VG Augsburg, Urteil vom 01.03.2011 - Au 3 K 11.61
Fundstelle
openJur 2012, 114621
  • Rkr:
Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die erteilte Zustimmung des Beklagten zu ihrer ordentlichen Kündigung.

1. Die 1960 geborene Klägerin ist seit 1991 beim Beigeladenen als Arzthelferin teilzeitbeschäftigt (Umfang der Tätigkeit: 30 Stunden wöchentlich). Mit Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales Region … - Versorgungsamt - vom 13. September 2010 wurde der bereits einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellten Klägerin ab dem 16. Juni 2010 ein Grad der Behinderung von 50 zuerkannt.

2. Nachdem ein erstmaliger Antrag des Beigeladenen auf Zustimmung zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung der Klägerin vom 14. Dezember 2009 mit Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales Region … - Integrationsamt - vom 17. Februar 2010 bestandskräftig abgelehnt wurde, beantragte der Beigeladene mit Formblatt vom 17. Juni 2010 die erneute Zustimmung zur ordentlichen Kündigung der Klägerin. Zur Begründung gab der Beigeladene an, dass die Klägerin seit dem 17. März 2010 dauerhaft erkrankt sei. Eine Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit scheine momentan nicht absehbar. Der Arbeitgeber führe einen Kleinbetrieb mit vier Arbeitnehmern. Die übrigen Mitarbeiter seien durch die lang andauernde Mehrarbeit, verursacht durch die Klägerin, extrem belastet.

3. Die Klägerin trägt zu ihrer Behinderung vor, dass sie an einer Bewegungseinschränkung und Paraesthesien der linken Hand sowie an einer psychischen Belastung durch Mobbing in der Arbeit durch den Chef und ihre Kolleginnen leide. Weiter trägt sie vor, dass sie seit 2005 mehrere leichte Schlaganfälle erlitten habe. Eine die Klägerin im Zeitraum vom 2. Juni 2009 bis zum 14. Juli 2009 stationär behandelnde Fachklinik führte aus, dass die Klägerin u.a. an einem rechtszerebralen Infarkt (15. Mai 2009), einer Ischämie mit Sehstörung auf beiden Augen (seit Januar 2007), Hypertonie, Hyperlipidämie sowie einer Adipositas leide. Die die Klägerin behandelnde Nervenärztin führte unter dem 10. August 2010 auf Anfrage des Integrationsamtes aus, dass die Klägerin aufgrund ihres allgemeinen Gesundheitszustandes zwar noch in der Lage sei, ihre bisherige Tätigkeit als Arzthelferin in vollem Umfang und auf Dauer auszuüben und in diesem Beruf eine kontinuierliche Arbeitsleistung zu erbringen. Rehabilitationsmaßnahmen stationärer Art erschienen bei der Klägerin nicht sinnvoll. Wesentlich sei ein Wechsel des Arbeitsumfeldes. Weiter wurde ausdrücklich betont, dass mit unüblichen Fehlzeiten (mehr als sechs Wochen pro Jahr) an einem anderen Arbeitsplatz als beim Beigeladenen nicht mit Wahrscheinlichkeit zu rechnen sei. Zusammenfassend sei eine Fortsetzung des bisherigen Arbeitsverhältnisses nach den Erfahrungen der letzten Monate der Gesundheit der Klägerin nicht zuträglich. Die Besorgnis weiterer Krankheitsausfälle beziehe sich lediglich auf das bisherige Arbeitsverhältnis beim Beigeladenen. Diese Gesundheitsprognose wurde auf Anfrage des Gerichts in der Stellungnahme vom 07. Februar 2011 unverändert aufrechterhalten.

