OLG München, Beschluss vom 04.02.2011 - 11 W 160/11
Fundstelle
openJur 2012, 114001
  • Rkr:
Tenor

I. Der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts München I vom 17.09.2010 in der Fassung des Beschlusses vom 08.12.2010 wird dahin abgeändert, dass die von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten auf 12.258,23 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 08.07.2010 festgesetzt werden.

II. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Wert der Beschwerde beträgt 2.920,00 EUR.

Gründe

I.

Die Parteien haben im vorliegenden Rechtsstreit über Ansprüche aus einem inzwischen beendeten Franchiseverhältnis gestritten. Das Landgericht München I hat der Klage, mit der der Kläger die Beklagte unter anderem im Wege der Stufenklage auf Auskunft über die vereinnahmten Differenzrabatte in Anspruch genommen hatte, mit Endurteil vom 08.02.2001 teilweise stattgegeben. Es hat die Beklagte für verpflichtet gehalten, dem Kläger den Schaden aus der Ungleichbehandlung hinsichtlich der Werbemaßnahmen sowie aus der wirtschaftlichen Bindung an Verkaufspreise zu erstatten. Hinsichtlich der ursprünglichen Anträge auf Unterlassung von Vereinbarungen mit Lieferanten, durch die diesen verboten werden sollte, dem Kläger höhere als die von der Beklagten festgelegten Rabatte zu gewähren sowie auf Unterlassung unterschiedlicher Behandlung bei der Erbringung von Franchise-Werbeleistungen hat das Landgericht die Erledigung der Hauptsache festgestellt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht München mit Endurteil vom 06.06.2002 unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel die Erledigung der Hauptsache auch hinsichtlich der Unterlassung von Absprachen mit ...-Lieferanten über die Abführung von Differenzrabatten festgestellt. Die Verpflichtung zum Schadensersatz wegen der wirtschaftlichen Bindung des Klägers an die Verkaufspreise der Beklagten hat das Oberlandesgericht zeitlich begrenzt. Die weitergehende Klage hat es auf die Anschlussberufung der Beklagten abgewiesen. Der Bundesgerichtshof hat mit Endurteil vom 13.07.2004 auf die zugelassene Revision des Klägers das Berufungsurteil im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Klägers erkannt worden war. Die Beklagte ist verurteilt worden, dem Kläger Auskunft über alle Einkaufsvorteile aus Einkäufen des Klägers bei ...-Lieferanten zu erteilen. Wegen des weitergehenden Tenors wird auf das Endurteil des Bundesgerichtshofs vom 13.07.2004 Bezug genommen (Blatt 87 des Sonderheftes "Bundesgerichtshof"). Im weitergehenden Umfang der Aufhebung ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen worden. Das Oberlandesgericht München hat auf Terminsantrag des Klägers mit Endurteil vom 14.09.2006 im schriftlichen Verfahren die Sache zur weitergehenden Entscheidung über die Stufenklage, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens und des Revisionsverfahrens, an das Landgericht München I zurückverwiesen. Dieses hat die Beklagte mit Schlussurteil vom 01.04.2010 zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 61.596,08 € zuzüglich Zinsen verurteilt, die Verpflichtung zum Ersatz von weiterem Schaden festgestellt und der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens auferlegt.

Mit dem nunmehr angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 17.09.2010 in der Fassung des Beschlusses vom 08.12.2010 hat die Rechtspflegerin die von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten einschließlich Gerichtskosten in Höhe von 3.701,63 € auf 15.178,23 € festgesetzt und dabei für die Verfahren beim Oberlandesgericht und beim Landgericht nach der Zurückverweisung durch den Bundesgerichtshof jeweils eine 1,2 Terminsgebühr in Höhe von 1.440,00 € zuzüglich der Telekommunikationspauschale in Höhe von 20,00 € berücksichtigt. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer sofortigen Beschwerde. Zur Begründung wird ausgeführt, die angemeldeten Kosten für das Verfahren beim Oberlandesgericht und beim Landgericht in der Leistungsstufe seien nicht festsetzbar. Es handle sich bei der Auskunfts- und der Leistungsstufe bei einer Stufenklage um dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG. Der Übergang von der positiv verbeschiedenen Auskunftsstufe in die Leistungsstufe stelle keine Zurückverweisung im Sinne von § 21 RVG dar.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO).

