LAG München, Urteil vom 31.05.2011 - 9 Sa 80/11
Fundstelle
openJur 2012, 115874
  • Rkr:
Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 30.11.2010, Az.: 14 Ca 4849/10 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung einer Weihnachtsgratifikation in Höhe eines Bruttomonatsgehalts.

Der Kläger war vom 25.01.2001 bis 31.03.2010 aufgrund Arbeitsvertrags vom 25.01.2001 als Buchhalter bei der Beklagten beschäftigt. Das Bruttomonatsgehalt betrug zuletzt … €. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund betriebsbedingter Kündigung der Beklagten vom 17.12.2008 zum 31.03.2010. Darauf haben sich die Parteien in einem Vergleich am 27.01.2009 vor dem Arbeitsgericht in A-Stadt geeinigt. Der Kläger war ordentliches Betriebsratsmitglied.

Der Arbeitsvertrag vom 25.01.2001 enthält in § 4 folgende Regelung:

„§ 4 Vergütung

1. Herr A. erhält ein monatliches Gehalt in Höhe von… DM brutto.

2. Er wird darüber hinaus mit …. Stock Options berücksichtigt.

3. Die Zahlung erfolgt jeweils spätestens zum 30. eines Monats durch Überweisung auf ein Konto von Herrn A., das binnen einer Woche nach Vertragsschluss bekanntzugeben ist.

4. Herr A. erklärt sich damit einverstanden, dass EM die Gehaltszahlungen jederzeit auch in Euro leisten kann.

5. Herr A. erhält darüber hinaus zusammen mit dem jeweiligen Novembergehalt als freiwillige und unwiderrufliche Zuwendung eine Weihnachtsgratifikation in Höhe eines Monatsbruttogehalts. Im Eintrittsjahr wird das Weihnachtsgeld entsprechend der Dauer der Beschäftigungszeit, hier jedoch bereits voll ab Januar 2001 gezahlt. Bei unterjährigen Gehaltserhöhungen gilt als Bemessungsgrundlage für die Weihnachtsgratifikation das durchschnittliche Monatsgehalt eines Jahres. Voraussetzung für die Auszahlung ist, dass Herr A. zum Auszahlungszeitpunkt in einem ungekündigten Beschäftigungsverhältnis steht. Eine Aufhebungsvereinbarung steht einer Kündigung gleich. Herr A. ist verpflichtet, die Gratifikation zurückzuzahlen, wenn das Beschäftigungsverhältnis bis zum 31.03. des auf die Auszahlung folgenden Kalenderjahres durch Kündigung oder Aufhebungsvertrag endet. EM ist berechtigt, mit einer Rückzahlungsforderung alle etwaigen noch fälligen Zahlungsansprüche von Herrn A. aufzurechnen.

   …“

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass ihm ein 13. Gehalt aufgrund Vereinbarung und dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zustehe. Die Beklagte habe dem Kläger bis 2006 ein Weihnachtsgeld und seit 2007 ein 13. Monatsgehalt spätestens mit dem Novembergehalt ausbezahlt. Auf Grund des in den Jahre 2007 und 2008 geleisteten 13. Gehalts und insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Beklagte bereits zu Beginn der Verhandlungen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Zahlung eines 13. Monatsgehalts angeboten habe, habe der Kläger auf die Zahlung des 13. Gehalts im Jahr 2009 vertrauen dürfen. Auf Basis dieser Vorschläge hätten sich die Parteien auch auf eine einvernehmliche Beendigung und somit auch auf die Leistung von 13. Monatsgehältern verständigt. Der Kläger sei auch der Einzige von sämtlichen vergleichbaren Angestellten, der für das Jahr 2009 kein 13. Monatsgehalt bezogen habe. Insofern verstoße die Beklagte gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, da sie den Kläger von der Zahlung eines 13. Gehalts ausschließe.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.050,-- € nebst 5 % Punkten Zinsen über den jeweiligen Basiszinssatz der EZB aus dem Nettobetrag seit 15.12.2009 zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt

Klageabweisung.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass der vom Kläger geltend gemachte Anspruch bereits nicht entstanden sei. Der Kläger habe sich zum Auszahlungszeitpunkt nicht mehr in einem ungekündigten Beschäftigungsverhältnis befunden, da er mit Kündigung vom 17.12.2008 zum 31.03.2010 bereits gekündigt gewesen sei. Zudem sei im Arbeitsvertrag geregelt, dass die Weihnachtsgratifikation eine freiwillige und widerrufliche Zuwendung darstelle. Die Beklagte habe entschieden, von dem vertraglichen Vorbehalt Gebrauch zu machen und keine Weihnachtsgratifikation an den Kläger auszuzahlen. Sinn und Zweck der Gratifikation sei zum einen die Gratifikation für besondere Leistungen in der Vergangenheit und zum anderen die Motivierung für die Zukunft. Beides greife vorliegend nicht, da der Kläger im Zeitraum 01.02.2009 bis 31.03.2010 bezahlt und von der Arbeit freigestellt gewesen sei. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liege nicht vor. Im Jahr 2009 sei bei weitem nicht allen Mitarbeitern ein 13. Monatsgehalt ausbezahlt worden. Da wegen der Freistellung des Klägers Sinn und Zweck der Gratifikation auch nicht mehr erfüllt werden könnten, habe auch ein sachlicher Grund für die Nichtauszahlung an den Kläger vorgelegen. Die Auszahlung der Weihnachtsgratifikation sei im Vergleich nicht geregelt. Es werde bestritten, dass sich die Parteien bei der einvernehmlichen Beendigung auf die Leistung von 13. Monatsgehältern geeinigt hätten.

Bezüglich des weiteren Vorbringens der Parteien in der ersten Instanz wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze vom 15.04.2010 (Bl. 1 – 17 d.A.), 18.05.2010 (Bl. 38 – 55 d.A.), 24.06.2010 (Bl. 61 – 63 d.A.), 20.07.2010 (Bl. 68 – 71 d.A.) und vom 22.09.2010 (Bl. 72 – 73 d.A.) samt ihren Anlagen verwiesen.

Das Arbeitsgericht München hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass ein Anspruch auf Zahlung der Weihnachtsgratifikation nicht bestehe, da der Kläger sich zum Auszahlungszeitpunkt nicht in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befunden habe. Die Stichtagsregelung verstoße nicht gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB noch benachteilige sie den Kläger unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Unwirksam sei zwar die Regelung in § 4 Nr. 5 Satz 1 des Arbeitsvertrages, da diese in sich widersprüchlich sei. Dies beeinträchtige aber nicht die Wirksamkeit der Stichtagsregelung in § 4 Nr. 5 Satz 4 des Arbeitsvertrages. Auch aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes habe der Kläger keinen Anspruch auf die Weihnachtsgratifikation, da ein sachlicher Grund für eine etwaige Ungleichbehandlung des Klägers darin liege, dass dessen Arbeitsverhältnis nicht mehr ungekündigt bestanden habe. Auch ein Anspruch auf betriebliche Übung komme nicht in Betracht, da die Zahlung der Weihnachtsgratifikation arbeitsvertraglich geregelt sei. Hinsichtlich der Begründung im Einzelnen wird auf die Seiten 6 – 11 (Bl. 107 – 112 d.A.) des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.

Gegen dieses Urteil vom 30.11.2010, dem Kläger zugestellt am 23.12.2010, richtet sich die vom Kläger am 21.01.2011 eingelegte und mittels eines am 16.03.2011 eingegangenen Schriftsatzes begründete Berufung. Die Berufungsbegründungsfrist war bis zum 16.03.2011 verlängert worden.