4. Mit Bescheid des Zentrum Bayern Familie und Soziales Region … - Integrationsamt - vom 16. August 2010 wurde der ordentlichen Kündigung der Klägerin zugestimmt. Die Zustimmung gelte ausdrücklich jedoch nur für eine Kündigung aus krankheitsbedingten Gründen. Zur Begründung ist im Wesentlichen dargelegt, dass nach Prüfung der eingereichten Unterlagen und aufgrund der eingeholten ärztlichen Stellungnahmen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin dem Arbeitgeber nicht länger zumutbar sei. Die Klägerin sei zwar erst seit 17. März 2010 ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt. Sie sei aber offensichtlich bereits jetzt nach Einschätzung der behandelnden Ärzte auf Dauer nicht mehr in der Lage, die geschuldete Arbeitsleistung beim jetzigen Arbeitgeber zu erbringen. Nur an einem anderen Arbeitsplatz sei nicht mehr mit unüblichen Fehlzeiten von mehr als sechs Wochen pro Jahr zu rechnen. Nach der ständigen Rechtsprechung sei eine Kündigung wegen lang anhaltender Krankheit dann gerechtfertigt, wenn eine negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustandes vorliege, und die Dauererkrankung zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führe. Dauererkrankungen gleichgestellt sei die Fälle, in denen die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit völlig ungewiss sei. Nach den vorliegenden ärztlichen Gutachten seien die bisherige Erkrankung und auch künftig zu besorgende Erkrankungen ursächlich mit dem bestehenden Arbeitsverhältnis der Klägerin beim jetzigen Arbeitgeber verbunden. Aus diesen Gründen werde eine Kündigung aus krankheitsbedingten Gründen für Rechtens erachtet.

Auf den weiteren Inhalt des Bescheides vom 16. August 2010 wird ergänzend Bezug genommen.

5. Der hiergegen von Seiten der Klägerin eingelegte Widerspruch blieb mit Widerspruchsbescheid des Widerspruchsausschusses beim Zentrum Bayern Familie und Soziales Integrationsamt, …, vom 15. Dezember 2010 erfolglos.

Maßgeblich für die Entscheidung des Widerspruchsausschusses beim Integrationsamt sei, dass die bisherige Erkrankung und auch künftig zu befürchtende Erkrankungen ursächlich mit der Beschäftigung beim Beigeladenen zusammenhingen. Nachdem mit einer Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit im Hinblick auf das konkret bestehende Arbeitsverhältnis wohl nicht zu rechnen sei, erscheine eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitgeber nicht mehr länger zumutbar. Im Rahmen einer durchzuführenden Interessenabwägung sei zugunsten des Arbeitgebers zu berücksichtigen, dass er ein Interesse an der wirtschaftlichen und reibungslosen Führung seiner Arztpraxis habe. Eine Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses sei laut ärztlicher Stellungnahme dem Gesundheitszustand der Klägerin nicht zuträglich. Die Zustimmung sei daher zu Recht erteilt worden.

Auf den weiteren Inhalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 2010 wird ergänzend verwiesen.

6. Mit ihrer am 12. Januar 2011 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie beantragt,

den Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales Region … Integrationsamt vom 16. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Zentrums Bayern Familie und Soziales Integrationsamt vom 15. Dezember 2010 aufzuheben.

Ferner wird beantragt, den Gegenstandswert festzusetzen.

Das Zentrum Bayern Familie und Soziales Region … habe in den Bescheiden vom 16. August 2010 und 15. Dezember 2010 die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes verkannt, wonach sich die Kündigung als sozialwidrig darstelle. Es sei nicht erkennbar, inwieweit die Interessen des Arbeitgebers an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Interessen der Klägerin an dessen Fortsetzung überwiegen sollten. Gegenteilig würden im vorliegenden Fall die Interessen des Arbeitgebers erkennbar nicht tangiert, zumal er infolge des Krankengeldbezuges der Klägerin finanziell derzeit nicht belastet werde. Den derzeitigen Ausfall der Arbeitskraft der Klägerin könne und müsse der Arbeitgeber darüber hinaus durch das Vorhalten einer Personalreserve aufzufangen versuchen.

