Bayerischer VGH, Urteil vom 21.02.2011 - 11 B 09.3032
Fundstelle
openJur 2012, 113588
  • Rkr:
Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor Vollstreckungsbeginn Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Anordnung einer innerörtlichen Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h.

Im Ortsteil Sandharlanden der Klägerin gibt es zwei Straßen mit dem Namen Flurweg, von denen die eine in Nord-Süd-Richtung und die andere etwa in West-Ost-Richtung verläuft. Im Jahr 1985 erließ die Klägerin als zuständige Straßenverkehrsbehörde folgende verkehrsrechtliche Anordnung: „Für den nördlichen Teil des Flurweges wird eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h angeordnet. Im Flurweg sind bei Flurnummer 174 (Gebäude F…) und am nördlichen Ende des Flurwegs bei Flurnummer 171/36 die Verkehrszeichen Bild 274 (zulässige Höchstgeschwindigkeit 30 km/h) aufzustellen.“

In der Folge wurden in Umsetzung dieser verkehrsrechtlichen Anordnung die entsprechenden Verkehrszeichen in dem in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Flurweg aufgestellt.

Am 8. Oktober 2004 erließ die Klägerin aufgrund der eben genannten Vorschriften weitere folgende verkehrsrechtliche Anordnung: „Im Flurweg in Sandharlanden wird in beiden Richtungen die Geschwindigkeit auf 30 km/h beschränkt. Die Verkehrszeichen Nr. 274 mit der Aufschrift „30“ sind in beiden Richtungen und jeweils nach den Einmündungen von Seitenstraßen anzubringen.“

In der Folgezeit wurden die zur Umsetzung dieser verkehrsrechtlichen Anordnung notwendigen zusätzlichen Verkehrszeichen im dem in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Flurweg aufgestellt; die bisherigen Verkehrszeichen wurden in ihrem Standort jeweils verändert.

Mit Schreiben vom 15. Oktober 2004 wies die zuständige Polizeiinspektion die Klägerin darauf hin, dass die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen für die verkehrsrechtliche Anordnung vom 5. Oktober 2004 nicht vorliegen dürften, nachdem eine konkrete Gefahrenlage nicht anzunehmen sei. Beim Flurweg handle es sich um eine Straße, die sich nicht wesentlich von anderen Straßen unterscheide, auf der die innerörtliche zulässige Höchstgeschwindigkeit 50 km/h betrage.

Mit Schreiben vom 28. Dezember 2004 wandte sich der Beigeladene an die Klägerin und monierte, dass die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h auch auf den Rest des Flurwegs ausgedehnt worden sei. Er sei Anlieger dieser Straße und sehe keine Notwendigkeit für diese Geschwindigkeitsbegrenzung, jedenfalls nicht für den südlichen Bereich. Er stelle den Antrag, die Beschränkung auf 30 km/h zurückzunehmen.

Mit Schreiben vom 3. März 2005 an das Landratsamt Kelheim legte der Beigeladene Widerspruch ein, „damit das Landratsamt über die verkehrsrechtliche Anordnung 30 km/h, Flurstraße, der Stadt Abensberg entscheidet.“

Am 28. April 2005 fasste der Stadtrat der Klägerin den Beschluss, die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h im Flurweg beizubehalten.