Der Kläger macht geltend, das Arbeitsgericht nehme zu unrecht an, dass die Regelung in § 4 Nr. 5 Satz 4 des Arbeitsvertrages wirksam sei. Diese Regelung verstoße gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB und sei deshalb unwirksam. Die unangemessene Benachteiligung durch die Regelung ergebe sich daraus, dass diese Bedingung nicht differenziere zwischen einer vom Arbeitgeber und einer vom Arbeitnehmer ausgesprochenen Kündigung. Darüber hinaus sei die Stichtagsregelung in § 4 Nr. 5 Satz 4 des Arbeitsvertrages auch deshalb unwirksam, weil § 4 Nr. 5 Satz 1 des Arbeitsvertrages unwirksam ist. Auch habe der Kläger aus betrieblicher Übung und aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz einen Anspruch auf Zahlung der Weihnachtsgratifikation.

Der Kläger beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 30.11.2010, 14 Ca 4840/10, wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.050,-- € nebst 5 % Zinsen über den jeweiligen Basiszinssatz der EZB aus dem Nettobetrag seit 15.12.2009 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt:

Die Berufung des Klägers vom 21.01.2011 gegen das Endurteil vom 30.11.2010 des Arbeitsgerichts München ist unbegründet und zurückzuweisen.

Die Beklagte führt aus, das Bundesarbeitsgericht habe es bislang abgelehnt, die zu Rückzahlungsklauseln entwickelten Grundsätze auf Stichtagsklauseln zu übertragen. Es stelle keine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers dar, wenn eine Stichtagsregelung bei einer betriebsbedingten Arbeitgeberkündigung einen Anspruch auf Gratifikation entfallen lasse. Insbesondere sei keine unangemessene Benachteiligung des Klägers gemäß § 307 BGB gegeben. Eine Unwirksamkeit der Regelung in § 4 Nr. 5 Satz 4 des Arbeitsvertrages ergebe sich auch nicht aus einer Unwirksamkeit des § 4 Nr. 5 Satz 1 des Arbeitsvertrages welche ohnehin vom Arbeitsgericht zu Unrecht angenommen werde. Der Vortrag des Klägers zum Gleichbehandlungsgrundsatz sei völlig unzureichend und unsubstantiiert. Darüber hinaus liege im gekündigten Arbeitsverhältnis des Klägers ein sachlicher Grund.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens in der Berufung wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze vom 16.03.2011 (Bl. 124 – 127 d.A.) und vom 02.05.2011 (Bl. 144 – 147 d.A.) samt ihren Anlagen verwiesen.

Gründe

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat weder aus § 4 Nr. 5 seines Arbeitsvertrags noch aus betrieblicher Übung oder dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz einen Anspruch auf Zahlung der Weihnachtsgratifikation.

1. Wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, hat der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung von 4.050 € aus § 4 Nr. 5 seines Arbeitsvertrags, da die Klausel in § 4 Nr. 5 Satz 4 seines Arbeitsvertrags, dass Voraussetzung für die Auszahlung ist, dass der Kläger zum Auszahlungszeitpunkt in einem ungekündigten Beschäftigungsverhältnis steht, wirksam ist, und der Kläger sich im November 2009 aufgrund der Kündigung vom 17.12.2008 nicht mehr in einem ungekündigten Beschäftigungsverhältnis befand.  

1.1. Die Stichtagsklausel enthält keine unangemessene Benachteiligung des Klägers i.S.d. § 307 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB, weil der Anspruch auf Weihnachtsgeld von einer Bedingung abhängt, deren Eintritt die Beklagte auch ohne eine Veranlassung oder ein Vertretenmüssen durch den Kläger herbeiführen kann.   Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Von maßgeblicher Bedeutung ist insoweit, ob die gesetzliche Regelung nicht nur auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruht, sondern eine Ausprägung des Gerechtigkeitsgebots darstellt. Die Frage, ob eine gegen Treu und Glauben verstoßende unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Klauselverwenders vorliegt, ist auf der Grundlage einer Abwägung der berechtigten Interessen der Beteiligten zu beantworten. Hierbei ist das Interesse des Verwenders an der Aufrechterhaltung der Klausel mit dem Interesse des Vertragspartners an der Ersetzung der Klausel durch das Gesetz abzuwägen. Bei dieser wechselseitigen Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner sind auch grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten (BAG, Urteil vom 18.03.2009 – 10/AZR 289/08, Rn. 21 ff., m.w.N.).