7. Mit Beschluss vom 20. Januar 2011 wurde der Arbeitgeber der Klägerin zum Verfahren beigeladen.

8. Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Integrationsamt habe nicht die Sozialwidrigkeit der Kündigung anhand der Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes zu überprüfen. In arbeitsrechtlicher Hinsicht sei vom Integrationsamt nur zu prüfen, ob eine offensichtliche Unwirksamkeit der Kündigung vorliege. Eine solche offensichtliche arbeitsrechtliche Unwirksamkeit sei vorliegend nicht zu erkennen.

9. Für das weitere Vorbringen der Beteiligten und die Prozessgeschichte wird auf die Niederschrift über die durchgeführte mündliche Verhandlung, die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales - Region … - Integrationsamt vom 16. August 2010 und der diese Entscheidung bestätigende Widerspruchsbescheid des Widerspruchsausschusses beim Zentrum Bayern Familie und Soziales vom 15. Dezember 2010 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).

1. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen im Sinne von § 2 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches - Neuntes Buch ( SGB IX) - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - bedarf gemäß § 85 SGB IX der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes. Ein Ausnahmefall hiervon nach § 90 SGB IX liegt offensichtlich nicht vor.

Da der Klägerin im insoweit maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der letzten Behördenentscheidung - hier dem Erlass des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 2010 - durch das zuständige Versorgungsamt ein Grad der Behinderung vom 50 zuerkannt worden ist, kann sich die Klägerin grundsätzlich auf den Sonderkündigungsschutz für Schwerbehinderte in den §§ 85 ff. SGV IX berufen.

Die Entscheidung über die Zustimmung zur ordentlichen - ein Fall der außerordentlichen Kündigung nach § 91 SGV IX liegt nicht vor - Kündigung oder deren Versagung (§ 88 SGV IX) liegt im Ermessen des Integrationsamtes. Dessen Entscheidung ist an Sinn und Zweck des Sonderkündigungsschutzes für schwerbehinderte Menschen auszurichten. Danach ist das Interesse des schwerbehinderten Arbeitnehmers, seinen Arbeitsplatz zu behalten, mit dem Interesse des Arbeitgebers, Personalkosten einzusparen, abzuwägen (BVerwG vom 19.10.1995, BVerwGE 99, 336). Es ist insbesondere dem Fürsorgegedanken des Gesetzes Rechnung zu tragen, das die Nachteile schwerbehinderter Arbeitnehmer auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgleichen will und dafür in Kauf nimmt, dass die Gestaltungsfreiheit des Arbeitgebers eingeengt wird. Besonders hohe Anforderungen an die Zumutbarkeit beim Arbeitgeber sind im Rahmen der Abwägung der gegensätzlichen Interessen dann zu stellen, wenn die Kündigungsentscheidung auf Gründen beruht, die in der Behinderung selbst ihre Ursache finden. Dem folgend ist der Schutz des Arbeitnehmers umso geringer, je weniger ein Zusammenhang zwischen Kündigungsgrund und Behinderung feststellbar ist. Dies wird insbesondere bei betriebs- und verhaltensbedingten Kündigungen schwerbehinderter Arbeitnehmer der Fall sein. Andererseits ist bei der Entscheidung auch die unternehmerische Gestaltungsfreiheit des Arbeitgebers mit dem ihr zukommenden Gewicht in die Abwägung einzustellen (BayVGH vom 17.9.2009, Az. 12 B 09.52; juris).