Mit Schreiben vom 11. Mai 2005 an das Landratsamt teilte die Klägerin mit, dass sich der Stadtrat in seiner Sitzung vom 28. April 2005 einstimmig für die Beibehaltung der Geschwindigkeitsbegrenzung ausgesprochen habe. Gründe hierfür seien gewesen, dass im Jahr 1985 eine verkehrsrechtliche Anordnung zur Geschwindigkeitsbeschränkung im nördlichen Teil des Flurwegs ergangen sei, damit dieser nicht als Abkürzungsstrecke zwischen Neustadt/Bad Gögging und Kelheim genutzt werde. Eine Sperrung für den Durchgangsverkehr mit dem Zusatz „Anlieger frei“ sei damals aus Rechtsgründen nicht möglich gewesen. Zum damaligen Zeitpunkt sei der Flurweg überwiegend noch am Ortsrand verlaufen. Inzwischen habe er sich zu einer „Innerortsstraße“ verändert, nachdem das Wohngebiet „Sandharlanden West“ ausgewiesen worden sei. Hierdurch sei auch die Zahl der Kinder in diesem Bereich gestiegen. Dabei handle es sich zum Einen um Schulkinder, die zur Bushaltestelle in das Dorf gingen und zum Anderen um die Kinder aus dem gesamten Dorf, die den Spielplatz im neuen Baugebiet nützen würden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. September 2006 hob das Landratsamt Kelheim die verkehrsrechtliche Anordnung der Klägerin vom 8. Oktober 2004 auf. Im Zuge der Umsetzung dieser verkehrsrechtlichen Anordnung hätten alle Verkehrszeichen einen neuen Standort erhalten. Der Widerspruch sei als Anfechtungswiderspruch statthaft, da sich der Beigeladene gegen eine Allgemeinverfügung in Form der verkehrsrechtlichen Anordnung wende. Er sei als Verkehrsteilnehmer Adressat eines ihn belastenden Verwaltungsakts und könne dadurch in seinem subjektiven Recht der grundgesetzlich verbürgten Handlungsfreiheit als Verkehrsteilnehmer verletzt sein, so dass auch eine Widerspruchsbefugnis bestehe. Der Widerspruch sei auch begründet. Nach den Verwaltungsvorschriften zur StVO sollten Geschwindigkeitsbeschränkungen, außer wenn unangemessene Geschwindigkeiten mit Sicherheit zu erwarten seien, nur aufgrund von Verkehrsbeobachtungen oder Unfalluntersuchungen dort angeordnet werden, wo diese ergeben hätten, dass für den Fahrzeugführer eine Eigenart des Straßenverlaufs nicht immer so erkennbar sei, dass er seine Geschwindigkeit von sich aus den Straßenverhältnissen anpasse, oder auf einer bestimmten Strecke eine Verminderung des Geschwindigkeitsunterschieds geboten sei oder die tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeiten von anderen Verkehrsteilnehmern unterschätzt oder nicht erwartet würden. Keiner dieser Gründe treffe auf den Flurweg zu.

Die Anfechtungsklage der Klägerin gegen den Widerspruchsbescheid wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 10. September 2007 abgewiesen. Zwar sei die Klage zulässig, nachdem nicht ausgeschlossen werden könne, dass die Gemeinde in ihrer Planungshoheit verletzt sei. Nach dem Ergebnis des gerichtlichen Augenscheins sei jedoch davon auszugehen, dass nach den besonderen örtlichen Verhältnissen keine Gefahrenlage vorliege, die das allgemeine Verkehrsrisiko deutlich übersteige. Der Flurweg habe eine Länge von ca. 1.000 m und weise eine Fahrbahnbreite von 6 m auf. Er sei weitgehend übersichtlich; da auch ein (einseitiger) ausreichend breiter Gehweg vorhanden sei, bestehe auch keine besondere Gefährdung für Fußgänger und Schüler. Eine erhöhte Unfallgefahr könne auch bei Befahren des Flurwegs unter Einhaltung der allgemeinen innerörtlichen Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 km/h daher weitgehend ausgeschlossen werden, wie auch die für die Verkehrsüberwachung zuständige Polizeidienststelle bestätigt habe. Eine Geschwindigkeitsbegrenzung im Bereich des Flurweges könne auch nicht auf § 45 Abs. 1b StVO gestützt werden, da die Klägerin nicht über ein entsprechendes städtebauliches Konzept verfüge. Auch im Hinblick auf § 45 Abs. 1c StVO könne die streitgegenständliche Geschwindigkeitsbegrenzung keinen Bestand haben. Denn es sei zum Einen ausdrücklich die Aufstellung der Zeichen 274 und nicht die der Zeichen 274.1 und 274.2 beschlossen worden. Zum Anderen sei § 45 Abs. 1c Satz 4 StVO („rechts vor links“) nicht beachtet worden.

Mit Beschluss vom 3. Dezember 2009 ließ der Verwaltungsgerichtshof die Berufung wegen besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten zu.

