LG Deggendorf, Urteil vom 17.05.2011 - 33 O 622/10
Fundstelle
openJur 2012, 115960
  • Rkr:
Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Kläger hat auch die Kosten der Streithelferin … und der Streithelferin … zu tragen.

III.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 27.825,20 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadenersatz für auf einer Baustelle beschädigte Gerüstteile des Klägers.

Der Kläger ist Inhaber eines Gerüstbaumeisterbetriebes. Die Beklagte betreibt ein Bauunternehmen. Am 25.06.2007 beauftragte die Beklagte den Kläger mit der Anbringung eines Gerüstes um Ziegelwandmauern auf der Baustelle der Firma ... im Gewerbegebiet ... Generalunternehmer der Beklagten war die ... Die Beklagte errichtete die für die geplante Halle erforderlichen Ziegelwandmauern, wobei diese zunächst freistehend mit einem Abstand von 50 bis 60 cm erstellt wurden. Sodann bzw. noch während des Aufmauerns wurde jede Ziegelwand vom Kläger zunächst eingerüstet und anschließend wurden mit Hilfe des Gerüstes von den Mitarbeitern der Beklagten die Zwischenräume zwischen den einzelnen Ziegelwandmauern mit Beton ausgegossen, wodurch das Gebäude erst seine notwendige Stabilität erhielt. Beim Verlassen der Baustelle am Abend des 21.07.2007 blieben wenigstens zwei Wandabschnitte stehen, die eingerüstet waren, bei denen die Zwischenräume jedoch noch nicht mit Beton ausgegossen waren. In der Nacht vom 21. auf den 22.07.2007 gab es in ganz Bayern schwere Unwetter. Am folgenden Tag waren sowohl ein Teil der beiden freistehend gebliebenen Ziegelwandmauern wie auch ein Teil des Gerüstes eingestürzt. Die umgestürzten Gerüstteile wurden am Montag, den 23.07.2007 von Mitarbeitern des Klägers demontiert und im Anschluss hieran wieder neu errichtet. Die endgültige Demontage des gesamten Gerüstes erfolgte spätestens im Herbst 2007, die Schlussrechnung wurde vom Kläger am 19.12.2007 gelegt. Die beiden am Abend des 21.07.2007 freistehend verbliebenen Ziegelwandmauern waren ohne jegliche weitere Abstützmaßnahme errichtet worden.

Der Kläger behauptet, dass am 21.07.2007 sämtliche von der Beklagten zu diesem Zeitpunkt errichteten Ziegelwandmauern komplett eingerüstet gewesen seien und das Gerüst sowohl fest am Boden als auch direkt an der Fassade selbst verankert gewesen sei. Der Kläger behauptet, das Unwetter in der Nacht habe die beiden freistehend gebliebenen Ziegelwandmauern umgeworfen, wobei diese gegen das fest an der Betonbodenplatte und dem Ziegelmauerwerk verankerte Gerüst des Klägers gefallen seien. Das Gewicht der Ziegelwand habe das im Verhältnis wesentlich leichtere Gerüst zum Einsturz gebracht. Der Einsturz der beiden Ziegelwandmauern und somit auch der Einsturz des Gerüstes, sei alleine deshalb erfolgt, weil die freistehenden Ziegelmauern dem Wind mit Windstärke 8 nicht standgehalten hätten. Der Kläger beziffert den Schaden an den Gerüstteilen auf insgesamt 20.754,80 €. Des Weiteren trägt er vor, dass für die eigene Schadensbegutachtung am Sonntag den 22.07.2007 ein Aufwandersatz von 207,00 € für die Aufräumarbeiten, am Montag den 23.07.2007 Lohnkosten in Höhe von 598,00 € und 836,00 €, für den Wiederaufbau des Gerüstes Lohnkosten in Höhe von 3.851,40 €, für den Abtransport der beschädigten Gerüstteile pauschal 800,00 € und für ein Gutachten des Deutschen Wetterdienstes 238,00 € ersatzfähig seien. Nach Auffassung des Klägers habe höhere Gewalt nicht vorgelegen. Die Stürme seien nicht entsprechend stark gewesen, Windstärke 8 sei nicht außergewöhnlich in Deutschland. Zudem ist der Kläger der Auffassung, dass das Verlassen der Baustelle durch die Mitarbeiter der Beklagten ohne Anbringung jeglicher Abstützmaßnahmen an den Mauern grob fahrlässig gewesen sei und nicht der DIN-Norm entspreche.

