OLG München, Urteil vom 21.09.2010 - 5St RR (II) 246/10
Fundstelle
openJur 2012, 110775
  • Rkr:
Tenor

I. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 20. Oktober 2009 wird als unbegründet verworfen.

II. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Amtsgericht Lindau hat den Angeklagten wegen Parteiverrats schuldig gesprochen und eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je € 100 verhängt. Auf die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht die Höhe des Tagessatzes auf € 50 herabgesetzt und die Berufung im Übrigen verworfen.

Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Er vertritt die Rechtsauffassung, er habe den Straftatbestand des § 356 Abs. 1 StGB nichterfüllt, weil dieser einen Interessengegensatz der Parteien voraussetze. Die Parteien aber hätten gleichgerichtete Interessen verfolgt, weil sie beide eine Klageabweisung erstrebt hätten. Sie hätten jeweils die gegen sie geltend gemachten Unterhaltsansprüche abwehren wollen und sich hierzu auf ihre fehlende Leistungsfähigkeit sowie die fehlende Bedürftigkeit der Unterhaltsberechtigten berufen.

Die Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.

I.

Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

Der Bezirk Schwaben machte als Sozialhilfeträger auf ihn übergegangene Unterhaltsansprüche gegen die Brüder A. und G. M. geltend, deren Mutter in einem Pflegeheim untergebracht war. Der Angeklagte ist seit über 30 Jahren als Rechtsanwalt tätig und bearbeitete vielfach auch familienrechtliche Mandate. Er übernahm am 3. November 2004 die Vertretung der Interessen des G. M. und am 26. November 2004 die Vertretung der Interessen des A. M., jeweils zur Abwehr der Unterhaltsansprüche. Zunächst wurde er in dieser Sache für seine beiden Mandanten außergerichtlich tätig. Nach dem Austausch vorgerichtlicher Korrespondenz machte der Bezirk Schwaben mit Klageschrift, jeweils vom 29. Januar 2007, vor dem Amtsgericht Lindau für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2006 rückständigen Unterhalt, gegen A. M. in Höhe von € 1952,94 und gegen G. M. in Höhe von € 1787,56, geltend. Mit Schriftsatz vom 20. Februar 2007 zeigte der Angeklagte gegenüber dem Amtsgericht Lindau die anwaltliche Vertretung des A. M. im Verfahren 1 F 38/07 an und beantragte Klageabweisung. Mit Schriftsatz und Verteidigungsanzeige vom 21. Februar 2007 beantragte der Angeklagte, die bei dem Amtsgericht Lindau gegen G. M. erhobene Klage im Verfahren 1 F 37/07 abzuweisen. Die Klageabweisungsanträge begründete er mit jeweils unterschiedlichen Schriftsätzen, wobei er im Wesentlichen inhaltsgleich argumentierte. Er führte aus, der jeweilige Beklagte sei nicht leistungsfähig und die Mutter verfüge über Vermögen. Diese Ausführungen unterlegte er mit dem entsprechenden Sachvortrag nebst Beweisangeboten. Im Verfahren 1 F 38/07 trug er zusätzlich vor, die Mutter könne in einem anderen Heim mit einem günstigeren Pflegesatz untergebracht werden, so dass dann deren Rente nebst Pflegesatz zur Kostendeckung genügen würde. Der Sachvortrag wurde von der Klägerin überwiegend bestritten.

Dem Angeklagten war, spätestens mit Abfassung der Klageerwiderungen, bewusst geworden, dass im Fall der Leistungsunfähigkeit oder einer nicht zur Bezahlung des gesamten geforderten Unterhalts ausreichenden Leistungsfähigkeit eines Mandanten, der andere – bis an die Grenzen der eigenen Leistungsfähigkeit – mehr als den Anteil nach Köpfen der Unterhaltsschuldner bezahlen muss und sich der für einen Mandanten günstig auswirkende Sachvortrag für den anderen ungünstige Folgen haben kann. Der Angeklagte vertrat beide Mandanten bis zur Niederlegung der Mandate am 6. Oktober 2008.