Im Berufungsverfahren trägt die Klägerin vor, dass im Flurweg besondere örtliche Verhältnisse vorlägen, woraus eine Gefahrenlage resultiere, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der von § 45 StVO geschützten Rechtsgüter erheblich übersteige. Der Flurweg werde wegen der sich in ihm befindlichen Bushaltestelle und dem Kinderspielplatz vor allem von Kindern stark frequentiert. Es sei nur ein einseitiger Gehweg vorhanden, so dass sich der Fußgängerverkehr teilweise auf die Fahrbahn verlagere. Es liege ein Zusammentreffen von hohem Verkehrsaufkommen und erheblichem Rad- und Fußgängerverkehr vor. Der Flurweg werde erfahrungsgemäß als Abkürzungsstrecke durch den Ort zur Vermeidung der Ortsdurchfahrt gewählt. Gerade von solchen Verkehrsteilnehmern sei nicht zu erwarten, dass sie mit angepasster Geschwindigkeit führen. Darüber hinaus lägen auch die Voraussetzungen von § 45 Abs. 1c StVO vor. Entgegen der Auffassung des Erstgerichts verfüge die Klägerin über ein städtebauliches Konzept und habe ein entsprechendes Ermessen ausgeübt, so dass auch die Vorschrift des § 45 Abs. 1b Satz 1 Nr. 5 StVO zur Rechtfertigung der Geschwindigkeitsbeschränkung herangezogen werden könne. Bereits im Rahmen der Begründung für die verkehrsrechtliche Anordnung im Jahr 1985 sowie mit Schreiben der Klägerin gegenüber der Widerspruchsbehörde vom 11. Mai 2005 sei auf die gemeindliche Verkehrsplanung hingewiesen worden sowie auf das damit verfolgte Ziel, den Flurweg durch die Geschwindigkeitsbeschränkung unattraktiv zu machen und so die missbräuchliche Nutzung als Abkürzungsstrecke zwischen Neustadt/Gögging und Kelheim zu verhindern. Schließlich könne die Straßenverkehrsbehörde auch gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 i.V.m. Abs. 9 StVO die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken zum Schutze der Wohnbevölkerung vor Lärm beschränken. Die hierfür erforderlichen Voraussetzungen lägen vor. Falls der Senat der Auffassung sein sollte, dass unter den gegebenen Voraussetzungen die Anordnung einer Tempo-30-Zone in rechtmäßiger Weise nicht möglich sei, werde ausdrücklich darum gebeten, dass sich das Gericht dazu äußern möge, ob die Anordnung einer Tempo-30-Zone oder die Ausweisung eines verkehrsberuhigten Bereiches durch eine bauliche Veränderung oder sonstige Maßnahme erreicht werden könne.

Sie beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 14. September 2006 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Erstgericht habe richtig entschieden. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung verkehrsrechtlicher Anordnungen sei im Fall ihrer Aufhebung durch einen Widerspruchsbescheid derjenige des Erlasses des Widerspruchsbescheids. Die von der Klägerin nach Erlass des Widerspruchsbescheids erstmals angeführten Rechtfertigungen für die Geschwindigkeitsbeschränkung müssten daher außer Betracht bleiben, nachdem diese jeweils eine ordnungsgemäße Ermessensbetätigung voraussetzen würden, an der es fehle. § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO könne daher nicht zur Anwendung kommen. Eine Ergänzung von Ermessenserwägungen nach § 114 Satz 2 VwGO komme hier zu Gunsten der Klägerin nicht in Betracht, nachdem der angegriffene Bescheid vom Beklagten erlassen worden sei. Bushaltestelle und Kinderspielplatz befänden sich beide nicht im Flurweg. Im Übrigen würde sich der Einzugsbereich des fraglichen Spielplatzes nicht auf das gesamte Dorf erstrecken. Die Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts an ein städtebauliches Verkehrskonzept lägen nicht vor.

