LG München I, Beschluss vom 09.10.1997 - sondern einen weiteren bzw. mehrere weitere Eigent
Fundstelle
openJur 2012, 112145
  • Rkr:
Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts München vom 28.04.2010, Az. 482 C 1094/09, aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Von einer Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II, 313 a I 1 ZPO abgesehen, da ein Rechtsmittel gegen das vorliegende Urteil unzweifelhaft nicht in Betracht kommt: Die Revision wurde nicht zugelassen; eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nach § 62 Abs 2 WEG n. F. ausgeschlossen, da es sich vorliegend um eine Streitigkeit nach § 43 Nr. 4 WEG handelt (Spielbauer/Then, WEG, § 62 Rz. 6).

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

1.

Allerdings fehlt der Klägerin für die erhobene Anfechtungsklage entgegen der Auffassung der Beklagten nicht bereits das Rechtsschutzbedürfnis.

Zwar trifft es nicht zu, dass, wie die Klagepartei vorträgt, der angefochtenen Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung vom 13.08.2009 zu TOP 16 die Rechtsgrundlage für die Verpflichtung der davon betroffenen Eigentümer bilden würde, die Außenfassade instand zu setzen. Der Beschluss betrifft vielmehr nach seinem Inhalt erkennbar lediglich die Frage, ob die WEG Schadensersatzansprüche gegen die genannten Eigentümer ... (die Klägerin), ... und ... wegen Verunreinigungen der Fassaden gerichtlich geltend machen soll. Darüber, ob solche Ansprüche tatsächlich bestehen, soll demgegenüber in dem dann einzuleitenden gerichtlichen Verfahren entschieden werden.

Unabhängig davon ist das Rechtsschutzbedürfnis jedoch grundsätzlich weit zu fassen. Es entfällt grundsätzlich nicht, wenn der Beschluss bereits durchgeführt wurde (Spielbauer/Then, Rn 9 zu § 46 WEG) und besteht sogar dann, wenn die beschlossene Maßnahme nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, die Frage der Gültigkeit des Beschlusses aber für etwaige Folgebeseitigungs- oder Schadensersatzansprüche, sowie die Kostenbeteiligung von Bedeutung ist (Bärmann, 11. Aufl., Rn 6 zu § 46 WEG).

Danach ist vorliegend das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin zu bejahen, auch wenn zwischenzeitlich der streitgegenständliche Beschluss vollzogen und die dort bezeichnete Schadensersatzklage erhoben wurde. Daran ändert es nichts, dass, wie die beklagte Partei zutreffend dargelegt hat, Rechtshandlungen, die der Verwalter oder eine sonstige zur Vornahme der Rechtshandlung von der WEG ermächtigte Person namens der WEG vorgenommen hat, für die WEG selbst dann wirken, wenn der Beschluss über die Ermächtigung nachträglich im Anfechtungsprozess für ungültig erklärt wird, weil solche Rechtshandlungen entweder unmittelbar gemäß § 172 BGB, ansonsten nach dem heute gewohnheitsrechtlich geltenden Rechtsgedankten des vormaligen § 32 FGG – jetzt § 47 FamFG – der WEG zugerechnet werden können (Bärmann, 11. Aufl., Rn 241 zu § 27 WEG). Denn die WEG wäre u. U. dazu verpflichtet, die bereits erhobene Klage wieder zurückzunehmen, wenn der zugrunde liegende Beschluss vom Gericht für ungültig erklärt würde. Auch ist fraglich, ob eine WEG aus einem Titel, den sie aufgrund eines ohne wirksame Ermächtigung angestrengten Prozesses erwirkt, die Vollstreckung betreiben dürfte. Schließlich kommen auch Schadensersatzansprüche der Klägerin in Betracht, wenn ihr aufgrund eines ohne wirksame Ermächtigung der WEG eingeleiteten Prozesses Kosten entstehen.

Da somit ein berechtigtes Interesse der Klägerin an der Erklärung der Ungültigkeit des zu TOP 16 in der Wohnungseigentümerversammlung vom 10.08.2010 gefassten Beschlusses nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, ist das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin gegeben (vgl. Thomas/Putzo, 31. Aufl., Rn 26-28 vor § 253 ZPO).

2.

