Bayerischer VerfGH, Entscheidung vom 06.06.2011 - Vf. 49-IVa-10
Fundstelle
openJur 2012, 116037
  • Rkr:
Tenor

1. Die Antworten der Bayerischen Staatsregierung vom 7. April 2009 (LT-Drs. 16/1118) und vom 25. Juni 2009 (LT-Drs. 16/1673) auf

a) die Fragen 2, 4 und 5 der Schriftlichen Anfrage des Antragstellers vom 22. Februar 2009, soweit diese sog. Resonanzstudien betreffen,

b) die Schriftliche Anfrage des Antragstellers vom 28. Mai 2009

verletzen dessen Rechte aus Art. 13 Abs. 2, Art. 16 a Abs. 1 und 2 Satz 1 BV.

2. Dem Antragsteller sind die durch das Verfahren entstandenen notwendigen Auslagen aus der Staatskasse zu erstatten.

Gründe

I.

Gegenstand der Verfassungsstreitigkeit ist die Frage, ob die Antworten der Bayerischen Staatsregierung auf zwei Schriftliche Anfragen des Antragstellers, der Vorsitzender der SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag ist, dessen Rechte aus Art. 13 Abs. 2, Art. 16 a Abs. 1 und 2 Satz 1 BV verletzen, soweit Fragen zu sog. Resonanzstudien nicht beantwortet wurden.

1. Der Antragsteller richtete am 22. Februar 2009 eine Schriftliche Anfrage betreffend „Meinungsumfragen im Auftrag der Bayerischen Staatsregierung“ an die Staatsregierung. Die Anfrage und die Antwort der Staatsregierung vom 7. April 2009, soweit sie Resonanzstudien betrifft, sind in der Landtagsdrucksache 16/1118 wie folgt wiedergegeben:

Bayerischer Landtag            Drucksache 16/111816. Wahlperiode28.04.2009Schriftliche Anfragedes Abgeordneten Markus Rinderspacher SPDvom 22.02.2009

Meinungsumfragen im Auftrag der Bayerischen Staatsregierung

Ich frage die Bayerische Staatsregierung:

1. Bei welchen demoskopischen Instituten hat die Bayerische Staatsregierung Meinungsumfragen in den Jahren 2005, 2006, 2007, 2008 und 2009 in Auftrag gegeben (mit Datumsangabe)?

2. Welche Themenbereiche behandelten die jeweiligen Fragenkataloge mit welchen konkreten Fragen und Ergebnissen (bitte im Wortlaut)?

3. Wie hoch waren die jeweiligen Kosten pro Umfrage?

4. Welchen konkreten Zweck verfolgt die Staatsregierung im Interesse des Freistaats mit der Beauftragung von Meinungsumfragen?

5. Welche Konsequenzen hat die Staatsregierung aus den Antworten der Meinungsumfragen gezogen und inwieweit sind die Ergebnisse in die politische Arbeit eingeflossen?

6. Wurden die Ergebnisse der von der Staatsregierung beauftragten Meinungsumfragen der Öffentlichkeit jeweils zugänglich gemacht? Wenn ja, wie? Wenn nein, warum nicht?

7. Wie viele Umfragen zu welchen Themen plant die Staatsregierung noch in diesem Jahr?

Antwort der Bayerischen Staatskanzleivom 07.04.2009

Zu 1.:

 JahrAuftraggeberAuftragnehmerThema Kosten(netto)1.2009Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik GmbH (im Auftrag Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen)Forsa (Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analysen mbH)Repräsentative Bevölkerungsbefragung in Bayern zur Ermittlung der Bekanntheit des Europäischen Sozialfonds sowie von Einstellungen zur Europäischen Union14.400 €2.2009Staatsministerium der Justiz und für VerbraucherschutzGfK Marktforschung GmbHFolgebefragung zum Verbrauchermonitor24.000 €3.2008StaatskanzleiGMS Dr. Jung GmbH, HamburgResonanzstudie34.520 €4.2008Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und ForstenMünchen-Institut für Marktforschung GmbHVerkehrsauffassung Bayerischer Leberkäse10.750 €5.2008Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und ForstenGfK Marktforschung GmbHBekanntheit Geprüfte Qualität7.710 €6.2007Staatsministerium der Justiz und für VerbraucherschutzGfK Marktforschung GmbHVerbrauchermonitor103.000 €7.2007Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und ForstenMünchen-Institut für Marktforschung GmbHVerkehrsauffassung Obazda4.690 €8.2007Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und ForstenMünchen-Institut für Marktforschung GmbHMehrzahlungsbereitschaft Geprüfte Qualität Bayern8.035 €9.2007StaatskanzleiGMS Dr. Jung GmbH, HamburgResonanzstudie33.400 €10.2006StaatskanzleiGMS Dr. Jung GmbH, HamburgResonanzstudie40.880 €11.2005Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und ForstenUmfrageinstitut PeineltVerkehrsauffassung zur bayerischen Gewürzgurke3.460 €Zu 2.:

Zu Nrn. 3, 9, 10 (Resonanzstudien)

Die Resonanzuntersuchungen liefern wichtige Aufschlüsse für die Resonanz der Bevölkerung auf von der Bayerischen Staatsregierung aufzugreifende Themen und Probleme sowie geplante Projekte. Sie dienen der längerfristig angelegten Vorbereitung von Entscheidungen der Bayerischen Staatsregierung. Demoskopische Untersuchungen sollen die Willensbildung der Bayerischen Staatsregierung, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht, vorbereiten und unterstützen. Damit betrifft die Frage den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, der einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich mit einschließt (vgl. bereits LT-Drs. 14/12703).

Zu 3.:

Mit Frage 1 beantwortet.

Zu 4.:

Zu Nrn. 3, 9, 10 (Resonanzstudien)

Die Resonanzstudien dienen der weiteren Planung der Politik der Bayerischen Staatsregierung mit dem Ziel, Meinungen und Präferenzen in der Bevölkerung abzufragen und die Bedeutung von Themen für die Bürgerinnen und Bürger zu untersuchen. Vgl. im Übrigen Antwort zu Frage 2.

