LAG München, Urteil vom 22.09.2010 - 11 Sa 520/09
Fundstelle
openJur 2012, 110763
  • Rkr:
Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 02.04.2009 - 32 Ca 5328/09 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, die rechtskräftig festgestellte Rechtsunwirksamkeit zweier von ihr erklärter Abmahnungen und zweier Kündigungserklärungen an alle ihre Mitarbeiter sowie weltweit an alle Mitarbeiter der Konzernfirmen (insg. ca. 9.000) schriftlich mitzuteilen, außerdem auch, dass die Beklagte die Behauptung nicht aufrecht erhalte, der Kläger habe seine arbeitsvertraglichen Pflichten in der Vergangenheit verletzt.

Der Kläger war seit dem 15.03.2003 bei der Beklagten in der Funktion eines Prüfungsleiters der „Internen Revision“ zu einem Monatsgehalt in Höhe von 0,- € brutto beschäftigt.

Unter dem Datum 10.10.2003 erteilte die Beklagte dem Kläger zwei Abmahnungen. Die eine Abmahnung beanstandete die Weigerung des Klägers, trotz ausdrücklicher Weisung seines Vorgesetzten, Daten eines Konzernunternehmens auf dem von der Beklagten zur Verfügung gestellten Rechner zu speichern. Die zweite Abmahnung betraf das Kommunikationsverhalten des Klägers.

Die Abmahnungen haben folgenden Wortlaut:

„Sehr geehrter Herr G.,

Ihr nachfolgend dargestelltes Verhalten gibt uns Veranlassung, Sie auf die ordnungsgemäße Erfüllung Ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtungen mit Nachdruck hinzuweisen:

In der KW 39 waren Sie mit Ihrem Vorgesetzten H. bei TD. Ihr Vorgesetzter nahm sich der Aktivitäten für Sarbanes-Oxley selbst an, um eine reibungslose Zusammenarbeit mit unserem Partner De. & To. zu gewährleisten. Am 23.09.2003 wurden Sie von Ihrem Vorgesetzten aufgefordert, die vertraulichen Dokumente von TD. in Empfang zu nehmen, die in Form von Hard-Copies und teilweise in File-Format, De. & To. bereitgestellt werden sollten.

Als Teamleader waren Sie für die Bereitstellung verantwortlich und somit auch für einen störungsfreien Ablauf. Sie haben sich jedoch geweigert, diese Dokumente entgegenzunehmen mit der Begründung, dass kein Encryption-Software auf Ihrem Laptop sei und Sie die Verantwortung für D&P-Kollegen nicht übernehmen werden.

Daraufhin wurden Sie informiert, dass zwischen TD. und De. & To. ein Vertrag existiert, welcher eine sogenannte „non-disclosure“-Klausel enthält, die speziell solche Fälle regelt. Darüber hinaus wurde Ihnen erklärt, dass dieser Vertrag mit Hinweis auf „professional standards for external accountants“ abgeschlossen wurde. Trotz dieser Ausführungen haben Sie sich weiterhin geweigert, den Anweisungen Ihres Vorgesetzten Folge zu leisten und die Dokumente entgegenzunehmen und sind damit auch Ihrer Verantwortung als Teamleader nicht gerecht geworden.

Durch Ihr Verhalten haben Sie sich nicht nur den Anweisungen Ihres Vorgesetzten widersetzt, sondern auch die Durchführung des Auftrages verzögert und damit die ineffiziente Ausführung verursacht.

Ein solches Fehlverhalten können wir nicht unbeanstandet hinnehmen und mahnen Sie daher ausdrücklich ab.

In Ihrem eigenen Interesse fordern wir Sie auf, den Anweisungen Ihres Vorgesetzten künftig Folge zu leisten, damit ein störungsfreier Ablauf gewährleistet bleibt. Andernfalls müssen Sie mit der Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses rechnen.

…“

und

„Sehr geehrter Herr G.,

Ihr Kommunikationsverhalten gibt uns leider Anlass zu Beanstandungen. Bereits in der jüngsten Vergangenheit haben Sie Kollegen in einer unangemessenen Art und Weise per Mail angegangen. Daraufhin fanden Gespräche sowohl mit betroffenen Kollegen als auch mit Ihrem Vorgesetzten statt. Sie wurden nicht nur über die Grundsätze im Umgang mit Kollegen/Vorgesetzten informiert, sondern auch ausdrücklich aufgefordert, dieses Verhalten abzustellen und dem betroffenen Kollegen eine schriftliche Entschuldigung zukommen zu lassen.