Die Anfechtungsklage der Klägerin gegen den Beschluss vom 13.08.2009 ging am 04.09.2009 beim Amtsgericht München ein und wurde am 19.09.2009 zugestellt, wobei die Zustellung gemäß § 167 ZPO auf den Zeitpunkt des Eingangs der Klage bei Gericht zurückwirkte, so dass die einmonatige Frist des § 46 I 2 WEG für die Erhebung der Anfechtungsklage gewahrt wurde. Die Begründung der Anfechtungsklage mit Schriftsatz vom 10.09.2009, bei Gericht eingegangen am selben Tag und den Beklagten zugestellt am 25.09.2009, erfolgte ebenfalls fristgerecht nach § 46 I 2 WEG.

3.

Der streitgegenständliche Beschluss ist entgegen der vom Amtsgericht München vertretenen Auffassung formell ordnungsgemäß zustande gekommen. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass von der Abstimmung zu TOP 16 in der Eigentümerversammlung vom 13.08.2009 sowohl die Klägerin als auch die Wohnungseigentümer ... und ... ausgeschlossen wurden. Dies stand vielmehr im Einklang mit der Vorschrift des § 25 V WEG, wonach ein Wohnungseigentümer nicht stimmberechtigt ist, wenn die Beschlussfassung die Einleitung eines Rechtsstreites der anderen Wohnungseigentümer gegen ihn betrifft.

a. Die Beklagte hat vorgetragen, dass beabsichtigt war, gegen die Eigentümer ... und die Klägerin in einem einheitlich eingeleiteten Rechtsstreit vorzugehen und diese als Streitgenossen zu verklagen. Für die Richtigkeit dieses Vortrags spricht bereits, dass in dem Beschlussantrag nicht zwischen den einzelnen Ansprüchen gegen die jeweiligen Eigentümer differenziert wurde, dort lediglich von einem Schadensersatzanspruch gegen die genannten Eigentümer und einer Beauftragung des Rechtsanwalts mit "der Prozessführung" die Rede ist und zudem einheitlich über die Geltendmachung der Ansprüche gegen die Eigentümer ... und die Klägerin abgestimmt wurde. Auch wenn letztendlich allein gegen die hiesige Klägerin Klage wegen der Verunreinigung der Ostfassade des Hauses Nr. 18 erhoben wurde, nicht jedoch gegen die Eigentümer ... und ... wegen der Verunreinigung der Süd- bzw. Ostfassade des Hauses Nr. 20, spricht dies nicht gegen die ursprüngliche Absicht, die Eigentümer ... und die Klägerin gemeinsam als Streitgenossen zu verklagen. Nachdem die Eigentümer ... und ... nämlich unstreitig die Verunreinigungen an den an ihre jeweilige Sondernutzungsfläche angrenzenden Fassaden wenige Tage nach der Beschlussfassung beseitigt haben, hat sich die gerichtliche Geltendmachung etwaiger Ansprüche gegen diese erübrigt. Aus der Erhebung einer Klage nur gegen die hiesige Klägerin allein kann deshalb nicht geschlossen werden, dies sei von Anfang an so beabsichtigt gewesen. Die Kammer hat daher keinen Zweifel daran, dass zum Zeitpunkt der Einladung zu der Eigentümerversammlung am 13.08.2009 und bei der Abstimmung zu TOP 16 angedacht war, die Eigentümer ... und die Klägerin gemeinsam als Streitgenossen zu verklagen. Nur in diesem Sinne kann der Beschlussantrag nach seinem objektiven Erklärungsinhalt jedenfalls verstanden werden. Die Klagepartei hat schließlich auch nicht substantiiert bestritten, dass zunächst beabsichtigt war, die Klägerin gemeinsam mit den weiteren Eigentümern ... und ... zu verklagen.

11b. Nachdem somit die Beschlussfassung zu TOP 16 die Einleitung eines Rechtsstreits sowohl gegen die Klägerin als auch gegen die Eigentümer ... und ... betraf, waren diese schon nach dem Wortlaut des § 25 V WEG insgesamt von der Abstimmung ausgeschlossen.