1.1.1. Eine Stichtagsregelung, welche den Anspruch auf ein Weihnachtsgeld vom ungekündigten Bestehen des Arbeitsverhältnisses abhängig macht, weicht nicht von den wesentlichen Grundgedanken des § 611 Abs. 1 BGB ab, wonach der Arbeitgeber als Dienstgeber zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet ist.   Haben die Arbeitsvertragsparteien eine nach Zeitabschnitten i.S.v. § 614 Satz 2 BGB bemessene, in aller Regel monatlich zu zahlende laufende Vergütung vereinbart, muss der Arbeitgeber nach § 611 Abs. 1 BGB nicht zusätzlich zum laufenden Arbeitsentgelt Sonderzahlungen leisten. (vgl. BAG, a.a.O., Rn. 23 f. zum Freiwilligkeitsvorbehalt) Diese vom BAG für eine unter Freiwilligkeitsvorbehalt stehende Sonderzahlung entwickelten Grundsätze gelten ebenso für eine Sonderzahlung, die mit einer Stichtagsregelung verbunden ist. Die Art der Einschränkung, unter die die Zahlung der Sonderzahlung gestellt wird, ändert nichts am Verhältnis zwischen der nach Zeitabschnitten gezahlten monatlichen Vergütung und der Sonderzahlung und den durch § 611 Abs. 1 BGB gezogenen Grenzen. Wenn der Arbeitgeber frei ist, eine Sonderzahlung zwar in Aussicht zu stellen, sich aber nicht zu ihrer Zahlung zu verpflichten, verstößt es auch nicht gegen die durch § 611 BGB gezogenen Grenzen, wenn der Arbeitgeber sich nur unter bestimmten Voraussetzungen zur Leistung der Sonderzahlung verpflichtet.  

1.1.2. Die Stichtagsregelung ist auch nicht wegen einer Abweichung vom gesetzlichen Grundgedanken des § 162 Abs. 2 BGB unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.   Nach § 162 Abs. 2 BGB gilt der Eintritt einer Bedingung als nicht erfolgt, wenn er von der Partei, zu deren Vorteil er gereicht, wider Treu und Glauben herbeigeführt wird. §162 Abs. 2 BGB enthält damit eine Regelung zur Ausübungskontrolle, die voraussetzt, dass zwischen den Parteien eine Situation gegeben ist, bei der die Partei, die aus dem Eintritt der Bedingung einen Vorteil erlangt, es auch in der Hand hat, diesen Vorteil herbeizuführen. § 162 Abs. 2 BGB bringt damit zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber das Vorliegen einer solchen Situation und auch das Herbeiführen des Bedingungseintritts durch denjenigen, der davon profitiert, akzeptiert, solange kein treuwidriges Handeln vorliegt. Es soll nicht verhindert werden, dass jemand zu seinem eigenen Nutzen einen Bedingungseintritt herbeiführen kann. Das Vorliegen einer derartigen vertraglichen Situation wird von § 162 Abs. 2 BGB vielmehr vorausgesetzt. Sondern der Regelung liegt der Gedanke zugrunde, dass niemand aus einer von ihm treuwidrig herbeigeführten Lage Vorteile ziehen soll (vgl. MüKomm-BGB/Westermann, § 162, Rn. 18). Eine Stichtagsklausel, welche einen Anspruch auf Sonderzahlung auch bei einer nicht vom Arbeitnehmer veranlassten Arbeitgeberkündigung ausschließt, verstößt deshalb nicht gegen § 162 Abs. 2 BGB, sondern bildet lediglich eine Situation ab, deren Zulässigkeit § 162 Abs. 2 BGB voraussetzt.   Die Stichtagsregelung weicht auch nicht deshalb von § 162 Abs. 2 BGB ab, weil der Wortlaut der Klausel nicht ausdrücklich regelt, dass bei einer treuwidrigen Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Anspruch nicht ausgeschlossen ist. Eine Abweichung von einer gesetzlichen Regelung liegt nicht schon dann vor, wenn die Klausel nicht alle auf den Sachverhalt kraft Gesetzes anzuwendenden Regeln der Ausübungskontrolle benennt. Der Klausel kann auch nicht entnommen werden, dass § 162 Abs. 2 BGB abbedungen werden sollte.