Das Rechtsmittel erweist sich auch als begründet. Die von der Rechtspflegerin festgesetzten Terminsgebühren nach der Zurückverweisung des Verfahrens durch den Bundesgerichtshof und das Oberlandesgericht München sind nicht angefallen und damit auch nicht von der Beklagten zu erstatten.

1. Es trifft zwar zu, dass im Falle der Zurückverweisung einer Sache an ein untergeordnetes Gericht das weitere Verfahren vor diesem Gericht gemäß § 21 Abs. 1 RVG ein neuer Rechtszug ist. Dies hat grundsätzlich zur Folge, dass der Rechtsanwalt die Gebühren erneut fordern kann (§ 15 Abs. 2 Satz 2 RVG), wobei die beim untergeordneten Gericht bereits entstandene Verfahrensgebühr gemäß der Vorbemerkung 3 Abs. 6 VV-RVG auf die Verfahrensgebühr für das erneute Verfahren anzurechnen ist.

2. Richtig ist auch, dass ein Rechtsmittelgericht eine Sache in entsprechender Anwendung von § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO an das untergeordnete Gericht zurückverweisen kann, wenn das erstinstanzliche Gericht – wie im vorliegenden Fall – eine Stufenklage (§ 254 ZPO) vollständig abgewiesen hat, das Berufungs- oder Revisionsgericht dem Rechnungslegungs- oder Auskunftsanspruch hingegen bei insoweit gegebener Entscheidungsreife stattgibt (BGH NJW 2006, 2626; Zöller/Heßler, ZPO, 28. Auflage, § 538 Rn. 48; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 31. Auflage, § 538 Rn. 20). Die prozessuale Lage bei Zuerkennung des Anspruchs, nachdem das Landgericht die Klage insgesamt abgewiesen hatte, ist nämlich mit jener vergleichbar, die sich ergibt, wenn das Berufungsgericht der vom Landgericht abgewiesenen Klage dem Grunde nach stattgibt und nunmehr über den Betrag zu entscheiden ist (BGH NJW 1985, 862).

3. Der prozessuale Begriff der Zurückverweisung im Sinne der §§ 538, 563 ZPO ist jedoch nicht identisch mit dem der gebührenrechtlichen Zurückverweisung im Sinne von § 21 Abs. 1 RVG (AnwK-RVG/N. Schneider, 5. Auflage, § 21 Rn. 12). Entscheidend für eine Zurückverweisung im gebührenrechtlichen Sinne ist, dass sich aus dem Urteil der höheren Instanz die Notwendigkeit einer weiteren Verhandlung vor dem untergeordneten Gericht ergibt mit der Folge, dass der Rechtsanwalt nunmehr das Ergebnis der Erörterungen des zweiten (oder hier des dritten) Rechtszuges in seine Überlegungen einbeziehen und sein weiteres Vorgehen auf die dort getroffene Entscheidung aufbauen muss (Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 19. Auflage, § 21 Rn. 4).

a) Danach liegt keine Zurückweisung im gebührenrechtlichen Sinn vor, wenn das Berufungs- oder Revisionsgericht bei einer Stufenklage das den Auskunftsanspruch bejahende Ersturteil bestätigt. In diesem Fall bedarf es nämlich schon keiner Zurückverweisung im prozessualen Sinn, da diese wie bei einer ein Grundurteil bestätigenden Entscheidung eines Rechtsmittelgerichts nicht in Betracht kommt. Eine Zurückverweisung setzt nämlich voraus, dass das angefochtene Urteil vom Rechtmittelgericht nicht gebilligt und deshalb aufgehoben wird (vgl. zum Grundurteil BGH NJW-RR 2004, 1294).