Die Verwaltungsstreitsache wurde am 21. Februar 2011 mündlich verhandelt. Dort trug der Klägerbevollmächtigte vor, dass es im Geschäftsgang der Klägerin keine ausdrückliche Regelung gebe, wer für den Erlass von verkehrsrechtlichen Anordnungen zuständig sei, der Stadtrat oder die Verwaltung. Die verkehrsrechtlichen Anordnungen im Jahr 1985 und im Jahr 2004 seien jeweils vom Ersten Bürgermeister erlassen worden. Der Stadtrat sei aber für die Anordnung im Jahr 2004 im Nachhinein befasst worden und habe zugestimmt. Die Klägerin habe etwa 12.000 Einwohner. Der Beigeladene gibt im Rahmen einer informatorischen Anhörung an, infolge der Umsetzung der verkehrsrechtlichen Anordnung aus dem Jahre 2004 seien alle bislang vorhandenen Verkehrsschilder, die infolge der verkehrsrechtlichen Anordnung aus dem Jahre 1985 aufgestellt worden seien, versetzt worden.

Im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

1. Die Klage ist zulässig.

Insbesondere fehlt es der Klägerin nicht an der notwendigen Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO). Sie kann sich auf eine Verletzung des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 11 Abs. 2 Satz 2, Art. 83 Abs. 1 BV) berufen.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine Gemeinde gegenüber einem aufsichtlichen Widerspruchsbescheid im Bereich des Straßenverkehrsrechts zwar dann nicht klagebefugt, wenn dieser Bescheid nicht den eigenen, sondern den übertragenen Wirkungskreis betrifft; denn insoweit nehme die Gemeinde nicht Selbstverwaltungs-, sondern staatliche Aufgaben wahr und könne daher durch eine von ihren Wünschen oder Vorstellungen abweichende Entscheidung der Widerspruchsbehörde grundsätzlich nicht in ihren Rechten im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO verletzt sein (vgl. etwa vom 29.6.1983 Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 13). Die Aufgaben und Befugnisse der (örtlichen) Straßenverkehrsbehörde zur Regelung des Straßenverkehrs gehörten seit jeher zu den staatlichen Aufgaben, nicht zu den Angelegenheiten des gemeindeeigenen, durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Wirkungskreises. Demgemäß erfülle eine Gemeinde, wenn sie - wie die Klägerin - durch ihre Straßenverkehrsbehörde nach den §§ 45, 44 Abs. 1 StVO i.V.m. Art. 3 und 6 ZuStGVerk eine Geschwindigkeitsbeschränkung anordne, Aufgaben im übertragenen (staatlichen) Wirkungskreis. Daraus folge, dass die (höhere) Straßenverkehrsbehörde nicht schon dadurch in das kommunale Selbstverwaltungsrecht im Sinne des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG eingreife, dass sie entgegen dem Wunsch der Gemeinde von einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf bestimmten Straßen absehe. Dasselbe gelte auch dann, wenn - wie hier - die Gemeinde als örtliche Straßenverkehrsbehörde eine derartige verkehrsbeschränkende Anordnung treffe, die zuständige Widerspruchsbehörde diese Regelung aber auf den zulässigen Widerspruch eines Verkehrsteilnehmers hin aufhebe. Insoweit sei eine Verletzung der Gemeinde in eigenen Rechten nicht möglich.

b) Nach der Rechtsprechung des Senats kann sich eine Gemeinde als örtliche Straßenverkehrsbehörde gegenüber einer ohne Rechtfertigung in ihre Zuständigkeit eingreifenden Maßnahme einer staatlichen Behörde auch dann auf das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht berufen, wenn sich ihre straßenverkehrsrechtliche Zuständigkeit auf Art. 3 Abs. 1 Satz 1 ZuStGVerk und damit auf eine Angelegenheit des übertragenen Wirkungskreises (Art. 6 Satz 1 ZuStGVerk) stützt (BayVGH vom 13.8.2001 NZV 2002, 147). Der Staat könne mit Rücksicht auf das Selbstverwaltungsrecht auch im übertragenen Wirkungskreis den Gemeinden Aufgaben nur im Wege der Gesetzgebung entziehen und das gemeindliche Selbstverwaltungsrechts werde verletzt, wenn er ohne Rechtsgrundlage anstelle der Gemeinde tätig werde (vgl. BayVGH a.a.O.). Diese Rechtsprechung ist in der Literatur auf Kritik gestoßen (Reither, BayVBl 2002, 768), hat aber auch Zustimmung erfahren (Büchner, BayVBl 2003, 309). Ob an ihr festzuhalten ist, kann offen bleiben. Denn unter Anlegung dieser Maßstäbe ist die Klagebefugnis der Klägerin ebenfalls nicht gegeben, weil der Widerspruch des Beigeladenen offensichtlich zulässig ist (vgl. unten 2. a)), so dass eine Zuständigkeit der Widerspruchsbehörde jedenfalls gegeben war (vgl. Art. 119 GO).