Zu 5.:

Mit Fragen 2 und 4 beantwortet.

Zu 6.:

Zu Nrn. 3, 9, 10 (Resonanzstudien)

Nein. Vgl. im Übrigen Antwort zu Frage 2.

Zu 7.:

Derzeit sind keine Meinungsumfragen konkret geplant.

2. Am 28. Mai 2009 stellte der Antragsteller eine weitere Schriftliche Anfrage zu „Resonanzstudien im Auftrag der Bayerischen Staatsregierung“. Ihr Inhalt und die Antwort der Staatsregierung vom 25. Juni 2009 sind in der Landtagsdrucksache 16/1673 wie folgt wiedergegeben:

Bayerischer Landtag            Drucksache 16/167316. Wahlperiode04. 08. 2009Schriftliche Anfrage

des Abgeordneten Markus Rinderspacher SPDvom 28. Mai 2009

Resonanzstudien im Auftrag der Bayerischen Staatsregierung

Im Kontext der Anfrage „Meinungsumfragen im Auftrag der Bayerischen Staatsregierung“ (Drucksache 16/1118) frage ich die Staatsregierung:

1. Welche konkreten Fragen wurden bei den Resonanzstudien 2008, 2007 und 2006 gestellt, bitte im vollständigen Wortlaut?

2. Welche Antworten, Daten und sonstigen Ergebnisse haben die Resonanzstudien 2008, 2007 und 2006 ergeben, bitte im vollständigen Wortlaut?

Antwort der Staatskanzlei

vom 25. 06. 2009

Zu 1.:

Die Frage wurde bereits in der Schriftlichen Anfrage vom 22.02.2009 nahezu wortgleich gestellt und dort beantwortet (Drucksache 16/1118).

Dort heißt es in der Antwort zu Frage 2:

„Zu Nr. 3, 9, 10 (Resonanzstudien):

Die Resonanzuntersuchungen liefern wichtige Aufschlüsse für die Resonanz der Bevölkerung auf von der Bayerischen Staatsregierung aufzugreifende Themen und Probleme sowie geplante Projekte. Sie dienen der längerfristig angelegten Vorbereitung von Entscheidungen der Bayerischen Staatsregierung. Demoskopische Untersuchungen sollen die Willensbildung der Bayerischen Staatsregierung sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht, vorbereiten und unterstützen. Damit betrifft die Frage den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, der einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich mit einschließt (vgl. bereits LT-Drs. 14/12703).“

Zu 2.:

Mit Frage 1 beantwortet.

3. Nachdem am 18. Mai 2010 das vorliegende Organstreitverfahren eingeleitet worden war, hat der Leiter der Bayerischen Staatskanzlei dem Antragsteller mit Schreiben vom 15. Juli 2010 folgende Unterlagen übersandt:

– Untersuchungen zur Familienpolitik der Bayerischen Staatskanzlei, Ergebnisse mit Kurzbericht, Juli 2006, vom 31. Juli 2006,

– Einstellungen zur Familienpolitik im Freistaat Bayern – Präsentation – vom 5. September 2006,

– Resonanzuntersuchung in Bayern, Dezember 2007 – Präsentation – vom 7. Januar 2008,

– Resonanzuntersuchung in Bayern, Ende 2008 – Präsentation – vom 26. Januar 2009.

Im Begleitschreiben ist u. a. ausgeführt, die Anfragen des Antragstellers würden damit – unabhängig von einer rechtlichen Bewertung im Organstreitverfahren – umfassend beantwortet. Mit der Übersendung der Unterlagen sei keine Anerkennung einer Rechtspflicht verbunden. Die Staatskanzlei werde auch künftig über den Umfang der Beantwortung von parlamentarischen Anfragen je nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung sowohl des Informationsinteresses des Landtags wie auch der verfassungsrechtlich geschützten Rechte der Staatsregierung entscheiden.

II.

Der Antragsteller beantragt festzustellen:

Die teilweise Nichtbeantwortung der Schriftlichen Anfragen des Antragstellers vom 22. Februar 2009 (LT-Drs. 16/1118) und 28. Mai 2009 (LT-Drs. 16/1673) durch die Antragsgegnerin verletzt den Antragsteller in seinen Rechten aus Art. 13 Abs. 2 Satz 1, Art. 16 a Abs. 1 und 2 Satz 1 BV, soweit als die Bayerische Staatsregierung die Fragen zu den Resonanzuntersuchungen nicht beantwortet hat. Die formelhafte Begründung, die Frage betreffe den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung und müsse deshalb nicht beantwortet werden, genügt nicht.

1. Er ist der Auffassung, die Hauptsache habe sich durch die Übersendung der dem Schreiben des Leiters der Staatskanzlei vom 15. Juli 2010 beigefügten Unterlagen nicht erledigt. Ein Verfassungsrechtsstreit werde nicht dadurch unzulässig, dass die geltend gemachte Verletzung zum Zeitpunkt der Entscheidung keine Wirkung mehr entfalte. Angesichts der grundsätzlichen Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfragen bestehe weiter ein erhebliches Interesse an einer verfassungsgerichtlichen Klärung. Das Organstreitverfahren diene nicht nur der subjektiven Rechtsdurchsetzung, sondern sei auch ein objektives Beanstandungsverfahren. Im Übrigen behalte sich die Staatsregierung den Umfang der Beantwortung je nach den Umständen des Einzelfalls vor. Zu dem aus der Sicht des Antragstellers entscheidenden Gesichtspunkt, ob und inwieweit die Nichtbeantwortung von Fragen des Abgeordneten ihrerseits einer Begründung bedürfe, nehme sie keine Stellung. Eine Antwort auf die Fragen 5 und 6 der Schriftlichen Anfrage vom 22. Februar 2009 stehe nach wie vor aus.