Dennoch müssen wir feststellen, dass Sie, trotz der stattgefundenen Gespräche, diese abfällige und unkollegiale Kommunikationsart weiter fortsetzen. Am 30.07.2003 wurde Ihr Vorgesetzter H. durch Kollegen aus dem Headquarters USA informiert, dass Sie gegenüber unserem Partner, De. & To., sowie - zum wiederholten Male - gegenüber Kollegen aus dem I. A. abfällige Bemerkungen geäußert haben.

Durch Ihr unprofessionelles und unkollegiales Verhalten haben Sie nicht nur dem Ansehen der Abteilung I. A. geschadet, sondern auch die Zusammenarbeit intern wie extern empfindlich gestört. Wir können dieses Verhalten nicht länger dulden und mahnen Sie hiermit ab.

Wir fordern Sie dringend auf, dieses Verhalten sofort einzustellen. Ferner fordern wir Sie auf, die schriftliche Entschuldigung dem betroffenen Kollegen unverzüglich zukommen zu lassen. Sollten Sie dem nicht nachkommen und Grund zu weiteren Beanstandungen geben, müssen Sie mit der Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses rechnen.

…“

Der Prokurist der Beklagten setzte die Mitglieder der Abteilung „Interne Revision“, Herrn A., Frau B. und Herrn O., am 03.11.2003 von beiden Abmahnungen in Kenntnis.

Nach Darstellung des Klägers wurden auch zahlreiche weitere Mitarbeiter der Konzernmutter und ihrer Tochtergesellschaften über seine Abmahnungen informiert.

Mit Schlussurteil vom 09.08.2005 verurteilte das Arbeitsgericht München (8 Ca 402/04) die Beklagte u. a. dazu, beide Abmahnungen aus der Personalakte zu entfernen und zu vernichten.

Am 22.12.2003 erklärte die Beklagte gegenüber dem Kläger eine außerordentliche, hilfsweise fristgerechte Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen. Diese Kündigung hat u. a. folgenden Wortlaut:

„Sehr geehrter Herr G.,

hiermit kündigen wir Ihr Arbeitsverhältnis außerordentlich und fristlos mit sofortiger Wirkung.

Hilfsweise kündigen wir Ihr Arbeitsverhältnis ordentlich - unter Berücksichtigung der Kündigungsfrist von drei Monaten zum Quartalsende - zum 31. März 2004. In diesem Falle sind Sie mit sofortiger Wirkung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unter Anrechnung Ihres bestehenden Urlaubsanspruchs und unter Fortzahlung der Vergütung von Ihrer Arbeitsleistung freigestellt.

…“

Am 10.08.2005 erklärte die Beklagte erneut vorsorglich eine außerordentlich betriebsbedingte Kündigung, hilfsweise eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung. Diese Kündigung hat u. a. folgenden Wortlaut:

„Sehr geehrter Herr G.,

obwohl das Arbeitsgericht München in dem Urteil vom 09.08.2005 Ihrer Kündigungsschutzklage stattgegeben hat, halten wir nach wie vor an der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 22.12.2003 bzw. der hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung vom 22.12.2003 fest.

Vor diesem Hintergrund erklären wir die nachfolgende Kündigung lediglich höchst vorsorglich und hilfsweise für den Fall, dass die beiden vorgenannten Kündigungen vom 22.12.2003 tatsächlich unwirksam gewesen sein sollten.

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Erklärungen kündigen wir hiermit ein mit Ihnen eventuell bestehendes Arbeitsverhältnis höchst vorsorglich außerordentlich betriebsbedingt mit sofortiger Wirkung, hilfsweise ordentlich betriebsbedingt, zum Ablauf des 31.12.2005.

Ferner stellen wir Sie mit sofortiger Wirkung unwiderruflich von Ihrer Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei unter Anrechnung von eventuell bestehenden Teil- und/oder Resturlaubsansprüchen. Diese Freistellung ändert nichts daran, dass die oben erklärte außerordentliche betriebsbedingte Kündigung wirken soll.

…“

Nach Darstellung des Klägers hatte der Leiter der Abteilung „Interne Revision“ auch hiervon Mitarbeiter der Beklagten sowie der Mutter- und Tochtergesellschaften informiert.