c) Eine mögliche Verletzung des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts kann die Klägerin auch nicht aus § 45 Abs. 1 c StVO herleiten. Zwar kommt der Gemeinde insoweit grundsätzlich eine wehrfähige Rechtsposition zu (BVerwG vom 20.4.1994 DVBl 1994, 1194), jedoch fehlt es offensichtlich bereits am Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der Vorschrift, weil an den Einmündungen im Flurweg durchwegs nicht die Vorfahrtsregel „rechts vor links“ gilt (vgl. Satz 4). Dafür, dass diese Voraussetzung ausnahmsweise entbehrlich wäre, ist nach dem Akteninhalt nichts ersichtlich; insoweit haben die Beteiligten auch nichts vorgetragen.

d) Jedoch kann die Klagebefugnis auf § 45 Abs. 1b Satz 1 Nr. 5 2. Alt. StVO gestützt werden, nachdem diese Vorschrift die streitgegenständliche Geschwindigkeitsbegrenzung möglicherweise tragen könnte. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vom 20.4.1994 a.a.O.) kommt ihr – entgegen ihrer ersten Alternative - Schutzwirkung zu Gunsten der Gemeinde zu, weil die Vorschrift diese, soweit sie als Straßenverkehrsbehörde zuständig ist, ermächtigt, Anordnungen zur Unterstützung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung zu treffen und damit eine Förderung auch gemeindlicher Verkehrskonzepte ermöglicht und somit nicht nur staatlichen Interessen, sondern zugleich den zum Selbstverwaltungsbereich gehörenden Planungs- und Entwicklungsbelangen der betroffenen Gemeinden Rechnung trägt. Nachdem die Klägerin die streitgegenständliche verkehrsrechtliche Regelung nach Aktenlage und nach unwidersprochenem Vortrag in der mündlichen Verhandlung in erster Linie deshalb getroffen hat, um den in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Flurweg für den „Durchgangsverkehr“ unattraktiv zu machen und seinem Charakter als in erster Linie innerörtliche Erschließungsstraße für ein Wohngebiet Rechnung zu tragen, ist es jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen, dass insoweit gemeindliche Planungs- und Entwicklungsbelange betroffen sind.

2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 14. September 2006 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, § 115 VwGO). Prüfungsmaßstab für die materielle Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Geschwindigkeitsbeschränkung ist insoweit allein § 45 Abs. 1b Satz 1 Nr. 5 2. Alt. StVO, nachdem eine Klagebefugnis der Klägerin ausschließlich im Zusammenhang mit dieser Vorschrift gegeben ist.

a) Der Widerspruch des Beigeladenen ist zulässig. Es handelt sich dabei um einen Anfechtungswiderspruch gegen die straßenverkehrsrechtliche Anordnung aus dem Jahr 2004, mit der eine vollständige Neuregelung der Geschwindigkeitsbeschränkung im gesamten streitgegenständlichen Bereich getroffen und damit die verkehrsrechtliche Anordnung aus dem Jahre 1985 gegenstandslos wurde, so dass die Bestandskraft der infolge ihrer Umsetzung aufgestellten Verkehrszeichen dem Widerspruchsführer nicht entgegengehalten werden kann. Das ergibt sich daraus, dass sich der Wortlaut der verkehrsrechtlichen Anordnung aus dem Jahr 2004 auf den gesamten in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Flurweg bezieht und die im Jahr 1985 aufgestellten Verkehrszeichen jeweils, wenn auch teilweise nur geringfügig, versetzt wurden. Als Verkehrsteilnehmer ist der Widerspruchsführer durch die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h als Adressat eines auch ihn betreffenden Verwaltungsakts insofern belastet, als er im fraglichen Bereich nicht mit der ansonsten zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h fahren darf (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Auflage 2009, § 42, Rn. 115 m.w.N.) und damit auch widerspruchsbefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO in entsprechender Anwendung). Damit ist auch die Zuständigkeit der Widerspruchsbehörde zum Tätigwerden gegeben (Art. 119 Nr. 2 GO).