2. Aus der Bayerischen Verfassung ergebe sich ein subjektives Recht des einzelnen Abgeordneten, dass ihm die Exekutive diejenigen Informationen nicht vorenthalte, die zur Erfüllung seines Mandats notwendig seien. Mit dem Fragerecht des Abgeordneten korrespondiere eine Antwortpflicht der Exekutive. Im vorliegenden Fall hätten sich die Auskünfte der Staatsregierung vom 7. April und 25. Juni 2009 in einer formelhaften Begründung erschöpft, die materiell als Nichtbeantwortung der Fragen zu werten sei. Dementsprechend habe die Staatsregierung schon gegen die Regeln hinsichtlich des „Ob“ der Beantwortung parlamentarischer Anfragen verstoßen. Sie könne sich auch nicht auf eine Einschätzungsprärogative im Hinblick auf die Art und Weise der Beantwortung berufen.

Der Hinweis auf den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung rechtfertige den Eingriff in das Informationsrecht des Antragstellers nicht. Sein Informationsbegehren habe sich nicht auf den gouvernementalen Willensbildungsprozess als solchen bezogen. Er habe lediglich Auskunft über das der Regierungstätigkeit zugrunde liegende Faktenmaterial verlangt. Die Inhalte und die Ergebnisse von Meinungsumfragen bei der Bevölkerung fielen nicht in den grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich der Regierung. Sie seien zwar die faktische Grundlage exekutiver Willensbildung, ersetzten diese aber nicht und reflektierten auch nicht regierungsinterne Abstimmungsprozesse. Meinungsforschung liefere bestenfalls Entscheidungsgrundlagen, nicht aber Regierungsentscheidungen selbst. Die Staatsregierung könne sich auch aufgrund des Zeitablaufs nicht (mehr) darauf berufen, dass die Ergebnisse der Meinungsforschung allesamt der Entscheidungsvorbereitung dienten und deshalb nicht offenbart werden müssten. Meinungsumfragen verlören angesichts der politischen Wahl- und Entscheidungszyklen ihre Aktualität. Mit dieser entfalle auch ein eventuell bestehendes Geheimhaltungsinteresse der Regierung. Andererseits lägen die Sachverhalte nicht so lange zurück, dass ein öffentliches Interesse ausgeschlossen sei. Die Aktualität der Fragestellung ergebe sich daraus, dass geklärt werden solle, ob sich die Staatsregierung an das verfassungsrechtliche Verbot, finanzielle Mittel des Staates in Partei ergreifender Weise einzusetzen, gehalten habe oder ob eine unzulässige Vermengung von Regierungs- und Parteiarbeit stattgefunden habe.

Unabhängig von der Antwortpflicht habe die Staatsregierung die Auskunftsverweigerung auch nicht ausreichend begründet. Die formelhafte und summarische Antwort, die keinen konkreten Bezug zum Sachverhalt herstelle, nehme dem Antragsteller die Möglichkeit der politischen Auseinandersetzung über die Nichtbeantwortung. Es werde auch nicht dargelegt, ob die Gründe für die Auskunftsverweigerung in der Zukunft entfallen und wann dies möglicherweise der Fall sein werde.

III.

Die Bayerische Staatsregierung hält den Antrag für unzulässig, da ein Rechtsschutzinteresse des Antragstellers nicht mehr gegeben sei.

1. Alle Fragen des Antragstellers in den Schriftlichen Anfragen seien vollständig beantwortet. Mit den Fragen 5 und 6 der Schriftlichen Anfrage vom 22. Februar 2009 habe sich die Staatsregierung bereits in ihrer Antwort vom 7. April 2009 befasst. Ergänzend werde auf eine weitere Schriftliche Anfrage vom 5. August 2010 Bezug genommen, in der der Antragsteller nach den konkreten Schlussfolgerungen der Staatsregierung aus einer Resonanzstudie 2008/2009 (Frage 6) sowie danach gefragt habe, wem diese Studie zugänglich gemacht worden sei (Fragen 3 und 3.1). Hierzu habe die Staatskanzlei in ihrer Antwort vom 14. Oktober 2010 Stellung genommen. Diese Antwort gelte sinngemäß auch für die weiteren Resonanzstudien aus den Jahren 2006 und 2007.

2. Die zunächst von der Antragsgegnerin vertretene Rechtsauffassung, eine Beantwortung der Schriftlichen Anfragen könne teilweise verweigert werden, sei überprüft und korrigiert worden. Dabei habe die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Juni 2009 (BVerfGE 124, 78), durch die die Rechtsprechung zum Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung konkretisiert worden sei, eine Rolle gespielt. Die Antragsgegnerin habe das ihrerseits Mögliche getan, um die Voraussetzungen für eine einvernehmliche Erledigung der Verfassungsstreitigkeit zu schaffen. Dem Antragsteller seien Ablichtungen der vollständigen Resonanzstudien aus den Jahren 2006, 2007 und 2008 übermittelt worden, obwohl nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung eine entsprechende Verpflichtung zur Herausgabe von Aktenbestandteilen nicht bestehe. In diesem Kontext sei die Formulierung, die Übersendung erfolge „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“, im Schreiben der Staatskanzlei vom 15. Juli 2010 zu sehen.

Bei etwaigen weiteren Schriftlichen Anfragen werde es keinen Automatismus geben, wonach in jedem Fall Kopien entsprechender Aktenbestandteile herausgegeben würden. Es werde vielmehr in jedem Einzelfall eine Prüfung im Einklang mit der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung erfolgen. Damit sei nicht gänzlich ausgeschlossen, dass auch künftig Fragen ganz oder zum Teil nicht beantwortet würden, soweit diese dem parlamentarisch nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich der Exekutive zuzuordnen seien. Die frühere Praxis werde insoweit modifiziert, als die Verweigerung einer Auskunft – sofern die Geheimhaltungsbedürftigkeit nicht evident sei – unter Abwägung der betroffenen Belange begründet werde, sodass die Entscheidung auf ihre Plausibilität und Nachvollziehbarkeit überprüft werden könne.

3. Damit habe sich das Interesse des Antragstellers an einer gerichtlichen Klärung seines Anliegens vollständig erledigt. Dem Wegfall des Rechtsschutzinteresses stehe die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs nicht entgegen. Eine Verallgemeinerung dahingehend, dass das Rechtsschutzbedürfnis auch nach Fortfall der rechtsrelevanten Wirkung des beanstandeten Aktes stets erhalten bleibe, sei ihr nicht zu entnehmen. Der Rechtsfrieden sei vorliegend aufgrund der Ausführungen der Antragsgegnerin auch für die Zukunft gesichert. Ein besonderes öffentliches Interesse an der Klärung einer bedeutenden Rechtsfrage sei nicht ersichtlich, eine Wiederholungsgefahr sei nicht gegeben.