Der Kläger beantragt daher:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 27.285,20 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 26.247,20 € seit 31.07.2008 und nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1.038,00 € seit Klageerhebung sowie außergerichtliche Anwaltsgebühren in Höhe von 1.005,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Klageerhebung zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, dass der Einsturz der Ziegelwandmauern nicht den Einsturz des Gerüstes verursacht habe. Vielmehr hätten in der fraglichen Nacht derart außergewöhnliche Windverhältnisse geherrscht, dass diese als höhere Gewalt zu bezeichnen seien und das Gerüst unabhängig von den Mauern eingestürzt sei. Abstützmaßnahmen an einer 36iger Ziegelmauer seien zudem weder möglich noch erforderlich. Das vom Kläger erholte Gutachten des ... Wetterdienstes beziehe sich zudem nicht auf das Gewerbegebiet ... sondern auf den Ort ... Deshalb seien die dort ermittelten Windgeschwindigkeiten zu niedrig, im Bayerischen Wald hätten in der fraglichen Nacht orkanartige Spitzengeschwindigkeiten von über 100 km/h geherrscht. Weiter bestreitet die Beklagte den vom Kläger geltend gemachten Schaden der Höhe nach. Die Beklagte ist der Auffassung, der Kläger habe gewusst, wo er sein Gerüst aufgestellt habe. Der Kläger sei also derjenige, der weitere Sicherheitsvorkehrungen hätte treffen müssen und nicht die Beklagte. Ferner ist die Beklagte der Ansicht, eventuelle Schadensersatzansprüche des Klägers seien jedenfalls verjährt, da es sich bei dem vorliegenden Gerüstbau- und Überlassungsvertrag um einen dem Schwerpunkt nach als Mietvertrag zu qualifizierenden Vertrag handle, so dass die sechsmonatige Verjährung aus § 548 BGB gelte. Weiter ist die Beklagte der Auffassung, nicht das Landgericht Deggendorf, sondern das Landgericht Weiden sei vorliegend örtlich zuständig, da sich die Zuständigkeit nach § 17 ZPO richte.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 03.05.2011 verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.

I.

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Deggendorf sachlich und örtlich zuständig gem. §§ 23 Nr. 1, 71 I GVG, 29 I ZPO. Gem. § 29 I ZPO ist für alle Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis, nicht nur für die Erfüllungsansprüche, das Gericht des Erfüllungsortes zuständig. In Streit stehen vorliegend Schadensersatzansprüche, die demnach ebenso erfasst sind (vgl. Zöller, ZPO, 28. Auflage, § 29 Rn. 25 "Schadensersatz"). Erfüllungsort ist vorliegend ..., welches im Bezirk des Landgerichts Deggendorf liegt.

II.

Die Klage ist jedoch nicht begründet.

1.

Mögliche Schadensersatzansprüche des Klägers sind jedenfalls verjährt.

a) Auf den vorliegenden Sachverhalt findet Mietrecht Anwendung. Dabei kann offen bleiben, ob der gesamte streitgegenständliche Vertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten einheitlich als Mietvertrag zu qualifizieren ist, weil der Schwerpunkt des Vertrages in der Gebrauchsüberlassung von Sachen liegt (so z. B. Palandt, BGB, 70. Auflage 2011, Einf. v. § 535 Rn. 36 m. w. N.). Denn auch wenn man bei typengemischten Verträgen wie dem vorliegenden stärker differenziert und auf die Rechtsnatur des von der konkreten Störung betroffenen Vertragsteils abstellt, ergibt sich für den streitgegenständlichen Schadenersatzanspruch des Klägers wegen Verschlechterung oder Zerstörung der überlassenen Sache nichts anderes.

Zweifelsfrei beinhaltet ein Gerüstbauvertrag sowohl werkvertragliche Elemente, da das Gerüst vom Gerüstbauunternehmer individuell bemessen und zusammengestellt sowie in eigener Verantwortung montiert und wieder abgebaut wird. Andererseits gibt es auch gravierende mietvertragliche Elemente, da das Gewerk zum einen im Eigentum des Unternehmers verbleibt und nicht in das Eigentum des Bestellers übergeht und da zum anderen Schwerpunkt des Vertragszweckes regelmäßig die Nutzung des aufgebauten Gerüstes ist. Ist demnach ein eindeutiges und überwiegendes Gepräge des Vertrages nicht feststellbar und fehlt eine Regelung der Parteien zum anzuwendenden Recht, kommt es bei der Beurteilung der anzuwendenden Rechtsvorschriften auf die besonderen Umstände des Einzelfalles, auf die Interessenlage der Vertragsparteien sowie auf Sinn und Zweck der vertraglichen Vereinbarung an. Dabei geht bei einer derartigen Verbindungen mehrerer gleichwertiger Leistungen der mutmaßliche Wille der Vertragsparteien in der Regel dahin, auf die jeweilige Leistungspflicht diejenigen Rechtsvorschriften anzuwenden, die für diese zur Geltung kämen, wenn sie in einem gesonderten Vertrag begründet worden wären. Dementsprechend ist in Bezug auf den Auf- und Abbau des Gerüstes von werkvertraglichen Regelungen auszugehen, da diese Tätigkeiten erfolgsbezogen sind. Mietrecht findet hingegen auf die Phase der Gebrauchsüberlassung des Gerüstes Anwendung (vgl. hierzu umfassend KG Berlin, 11. Zivilsenat, Urteil vom 05.08.2009, Az. 11 U 64/08).