b) Der Widerspruch ist auch begründet. Die Widerspruchsbehörde ist zutreffend davon ausgegangen, dass die verkehrsrechtliche Anordnung aus dem Jahr 2004 nicht auf § 45 Abs. 1b Satz 1 Nr. 5 2. Alt. StVO gestützt werden kann.

aa) Die verkehrsrechtliche Anordnung ist allerdings nicht bereits aus formellen Gründen rechtswidrig. Die Verbandskompetenz innerhalb der Klägerin richtet sich, nachdem eine Übertragung auf den Ersten Bürgermeister und die nachgeordnete Verwaltung im Sinne von Art. 37 Abs. 2 Satz 1 GO nicht vorlag und auch eine Eilkompetenz nach Art. 37 Abs. 3 Satz 1 GO ersichtlich ausscheidet, danach, ob eine laufende Angelegenheit im Sinne von Art. 37 Abs. 1 Satz 1 GO anzunehmen ist. Dabei handelt es sich um eine solche, die für die Gemeinde keine grundsätzliche Bedeutung hat und keine erheblichen Verpflichtungen erwarten lässt. Nachdem die Klägerin weder über ein verkehrsplanerisches Konzept für ihr gesamtes Gemeindegebiet noch für den hier betroffenen Gemeindeteil verfügt, welches dann möglicherweise nur noch hätte vollzogen werden müssen und die Frage der Geschwindigkeitsbeschränkung im Flurweg aufgrund von Unterschriftensammlungen in den Fokus des öffentlichen Interesses gelangt und Thematik wenigstens einer Bürgerversammlung war, kann auch vor dem Hintergrund, dass die Klägerin mit ca. 12.000 Einwohnern eine eher kleine Gemeinde ist, nicht mehr von einer laufenden Angelegenheit ausgegangen werden, so dass eine Zuständigkeit des Stadtrats gegeben war (Art. 29 GO). Jedenfalls aber mit dem Stadtratsbeschluss vom 28. April 2005, mit dem die Geschwindigkeitsbeschränkung im gesamten in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Flurweg gebilligt wurde, wurde der ursprünglich gegebene Zuständigkeitsfehler durch Erlass der verkehrsrechtlichen Anordnung durch den Ersten Bürgermeister geheilt.

Sie ist auch nicht deswegen formell fehlerhaft, weil sie nicht begründet ist. Denn nach Art. 39 Abs. 2 Nr. 5 BayVwVfG müssen öffentlich bekanntgegebene Allgemeinverfügungen keine Begründung enthalten.

bb) Die verkehrsrechtliche Anordnung ist auch nicht zu unbestimmt im Sinne von Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG. Bei der Ermittlung des Inhalts der Regelung ist nicht auf die subjektiven Vorstellungen der Personen abzustellen, die innerhalb der Behörde die Entscheidung getroffen haben, sondern auf den objektiven Erklärungswert und Erklärungsinhalt des den Betroffenen mitgeteilten Inhalts der Regelung, so wie sich diese den Betroffenen darstellt und nach Treu und Glauben verstanden werden darf und muss (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 11. Auflage 2010, § 37, Rn. 7 m.w.N.). Die verkehrsrechtliche Anordnung, die selbst nicht bekannt gemacht wird, richtet sich in erster Linie an diejenigen Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung, die in ihrer Umsetzung die notwendigen Verkehrszeichen aufstellen. Zwar bezieht sich die streitgegenständliche Anordnung ihrem Wortlaut nach auf den „Flurweg in Sandharlanden in beiden Richtungen". Unter Berücksichtigung des Wortlauts allein ist sie damit zu unbestimmt, nachdem es in dem in Rede stehenden Gemeindeteil der Klägerin zwei Straßen mit dem Namen „Flurweg“ gibt, wovon die eine in Nord-Süd-Richtung und die andere etwa in West-Ost-Richtung verläuft. Als Abkürzungsstrecke vom Durchgangsverkehr benützt wird jedoch nur diejenige Straße mit dem Namen „Flurweg", die in Nord-Süd-Richtung verläuft. Verkehrszeichen aufgestellt wurden ausschließlich in dieser Straße, so dass es nach der Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont eindeutig ist, dass sich die streitgegenständliche verkehrsrechtliche Anordnung allein auf den in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Flurweg bezieht.