1.2. Die Stichtagsklausel enthält auch keine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB, weil sie von den Grundsätzen der Rechtsprechung des BAG zur Rückzahlung von Ausbildungskosten abweicht.  Rechtsvorschriften im Sinne von § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind nicht nur die Gesetzesbestimmungen selbst, sondern auch die Regeln des Richterrechts (BAG, Urteil vom 18.03.2009 – 10/AZR 289/08, Rn. 22) Nach der Rechtsprechung des BAG sind Klauseln unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 S.1 BGB, die dem Arbeitnehmer die Pflicht zur Rückzahlung von Ausbildungskosten bei Beendigung des Arbeitsverhältnis auch dann auferlegen, wenn das Arbeitsverhältnis aus Gründen endet, die ausschließlich im Verantwortungsbereich und Risikobereich des Arbeitgebers liegen.   Diese Grundsätze sind hier aber nicht einschlägig, da bei der Frage der Rückzahlung von Ausbildungskosten eine andere Ausgangssituation gegeben ist. Bei vom Arbeitgeber aufgewendeten Ausbildungs- oder Fortbildungskosten handelt es sich der Sache nach um eine Investition im Interesse des arbeitgeberseitigen Unternehmens, um eine Investition, die der Arbeitgeber aufbringt, um sie später in seinem Unternehmen nutzbar zu machen. Vor diesem Hintergrund begründet das BAG seine Rechtsprechung damit, dass Rückzahlungsklauseln nur interessengerecht sind, wenn der Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, der Rückzahlungspflicht durch Betriebstreue zu entgegen, da andernfalls dem Arbeitnehmer Investitionsrisiken auferlegt würden, die der Arbeitgeber im eigenen Interesse eingegangen ist. (vgl. BAG, Urteil vom 18.11.2008 – 3 AZR 192/07, Rn. 34 f., m.w.N.) Diese Grundsätze sind jedoch vorliegend nicht einschlägig.   Bei der Zahlung einer Sonderzahlung in Form eines Weihnachtsgeldes handelt es sich nicht um eine mit der Aufwendung von Aus- und Fortbildungskosten vergleichbare Investition in das Unternehmen (a.A. LAG München, Urteil vom 26.05.2009 – 6 Sa 1135/08). Zwar verfolgt der Arbeitgeber mit einer Sonderzahlung auch unternehmerische Ziele. Das Ziel liegt bei einer Sonderzahlung mit Mischcharakter, deren Vorliegen das Arbeitsgericht hier zutreffend festgestellt hat, aber unmittelbar in der Vergütung des Mitarbeiters für geleistete Dienste und für erwartete Betriebstreue. Die Zahlung fließt dem Arbeitnehmer unmittelbar und in voller Höhe zu. Mit der Investition in Ausbildungskosten im oben genannten Sinn verfolgt der Arbeitgeber hingegen vor allem auch eigene, vom Arbeitnehmer unabhängige unternehmerische Ziele, von der Möglichkeit des flexibleren Personaleinsatzes bis zur Einführung neuer Arbeits- oder Produktionsmethoden. Eine derartige Investition nützt dem Arbeitnehmer allenfalls mittelbar, etwa durch Erwerb einer Qualifikation, die ihm einen allgemeinen beruflichen Vorteil verschafft.   

