Bayerischer VGH, Beschluss vom 28.03.2011 - 11 CS 11.360
Fundstelle
openJur 2012, 114386
  • Rkr:
Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.200 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die für sofort vollziehbar erklärte Verpflichtung zur Führung eines Fahrtenbuchs.

Der am 1. Februar 1972 geborene Antragsteller ist Halter des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen WÜ TM 55. Mit diesem Fahrzeug wurde am 2. Juni 2010, 17.13 Uhr auf der Bundesautobahn 7, Kilometer 180,020, Fahrtrichtung Hannover, Höhe Abfahrt Hildesheim, die zulässige Geschwindigkeit von 100 km/h um 42 km/h überschritten.

Mit Schreiben vom 14. Juni 2010 wurde der Antragsteller vom Landkreis Hildesheim (Bußgeldbehörde) hierzu angehört. Unter dem 17. Juni 2010 teilte der Antragsteller mit, dass er nicht der verantwortliche Fahrzeugführer gewesen sei und der Verstoß auch nicht zugegeben werde. Zur Begründung führte er aus: "Leider können wir dem Verstoß nicht zustimmen, da die Bildqualität keine Identifizierung des Fahrers ermöglicht. Zur Aufklärung, wer am besagten Tag, an benanntem Ort mit unserem Fahrzeug unterwegs gewesen war, bitten wir um eine deutlichere Aufnahme."

Mit Schreiben vom 24. Juni 2010 forderte die Bußgeldbehörde daraufhin von der Wohnsitzgemeinde des Antragstellers die Übersendung der Kopie eines Passfotos an.

Mit Bußgeldbescheid vom 30. Juni 2010 setzte die Bußgeldbehörde gegen den Antragsteller wegen der am 2. Juni 2010 begangenen Ordnungswidrigkeit ein Bußgeld in Höhe von 176 € fest und ordnete ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat an. Gegen den Bußgeldbescheid ließ der Antragsteller Einspruch erheben. Mit Schreiben vom 5. August 2010 bat die Bußgeldbehörde daraufhin das Polizeipräsidium Unterfranken im Wege der Amtshilfe um weitere Fahrerermittlungen. Mit Kurzmitteilung vom 23. August 2010 teilte die Polizeiinspektion Würzburg-Land mit, dass am 10. August 2010 der Fahrzeughalter an der Wohnanschrift habe angetroffen werden können. Er habe angegeben, dass er keine Angaben zum Fahrer mache. Nach Ansicht des Sachbearbeiters handle es sich bei dem Fahrer nicht um den Antragsteller.

Mit Schreiben vom 30. September 2010 teilte die Bußgeldbehörde der Fahrerlaubnisbehörde mit, dass das Ordnungswidrigkeitenverfahren gemäß § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei, da die Person, die die Ordnungswidrigkeit begangen habe, nicht habe festgestellt werden können.

Nach vorangegangener Anhörung legte das Landratsamt Würzburg dem Antragsteller mit Bescheid vom 25. November 2010 die Führung eines Fahrtenbuchs für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen WÜ TM 55 für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis 30. Juni 2011 auf (Nr. 1). Die sofortige Vollziehbarkeit des Bescheids wurde angeordnet ( Nr. 4) und für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die in Nr. 2 und Nr. 3 bestimmten Verhaltenspflichten jeweils ein Zwangsgeld von 255 € angedroht (Nr. 5). Die Voraussetzungen des § 31 a StVZO lägen vor. Die Ermittlungsbehörden hätten sämtliche zweckdienlichen Ermittlungen zur Feststellung des Fahrzeugführers durchgeführt. Weitere Ermittlungen seien nicht erfolgversprechend und erforderlich gewesen, so dass die Ermittlung des Täters objektiv nicht möglich gewesen sei. Auf die weitere Begründung des Bescheids wird Bezug genommen.

Gegen diesen Bescheid ließ der Antragsteller am 27. Dezember 2010 Klage zum Verwaltungsgericht Würzburg erheben, über die noch nicht entschieden wurde. Gleichzeitig ließ er beantragen, die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage wiederherzustellen.

Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO mit Beschluss vom 26. Januar 2011 ab. Auf die Begründung des Beschlusses wird Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung ließ der Antragsteller Beschwerde einlegen, mit der sinngemäß beantragt wurde,

unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 26. Januar 2011 die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 25. November 2010 wiederherzustellen bzw. anzuordnen.

Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, dass für die Nichtermittlung des Fahrzeugführers die Nichtinanspruchnahme der vom Antragsteller angebotenen Mitwirkungshilfe ursächlich gewesen sei. Es hätte sich um einen angemessenen Ermittlungsaufwand gehandelt, dem Antragsteller einen besseren Ausdruck des Fotos zu übermitteln. Der Antragsteller habe nicht zu verstehen gegeben, dass er bei der Feststellung des Fahrers nicht mitwirken wolle. Deshalb seien weitere Ermittlungen nicht unzumutbar gewesen. Aufgrund der schlechten Bildqualität habe sich der Antragsteller kein Bild des vollständigen Ermittlungsstandes machen können.

Die Berufung auf ein Zeugnisverweigerungsrecht stehe der Anordnung einer Fahrtenbuchauflage entgegen.