Das Landgericht hat den objektiven und subjektiven Tatbestand des Parteiverrats bejaht.

II.

Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revision hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Verfahrensrügen:

a) Soweit der Angeklagte im Schriftsatz vom 22. Dezember 2008 die unterlassene Einvernahme der Zeugen G. und A. M. rügt, ist die Aufklärungsrüge unzulässig.

Nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ist eine Verfahrensrüge nur dann in zulässiger Weise erhoben, wenn "die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben" sind. Diese Angaben haben mit Bestimmtheit und so genau und vollständig zu geschehen, dass das Revisionsgericht allein auf Grund der Rechtfertigungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen zutreffen. Eine Aufklärungsrüge ist nur dann begründet, wenn der Tatrichter es unterlassen hat, eine bestimmte Beweistatsache unter Benutzung eines bestimmten Beweismittels aufzuklären, obwohl sich ihm die unterbliebene Beweiserhebung aufdrängen musste. Für eine zulässige Aufklärungsrüge ist die Darlegung derjenigen Umstände und Vorgänge erforderlich, die für die Beurteilung der Frage, ob sich dem Gericht die vermisste Beweiserhebung aufdrängen musste, bedeutsam sein könnten (Kuckein in KK 6. Aufl. § 344 Rdn. 51, 52 m.w.N.). Entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO legt die Revision solche Umstände nicht dar.

b) Das Landgericht hat den Antrag der Verteidigung auf Einvernahme des A. M. als Zeugen zum Beweis dafür, dass zum Zeitpunkt der Übernahme der Mandate durch den Angeklagten und dessen anwaltlicher Tätigkeit keine widerstreitenden, sondern gleichgerichtete Interessen der Brüder G. und A. M. vorlagen, mit der Begründung abgelehnt, es handele sich nicht um einen Beweisantrag im Sinne des § 244 Abs. 3 StPO, denn der Antrag enthalte nur das gewünschte Ergebnis, nicht aber die Behauptung bestimmter Tatsachen. Dies ist frei von Rechtsfehlern.

aa) Der Antrag ist kein Beweisantrag, sondern ein nach § 244 Abs. 2 StPO zu behandelnder Antrag auf weitere Beweiserhebung. Hat der Tatrichter über einen Antrag, bei dem es sich nicht um einen Beweisantrag handelt, nach Beweisantragsgrundsätzen entschieden, begründet dies die Revision nur, wenn zugleich die Aufklärungspflicht verletzt ist (vgl. BGH StV 1996, 581 m.w.N.).

Ein Beweisantrag muss bestimmte Beweistatsachen bezeichnen (BGHSt 39, 251, 253). Gegenstand des Zeugenbeweises kann nur das sein, was der Zeuge wahrgenommen hat. Rechtliche Schlussfolgerungen können daher nicht Gegenstand der Beweisbehauptung sein. Die Schlüsse aus den Wahrnehmungen des Zeugen hat das Gericht zu ziehen. Der vom Beschwerdeführer gestellte Antrag beschränkt sich auf die Mitteilung des Beweisgewinns, den er sich von dem begehrten Zeugenbeweis erhofft. Dies ist sein Beweisziel, zu dem der Tatrichter aufgrund von Schlüssen aus der Beweistatsache möglicherweise gelangen kann (vgl. BGHSt 39, 251, 253 f.). Die hierfür erforderlichen Beweistatsachen sind im Antrag nicht benannt worden.