Die Frage, ob es sich um eine Investition in die Vergütung des Arbeitnehmers oder in die Verwirklichung einer vom Arbeitnehmer unabhängigen unternehmerischen Zielsetzung handelt, macht für die Frage, unter welchen Voraussetzungen es interessengerecht ist, dem Arbeitnehmer das Risiko aufzuerlegen, wenn die Investition fehlschlägt, einen erheblichen Unterschied. Das Fehlschlagen unternehmerischer Investitionen gehört eindeutig in den Risikobereich des Arbeitgebers. Ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer das Risiko fehlgeschlagener unternehmerischer Investitionen aufzuerlegen, kann deshalb nur ausnahmsweise anzuerkennen sein, wenn ein Verhalten des Arbeitnehmers für das Fehlschlagen dieser Investitionen wenigsten mit ursächlich ist. Handelt es sich bei der Investition hingegen um eine Zahlung unmittelbar an den Arbeitnehmer, geht es nicht um die Frage, ob dem Arbeitnehmer hier das allgemeine Unternehmerrisiko auferlegt wird, sondern um die Frage, ob das Gegenleistungsinteresse des Arbeitnehmers verletzt ist. Das Gegenleistungsinteresse des Arbeitnehmers ist in § 611 BGB normiert. Dazu dass eine Stichtagsklausel aber den Grundgedanken des § 611 BGB nicht verletzt, weil der Arbeitgeber sich zur Leistung von Sonderzahlungen nicht verpflichten muss, und deshalb auch eine Verpflichtung unter einer Bedingung eingehen kann, wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.  

361.3. Die Stichtagsklausel enthält auch keine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB, weil der Arbeitnehmer einen vollständigen Verlust seines Anspruchs auf Sonderzahlung erleiden kann, ohne dass die Ursache in seiner Sphäre liegt (a.A. LAG Hamm, Urteil vom 16.09.2010 – 15 Sa 812/10, Rn. 47; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.07.2007 – 6 Sa 315/07 zur Rückzahlungsklausel).  Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Bei diesem Vorgang sind auch grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten. Zur Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall gelöster Maßstab anzulegen. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell unter Beachtung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt. (BAG, Urteil vom 14.12.2010  – 9 AZR 642/09, Rn. 53) Gemessen an diesem Maßstab ist die Klausel nicht unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB, auch wenn sicherlich eine interessengerechtere Vertragsgestaltung möglich und wünschenswert wäre.  

1.3.1. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG zu Rückzahlungsklauseln waren Klauseln, die hinsichtlich des Anspruchs auf Sonderzahlungen daran anknüpfen, dass das Arbeitsverhältnis über den Auszahlungszeitpunkt hinaus innerhalb eines bestimmten Zeitraumes fortbesteht, zulässig, auch wenn der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf der Bindungsfrist nicht im Verantwortungsbereich des Arbeitnehmers lag. (vgl. BAG, Urteil vom 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, Rn. 27) Das BAG hat ausdrücklich offen gelassen, ob es hieran festhalten will, und ob Stichtags- und Rückzahlungsklausel gleich zu behandeln sind (BAG, aaO., Rn. 28).   

Für Sonderzahlungen, deren Höhe ein Monatsgehalt nicht übersteigt, ist festzustellen, dass eine Stichtagsregelung, nach der auch eine vom Arbeitnehmer nicht veranlasste Arbeitgeberkündigung den Anspruch auf die Sonderzahlung beseitigt, zwar sicher nicht die interessengerechteste Lösung ist, aber noch keine unangemessene Benachteiligung darstellt.  Es wurde oben bereits ausgeführt, dass die streitgegenständliche Stichtagsklausel nicht das nach § 611 BGB geschützte Gegenleistungsinteresse des Klägers unangemessen beeinträchtigt, und dass keine Abweichung von § 162 Abs. 2 BGB vorliegt. Weitere berechtigte Interessen des Klägers oder Rechtvorschriften, von denen die Klausel abweichen könnte, und die somit in die Betrachtung nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB mit einzustellen wären, sind nicht ersichtlich und werden vom Kläger auch nicht geltend gemacht.  

1.3.2. Darüber hinaus würde es zu widersprüchlichen Ergebnissen führen, wenn man für die hier vorliegende Vertragsgestaltung eine unangemessene Benachteiligung annimmt.   