IV.

Dem Bayerischen Landtag wurde Kenntnis von der Verfassungsstreitigkeit gegeben.

V.

Der Antrag ist im Hinblick auf die Fragen 2, 4 und 5 der Schriftlichen Anfrage vom 22. Februar 2009 (LT-Drs. 16/1118), soweit diese sog. Resonanzstudien betreffen, sowie hinsichtlich der Schriftlichen Anfrage vom 28. Mai 2009 (LT-Drs. 16/1673) zulässig.

1. Nach Art. 64 BV, Art. 49 VfGHG entscheidet der Verfassungsgerichtshof über Verfassungsstreitigkeiten zwischen den obersten Staatsorganen oder in der Verfassung mit eigenen Rechten ausgestatteten Teilen eines obersten Staatsorgans. Der Organstreit muss sich auf Rechte beziehen, die sich unmittelbar aus der Bayerischen Verfassung ergeben. Als Teil des Landtags ist demnach ein einzelner Abgeordneter, der eine Verletzung seines Frage- und Informationsrechts gemäß Art. 13 Abs. 2 und Art. 16 a Abs. 1 und 2 Satz 1 BV geltend macht, antragsbefugt (VerfGH vom 17.2.1998 = VerfGH 51, 34/39 f.; VerfGH vom 26.7.2006 = VerfGH 59, 144/177). Antragsgegner ist die Staatsregierung als Adressat der Schriftlichen Anfragen.

2. Ein Rechtsschutzinteresse des Antragstellers an der Klärung der von ihm aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Frage ist nach wie vor gegeben.

a) Die beiden verfahrensgegenständlichen Schriftlichen Anfragen des Antragstellers wurden – zunächst – nicht vollständig beantwortet.

Gegenstand der Schriftlichen Anfrage vom 22. Februar 2009 (LT-Drs. 16/1118) waren sieben Fragen zu Meinungsumfragen im Auftrag der Staatsregierung. In ihrer Antwort vom 7. April 2009 äußert sich die Staatsregierung formal zwar zu sämtlichen Fragen; inhaltlich umfassend beantwortet werden diese jedoch nur teilweise.

In einer Übersicht zu Frage 1 werden die Umfragen ab 2005, darunter auch die drei, in den Jahren 2006, 2007 und 2008 in Auftrag gegebenen „Resonanzstudien“, schlagwortartig beschrieben und die Auftrag gebenden Stellen innerhalb der Staatsregierung, die Auftragnehmer sowie die Kosten dargestellt. Ferner wird zu Frage 7 ausgeführt, dass zum damaligen Zeitpunkt keine weiteren Meinungsumfragen konkret geplant gewesen seien. Damit sind die Fragen 1, 3 und 7 beantwortet.

Keine näheren Darlegungen enthält die Antwort vom 7. April 2009 zu den Fragen 2, 4 und 5 nach den Themenbereichen und Ergebnissen der „Resonanzstudien“, nach dem konkreten Zweck der Umfragen und nach den von der Staatsregierung hieraus gezogenen Konsequenzen. Begründet wird dies mit dem Hinweis auf den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, der einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich mit einschließe. In ihrer Antwort vom 25. Juni 2009 auf die erneute Schriftliche Anfrage des Antragstellers vom 28. Mai 2009 (LT-Drs. 16/1673) zu den Inhalten der drei „Resonanzstudien“ wiederholt die Staatsregierung im Wesentlichen ihre früheren Ausführungen.

Dagegen ist die Frage 6 nach der Veröffentlichung der Umfrageergebnisse, die hinsichtlich der „Resonanzstudien“ verneint wird, beantwortet. Zwar wird durch den Verweis auf die Antwort zu Frage 2 zugleich auf den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung Bezug genommen. Damit wird insoweit aber nicht die Beantwortung einer Frage abgelehnt, sondern die Motivation für die unterbliebene Veröffentlichung der Studien, nach der ebenfalls gefragt ist, dargelegt. Wie die unterbliebene Veröffentlichung und damit die Verfahrensweise der Staatsregierung politisch zu bewerten sind, ist nicht Gegenstand des Organstreitverfahrens.

b) Das Rechtsschutzinteresse des Antragstellers ist nicht dadurch entfallen, dass der Leiter der Staatskanzlei diesem mit Schreiben vom 15. Juli 2010 folgende Unterlagen übersandt hat:

– Untersuchungen zur Familienpolitik der Bayerischen Staatskanzlei, Ergebnisse mit Kurzbericht, Juli 2006, vom 31. Juli 2006,

– Einstellungen zur Familienpolitik im Freistaat Bayern – Präsentation – vom 5. September 2006,

– Resonanzuntersuchung in Bayern, Dezember 2007 – Präsentation – vom 7. Januar 2008,

– Resonanzuntersuchung in Bayern, Ende 2008 – Präsentation – vom 26. Januar 2009.

Damit sind zwar die Fragen nach den Inhalten und Ergebnissen der sog. Resonanzstudien beantwortet. Weiterhin offengeblieben ist aber vor allem die Frage 5 der Schriftlichen Anfrage vom 22. Februar 2009 nach den Konsequenzen, die die Staatsregierung aus den Umfragen für die politische Arbeit gezogen hat. Ob sich insoweit aus der im vorliegenden Verfahren abgegebenen Stellungnahme der Staatskanzlei vom 14. Oktober 2010 und den hierzu vorgelegten Anlagen sowie den Ausführungen des Vertreters der Staatsregierung in der mündlichen Verhandlung eine hinreichende Antwort ergibt, kann dahingestellt bleiben. Von einem fortbestehenden Interesse des Antragstellers an einer Entscheidung der vorliegenden Organstreitigkeit ist unabhängig davon auszugehen, ob seine Schriftlichen Anfragen vom 22. Februar und 28. Mai 2009 zwischenzeitlich vollständig beantwortet sind.