bb) Auf der Grundlage des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO verlangt die Rechtsprechung für die Aufklärungsrüge im Rahmen der notwendigen Angabe eines bestimmten zu erwartenden Beweisergebnisses letztlich nicht anderes, als für die Begründung eines formgerechten Beweisantrages, nämlich die Aufstellung einer bestimmten Beweisbehauptung (BGHSt 39, 253 f.; vgl. BGHSt 2, 168). Die bloße Angabe eines Beweiszieles reicht nicht aus. Die fehlende Darlegung der Beweistatsachen führt zur Unzulässigkeit der Rüge unter dem Gesichtspunkt, das Gericht habe die Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO verletzt. Weshalb sich das Gericht zur Aufklärung, das heißt zur Vernehmung des Zeugen A. M., hätte gedrängt sehen müssen, kann nur aufgrund der Kenntnis dieser Tatsachen beurteilt werden. Entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO legt die Revision solche Umstände nicht dar.

c) Der Angeklagte hat die Einvernahme des A. M. als Zeugen zum Beweis dafür beantragt, dass zum Zeitpunkt der Übernahme der Mandate keine widerstreitenden Interessen vorlagen, nachdem die Unterhaltsberechtigte nicht unterhaltsbedürftig war und über ausreichendes Vermögen verfügte, das jedoch von den Schwestern des Angeklagten widerrechtlich verbraucht worden sei. Hierzu hat er einzelne Vermögensbestandteile benannt.

Das Landgericht hat den Antrag zurückgewiesen und die behaupteten Tatsachen als wahr unterstellt.

Die auf die Verletzung des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO gestützte Rüge hat keinen Erfolg. Zwar kommt eine Wahrunterstellung nicht in Betracht, wenn die Sachaufklärung vorrangig ist (BGH NStZ 2007, 282). Dies ist der Fall, wenn die Beweisbehauptung wegen ungeklärter Umstände für eine Sachbehandlung durch Wahrunterstellung ungeeignet ist (BGH NStZ 2007, 282). So liegt der Fall hier aber nicht, denn zum einen lässt der Antrag infolge fehlender Zeitangaben erneut die Angabe der erforderlichen Beweistatsachen vermissen. Zum anderen begründet der Verlust des Vermögens die Bedürftigkeit.

d) Soweit die Revision rügt, das Landgericht habe die in der Hauptverhandlung anwesenden Zeugen A. und M. M. nicht vernommen, obwohl deren Vernehmung sofort nach der Ladung zur Berufungshauptverhandlung und vor dem Termin zum Beweis dafür beantragt worden sei, dass die Zeugen bei Erteilung des Mandats mitgeteilt hätten, dass die Kosten für die Heimunterbringung von dem Sparbuch der Mutter zu bezahlen sind, das ihre Schwester an sich genommen habe, hat auch diese Rüge keinen Erfolg.

aa) § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO verlangt, dass "die den Mangel enthaltenden Tatsachen" so genau und vollständig angegeben werden, dass das Revisionsgericht allein auf Grund der Rechtfertigungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt. Ein Beweisantrag, der in einem vorbereitenden Schriftsatz enthalten ist, ist nach § 219 StPO durch den Vorsitzenden zu behandeln. Unterbleibt eine ablehnende Verfügung des Vorsitzenden und wird der Antrag nicht in der Hauptverhandlung wiederholt, so muss über ihn nicht in jedem Fall vom Gericht in der Hauptverhandlung entschieden werden. Steht dem Angeklagten ein Verteidiger zur Seite, wird in der Nichtwiederholung des schriftlich gestellten Beweisantrags regelmäßig ein Verzicht zu erblicken sein. Die Rüge, über diesen Beweisantrag sei nicht entschieden worden, erfordert daher u.a. auch die Mitteilung, ob der Vorsitzende vor der Hauptverhandlung über ihn eine Entscheidung getroffen hat und inwieweit der Antrag in der Hauptverhandlung erneut gestellt worden ist (BayObLGSt 64, 23, 24). Daran fehlt es hier.

bb) Die Rüge ist – ihre Zulässigkeit unterstellt – aber auch unbegründet. Die Revision trägt vor, der Angeklagte habe dem Landgericht im Hauptverhandlungstermin ausdrücklich mitgeteilt, die Zeugen A. und M. M. seien anwesend und er habe beantragt, diese auch zu vernehmen.