Wie das BAG in der Entscheidung vom 18.03.2009 – 10 AZR 289/08 ausführt, enthält ein Freiwilligkeitsvorbehalt, der einen Rechtsanspruch auf eine Sonderzahlung ausschließt, keine unangemessene Benachteiligung. Das BAG begründet dies u.a. damit, dass § 611 nicht verletzt wird, wenn ein Arbeitgeber, der die Zahlung von laufendem Entgelt nach Zeitabschnitten vereinbart hat, nicht zusätzlich zum laufenden Entgelt Sonderzahlungen leisten muss. Wenn aber § 611 BAG nicht verletzt ist und es keine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers darstellt, wenn der Arbeitgeber sich nicht zur Zahlung von Sonderzahlungen verpflichtet, so kann es auch keine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers sein, wenn der Arbeitgeber sich zur Zahlung einer Sonderzahlung nur unter der Voraussetzung des ungekündigten Bestehen des Arbeitsverhältnisses zum Auszahlungszeitpunkt verpflichtet. Hierbei handelt es sich zwar um eine Bedingung, deren Eintritt der Arbeitgeber selbst herbeiführen kann, ohne dass der Arbeitnehmer dafür eine Ursache setzt. Die Bedingung kann aber nur einmal – nämlich zum Ende des Arbeitsverhältnisses - eintreten. Der Arbeitnehmer, dessen Arbeitgeber sich unter einer derartigen Bedingung zu einer Sonderzahlung verpflichtet, ist in einer deutlich günstigeren Rechtsposition als ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitgeber eine Sonderzahlung ohne Begründung eines Rechtsanspruchs in Aussicht stellt und bezahlt. Dem Arbeitnehmer, der eine Stichtagsklausel im Vertrag hat, kann, ohne dass er eine Ursache hierfür gesetzt, hat, lediglich die letzte Sonderzahlung verloren gehen. Der Arbeitnehmer, der eine Sonderzahlung auf freiwilliger Basis ohne Begründung eines Rechtsanspruchs erhält, kann, ohne dass er eine Ursache dafür setzt, eine Vielzahl von Sonderzahlungen nicht erhalten.   

Dem kann auch nicht entgegen gehalten werden, dass diese Fallgestaltungen nicht vergleichbar sind, weil sich der Arbeitgeber im Fall einer freiwilligen Sonderzahlung erst gar nicht zur Zahlung verpflichtet, während der Arbeitgeber im Fall einer Stichtagsklausel eine vertraglich Bindung eingeht, diese aber von einer Voraussetzung abhängig macht, deren Vorliegen er selbst beeinflusst. Solange es sich um eine echte Sonderzahlung handelt, steht sich der Arbeitnehmer, dessen Arbeitgeber eine echte Verpflichtung eingeht, auf jeden Fall besser, als der Arbeitnehmer dessen Arbeitgeber eine Sonderzahlung nur auf freiwilliger Basis zahlt. Darüber hinaus gilt die in § 4a EFZG zum Ausdruck gekommene Wertung, dass Sonderzahlungen nicht ebenso schutzwürdig sind, wie das laufend zu zahlende Entgelt (vgl. BAG, Urteil vom 18.03.2009 – 10 AZR 289/09, Rn. 24) auch für Sonderzahlungen, die auf einer vertraglichen Verpflichtung beruhen. Dies ergibt sich schon daraus, dass § 4a EFZG auch auf Sonderzahlungen anwendbar ist, die aufgrund einer vertraglichen Verpflichtung gezahlt werden.

1.4. Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Stichtagsklausel unwirksam ist, weil § 4 Nr. 5 S. 1 seines Arbeitsvertrags unwirksam ist.   Bei § 4 Nr. 5 S. 1 des Arbeitsvertrags handelt es sich um eine abteilbare Klausel. Die Teilbarkeit einer Klausel ist mittels Streichung durch einen blauen Stift zu ermitteln (blue pencil test). (BAG, Urteil vom 06.05.2009 – 10 AZR 443/08, Rn. 11) Satz 1 des § 4 Nr. 5 des Arbeitsvertrags kann hier gestrichen werden, ohne dass der Freiwilligkeitsvorbehalt unverständlich wird, oder sonst seinen Regelungsinhalt verliert.  