In einem Organstreitverfahren geht es nicht nur um die Durchsetzung bestimmter Rechte des Antragstellers, sondern in gleicher Weise um die objektive Klärung der zwischen den beteiligten Organen umstrittenen Verfassungsrechtsfragen. Durch die Entscheidung soll in diesem Bereich der Rechtsfrieden auch für die Zukunft gesichert werden. Ein Antrag im Organstreitverfahren wird deshalb regelmäßig nicht dadurch unzulässig, dass die geltend gemachte Verletzung verfassungsmäßiger Rechte in der Vergangenheit liegt und gegenwärtig keine Wirkungen mehr entfaltet (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 14.12.1988 = VerfGH 41, 124/132; VerfGH vom 17.6.1993 = VerfGH 46, 176/179 f.; VerfGH vom 30.9.1994 = VerfGH 47, 194/198 f.; VerfGH vom 17.2.1998 = VerfGH 51, 34/40 f.; VerfGH vom 26.7.2006 = VerfGH 59, 144/188).

Zudem kann sich der verfahrensgegenständliche Streit in der Zukunft jederzeit wiederholen (vgl. VerfGH 47, 194/198; BVerfG vom 17.12.2001 = BVerfGE 104, 310/331). Sowohl aus dem schriftsätzlichen Vorbringen als auch aus den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung ergibt sich, dass die Frage, inwieweit im Hinblick auf die sog. Resonanzstudien eine Verpflichtung der Staatsregierung zur Beantwortung der Schriftlichen Anfragen des Antragstellers vom 22. Februar und 28. Mai 2009 bestanden hat, zwischen den Beteiligten nach wie vor nicht eindeutig geklärt ist.

VI.

Im Umfang seiner Zulässigkeit ist der Antrag auch begründet.

A.

Das Frage- und Informationsrecht eines Abgeordneten und der Umfang der hierzu korrespondierenden Antwort- und Informationspflicht des befragten Staatsorgans sind in der Bayerischen Verfassung nicht ausdrücklich geregelt. Aus dem in Art. 13 Abs. 2 BV begründeten Status eines Parlamentsabgeordneten sowie allgemein aus den Aufgaben, die einem Parlament im demokratischen Rechtsstaat zukommen, vor allem der Mitwirkung an der Gesetzgebung und der Ausübung der Kontrolle über die Exekutive, folgt aber, dass ein Abgeordneter – im Rahmen bestimmter Grenzen – ein Recht auf Beantwortung seiner an die Staatsregierung gerichteten Fragen hat (VerfGH vom 17.7.2001 = 54, 62/73 f. m. w. N.; VerfGH 59, 144/177 f.).

1. Art. 13 Abs. 2 Satz 1 BV gibt jedem Abgeordneten das subjektive Recht, sein Mandat innerhalb der Schranken der Verfassung ungehindert auszuüben; diese Regelung verbürgt ihm einen Kernbestand an Rechten auf Teilhabe am Verfassungsleben. Dazu gehört u. a. ein Mindestbestand an Rede- und Antragsbefugnissen.

Im Gesetzgebungsverfahren hat ein Abgeordneter das Recht, Initiativen zu ergreifen, abzustimmen, Anträge zu stellen und zu beraten. Um diese Rechte sachgerecht wahrnehmen zu können und hierdurch die Aufgabe zu erfüllen, mit der ihn der Wähler beauftragt hat, bedarf der Abgeordnete grundsätzlich umfassender Sachinformationen. Aus dem in Art. 13 Abs. 2 Satz 1 BV gewährleisteten Status erwächst dem Abgeordneten mithin ein Recht darauf, dass ihm von der Seite der Exekutive grundsätzlich diejenigen Informationen nicht vorenthalten werden, die ihm die Erfüllung seiner Aufgaben als Vertreter des Volkes im Parlament ermöglichen, nämlich die sachverständige Beurteilung und Entscheidung von Sachfragen.

Neben der Gesetzgebung kommt dem Parlament die Kontrolle der Exekutive zu. Die Kontrollfunktion des Parlaments als grundlegendes Prinzip des parlamentarischen Regierungssystems und der Gewaltenteilung ist angesichts des regelmäßig bestehenden Interessengegensatzes zwischen regierungstragender Mehrheit und oppositioneller Minderheit wesentlich von den Wirkungsmöglichkeiten der Minderheit abhängig. Das Fragerecht des einzelnen Abgeordneten zur Ausübung der parlamentarischen Kontrolle über die Exekutive ist insoweit auch in Art. 16 a Abs. 1 und 2 Satz 1 BV begründet.

Somit ist aus der Verfassung selbst das Recht eines jeden Abgeordneten herzuleiten, Fragen an die Staatsregierung zu richten. Entsprechend dieser verfassungsrechtlichen Begründung des Fragerechts und entsprechend dem Sinn und Zweck dieses Fragerechts ist die Exekutive grundsätzlich dazu verpflichtet, die Fragen eines Abgeordneten zu beantworten.

Die Antwortpflicht unterliegt allerdings bestimmten Grenzen. Diese können nicht für alle in Betracht kommenden Fälle abstrakt im Voraus bestimmt werden. Sie ergeben sich in erster Linie aus der Verfassung und verfassungsrechtlichen Grundsätzen. Zur Bestimmung der Grenzen im Einzelnen ist die Antwortpflicht nach dem „Ob“ und dem „Wie“ einer Antwort zu differenzieren, also danach, ob überhaupt eine Antwort gegeben werden muss und – gegebenenfalls – in welcher Art und Weise die Antwort zu erfolgen hat.