cc) Jedoch liegen die Tatbestandsvoraussetzungen von § 45 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Alt. 2, Abs. 9 StVO nicht vor. Zwar werden hierdurch die Straßenverkehrsbehörden ermächtigt, Anordnungen zur Unterstützung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung zu treffen und damit gemeindliche Verkehrskonzepte zu fördern. In diesem Rahmen kann es ein zulässiges Ziel einer Gemeinde sein, den Charakter einer innerörtlichen Wohnstraße dadurch sicherzustellen, dass sie für den Durchgangsverkehr, dem es ausschließlich darum geht, den Ort beziehungsweise Ortsteil möglichst schnell unter Umgehung der Hauptverkehrsführung zu durchqueren, dadurch unattraktiv gemacht wird, dass die Geschwindigkeit dort auf 30 km/h beschränkt wird.

Voraussetzung dafür, dass die Straßenverkehrsbehörde eine Anordnung "zur Unterstützung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung" im Sinne des § 45 Abs. 1 b Satz 1 Nr. 5 StVO treffen kann, ist aber, dass ein städtebauliches Verkehrskonzept der Gemeinde bereits vorhanden ist; erst und nur dann kann die straßenverkehrsrechtliche Anordnung ihre insoweit dienende Funktion entfalten (vgl. BVerwG vom 20.4.1994 a.a.O. unter Berufung auf Steiner NJW 1993, 3161). Es muss jedenfalls - erstens - hinreichend konkret die verkehrsmäßigen Planungen in einem bestimmten räumlichen Bereich darstellen, die aus Gründen der geordneten städtebaulichen Entwicklung für erforderlich oder zweckmäßig gehalten werden. Das städtebauliche Verkehrskonzept muss - zweitens - von den für die Willensbildung in der Gemeinde zuständigen Organen beschlossen worden sein. Soweit es die Veränderung von Verkehrsstraßen und -strömen zum Inhalt hat, muss es - drittens - den Erfordernissen planerischer Abwägung genügen und insbesondere darlegen, weshalb bestimmte Straßen(züge) entlastet und welche neuen Straßen(züge) in für dortige Anwohner zumutbarer Weise belastet werden sollen und können (BVerwG a.a.O).

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Der streitigen Geschwindigkeitsbeschränkung lag kein städteplanerisches Konzept zugrunde. Die bloße Absicht der Klägerin, den Durchgangsverkehr durch eine isolierte Maßnahme der Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h aus diesem Straßenzug zu verdrängen, stellt noch kein Konzept einer städtebaulichen Entwicklung dar, das durch straßenverkehrsrechtliche Anordnungen "unterstützt" werden könnte. Insoweit ergibt sich aus dem Akteninhalt und dem Prozessvortrag allein, dass die Klägerin wenigstens seit 1985 das Ziel hat, den „Durchgangsverkehr“ aus dem in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Flurweg zu verbannen. Eine Sperrung für den Durchgangsverkehr mit dem Zusatz „Anlieger frei“ sei nicht möglich gewesen. Zum damaligen Zeitpunkt sei der Flurweg noch weitgehend am Ortsrand verlaufen. Mit dem Wohngebiet „Sandharlanden West“ sei jedoch eine erhebliche Änderung eingetreten, der Flurweg sei zur Innerortsstraße mit weiteren Einmündungen und Grundstückzufahrten geworden. Gleichzeitig sei die Zahl der Kinder in diesem Bereich gestiegen (vgl. Bl. 25 d.A.).