2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung der Weihnachtsgratifikation aus betrieblicher Übung.  Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entsteht eine betriebliche Übung durch ein gleichförmiges und wiederholtes Verhalten des Arbeitgebers, das den Inhalt der Arbeitsverhältnisse gestaltet und geeignet ist, vertragliche Ansprüche auf eine Leistung zu begründen, wenn und soweit Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers schließen durften, ihnen werde eine entsprechende Leistung auch künftig gewährt. Auf die subjektiven Vorstellungen des Arbeitgebers und damit auf die interne Entscheidungsfindung kommt es nicht an. Entscheidend ist, ob der Arbeitnehmer dem Verhalten des Arbeitgebers einen Verpflichtungswillen entnehmen kann. (BAG, 12.12.2006 – 3 AZR 476/05, Rn. 28) Eine betriebliche Übung entsteht dagegen nicht, wenn der Arbeitgeber zu den zu ihrer Begründung angeführten Verhaltensweisen durch andere Rechtsgrundlagen verpflichtet war oder irrtümlich auf Grund einer vermeintlichen Verpflichtung aus einer anderen Rechtsgrundlage sich zur Leistungserbringung verpflichtet glaubte. Wenn der Arbeitgeber die Leistungen für den Arbeitnehmer erkennbar auf Grund einer anderen und sei es auch tatsächlich nicht bestehenden Rechtspflicht hat erbringen wollen, kann der Arbeitnehmer nicht davon ausgehen, ihm solle eine Leistung auf Dauer auch ohne diese Rechtspflicht gewährt werden. Auf nicht erkennbare subjektive Vorstellungen des Arbeitgebers allein kommt es nicht an. (BAG, Urteil vom 18.04.2007, 4 AZR 655/05, Rn. 43)  Nach diesen Grundsätzen ist hier eine betriebliche Übung nicht entstanden. Die Beklagte hat das Weihnachtsgeld in der Vergangenheit erkennbar in Erfüllung ihrer Verpflichtung aus dem Arbeitsvertrag geleistet. Der Kläger konnte deshalb nicht davon ausgehen, dass ein Weihnachtsgeld auch ohne Verpflichtung aus diesem Vertrag gezahlt werden sollte.  

3. Der Kläger hat auch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz keinen Anspruch auf Zahlung der Weihnachtsgratifikation.  Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verwehrt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dem Arbeitgeber, einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern ohne sachlichen Grund von allgemein begünstigenden Regelungen auszunehmen und schlechter zu stellen (vgl. BAG, Urteil vom 6. Dezember 1995 - 10 AZR 123/95 - AP Nr. 186 zu § 611 BGB Gratifikation). Eine Verletzung dieses Grundsatzes ist nicht ersichtlich.   Der Kläger hat nicht dargelegt, dass die Beklagte eine Regel des Inhalts aufgestellt hat, dass auch Arbeitnehmer mit einem im Auszahlungszeitpunkt gekündigten Arbeitsverhältnis eine Weihnachtsgratifikation erhalten, von der er ausgenommen worden wäre. Soweit die Beklagte an Arbeitnehmer mit im Auszahlungszeitpunkt ungekündigten Arbeitsverhältnissen Weihnachtsgratifikationen bezahlt hat, wurde der Kläger hierfür mit sachlichem Grund ausgenommen. Aufgrund der wirksamen Regelung in § 4 Nr. 5 S. 4 des Arbeitsvertrags ist das im Auszahlungszeitpunkt gekündigte Arbeitsverhältnis ein sachlicher Grund für die abweichende Behandlung des Klägers.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG, § 97 Abs. 1 ZPO.

5. Da das Bundesarbeitsgericht die Frage nach der Wirksamkeit von Stichtagsklauseln in seiner neueren Rechtsprechung offen gelassen hat und die hiesige Entscheidung von der Entscheidung des LAG Hamm vom 16.09.2011, Az. 15 Sa 812/10 abweicht, war die Revision nach § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG zuzulassen.

     Dr. Förschner              Manzinger                  Jahn