2. Angesichts der Verankerung des Fragerechts und damit auch der Antwortpflicht in der Verfassung selbst ist beim „Ob“ einer Antwort nur ein enger Entscheidungsspielraum gegeben. Die Ablehnung, eine Frage überhaupt (materiell) zu beantworten, muss danach die Ausnahme sein und bedarf besonderer Rechtfertigung.

a) Für die Bestimmung der Grenzen der Antwortpflicht gibt unter anderem der Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 5 BV) wichtige Anhaltspunkte. Die Teilung der Gewalten ist ein tragendes Organisations- und Funktionsprinzip in einer demokratischen, rechtsstaatlichen Verfassungsordnung. Kern des Gewaltenteilungsgrundsatzes ist, dass sich die Organe der Legislative, Exekutive und Judikative gegenseitig kontrollieren und begrenzen, damit die Freiheit des Einzelnen geschützt wird. Die in der Verfassung vorgenommene Verteilung der Gewichte zwischen den drei Gewalten muss aufrechterhalten bleiben. Keine Gewalt darf ein in der Verfassung nicht vorgesehenes Übergewicht über die anderen Gewalten erhalten, und keine Gewalt darf der für die Erfüllung ihrer verfassungsmäßigen Aufgaben erforderlichen Zuständigkeiten beraubt werden (VerfGH vom 15.1.1996 = VerfGH 49, 1/7; VerfGH vom 29.9.2005 = VerfGH 58, 212/248).

Bei der Beurteilung der vorliegenden Verfassungsstreitigkeit ist daher nicht nur der Kontrollfunktion des Parlaments, für deren Ausübung die Beantwortung Schriftlicher Anfragen eine wichtige Informationsquelle darstellt, Rechnung zu tragen. Es ist andererseits zu gewährleisten, dass die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der internen Willensbildung der Regierung und damit die Aufgabenerfüllung im Rahmen der Staatsleitung nicht beeinträchtigt werden. Das ist Grundbedingung dafür, dass die Staatsregierung ihrer Verantwortung gegenüber Parlament und Volk gerecht werden kann. Die Wahrnehmung dieser Aufgabe setzt notwendigerweise einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung voraus, der einen Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich umfasst, auf den sich die parlamentarische Kontrolle nicht erstreckt. Dazu gehört die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht (VerfGH 54, 62/74; VerfGH vom 27.11.1985 = VerfGH 38, 165/176; Meder, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 4. Aufl. 1992, RdNr. 2 zu Art. 5, RdNr. 1 zu Art. 24, RdNrn. 1, 2, 7, 9 zu Art. 25; vgl. auch BVerfG vom 17.7.1984 = BVerfGE 67, 100/139; BVerfG vom 30.3.2004 = BVerfGE 110, 199/214; BVerfG vom 17.6.2009 = BVerfGE 124, 78/120; BVerfG vom 1.7.2009 = BVerfGE 124, 161/188 f.; VerfGH Nordrhein-Westfalen vom 4.10.1993 = NVwZ 1994, 678/679; LVerfG Brandenburg vom 20.11.1997 = LVerfGE 7, 123/133 f.; VerfG Hamburg vom 20.5.2003 = LVerfGE 14, 221/228; Magiera in Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989, § 52 RdNrn. 76 f.; Masing, Parlamentarische Untersuchungen privater Sachverhalte, 1998, S. 183, 320 ff.; Klein in Maunz/Dürig, GG, RdNrn. 96, 106 f. zu Art. 43; Schneider in Badura/Dreier, Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, 2001, Bd. II, S. 627/632; Scholz, AöR 105, 564/598; Arloth, NJW 1987, 808/811 f.; Röken, DVBl 1988, 268/272; Vogelgesang, ZRP 1988, 5/7 f.; Busse, DÖV 1989, 45; Huber/Unger, NordÖR 2007, 479/484 f.). Eine Pflicht der Regierung, parlamentarischen Informationswünschen zu entsprechen, besteht danach in der Regel nicht, wenn die Information zu einem Mitregieren Dritter bei Entscheidungen führen kann, die in der alleinigen Kompetenz der Regierung liegen (BVerfGE 110, 199/214; 124, 78/120 f.).

b) Aus der verfassungsrechtlich verankerten grundsätzlichen Antwortpflicht folgt zugleich, dass die Staatsregierung eine Begründung geben muss, wenn sie die erbetenen Auskünfte ganz oder teilweise verweigert. Es sind plausible Gründe für die Ablehnung darzulegen, damit diese nachvollziehbar wird und es dem anfragenden Abgeordneten möglich ist, gegebenenfalls in eine politische Auseinandersetzung über die Verfahrensweise einzutreten (VerfGH 54, 62/74; BVerfGE 124, 161/192 f.; VerfG Mecklenburg-Vorpommern vom 19.12.2002 = NJW 2003, 815/817). Der pauschale Hinweis auf einen der verfassungsrechtlichen Gründe, die dem parlamentarischen Fragerecht Grenzen setzen, genügt hierfür nicht. Das Vorliegen der Voraussetzungen eines Informationsverweigerungsrechts ist substanziiert, nicht lediglich formelhaft, zu begründen. Dies ist auch unentbehrliche Grundlage für die verfassungsgerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 124, 78/128 f.).

3. Soweit nach den unter VI. A. 1. und 2. a) dargestellten Grundsätzen eine Antwortpflicht der Staatsregierung besteht, ist die Art und Weise, in der diese Antwort zu geben ist, das „Wie“ der Antwort, zu bestimmen.

Die Verfassungsorgane und ihre Gliederungen sind zu gegenseitiger Rücksichtnahme verpflichtet. Diese Rücksichtnahme gebietet, dass alle Verfassungsorgane bei der Ausübung ihrer Befugnisse und Aufgaben den Funktionsbereich des anderen Organs respektieren. Nur so ist ein sinnvolles Zusammenwirken mehrerer prinzipiell gleich geordneter Staatsorgane im Interesse bestmöglicher Verwirklichung des Gemeinwohls zu erreichen. Die Ausarbeitung einer Antwort auf eine Anfrage aus dem Parlament kann einen großen Arbeitsaufwand erfordern, längere Zeit in Anspruch nehmen, Ressourcen der Verwaltung binden und Kosten verursachen. Schon daraus ergibt sich, dass die Staatsregierung notwendigerweise bei dem „Wie“ ihrer Antwort einen gewissen Spielraum haben muss. Die Funktions- und Arbeitsfähigkeit der Staatsregierung darf durch die Beantwortung von Anfragen nicht gefährdet werden.