12Auf die Frage, ob die gemeinsam zu Verklagenden als Gesamtschuldner den Eigentümern gegenüber haften oder nicht, kann es demgegenüber nicht ankommen, weil dies, wie die §§ 59, 60 ZPO zeigen, nicht Voraussetzung für eine gemeinsame Klage gegen mehrere Streitgenossen ist. Hierzu reicht es vielmehr gemäß § 60 ZPO aus, wenn gleichartige und auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhende Ansprüche oder Verpflichtungen den Gegenstand des Rechtsstreits bilden sollen.

Ob diese Voraussetzungen tatsächlich gegeben sind, braucht im Rahmen eines Anfechtungsprozesses allerdings ebenfalls nicht endgültig geklärt zu werden. Erforderlich ist lediglich, dass nach den Angaben des den Beschluss Beantragenden eine gemeinsame Klage gegen die mehreren Wohnungseigentümer gemäß §§ 59, 60 ZPO nicht von vornherein aussichtslos erscheint. Dies ist vorliegend unter Zugrundelegung des Vortrags der beklagten Partei, die von der Klagepartei weitgehend unbestritten geblieben ist, nämlich dass die Verunreinigung der Fassade an allen drei Wänden auf den Rückschnitt des dort befindlichen Efeus durch die Inhaber der jeweils angrenzenden Sondernutzungsfläche zurückzuführen ist, der Fall. Ob die gemeinsame Klage gegen die Klägerin und die Eigentümer ... und ... tatsächlich zulässig ist und Erfolg hat, muss dann von dem hierüber zur Entscheidung berufenen Gericht beurteilt werden, da eine detaillierte Prüfung u. U. komplizierter rechtlicher und tatsächlicher Sachverhalte den Eigentümern im Rahmen der Beschlussfassung einerseits nicht zugemutet werden kann und andererseits die Entscheidung des eigentlich zuständigen Gerichts nicht durch das Beschlussverfahren vorweggenommen werden soll.

14Wenn aber gegen mehrere Wohnungseigentümer gemeinsam im Wege eines Rechtsstreits vorgegangen werden soll und dies rechtlich möglich ist, so ist es auch nicht willkürlich, die Entscheidung hierüber einheitlich in einem Beschluss zu treffen. Eine Verpflichtung, über das Vorgehen gegen die Klägerin und die Eigentümer ... und ... getrennt abzustimmen und von der Abstimmung jeweils nur den konkret davon betroffenen Eigentümer auszuschließen, wie sie das Amtsgericht angenommen hat, bestand daher nach Auffassung der Kammer nicht. Den vom Stimmrechsausschluss des § 25 V WEG betroffenen Miteigentümern entstehen dadurch auch keine unzumutbaren Nachteile, da sie durch das Prozessrecht hinreichend geschützt sind und die Klage auf Kosten der übrigen Eigentümer bzw. der WEG abgewiesen wird, sofern ein entsprechender Anspruch tatsächlich nicht besteht bzw. nicht erweislich ist.

c. Die seitens der Kammer vorgenommene Auslegung der Vorschrift des § 25 V WEG steht auch im Einklang mit einer Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts, die weitgehend Zustimmung erhalten hat (vgl. BayObstLG, Beschluss vom 09.10.1997, Az: 2 Z BR 84/97, juris; Spielbauer/Then, Rn 30 zu § 25 WEG; Bärmann, 11. Aufl., Rn 132 zu § 25 WEG). Danach ist, wenn die Wohnungseigentümer beschließen, einen Rechtsstreit gegen einen Eigentümer und einen Dritten anzustrengen, der betroffene Eigentümer auch insoweit vom Stimmrecht ausgeschlossen, als der Dritte verklagt werden soll. Es ist nicht ersichtlich, warum etwas anders gelten sollte, wenn der Rechtsstreit, wie vorliegend, nicht gegen den Eigentümer und einen außen stehenden Dritten, sondern einen weiteren bzw. mehrere weitere Eigentümer geführt werden soll.