Das Verwaltungsgericht habe sich nicht damit auseinandergesetzt, dass eine effiziente Kontrolle später nicht mehr stattfinde und die Fahrtenbuchauflage daher faktisch ihren Zweck verfehle. Sie sei deshalb unverhältnismäßig.

Die Verwaltungsbehörde sei der ihr obliegenden Beweislast dafür, dass die Ermittlungen so durchgeführt werden, dass ein Fahrtenbuch gerechtfertigt sei, nicht nachgekommen. Insbesondere sei sie auf die Frage, weshalb kein besserer Ausdruck des Fotos übersandt worden sei, nicht eingegangen.

Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Aufgrund des Beschwerdevorbringens, auf dessen Prüfung der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts.

1. Der Antragsteller macht zu Unrecht geltend, dass für die Nichtermittlung des Fahrzeugführers nicht seine angeblich nicht ausreichende Mitwirkung ursächlich gewesen sei, sondern der Umstand, dass die Ermittlungsbehörden seine Mitwirkungshilfe nicht in Anspruch genommen hätten. Soweit er sich in diesem Zusammenhang auf die schlechte Bildqualität des ihm übersandten Fotos des Fahrzeugführers beruft, ist dem entgegenzuhalten, dass sich in der Behördenakte kein Foto mit besserer Bildqualität befindet, das ihm hätte übersandt werden können. Vor allem aber befreit die unzureichende Qualität eines Geschwindigkeitsmessfotos den Halter nicht von seiner Pflicht, den Kreis der Fahrzeugnutzer zu bezeichnen (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl. 2010, § 31 a StVZO RdNr. 6).

Eine unzureichende Mitwirkung des Antragstellers liegt insofern vor, als er sowohl in dem von ihm am 17. Juni 2010 ausgefüllten Anhörungsbogen als auch gegenüber dem ihn am 10. August 2010 befragenden Polizeibeamten keine Angaben zu dem in Frage kommenden Fahrerkreis gemacht hat. Seine Einlassung vom 17. Juni 2010 kann nur so verstanden werden, dass der Kreis der in Betracht kommenden Fahrer des fraglichen Fahrzeugs so groß sei, dass es ihm ohne ein Foto, das zumindest ansatzweise den Fahrzeugführer erkennen lässt, nicht möglich sei, den Benutzerkreis näher einzugrenzen. Das ist bei einem privat genutzten Fahrzeug - wovon nach Aktenlage auszugehen ist - schwer nachvollziehbar. Selbst wenn einige Verwandte oder Bekannte des Antragstellers das Fahrzeug regelmäßig nutzen sollten, erscheint es wenig wahrscheinlich, das dieser Personenkreis so groß ist, dass es dem Antragsteller nicht ohne Weiteres möglich gewesen wäre, die hierfür in Frage kommenden Personen zu benennen. Aus diesem Grund ist die Einlassung des Antragstellers als taktisch motiviert anzusehen und stellt keine ausreichende Mitwirkung bei der Ermittlung des Fahrzeugführers dar.

2. Die Auffassung des Antragstellers, dass die Berufung auf ein Zeugnisverweigerungsrecht der Anordnung einer Fahrtenbuchauflage entgegenstehe, verhilft der Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg. Denn nach gefestigter verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung gibt es kein "doppeltes Recht", nach einem Verkehrsverstoß in Wahrnehmung eines Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrechts die Täterfeststellung zu vereiteln und zugleich trotz fehlender bzw. nicht ausreichender Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben (z.B. BVerwG vom 11.8.1999 BayVBl 2000, 380; BayVGH vom 11.11.2009 Az. 11 ZB 08.401; VGH BW vom 30.11.2010 VRS 2011, 108).

3. Keinen Erfolg hat auch der Einwand des Antragstellers, dass eine wirksame Kontrolle, die durch die Fahrtenbuchauflage gewährleistet werden solle, später nicht mehr stattfinde und die Maßnahme daher faktisch ihren Zweck verfehle und deshalb unverhältnismäßig sei. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Fahrtenbuchauflage nicht dazu beitragen soll, dass der Fahrzeughalter die ihm obliegende Aufsichtspflicht für die von ihm in den Verkehr gebrachten Fahrzeuge besser beachtet und warum sie die Ermittlung des Fahrers eines Kraftfahrzeugs, mit dem ein Verkehrsverstoß begangen wird, nicht erleichtern können soll.

4. Der Antragsteller behauptet schließlich zu Unrecht, dass die Verwaltungsbehörde ihrer Darlegungslast dafür, dass die Ermittlungen nach Art, Umfang und zeitlicher Abfolge so durchgeführt wurden, dass ein Fahrtenbuch gerechtfertigt ist, nicht nachgekommen sei. Da der Antragsteller die entsprechende Darstellung im Bescheid vom 25. November 2010, weshalb die Feststellung des Fahrzeugführers nach dem Geschwindigkeitsverstoß am 2. Juni 2010 im Sinn des § 31 a Abs. 1 Satz 1 StVZO nicht möglich war, im Beschwerdeverfahren nur mit den oben unter 1. bis 3. erörterten Einwänden angegriffen hat, kann auf die Würdigung dieser Einwände verwiesen werden.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in den Abschnitten II.1.5 Satz 1 und 46.13 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 7./8. Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).