16Im vorliegenden Fall fand das schädigende Ereignis in der Nacht statt, während auf der Baustelle nicht gearbeitet wurde. Bereits unter diesem Gesichtspunkt steht das mietvertragliche Element der Gebrauchsüberlassung im Vordergrund. Ein Zusammenhang der vom Kläger geltend gemachten Schadenersatzansprüche mit dem Aufbau des Gerüstes ist - jedenfalls wenn man den Sachvortrag des Klägers unterstellt - nicht gegeben. Vielmehr ist nach dem Sachvortrag des Klägers während der Nutzung des Gerüstes durch die Mitarbeiter der Beklagten ein Schaden am Gerüst verursacht worden.

Daher sind die streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche des Klägers in jedem Fall nach Mietrecht zu beurteilen mit der Folge, dass die mietrechtliche Sonderverjährungsvorschrift des § 548 BGB zur Anwendung kommt.

b) Nach dieser Regelung des § 548 I Satz 1 BGB verjähren Ansprüche des Vermieters wegen Veränderung oder Verschlechterung der Mietsache in sechs Monaten, beginnend mit dem Zeitpunkt des Zurückerhaltens der Mietsache. Vorliegend hat der Kläger die beschädigten Teile des Gerüstes bereits am Montag den 23.07.2007, das gesamte übrige Gerüst spätestens im Laufe des Dezembers 2007 zurückerhalten. Eventuelle Schadenersatzansprüche waren bis zur ersten Geltendmachung der Schadensersatzansprüche des Klägers gegenüber der Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 16.07.2008 (siehe Seite 7 der Klageschrift) daher in jedem Fall bereits verjährt. Die Einrede der Verjährung wurde von der Beklagten mit Schriftsatz vom 31.01,2011 auch erhoben (siehe Blatt 27 der Akte).

c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht auf Grund der vom Kläger behaupteten Hemmung der Verjährung. Für die Zeit bis zum 16.07.2008 werden Hemmungstatbestände vom Kläger nicht vorgetragen. Für die Zeit ab dem 16.07.2008 werden vom Kläger noch ein Schreiben der Haftpflichtversicherung der Beklagten vom 05.08.2008, vom 05.05.2010 sowie ein Schreiben an die Haftpflichtversicherung der Beklagten vom 17.03.2010 genannt. Dies ist auch für den weiteren Verlauf nicht substantiiert genug, um eine lückenlose Hemmung der Verjährung bis zur Klageerhebung am 22.12.2010 nachzuweisen.

d) Der Eintritt der Verjährung betrifft nicht nur vertragliche Schadenersatzansprüche nach § 280 BGB, sondern auch eventuelle deliktische Ansprüche des Klägers nach § 823 I BGB (vgl. Palandt, § 548 Rn. 7).

2.

Auf Grund der eingetretenen Verjährung kann dahinstehen, ob das vom Kläger erholte Gutachten des ... Wetterdienstes Aussagekraft auch für den tatsächlichen Leistungsort, nämlich das Gewerbegebiet ... besitzt, oder ob vielmehr dort höhere Windgeschwindigkeiten herrschten, die möglicherweise zur Annahme höherer Gewalt führen würden. Ebenso kann offen bleiben, ob das Gerüst entsprechend der Behauptung des Klägers tatsächlich so verankert war, dass es an sich den aufgetretenen Windgeschwindigkeiten standgehalten hätte und folglich nur auf Grund der umstürzenden Mauern beschädigt wurde.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Einwand der Beklagten, dass es Sache des Klägers gewesen wäre, weitere Maßnahmen zu ergreifen, weil er gewusst habe, wo er sein Gerüst aufstelle, nicht von der Hand zu weisen ist. Es entspricht dabei allgemeinen Grundsätzen, dass auf einer Baustelle derjenige, der ein Folgegewerk errichtet, zu prüfen hat, ob das Vorgewerk ordnungsgemäß errichtet ist. Nach dem Vortrag des Klägers wurden jeweils zunächst zuerst die Mauern errichtet und sodann erst im Hinblick auf die Betongießarbeiten eingerüstet. Es wäre somit Sache des Klägers bzw. seiner Mitarbeiter gewesen, vor Erstellung der jeweiligen Eingerüstung um die Mauern die Standfestigkeit und Absicherung der Mauern zu prüfen. Hätte diese nach Auffassung des Klägers bzw. seiner Mitarbeiter nicht den Anforderungen genügt, so wäre dies bei der Bauleitung vor Errichtung des Gerüstes jedenfalls anzuzeigen bzw. sogar eine Errichtung des Gerüstes abzulehnen gewesen.

3.

Mangels eines Hauptanspruches bestehen auch keine Nebenansprüche auf Verzinsung oder Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 I ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.