Mit Schlussurteil vom 09.08.2005 (8 Ca 402/04) und Endurteil vom 30.05.2007 (20 Ca 13029/05) stellte das Arbeitsgericht die jeweilige Rechtsunwirksamkeit der erklärten Kündigungen fest.

Sämtliche vorgenannten Gerichtsentscheide sind zwischenzeitlich nach zum Teil durchgeführten Berufungs- und Revisionsverfahren zugunsten des Klägers, bezogen auf die vorgenannten Abmahnungen und Kündigungen, rechtskräftig entschieden, insoweit gestellte Auflösungsanträge wurden letztlich ebenso rechtskräftig zurückgewiesen.

Zu weiteren nachfolgend erklärten Kündigungen sind noch Verfahren, neben anderen Rechtsstreitigkeiten zwischen den Parteien, anhängig.

Der Kläger hat vorgetragen, die Anspruchsgrundlage für die streitbefangenen Anträge ergäbe sich aus den Entscheidungsgründen des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 15.04.1999, 7 AZR 716/97. Die Beklagte habe die erteilten Abmahnungen und Kündigungen sowie deren Begründungen innerhalb des Konzerns der Beklagten kommuniziert und verbreitet. Dies sei schon deshalb eine Rechtsverletzung durch die Beklagte, da die Unterrichtung durch den Abteilungsleiter nicht unter dem Siegel der Verschwiegenheit oder der Vertraulichkeit erfolgt sei. Außerdem habe der Vorgesetzte des Klägers bei Bekanntgabe der Abmahnung an die anwesenden Mitarbeiter erklärt: „Wer nicht mitzieht, fliegt!“

Nach festgestellter Rechtsunwirksamkeit der erteilten Abmahnungen und erklärten Kündigungen habe die Beklagte bis heute keinen Anlass für einen Widerruf gesehen. Die Beeinträchtigungen der Rechte des Klägers dauerten daher an. Dadurch sei er in seinem Ansehen weiterhin beeinträchtigt.

Die begehrten Unterrichtungen seien schließlich auch notwendig und hinreichend um die Beeinträchtigung der Persönlichkeitsrechte des Klägers zu beseitigen. Er selbst könne dies aus technischen Gründen nicht leisten, da die Beklagte auf der Ebene ihres Intranets mittels Filter Mitteilungen über seine private E-Mail-Adresse verhindere.

Die geltend gemachten Ansprüche seien weder aufgrund einer unwirksamen arbeitsvertraglichen Ausschlussklausel noch nach allgemeinen Grundsätzen verwirkt und auch nicht verjährt.

Der Kläger hat zuletzt erstinstanzlich beantragt:

Es wird beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihre Mitarbeiter sowie diejenigen der Te. Da. C. und ihrer Tochtergesellschaften sowohl in deutscher als auch in englischer Sprache schriftlich davon in Kenntnis zu setzen, dass

1. sie vom Arbeitsgericht München rechtskräftig dazu verurteilt worden ist, die Abmahnung gegenüber dem Kläger vom 10.10.2003 hinsichtlich einer vermeintlichen Arbeitsverweigerung aus seiner Personalakte zu entfernen und zu vernichten,

2. sie vom Arbeitsgericht München rechtskräftig dazu verurteil worden ist, die Abmahnung gegenüber dem Kläger vom 10.10.2003 hinsichtlich seines Kommunikationsverhaltens aus seiner Personalakte zu entfernen und zu vernichten,

3. das Arbeitsgericht München rechtskräftig die Unwirksamkeit der jeweils verhaltensbedingten außerordentlichen und fristlosen sowie ordentlichen und fristgerechten Kündigungen gegenüber dem Kläger vom 22.12.2003 festgestellt hat,

4. das Arbeitsgericht München rechtskräftig die Unwirksamkeit der jeweils betriebsbedingten außerordentlichen und fristlosen sowie ordentlichen und fristgerechten Kündigungen gegenüber dem Kläger vom 10.08.2005 festgestellt hat und dass

5. sie die Behauptung nicht aufrechterhält, der Kläger habe seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt.