b) Eine Zurückverweisung im gebührenrechtlichen Sinn liegt aber auch dann nicht vor, wenn das Rechtsmittelgericht das die Stufenklage insgesamt abweisende Urteil der ersten Instanz (oder wie hier der ersten und zweiten Instanz) aufhebt und selbst zur Auskunftserteilung verurteilt (Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, a.a.O., § 21 Rn. 6; a. A.: OLG Köln OLGR 2007, 396; AnwK-RVG/N. Schneider, 5. Auflage, § 21 Rn. 23; im Fall eines Vergleichs vor dem Rechtsmittelgericht: OLG Hamm JurBüro 2000, 302). So liegt der Fall hier, denn der Bundesgerichtshof hat mit dem Revisionsurteil der Auskunftsklage stattgegeben und hat – wie aus den Entscheidungsgründen des Endurteils vom 13.07.2004, dort unter "D", ersichtlich – die Sache nur noch zur Entscheidung über den Leistungsantrag an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Es liegt damit zwar eine Zurückverweisung im prozessualen Sinn vor (BGH NJW 2006, 2626), aus gebührenrechtlicher Sicht ergibt sich auf Grund des Urteils der höheren Instanz hinsichtlich des Auskunftsanspruchs aber gerade nicht die Notwendigkeit einer weiteren Verhandlung vor den untergeordneten Gerichten, da hierüber der Bundesgerichtshof bereits abschließend entschieden hat. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs hat im vorliegenden Fall keine Auswirkungen auf den nunmehr beim Landgericht zu entscheidenden Gegenstand, nämlich den Zahlungsanspruch. Über den von den Rechtsmittelgerichten (Bundesgerichtshof und Oberlandesgericht) entschiedenen Auskunftsanspruch musste das Landgericht also nicht erneut verhandeln und entscheiden. Die weitere Tätigkeit des Erstgerichts bezog sich vielmehr nur auf die zweite und dritte Stufe der Klage. Hierüber hätte das Landgericht aber auch dann entscheiden müssen, wenn es der Auskunftsklage von Anfang an selbst im Wege eines Teilurteils stattgeben hätte. Eine Mehrarbeit in erster Instanz ist für die Prozessbevollmächtigten also durch die Zwischenschaltung der Rechtsmittelverfahren nicht ausgelöst worden. Auch wenn das Landgericht selbst zum Auskunftsanspruch ein Teilurteil erlassen hätte, wären für das weitere Verfahren in den folgenden Stufen für die beteiligten Rechtsanwälte keine gesonderten Gebühren angefallen, da es sich insoweit um dieselbe Angelegenheit handelt (§ 15 Abs. 2 Satz 1 RVG), für die alle Gebühren nur einmal anfallen (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 19. Auflage, Gegenstandswert I, Rn. 366). Es sind also keine Gründe dafür ersichtlich, warum hier aus gebührenrechtlicher Sicht andere Grundsätze gelten sollten wie im Falle der Entscheidung im Betragsverfahren nach Bestätigung eines Grundurteils durch das Rechtsmittelgericht, wo der Bundesgerichtshof und der Senat die Anwendbarkeit von 15 Abs. 1 BRAGO (wortgleich mit dem nunmehr geltenden § 21 Abs. 1 RVG) verneint haben (BGH NJW-RR 2004, 1294; Senat JurBüro 1999, 23).

4. Die von der Rechtspflegerin festgesetzten Terminsgebühren für die Verfahren beim Oberlandesgericht und beim Landgericht nach der Zurückverweisung durch den Bundesgerichtshof (jeweils 1.440,00 €) und die Post- und Telekommunikationspauschalen (je 20,00 €) sind somit nicht zu berücksichtigen. Dies gilt unabhängig davon, dass zum Zeitpunkt der Fortsetzung des Verfahrens beim Landgericht bereits das RVG in Kraft war. Nachdem durch die Zurückverweisung der Sache durch den Bundesgerichtshof kein neuer Rechtszug begründet worden ist, ist es für das weitere Verfahren nach der Übergangsregelung des § 61 Abs. 1 Satz 1 RVG bei der Anwendbarkeit der BRAGO geblieben. Die danach angefallene 10/10 Verhandlungsgebühr gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO in Höhe von 1.200,00 € ist bereits zu Gunsten des Klägers festgesetzt worden.

Der von der Beklagten an den Kläger zu erstattende Betrag vermindert sich somit um 2.920,00 € auf nunmehr 12.258,23 €.

5. Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Gerichtskosten sind nicht angefallen, nachdem die Beschwerde in vollem Umfang Erfolg hatte (Nr. 1812 KV-GKG).

6. Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde war nicht veranlasst, da den oben angeführten Entscheidungen der Oberlandesgerichte Köln und Hamm jeweils ein anderer Sachverhalt zugrunde lag und damit auch die zu beantwortenden entscheidungserheblichen Rechtsfragen nicht identisch waren.