Die Anwesenheit der Zeugin M. M. belegt das Protokoll allerdings nicht. Auch die Wiederholung des Antrags ist im Protokoll nicht wiedergegeben. Das Protokoll weist aber die Stellung anderer Beweisanträge durch die Verteidigung aus, die den Zeugen A. M. betreffen und enthält eingangs auch die Feststellung: „Vorsorglich wies der Angeklagte darauf hin, dass sich Herr A. M. im Sitzungssaal befindet und dieser als evtl. Zeuge in Betracht kommen könnte.“ Dies legt einen Verzicht mehr als nahe.

e) Soweit die Revision die unterlassene Einvernahme präsent gestellter Zeugen rügt, ist die Rüge – soweit sie auch die Behauptung einer Verletzung der § 245 Abs. 2, § 323 Abs. 1 S. 1, § 220 Abs. 1 StPO beinhalten sollte – unzulässig.

2. Sachrüge:

Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Schuldspruch hält der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

a) Das festgestellte Handeln des Angeklagten verwirklicht alle äußeren Tatbestandsmerkmale des § 356 Abs. 1 StGB. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt, wenn ein Rechtsanwalt bei den ihm in dieser Eigenschaft anvertrauten Angelegenheiten in derselben Rechtssache beiden Parteien durch Rat oder Beistand pflichtwidrig dient.

aa) Der Angeklagte ist in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt sowohl von G. M. als auch von A. M. mit der Vertretung ihrer Interessen im Rahmen der vorgerichtlichen Korrespondenz mit dem Sozialhilfeträger als auch in den gegen G. und A. M. erhobenen Klagen vor dem Amtsgericht Lindau beauftragt worden. Damit haben beide Brüder ihre Angelegenheiten dem Angeklagten anvertraut.

bb) Die anvertrauten Angelegenheiten betrafen auch dieselbe Rechtssache.

Rechtssache kann jede rechtliche Angelegenheit sein, die zwischen mehreren Beteiligten mit jedenfalls möglicherweise entgegenstehenden rechtlichen Interessen nach Rechtsgrundsätzen behandelt und erledigt werden soll (BGHSt 5, 301, 304; 18, 192; Fischer, StGB 57. Aufl. § 356 Rdn. 5 m.w.N.). Diese Personen sind dann Parteien im Sinne des § 356 StGB.

30Der Angeklagte hat beiden Parteien in derselben Rechtssache gedient.

"Dieselbe Rechtssache" ist nicht nur gegeben, wenn es sich um dasselbe Verfahren und dieselben Parteien handelt; maßgebend ist vielmehr die Identität des Sachverhalts, mag dieser auch in Verfahren verschiedener Art und verschiedener Zielrichtung von Bedeutung sein (BGHSt 5, 301, 304; 9, 341, 345; 18, 392; 34, 190, 191). Sachverhalt beider Auftragsverhältnisse war die Geltendmachung der auf den Sozialhilfeträger übergegangenen Unterhaltsansprüche gegen die anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen haftenden Brüder infolge der Unterbringung der Mutter im Pflegeheim und der Kostenübernahme durch den Sozialhilfeträger.

cc) Ein Rechtsanwalt dient dann pflichtwidrig, wenn er einer Partei Rat und Beistand leistet, nachdem er einer anderen Partei in derselben Sache bereits Rat und Beistand geleistet hat. Maßgebend für die Pflichtwidrigkeit i.S. von § 356 StGB ist die Identität des Verfahrensstoffs und die Gegensätzlichkeit der sich auf diesen Verfahrensstoff stützenden Interessen zu dem Zeitpunkt, da der Rechtsanwalt von der weiteren Partei beauftragt wird; darauf, ob eine solche Entwicklung vorauszusehen war, solange das frühere Auftragsverhältnis bestand, kommt es nicht an (vgl. BGHSt 5, 284, 286; 7, 17, 20; 12, 96, 98; 15, 332, 334; 34, 190, 192).