Die Beklagte hat demgegenüber beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die vom Kläger gestellten Anträge mangels Bestimmtheit als unzulässig erachtet; sie besäßen keinen vollstreckungsfähigen Inhalt. Der Kläger beziehe sich auf eine nicht näher bezeichnete Vielzahl von Personen, die namentlich nicht bezeichnet seien.

Für die verfolgten Anträge bestehe keine Anspruchsgrundlage, die von ihm zitierte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts sei nicht einschlägig.

Die vom Kläger beanstandete Information des seinerzeitigen Direktors gegenüber den Abteilungsmitgliedern habe keine Rechtsverletzung dargestellt, da die gegebene Information objektiv zutreffend gewesen sei, nämlich dahingehend, dass er zwei Abmahnungen hinsichtlich seines Verhaltens erhalten habe. Aufgrund des zwischenzeitlich langen Zeitablaufs bestehe auch keine andauernde Rechtsbeeinträchtigung des Klägers mehr.

Eine technische Filterblockade seiner privaten E-Mail-Adresse bestehe nicht.

Schließlich seien auch die geltend gemachten Ansprüche bereits durch das Eingreifen der vertraglichen Ausschlussfrist und nach allgemeinen Grundsätzen verwirkt. Der geltend gemachte Anspruch im Hinblick auf die Abmahnungen vom 10.10.2003 sei verjährt.

Das Arbeitsgericht München hat mit Urteil vom 02.04.2009, auf das wegen der tatbestandlichen Feststellungen und seiner Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen darauf gestützt, dass neben bestehenden Bedenken hinsichtlich der Bestimmtheit der Antragstellung die Klage jedenfalls unbegründet sei, da eine Rechtsgrundlage für die begehrte Verpflichtung der Beklagten nicht ersichtlich sei.

Gegen dieses dem Kläger am 09.06.2009 zugestellte Endurteil ließ dieser mit Schriftsatz seiner anwaltschaftlichen Prozessvertretung vom 30.06.2009, eingegangen beim Landesarbeitsgericht München am 01.07.2009, Berufung einlegen, die am 09.09.2009 nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 10.09.2009 begründet wurde.

Der Kläger trägt vor, dass ihm ein Beseitigungs-/Widerrufsanspruch hinsichtlich der mit den erteilten Abmahnungen verbundenen Behauptungen arbeitsvertraglicher Pflichtverstöße zukomme.

So begründeten ehrkränkende Kundgebungen für den Verletzten einen quasinegatorischen Beseitigungsanspruch in Form eines Widerrufsanspruchs.

Auch nach Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte könne nach der Rechtsprechung auf Widerruf der in ihr enthaltenen Erklärungen geklagt werden.

Der Kläger bekämpft das erstinstanzliche Urteil hauptsächlich damit, dass das Erstgericht sowohl die höchstrichterliche Rechtsprechung als auch die entsprechenden Literaturmeinungen nicht erkannt und unberücksichtigt gelassen habe. Bei Beeinträchtigungen seiner Persönlichkeitsrechte käme es nicht darauf an, ob diese die Mitarbeiter der Beklagten und der Konzernunternehmen möglicherweise nicht interessierten.

Um möglichen Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Klage zu begegnen, werde im Wege einer Klageerweiterung in Form einer Stufenklage die namentliche Benennung der zu informierenden Mitarbeiter der Beklagten und der Konzernunternehmen begehrt.

Entgegen der Auffassung des Erstgerichts seien sämtliche Voraussetzungen für einen quasinegatorischen Beseitigungs- bzw. Widerrufsanspruch gegeben.

Die Beklagte habe unstreitig zumindest die Abteilungsmitglieder davon in Kenntnis gesetzt, dass der Kläger zwei Abmahnungen hinsichtlich seines Verhaltens und später auch zwei Kündigungen erhalten habe. Darüber seien auch zahlreiche Mitarbeiter außerhalb der Abteilung „Interne Revision“ über die Abmahnungen und Kündigungen informiert worden. Die Beklagte habe insoweit kein berechtigtes Interesse für eine derartige Information vorgetragen. Durch die Behauptung, der Kläger habe eine Arbeitsverweigerung begangen, werde der Arbeitnehmer bei Verbreitung einer darauf gestützten Abmahnung in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Gleiches gelte für die Verbreitung einer Abmahnung, mit der - unzutreffend - das Kommunikationsverhalten des Arbeitnehmers gerügt wurde. Entsprechendes gelte für die Verbreitung einer außerordentlichen und fristlosen Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen, die in Wirklichkeit nicht vorgelegen hätten. Gleiches gelte für die betriebsbedingt erklärte Kündigung, da diese von den Mitarbeitern zutreffend als Trotzkündigungen verstanden worden seien.