2. Entgegen der Rechtsauffassung des Bevollmächtigten der Klägerin ist Sinn und Zweck des Zustimmungsverfahrens in den §§ 85 ff. SGB IX nicht, eine zusätzliche, zweite Kontrolle der arbeitsrechtlichen Zulässigkeit der Kündigung zu schaffen. Die §§ 85 ff. SGB IX sollen nach ihrer Regelungskonzeption erkennbar keinen umfassenden Schutz schwerbehinderter Arbeitnehmer vor einer Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses bieten (BVerwG vom 11.5.2006, Behindertenrecht 2007, S. 107). Auch soll der schwerbehinderte Arbeitnehmer durch die Gewährung eines Sonderkündigungsschutzes nicht unkündbar gestellt werden. Das Integrationsamt hat im Zustimmungsverfahren deshalb grundsätzlich nicht zu prüfen, ob die beabsichtige Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Schwerbehinderten etwa sozial gerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 2 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) ist (vgl. BVerwG vom 2.7.1992, BVerwGE 90, 287 ff.). Die letztgenannte Prüfung der sozialen Rechtfertigung der ausgesprochenen Kündigung ist allein von den Arbeitsgerichten vorzunehmen. Damit war im hier zu entscheidenden Verfahren auch nicht abschließend zu klären, ob die Klägerin sich überhaupt auf die grundsätzlichen, sie schützenden Bestimmungen des 1. Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes - allgemeiner Kündigungsschutz -, berufen kann (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG). Die Frage, ob die Kündigung der Klägerin sozial gerechtfertigt ist, ist ausschließlich von den Arbeitsgerichten zu prüfen. Lediglich in Fällen, in denen die beabsichtigte Kündigung nach arbeitsrechtlichen Vorschriften offensichtlich unwirksam ist, d.h. die Unwirksamkeit der Kündigung „ohne jeden vernünftigen Zweifel in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht offen zutage liegt und sich jedem Kundigen geradezu aufdrängt“, ist der Zustimmungsantrag von Seiten des Integrationsamtes abzulehnen bzw. vom Gericht eine zuvor erteilte Zustimmung aufzuheben. Hintergrund dafür ist, dass das Integrationsamt nicht an einer offensichtlich rechtswidrigen Kündigung zum Nachteil eines schwerbehinderten Menschen mitwirken soll (BVerwG vom 2.7.1992, Az. 5 C 51-90; juris; BayVGH vom 16.11.1993, Az. 12 B 92.84; juris).

3. Ist der Schwerbehinderte krankheits- oder behinderungsbedingt nicht zur Fortsetzung der Arbeit am bisherigen Arbeitsplatz in der Lage, sind jedoch an die Zumutbarkeitsgrenze beim Arbeitgeber besonders hohe Anforderungen zu stellen, um auch den im Schwerbehindertenrecht zum Ausdruck gekommenen Schutzgedanken der Rehabilitation verwirklichen zu können (vgl. BVerwG vom 27.10.1971, BVerwGE 39, 36 ff.). In diesem Fall sind insbesondere betriebliche Umsetzungs- bzw. Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten für den Schwerbehinderten zu prüfen (vgl. BVerwG vom 11.9.1990, Az. 5 E 63.90 in Buchholz 436.61, § 15 SchwbG, Nr. 4). Dem Arbeitgeber wird nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zugemutet, den Schwerbehinderten nach Möglichkeit umzusetzen, d.h. ihn im Rahmen der vorhandenen Arbeitsplätze einen geeigneten anderen Arbeitsplatz zuzuweisen, wobei das Bemühen um einen anderen geeigneten Arbeitsplatz von fürsorgerischem Denken und Fühlen getragen sein muss (VG Ansbach vom 13.3.2008, Az. AN 14 K 07.03500; juris).

Gemessen an diesen Grundsätzen begegnen die angefochtenen Entscheidungen keinen rechtlichen Bedenken. In Bezug auf die vom Integrationsamt zu treffende Ermessensentscheidung hat das Verwaltungsgericht nach § 114 Satz 1 VwGO lediglich zu kontrollieren, ob die getroffene Ermessensentscheidung ermessensfehlerfrei war. Zu überprüfen ist dabei auch, ob das Integrationsamt den der Ermessensentscheidung zugrunde gelegten Sachverhalt zutreffend ermittelt und seiner Aufklärungspflicht aus § 20 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) genügt hat. Das Integrationsamt hat, anknüpfend an den Antrag des Arbeitgebers auf Zustimmung zur Kündigung, all das zu ermitteln und zu berücksichtigen, was erforderlich ist, um die Interessen des Arbeitgebers und des schwerbehinderten Arbeitnehmers gegeneinander abwägen zu können (BVerwG vom 19.10.1995, BVerwGE 99, 336 ff.).