Der Staatsregierung gebührt mithin bei der Beantwortung von Schriftlichen Anfragen eine gewisse Einschätzungsprärogative. Es liegt letztlich im Rahmen dieser Einschätzungsprärogative, wie die Staatsregierung ihre Antwort abfasst, in welchem Umfang sie auf Einzelheiten eingeht und ob sie sogleich oder erst nach gründlicher Auseinandersetzung mit der Frage antwortet. Es ist daher z. B. grundsätzlich eine zulässige Form der Antwort, wenn der Anfragende in geeigneten Fällen auf andere öffentlich zugängliche Informationsquellen verwiesen wird, besonders auf Untersuchungen und Erörterungen im Parlament sowie auf frühere Antworten zu parlamentarischen Anfragen, oder wenn zusammenfassende, sich auf den Kern der Frage konzentrierende Antworten gegeben werden (VerfGH 54, 62/ 75 f. m. w. N.; 59, 144/183).

B.

Nach diesen Grundsätzen verletzen die Antworten der Staatsregierung vom 7. April 2009 (LT-Drs. 16/1118) und vom 25. Juni 2009 (LT-Drs. 16/1673) auf die Fragen 2, 4 und 5 der Schriftlichen Anfrage vom 22. Februar 2009, soweit diese sog. Resonanzstudien betreffen, sowie auf die Schriftliche Anfrage vom 28. Mai 2009 die Rechte des Antragstellers aus Art. 13 Abs. 2, Art. 16 a Abs. 1 und 2 Satz 1 BV.

Die Staatsregierung ist ihrer Verpflichtung zur Beantwortung teilweise nicht nachgekommen. Da diese Pflichtverletzung bereits das „Ob“ einer Antwort betrifft, bedarf es keines näheren Eingehens auf die Art und Weise (das „Wie“) der Beantwortung. Für die Beurteilung, ob eine Rechtsverletzung gegeben ist, sind die in den genannten Landtagsdrucksachen aufgeführten Inhalte der Antworten der Antragsgegnerin maßgeblich (VerfGH 59, 144/188). Soweit die Antworten unter dem Eindruck des verfassungsgerichtlichen Verfahrens – etwa durch Übersendung von Unterlagen – ergänzt wurden, lässt dies die bereits eingetretene Rechtsverletzung nicht entfallen.

In den Antworten der Staatsregierung vom 7. April und 25. Juni 2009 werden nähere Ausführungen zu drei sog. Resonanzstudien mit der Begründung verweigert, die diesbezüglichen Fragen des Antragstellers beträfen den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung. Da die Staatskanzlei dem Antragsteller mit Schreiben vom 15. Juli 2010 die betreffenden Studien zwischenzeitlich zur Verfügung gestellt hat, beschränkt sich die Prüfung des Verfassungsgerichtshofs nicht darauf, ob die von der Staatsregierung gegebene Begründung die Verweigerung der Antworten rechtfertigt. Da die Studien nunmehr bekannt sind, kann im Hinblick auf die Fragen nach ihren Inhalten auch beurteilt werden, ob die Gegenstände der Umfragen eine Antwortpflicht der Staatsregierung ausnahmsweise entfallen lassen.

1. Aus den dem Antragsteller mit Schreiben der Staatskanzlei vom 15. Juli 2010 übersandten Unterlagen ergibt sich, dass die in der Antwort der Staatsregierung vom 7. April 2009 aufgeführte „Resonanzstudie“ aus dem Jahr 2006 eine Untersuchung zur Familienpolitik zum Gegenstand hatte, die vom 20. bis 28. Juli 2006 mittels telefonischer Umfragen durchgeführt, am 31. Juli 2006 abgeschlossen und am 5. September 2006 der Staatskanzlei präsentiert wurde. Die beiden weiteren „Resonanzstudien“ aus den Jahren 2007 und 2008, die in der Aufstellung der von der Staatsregierung in Auftrag gegebenen Meinungsumfragen enthalten sind, tragen im Titel jeweils die Bezeichnung „Resonanzuntersuchung“. Sie wurden vom 11. bis 17. Dezember 2007 bzw. vom 12. bis 17. Dezember 2008 ebenfalls auf der Grundlage telefonischer Befragungen erstellt und der Staatskanzlei am 7. Januar 2008 bzw. 26. Januar 2009 präsentiert.

a) Die Studien umfassen zum einen Fragestellungen zu unterschiedlichen Sachthemen. In der Umfrage zur Familienpolitik aus dem Jahr 2006 wird die Einstellung der Befragten zum Thema Ehe und Familie, zur Vereinbarkeit von Beruf und Mutterrolle, zu bevorzugten und tatsächlich genutzten Betreuungsmöglichkeiten, zur Qualität der Betreuungsangebote sowie im Hinblick auf Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Familie untersucht. Die 2007 und 2008 durchgeführten Studien setzen sich u. a. mit der Relevanz der wichtigsten landespolitischen Aufgaben auseinander. Die „Resonanzuntersuchung“ von 2007 befasst sich ferner, soweit sie einzelne Sachthemen zum Gegenstand hat, mit der Haltung der Befragten zum Transrapid, mit Fragen aus dem Bereich Bildung und Schule, mit der Angst vor Arbeitslosigkeit, der sozialen Gerechtigkeit und der Zukunft der Energieversorgung. In der „Resonanzuntersuchung“ von 2008 werden u. a. die Wirtschafts- und Finanzkrise sowie die Krise der Bayerischen Landesbank näher thematisiert.

b) Zum anderen dienen die Studien von 2007 und 2008 vor allem der Erforschung der allgemeinen politischen Stimmung in Bayern und auf Bundesebene. Zu diesem Zweck werden beispielsweise die sog. Sonntagsfrage nach der Wahlabsicht für die Landtagswahl und die Frage nach der Zufriedenheit mit dem jeweiligen Ministerpräsidenten und der Staatsregierung sowie der Bundeskanzlerin und der Bundesregierung gestellt. Der Ausgang der Landtagswahl vom 28. September 2008 wird bewertet; Wählerwanderungen werden analysiert. Die Übersichten über die wichtigsten landespolitischen Aufgaben geben Aufschluss über die den einzelnen Parteien zugeschriebene Lösungskompetenz. Im Rahmen der Auswertung der Umfrageergebnisse enthalten die „Resonanzuntersuchungen“ Empfehlungen zu einem künftigen Wahlziel der CSU, zum Umgang mit konkurrierenden Parteien und zur Fokussierung der politischen Auseinandersetzung.