Es bestehe auch eine andauernde Rechtsbeeinträchtigung, da die Beklagte bis heute keinerlei Anstalten getroffen habe, die von ihr über den Kläger in Form der Abmahnungen und Kündigungen in der Belegschaft verbreiteten Unrichtigkeiten irgendwie richtig zu stellen. Die Fortdauer der Rechtsbeeinträchtigung ergäbe sich auch aus denkbaren Nachfragen denkbarer neuer Arbeitgeber nach erfolgter Bewerbung um ein neues Arbeitsverhältnis.

Die begehrte Information der Mitarbeiter könne die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers auch tatsächlich beseitigen. Der Widerruf sei der Beklagten auch ohne Weiteres zumutbar, da sie die zu informierenden Mitarbeiter über das Intranet des Konzerns kostengünstig und ohne Weiteres erreichen könne.

Der Kläger stellt zuletzt folgende Anträge:

1. Das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 02.04.2009 - Az.: 32 Ca 5328/09 - wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Mitarbeiter

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sowohl in deutscher als auch in englischer Sprache schriftlich davon in Kenntnis zu setzen, dass

2.1 sie vom Arbeitsgericht München rechtskräftig dazu verurteilt worden ist, die Abmahnung gegenüber dem Kläger vom 10.10.2003 hinsichtlich einer vermeintlichen Arbeitsverweigerung aus der Personalakte zu entfernen und zu vernichten,

2.2 sie vom Arbeitsgericht München rechtskräftig dazu verurteilt worden ist, die Abmahnung gegenüber dem Kläger vom 10.10.2003 hinsichtlich seines Kommunikationsverhaltens aus der Personalakte zu entfernen und zu vernichten,

2.3 das Arbeitsgericht München rechtskräftig die Unwirksamkeit der jeweils verhaltensbedingten außerordentlichen und fristlosen sowie ordentlichen und fristgerechten Kündigungen gegenüber dem Kläger vom 22.12.2003 festgestellt hat,

2.4 das Arbeitsgericht München rechtskräftig die Unwirksamkeit der jeweils betriebsbedingten außerordentlichen und fristlosen sowie ordentlichen und fristgerechten Kündigungen gegenüber dem Kläger vom 10.08.2005 festgestellt hat und dass

2.5 sie die Behauptung nicht aufrechterhält, der Kläger habe bis 31.08.2009 seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt.

3. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die Vor- und Familiennamen aller in Antrag Ziff. 2 noch nicht aufgeführten Mitarbeiter von sich sowie der Te. Da. C. und ihrer Konzerngesellschaften

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zu benennen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben an Eides Statt zu versichern.

5. Die Beklagte wird verurteilt, die im Antrag Ziff. 3 zu benennenden Mitarbeiter sowohl in deutscher als auch in englischer Sprache schriftlich davon in Kenntnis zu setzen, dass

5.1 sie vom Arbeitsgericht München rechtskräftig dazu verurteilt worden ist, die Abmahnung gegenüber dem Kläger vom 10.10.2003 hinsichtlich einer vermeintlichen Arbeitsverweigerung aus der Personalakte zu entfernen und zu vernichten,

5.2 sie vom Arbeitsgericht München rechtskräftig dazu verurteilt worden ist, die Abmahnung gegenüber dem Kläger vom 10.10.2003 hinsichtlich seines Kommunikationsverhaltens aus der Personalakte zu entfernen und zu vernichten,

5.3 das Arbeitsgericht München rechtskräftig die Unwirksamkeit der jeweils verhaltensbedingten außerordentlichen und fristlosen sowie ordentlichen und fristgerechten Kündigungen gegenüber dem Kläger vom 22.12.2003 festgestellt hat,

5.4 das Arbeitsgericht München rechtskräftig die Unwirksamkeit der jeweils betriebsbedingten außerordentlichen und fristlosen sowie ordentlichen und fristgerechten Kündigungen gegenüber dem Kläger vom 10.08.2005 festgestellt hat und dass