Bei einer personenbedingten Kündigung aus Krankheitsgründen, wie sie hier in Streit steht, hat das Integrationsamt u.a. zu prüfen, welche Fehlzeiten voraussichtlich in Zukunft auftreten werden, und ob die zu erwartenden Fehlzeiten eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen bedeuten und ob diese Beeinträchtigung dem Arbeitgeber (noch) zugemutet werden kann (vgl. BayVGH vom 12.6.1996, Az. 12 B 95.3309; juris).

4. Die ausgesprochene Zustimmung zur Kündigung der Klägerin war nicht ermessensfehlerhaft. Insbesondere wurde auch das diesbezüglich zu beachtende Verfahren ordnungsgemäß durchgeführt. So wurde der Klägerin unter dem 22. Juni 2010 Gelegenheit gegeben, zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Beigeladenen Stellung zu nehmen. Diese Möglichkeit wurde von Seiten der Klägerin auch durch ihr Schreiben vom 29. Juni 2010 (Behördenakte Bl. 48 ff.) wahrgenommen. Der Verfahrensvorschrift aus § 87 Abs. 2 SGV IX wurde damit Rechnung getragen. Da die Kündigung der Klägerin, gestützt auf deren längerfristige krankheitsbedingte Abwesenheit vom Arbeitsplatz seit März 2010 unter den Beteiligten unstreitig im Zusammenhang mit der Behinderung der Klägerin steht, wurden im Rahmen der Ermittlungspflicht des Beklagten ebenfalls Stellungnahmen der behandelnden Ärzte der Klägerin eingeholt. Hinsichtlich der Prognose des Gesundheitszustandes der Klägerin und zukünftig zu erwartenden Fehlzeiten führte insbesondere die behandelnde Nervenärztin der Klägerin unter dem 10. August 2010 und nochmals auf Veranlassung des Gerichts am 7. Februar 2011 aus, dass eine Rückkehr der Klägerin an den ursprünglichen Arbeitsplatz beim Beigeladenen zu einer erheblichen Verschlechterung der psychischen Restgesundheit der Klägerin beitragen würde. In der Stellungnahme vom 10. August 2010 ist weiter dargelegt, dass unübliche Fehlzeiten (mehr als sechs Wochen pro Jahr) nur bei einem Wechsel des Arbeitsumfeldes vermieden werden könnten. Bei einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin beim Beigeladenen seien hingegen weitere Krankheitsausfälle mit größter Wahrscheinlichkeit die Folge. Mit Einholung diverser ärztlicher Stellungnahmen zum Gesundheitszustand bzw. der Gesundheitsprognose im Hinblick auf weitere Fehlzeiten der Klägerin ist ein Ermittlungsdefizit des Integrationsamtes zu verneinen.