33Der Angeklagte hat pflichtwidrig gehandelt, denn die Interessen seiner Mandanten waren entgegengesetzt.

Ob ein Interessengegensatz vorliegt, ergibt sich aus dem Auftrag, den der Rechtsanwalt erhalten hat; denn der Auftrag bestimmt den Umfang der Belange, mit deren Wahrnehmung der Auftraggeber ihn betraut (BGHSt 7, 17, 20; 15, 332, 334). Das Bestehen eines Interessengegensatzes schließt es nicht aus, dass die Parteien darüber hinaus auch gleichgerichtete Interessen verfolgen.

Das erwünschte Ziel des Auftrags, die vollständige Abwehr der Unterhaltsansprüche, war dabei zwar jeweils am besten dadurch zu erreichen, dass die fehlende Bedürftigkeit der Unterhaltsberechtigten, zumindest aber die vollständige Leistungsunfähigkeit beider Brüder geltend gemacht und bewiesen wurde. Doch ändert diese Übereinstimmung des bestgeeigneten rechtlichen Vorgehens nichts an der Gegenläufigkeit der Interessen.

Der dem Rechtsanwalt vom Mandanten erteilte Auftrag geht dahin, den ihm anvertrauten Verfahrensstoff so auszuwerten, wie es dem Mandanten bei der Geltendmachung seiner Interessen oder der Abwehr fremder Ansprüche dienlich ist (BGHSt 18, 193). Im Rahmen der einzelnen Mandate diente es den Interessen des jeweiligen Mandanten am besten, sich auf fehlende Bedürftigkeit der Unterhaltsberechtigten und vollständige Leistungsunfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten zu berufen, zumindest aber eine möglichst geringe Leistungsfähigkeit zu behaupten und nachzuweisen. Ein Ausfall oder aber eine verminderte Leistungsfähigkeit eines Schuldners aber führt nach der gesetzlichen Regelung des § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB zwingend zu einer Erhöhung des Haftungsanteils der verbleibenden Schuldner, die durch deren eigene Leistungsfähigkeit begrenzt wird. Ob und inwieweit andere Geschwister leistungsfähig waren, ist daher – entgegen der Rechtsauffassung der Generalstaatsanwaltschaft – nicht von Bedeutung.

37Die Überlegung der Revision, es habe keine Gegenläufigkeit der Interessen vorgelegen, weil beide eine Klageabweisung gewünscht hätten, greift zu kurz, denn sie lässt offen, wie im Fall einer nur teilweisen Klageabweisung zu verfahren ist. Der Umfang des Prozesserfolgs jedenfalls lässt sich erst zum Zeitpunkt des Urteilserlasses erkennen.

Dem Urteil sind auch keine Anhaltspunkte für eine Vereinbarung zu entnehmen, durch die die Gegensätzlichkeit der Interessen der beiden Brüder hätte beseitigt werden können. Ohnehin hätte dies eine zutreffende und umfassende Aufklärung der Brüder über die Rechtsfolgen des § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB und damit auch die Darlegung eines möglichen Interessengegensatzes sowie eine rechtliche Konstruktion zur Beseitigung desselben erfordert. In der Übernahme der Mandate in kurzem zeitlichem Abstand oder in dem Wunsch nach einer vollständigen Klageabweisung allein kann eine solche Vereinbarung jedenfalls nicht gesehen werden. Der Wunsch nach einer vollständigen Klageabweisung gibt nur das bestmögliche Prozessziel an, ist aber von der vorgerichtlichen Vertretung und der Prozessführung, die Gegenstand der Vollmachtserteilung sind, zu trennen.

dd) Den Eintritt eines Schadens verlangt § 356 StGB – entgegen der Rechtsauffassung der Generalstaatsanwaltschaft – nicht. § 356 StGB ist abstraktes Gefährdungsdelikt (Fischer aaO Rdn. 2 m.w.N.). Sinn und Schutzzweck der Strafbestimmung ist es, die dem Rechtsanwalt anvertrauten rechtlich geschützten Interessen der Mandanten und das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität der Anwaltschaft als wichtigem Teil der Rechtspflege zu bewahren (Fischer aaO Rdn. 2 m.w.N.; Cramer in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 356 Rdn. 1).