16d. Schließlich entspricht es dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 25 V WEG, der als Sonderregelung zu § 181 BGB einen Wohnungseigentümer von der Abstimmung über Beschlüsse ausschließt, die die Vornahme eines Rechtsgeschäftes mit ihm oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreites gegen ihn betreffen, um hierdurch die Willensbildung in der Eigentümergemeinschaft von privaten Sonderinteressen freizuhalten (vgl. Spielbauer/Then, Rn 26 zu § 25 WEG; Bärmann, 11. Aufl., Rn 115 zu § 25 WEG), wenn sich der Stimmrechtsausschluss bei einer beabsichtigten Klage gegen mehrere Eigentümer als Streitgenossen auf sämtliche davon betroffenen Eigentümer erstreckt, unabhängig davon, ob sie als Gesamtschuldner haften und ob es sich um eine notwendige Streitgenossenschaft i. S. der § 62 ZPO handeln würde oder nicht. Denn auch im Fall des Vorliegens lediglich gleichartiger und auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grunde beruhender Ansprüche i. S. des § 60 ZPO wäre es in der Regel willkürlich, wenn die übrigen Wohnungseigentümer bzw. die Gemeinschaft nur gegen einen der betroffenen Eigentümer rechtliche Schritte ergreifen würde, gegen die anderen hingegen nicht. Vorangegangene rechtmäßige Entscheidung binden jedoch – anders als rechtswidrige, bestandskräftige Beschlüsse – die Wohnungseigentümer insoweit, als identische Sachverhalte in der Regel gleich und unterschiedliche ihrer Eigenart entsprechend zu behandeln sind (Staudinger, BGB, 13. Aufl., Rn 82 zu § 21 WEG). Daher würden die weiteren Eigentümer, wenn sie über die Einleitung eines Rechtsstreits gegenüber einem weiteren Eigentümer, der als Streitgenosse neben ihnen verklagt werden soll, entscheiden sollten, letztlich mittelbar auch über das Vorgehen der Wohnungseigentümer gegen sie selbst entscheiden, was die Vorschrift des § 25 V WEG aber gerade verhindern will. Darauf, ob im Ergebnis tatsächlich aufgrund eines gleichartigen Sachverhaltes eine gleiche Behandlung der betroffenen Eigentümer gerechtfertigt ist oder ob aufgrund bestehender Unterschiede eine Differenzierung im konkreten Fall möglich ist, kann es im Interesse der Rechtsklarheit und einer einfachen Handhabung des § 25 V WEG nicht ankommen.

4.

Der streitgegenständliche Beschluss zu TOP 16 der Eigentümerversammlung vom 13.08.2008 ist auch materiell rechtmäßig. Denn ein Beschluss über die Einleitung eines Rechtsstreits entspricht nur dann nicht einer ordnungsgemäßen Verwaltung i. S. des § 21 III WEG, wenn die beabsichtigte Klage nicht offensichtlich von vornherein aussichtslos ist (vgl. Spielbauer/Then, Rn 26, 27 zu § 21 WEG). Das war vorliegend jedoch nicht der Fall. Ein Anspruch der WEG bzw. der übrigen Wohnungseigentümer gegen die Klägerin und die Eigentümer ... und ... ist insbesondere schon nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil, wie die Klagepartei vorträgt, die Begrünung der Fassade seitens der Wohnungseigentümer in der Versammlung vom 30.09.1997 beschlossen wurde. Wie sich nämlich aus dem von der Klagepartei vorgelegten Protokoll der außerordentlichen Eigentümerversammlung vom 30.09.1997 ergibt, wurde in dem dortigen Beschluss die Pflanzenart gerade nicht festgelegt. Es wäre daher möglich, dass der WEG ein Schaden erst durch die Wahl, Efeu anzupflanzen entstanden ist. Ebenso könnten sich Ansprüche gegen die genannten Eigentümer aufgrund des von diesen unstreitig vorgenommenen Rückschnitts des Efeus ergeben.

III.

1.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.

2.

Die Revision war gemäß § 543 I Nr. 1, II ZPO nicht zuzulassen, da die vorliegende Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erforderlich ist. Es ging nur um die Anwendung anerkannter Rechtsgrundsätze auf einen reinen Einzelfall.

3.

Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit war nicht veranlasst, da ein Rechtsmittel gegen das Urteil nicht mehr gegeben ist. Die Revision wurde nicht zugelassen. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß §§ 62 II, 43 Nr. 4 WEG nicht gegeben.

4.

Die Streitwertfestsetzung für die Berufungsinstanz ergibt sich aus § 49 a GKG.

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