Dass in der ärztlichen Stellungnahme der behandelnden Klinik vom 10. August 2010 (Gerichtsakte Bl. 39) ebenfalls ausgeführt ist, dass die Klägerin grundsätzlich aufgrund ihres allgemeinen Gesundheitszustandes noch in der Lage sei, ihre bisherige Tätigkeit als Arzthelferin in vollem Umfang und auf Dauer auszuüben und in diesem Beruf eine kontinuierliche Arbeitsleistung zu erbringen, lässt die von Seiten des Integrationsamtes getroffene Entscheidung der Zustimmung zur Kündigung nicht als ermessensfehlerhaft erscheinen. Ein Ermessensfehlgebrauch liegt insoweit ebenfalls nicht vor. Das Integrationsamt hat nämlich bei der von ihm zu treffenden Entscheidung stets das konkret betroffene Arbeitsverhältnis - hier das der Klägerin beim Beigeladenen - in den Blick zu nehmen. Zwar mag es soweit zutreffen, dass die Klägerin grundsätzlich einer Tätigkeit als Arzthelferin weiter nachgehen kann, jedoch war gerade eine Fehlzeitenprognose in Bezug auf das Arbeitsverhältnis beim Beigeladenen zu treffen. Diesbezüglich verhält es sich nach medizinischer Einschätzung jedoch so, dass gerade die Umstände am Arbeitsplatz der Klägerin ursächlich für deren Fehlzeiten sind. Die medizinische Prognose wurde dahingehend getroffen, dass keine entscheidende Verbesserung und Wiederherstellung der Gesundheit der Klägerin bei Fortsetzung des bisherigen Arbeitsverhältnisses möglich sei. Nach Einschätzung der behandelnden Ärzte ist es im Falle der Klägerin sogar so, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für deren Gesundheit abträglich wäre. Damit ist aus dem Gesichtspunkt der Rehabilitation und dem Fürsorgegesichtspunkt, den auch das Integrationsamt bei der zu treffenden Entscheidung zu beachten hat, die Kündigung und Auflösung des bisherigen Arbeitsverhältnisses beim Arbeitgeber alternativlos. Der Gedanke der Rehabilitation kann hier nicht fordern, ein Arbeitsverhältnis fortzusetzen, dessen Umstände letztlich Ursache für das Krankheitsbild der Klägerin sind. Von Seiten des Gerichtes bleibt festzustellen, dass ein ohnehin nicht gebotenes „Durchschleppen“ der Klägerin deren weiterer Gesundung bzw. Gesundheit abträglich wäre. Zusammenfassend kam das Integrationsamt daher in rechtlich nicht zu beanstandender Weise bei der Interessensabwägung zu dem Schluss, dass aufgrund der eingeschränkten Leistungsfähigkeit der Klägerin und der Tatsache, dass bei Fortsetzung des bisherigen Arbeitsverhältnisses eine entscheidende Verbesserung nicht zu erwarten bzw. ausgeschlossen ist, das Interesse des Beigeladenen an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses höher zu bewerten ist als das Interesse der Klägerin an dem Erhalt ihres Arbeitsplatzes. Daher ist mit dem Beklagten von einer Langzeit- bzw. Dauererkrankung auszugehen, die, nachdem wesentlicher Umstand der Einschränkung der Leistungsfähigkeit der Klägerin die betrieblichen Umstände beim Beigeladenen sind, nicht behebbar ist. Dies insbesondere auch aufgrund des Umstandes, dass es sich beim Betrieb des Beigeladenen nach dessen Aussage um einen Kleinbetrieb mit 3,5 Arbeitskräften handelt. Da der Beigeladene als Einzelarzt praktiziert, ist es auch nicht möglich, das Umfeld der Klägerin so zu strukturieren, dass die sie belastenden psychischen Umstände der Tätigkeit dauerhaft vermindert bzw. behoben werden. Letztlich verbleibt hier auch im Interesse der Rekonstitution der Gesundheit der Klägerin nur die Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Aufgrund der dauerhaften und fortdauernden Abwesenheit der Klägerin von ihrem Arbeitsplatz seit März 2010 und der unverändert gültigen negativen Gesundheitsprognose hinsichtlich künftiger Fehlzeiten war der Ausspruch der Kündigung gegenüber der Klägerin auch nicht offensichtlich unwirksam.

5. Zusammenfassend hat der Beklagte aus den genannten Gründen rechtsfehlerfrei die Zustimmung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin erteilt, so dass die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen war.

Da der Beigeladene keinen Antrag im Verfahren gestellt und sich damit auch keinem Kostenrisiko aus § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat, entspricht es billigem Ermessen, dass er seine außergerichtlichen Aufwendungen selbst zu tragen hat (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage 2007, § 162, Rdnr. 21, 23). Eine Kostenerstattung gemäß § 162 Abs. 3 VwGO ist insoweit ausgeschlossen.

Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Satz 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).

Beschluss

Der Gegenstandswert wird auf 5.000,-- € festgesetzt (§ 33 RVG i.V.m. § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes - GKG und Empfehlung in Abschnitt II.39.1 des Streitwertkatalogs - NVwZ 2004, 1327).