Demgegenüber wäre unter Zugrundelegung der Maßstäbe des Bundesverwaltungsgerichts (a.a.O.) mindestens zu fordern gewesen, dass zunächst ermittelt wird, wie hoch die Verkehrsbelastung des in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Flurwegs tatsächlich und welcher Anteil dem Durchgangsverkehr zuzurechnen ist. Die in den Jahren 2001 und 2004 durchgeführten Geschwindigkeitsmessungen sind insoweit nicht repräsentativ. Zwar mag sich etwa aus der am 24. November 2004 in der Zeit von 5.53 Uhr bis 8.50 Uhr durchgeführten Messung mit der ermittelten Zahl von 105 in eine Richtung gemessenen Fahrzeugen ein Anhaltspunkt für eine nicht unerhebliche Verkehrsbelastung ergeben, die auch teilweise dem Durchgangsverkehrs geschuldet sein dürfte. Dabei handelt es sich jedoch nur um eine vage Tatsachenbasis, die eine belastbare Verkehrszählung mit einer gesonderten Ermittlung des Ziel- und Quellverkehrs nicht ersetzen kann. Ausgehend hiervon müsste eine Auseinandersetzung damit erfolgen, ob die Durchgangsverkehrsbelastung mit den planerischen – vor allem bauleitplanerischen – Zielen der Klägerin noch im Einklang steht, wofür auch die Darstellung des in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Flurwegs im Flächennutzungsplan oder in etwaigen Bebauungsplänen mit berücksichtigt werden müsste. Falls die von der Klägerin beabsichtigte (und derzeit bereits realisierte) Geschwindigkeitsbegrenzung prognostiziert tatsächlich zu einer Verlagerung der Verkehrsströme und nicht nur zu einer Reduzierung der tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeiten – was für sich genommen auch bereits eine Maßnahme zur straßenverkehrsrechtlichen Unterstützung der planerischen Absichten der Klägerin sein könnte - führen sollte, müsste zumindest ansatzweise ermittelt werden, welche Straßen dann den verdrängten Verkehr aufnehmen sollen und ob diese Verkehrszunahme den dortigen Anwohnern zumutbar ist. Schließlich müsste ein solches Verkehrskonzept vom nach den obigen Grundsätzen zuständigen Stadtrat beschlossen werden. Aus dem Akteninhalt ist noch nicht einmal hinreichend ersichtlich, dass die bisherigen, rudimentären Überlegungen Grundlage für den Stadtratsbeschluss vom 28. April 2005 waren, oder ob dieser - wofür der Wortlaut des Auszugs aus dem Sitzungsbuchs der Klägerin spricht - eher dadurch motiviert war, dass das Votum der Bürgerversammlung in Sandharlanden am 16. März 2005 für die Beibehaltung der Geschwindigkeitsbegrenzung eindeutig war und im übrigen der Empfehlung des Grundstücks- und Bauausschusses in den Sitzungen vom 17. Januar 2005 und 18. April 2005 gefolgt werden sollte. In der Sitzung vom 17. Januar 2005 wurde ausweislich des Auszugs aus dem Sitzungsbuch zwar von zwei Mitgliedern des Ausschusses angesprochen, dass der in Nord-Süd-Richtung verlaufende Flurweg auch als Abkürzungsstrecke genutzt werde und dass dort viele Kinder wohnen würden, es bleibt aber offen, ob diese Erwägungen für die ausgesprochene Empfehlung, die Geschwindigkeitsbeschränkung beizubehalten, auch tatsächlich tragend waren, zumal ein weiteres Mitglied des Ausschusses sich für eine Beibehaltung der Geschwindigkeitsbegrenzung aussprach, obwohl sie nicht unbedingt der Straßenverkehrsordnung entspreche, weil die dortigen Anwohner dies so wollten. Insoweit konnte die Klägerin auch in der mündlichen Verhandlung nichts Gegenteiliges vortragen.

Insgesamt fehlt es damit an dem notwendigen städtebaulichen Verkehrskonzept, dessen Gefährdung durch die tatsächliche Entwicklung des Straßenverkehrs tatbestandliche Voraussetzung von § 45 Abs. 1 b Satz 1 Nr. 5 Alt. 2, § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO ist.

3. Die Berufung war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Nachdem der Beigeladene im Berufungsverfahren nicht durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten war und damit auch keinen Antrag gestellt und sich nicht ins Kostenrisiko begeben hat (§ 154 Abs. 3 VwGO), entspricht es der Billigkeit, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO). Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

4. Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Für Klagen, die straßenverkehrsrechtliche Anordnungen zum Gegenstand haben, ist nach der Empfehlung in Abschnitt II Nr. 46.14 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 7./8. Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327) der sich aus dem Gerichtskostengesetz ergebende Auffangstreitwert anzusetzen (§ 52 Abs. 2 GKG).