflagen nur gegen Aufpreis in dem Blickfangangebot enthalten sind.

Der Verbraucher wird davon ausgehen, dass konstruktionsbedingt kein Rahmen oder Auflage erforderlich oder dieser bereits im Preis enthalten ist.

Gerade im Vergleich zu den anderen Hinweisen wird der Verbraucher also annehmen, dass zumindest bei diesem Angebot Rahmen und Auflagen enthalten sind und ein Mehrpreis nur für die Spiegelfront, Kranzbeleuchtung etc. zu erbringen ist.

Damit erweist sich die Werbung nach Ansicht der Kammer als irreführend gem. § 5 Abs. 1 S. 1 UWG.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 ZPO.

Das Urteil hält eine einstweilige Verfügung aufrecht und ist daher ohne gesonderten Ausspruch vorläufig vollstreckbar.

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