2. Soweit der Antragsteller mit Frage 2 der Schriftlichen Anfrage vom 22. Februar 2009 (LT-Drs. 16/1118) sowie mit seiner Schriftlichen Anfrage vom 28. Mai 2009 (LT-Drs. 16/1673) Auskunft über die Inhalte und Ergebnisse der sog. Resonanzstudien begehrt hat, durfte eine Beantwortung nicht mit dem Hinweis auf den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung verweigert werden.

a) Die in den Studien enthaltenen Ergebnisse der Umfragen zu bestimmten Sachthemen beziehen sich auf landespolitische Fragen, für deren Behandlung die Staatsregierung im Rahmen der Staatsleitung zuständig ist. Diese Inhalte sind für die Entscheidungsfindung der Staatsregierung insofern von Bedeutung, als sie, wenn in den betreffenden Bereichen Entscheidungen anstehen, – neben vielen anderen Informationen – als Material für die Willensbildung in Betracht kommen. Sie können damit beispielsweise die Meinungsbildung im Hinblick auf gesetzgeberische Initiativen oder andere Projekte beeinflussen. Die vom Antragsteller begehrten Auskünfte zu den Inhalten der sog. Resonanzstudien betreffen jedoch allenfalls Entscheidungsgrundlagen, nicht aber die Entscheidungsfindung der Staatsregierung als solche. Abstimmungsprozesse innerhalb der Staatsregierung werden hierdurch nicht berührt. Es ist im Übrigen auch nicht ersichtlich, dass die gewünschte Bekanntgabe der Umfrageinhalte Rückschlüsse auf eine etwaige Willensbildung innerhalb der Staatsregierung zulassen würde (vgl. BVerfGE 110, 199/221; 124, 78/121; Magiera, a. a. O., § 52 RdNr. 77).

b) Auch hinsichtlich der Umfrageergebnisse zur politischen Stimmung im Allgemeinen ist nicht erkennbar, inwiefern eine Bekanntgabe der Inhalte dazu führen könnte, dass autonome Entscheidungsprozesse der Staatsleitung beeinträchtigt werden. Hinzu kommt insoweit, dass der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung nur Aufgaben umfassen kann, deren Erledigung der Staatsregierung nach dem Verfassungsgefüge zugewiesen ist (zur Problematik, ob die sog. Sonntagsfrage und andere parteipolitische Fragestellungen in den verfahrensgegenständlichen Untersuchungen dem Aufgabenbereich der Staatsregierung zuzuordnen sind, vgl. Beratende Äußerung des Bayerischen Obersten Rechnungshofs zu den Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit, Gutachtens- und Beratungsaufträge, Erforschung der öffentlichen Meinung im Einzelplan 02, Januar 2011).

3. Eine nähere Beantwortung der Fragen 4 und 5 der Schriftlichen Anfrage vom 22. Februar 2009 (LT-Drs. 16/1118) durfte jedenfalls mit der angeführten Begründung nicht verweigert werden.

Diese Fragen betreffen den Zweck, den die Staatsregierung mit der Durchführung der Umfragen verfolgte, und die hieraus für die politische Arbeit gezogenen Konsequenzen. Es ist nicht auszuschließen, dass bei einer umfassenden Beantwortung Details beispielsweise über die Erarbeitung von Gesetzesinitiativen oder die Vorbereitung sonstiger Regierungsentscheidungen bekannt geworden wären, mithin über Aktivitäten, die dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung zuzurechnen sind. Zwar können auch Informationen aus dem Bereich der regierungsinternen Willensbildung, insbesondere wenn es sich um abgeschlossene Vorgänge handelt, dem parlamentarischen Zugriff unterliegen. Die Kontrollkompetenz des Parlaments umfasst jedoch nicht die Befugnis, laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen auszuforschen, um die interne Regierungsarbeit gleichsam von außen zu begleiten (BVerfGE 110, 199/214 f.; 124, 78/120 f.).

Ob die Pflicht zur Beantwortung der Fragen 4 und 5 der Schriftlichen Anfrage vom 22. Februar 2009 hier unter diesem Gesichtspunkt eingeschränkt war, lässt sich anhand der Antwort der Staatsregierung jedoch nicht beurteilen. Nähere Darlegungen wurden mit dem Hinweis abgelehnt, die Resonanzstudien dienten der weiteren Planung der Politik der Staatsregierung mit dem Ziel, Meinungen und Präferenzen in der Bevölkerung abzufragen und die Bedeutung von Themen für die Bürgerinnen und Bürger zu untersuchen. Dieses pauschale Berufen auf weitere politische Planungen genügt nicht, um der Antwortpflicht Grenzen zu setzen. Dass die Staatsregierung im Übrigen durch die Bezugnahme auf die Antwort zu Frage 2 allgemein auf den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung verwiesen hat, reicht ebenfalls nicht aus. Es wäre vielmehr Aufgabe der Staatsregierung gewesen, gegenüber dem Fragesteller nachvollziehbar darzulegen, aus welchem Grund die gewünschten Auskünfte im Einzelfall dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung zuzuordnen sein sollten und warum sie gegebenenfalls auch mit zeitlichem Abstand nicht erteilt werden konnten (BVerfGE 124, 78/128; 124, 161/193 ff.; Huber/Unger, NordÖR 2007, 479/486 f.). Der Verfassungsgerichtshof muss sich auf diese Feststellung beschränken, da die möglichen Grenzen einer Antwortpflicht im Hinblick auf die Bandbreite der Gründe, die hierfür in Betracht kommen, nicht im Voraus näher bestimmt werden können.

VII.

Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 27 Abs. 1 Satz 1 VfGHG). Dem Antragsteller sind die durch das Verfahren entstandenen notwendigen Auslagen aus der Staatskasse zu erstatten (Art. 27 Abs. 5 VfGHG).

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