b) Zur inneren Tatseite lassen die Urteilsgründe ebenfalls keine Rechtsfehler erkennen.

aa) Was das Merkmal "in derselben Rechtssache" anbelangt, muss sich der Täter der Identität des materiellen Rechtsverhältnisses bewusst sein; er muss in dem neuen Auftrag den alten Streitstoff wiedererkennen (BGHSt 7, 261, 263). Dass der Angeklagte Kenntnis von der Identität des Streitstoffs gehabt hat, ergeben die Urteilsausführungen und dies liegt im vorliegenden Fall bei nahezu gleichzeitiger Übernahme der Mandate und nahezu gleichzeitiger Abfassung der Klageerwiderungen und deren Inhalt auch auf der Hand. Ein den Vorsatz ausschließender Irrtum hinsichtlich dieses Tatbestandsmerkmals scheidet somit nach den Feststellungen des Landgerichts aus.

bb) Das Urteil lässt auch deutlich erkennen, dass der Angeklagte das Bewusstsein hatte, Interessen zu vertreten, die denen seiner beiden Auftraggeber entgegengesetzt waren. Hierzu stellt das Landgericht fest, dass dem Angeklagten spätestens bei Abfassung der Klageerwiderungen bewusst geworden ist, dass der im Fall der Leistungsunfähigkeit oder nur teilweisen Leistungsfähigkeit eines Mandanten eintretende Haftungsausfall durch den anderen bis zur Grenze dessen eigener Leistungsfähigkeit übernommen werden muss, sich also ein für den einen Mandanten günstig auswirkender Sachvortrag für den anderen Mandanten ungünstige Folgen haben kann. Schließlich hat – so das Landgericht in seiner Beweiswürdigung – der Angeklagte in beiden Klageerwiderungen jeweils verschiedene, die Leistungsfähigkeit seiner Mandanten mindernde Umstände, vorgetragen. Zutreffend hat das Landgericht daher den Vorsatz bejaht und einen Tatbestandsirrtum über den Widerstreit der beiderseitigen Belange verneint.

c) Darauf, ob der Angeklagte einem unvermeidbaren oder vermeidbaren Verbotsirrtum erlegen ist, ist die Strafkammer im Rahmen der Feststellungen nicht ausdrücklich eingegangen. Ein solcher Irrtum liegt angesichts der langjährigen Berufserfahrung des Angeklagten in Familiensachen auch fern; er findet auch in der im Urteil wiedergegebenen Einlassung des Angeklagten keine Anknüpfungspunkte und wird von der Revision nicht vorgetragen. Deren Angriff richtet sich lediglich gegen die Annahme des Tatbestandsmerkmals des Interessengegensatzes. Über das Bestehen eines Interessengegensatzes aber irrte der Angeklagte nach den Feststellungen nicht. Die Verteidigung zielt mit der von ihr dargestellten Fehlvorstellung des Angeklagten nicht auf einen Verbotsirrtum im Sinne des § 17 StGB, sondern auf einen Tatbestandsirrtum ab.

Ein Verbotsirrtum kommt nur in Betracht, wenn dem Täter die Einsicht fehlt, Unrecht zu tun. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs braucht der Täter die Strafbarkeit seines Vorgehens nicht zu kennen; es genügt, dass er wusste oder hätte erkennen können, Unrecht zu tun (BGHSt 15, 377, 383). Der Unrechtsgehalt wird hier aber bereits durch den Verstoß gegen die gesetzlich normierte Pflicht des § 43 a BRAO, keine widerstreitenden Interessen zu vertreten, vermittelt. Hiergegen verstieß der Angeklagte. Die Annahme, er habe diese berufsrechtliche Vorschrift ihrem Inhalt nach nicht gekannt, ist auszuschließen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.