5.5 sie die Behauptung nicht aufrechterhält, der Kläger habe bis 31.08.2009 seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die in der Berufungsinstanz vorgenommene Klageänderung für unzulässig, da sie dieser nicht zustimme und die Klageänderung auch nicht sachdienlich sei. Im Übrigen verteidigt sie das erstinstanzliche Urteil. Die vom Kläger in Bezug genommenen Entscheidungen würden auf den vorliegenden Sachverhalt schon deshalb nicht passen, da ehrverletzende Behauptungen über ihn nicht aufgestellt worden seien. Sie habe lediglich an einzelne Personen weitergegeben, dass er zwei Abmahnungen hinsichtlich seines Verhaltens erhalten habe. Nicht einmal er selbst habe vorgetragen, dass durch sie weitergegeben worden sei, wegen welchen konkreten Verhaltens er abgemahnt worden sei. Die bloße Mitteilung gegenüber einem Mitarbeiter, dass eine Abmahnung wegen seines Verhaltens erteilt worden sei, stelle aber keinerlei ehrverletzende Behauptung und auch keine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts dar. Weiterhin sei in den gerichtlichen Entscheidungen, die die Beklagte zur Entfernung der Abmahnungen aus der Personalakte des Klägers verpflichtet hätten, nicht festgestellt worden, dass die in den Abmahnungen ihm gegenüber enthaltenen Tatsachen unzutreffend oder nicht nachweisbar gewesen wären. Die Gerichte seien vielmehr der Auffassung gewesen, dass die Tatsachen nicht ausreichend für die erteilten Abmahnungen gewesen seien.

Es liege schließlich auch keine fortdauernde Rechtsbeeinträchtigung des Klägers vor, was sich aus seiner Abwesenheit vom Betrieb nach nunmehr fast sechs Jahren ergäbe. Hinzu trete, dass die begehrte Unterrichtung der weltweit etwa 9.000 Mitarbeiter nach einem derart langen Zeitraum in keiner Weise der Bedeutung des Klägers in seiner Funktion als Manager Internal Audit entspräche.

Es liege weiterhin auch keine Persönlichkeitsrechtsverletzung vor, da nicht jede unrichtige Behauptung einer Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten darunter einzuordnen wäre.

Letztlich bestehe der nunmehr zusätzlich erfolgte Auskunftsanspruch zur namentlichen Benennung sämtlicher etwa 9.000 Mitarbeiter im Konzernverbund nicht, da ein solcher Anspruch des Klägers nur dann denkbar sei, wenn der Hauptanspruch bestehen würde.

Der Kläger trägt erwidernd vor, dass die Beklagte auch die Gründe für seine Abmahnungen kommuniziert haben müsse, da sie vorgetragen habe, dass die ihm gegenüber erteilten zwei Abmahnungen von allen Mitgliedern der Abteilung mit Wohlwollen aufgenommen worden seien. Eine wohlwollende Aufnahme sei aber nur bei Mitteilung der einzelnen Gründe denkbar.

Entgegen der Auffassung der Beklagten habe das Arbeitsgericht München mit Entscheid vom 09.08.2005 die sachliche Unrichtigkeit der in den Abmahnungen enthaltenen Vorwürfe festgestellt, da das Arbeitsgericht ausgeführt habe, dass „die zweite dieser Abmahnungen … zwar inhaltlich genügend konkret“ sei, „der erhobene Vorwurf der Pflichtverletzung“ jedoch nicht zuträfe. Die Weigerung des Klägers, Dokumente auf seinem Notebook aufzubewahren, sei trotz der Anweisung seines Vorgesetzten berechtigt gewesen. Die andauernde Rechtsbeeinträchtigung folge auch daraus, dass, obgleich die Beklagte zwischenzeitlich weitere Kündigungen erklärt habe, er gegen diese vorgehe und beabsichtige, nach einem erstinstanzlich ausgeurteilten Anspruch voraussichtlich im 2. Quartal des Kalenderjahres 2010 seine tatsächliche Weiterbeschäftigung bei ihr unverzüglich durchzusetzen. Aus diesen Gründen komme es nicht darauf an, wann sie ihre Mitarbeiter informiert habe. Denn mit der tatsächlichen Weiterbeschäftigung des Klägers würden ihre objektiv unrichtigen Auskünfte seinen Kolleginnen und Kollegen unvermeintlich in Erinnerung gerufen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens wird auf die Schriftsätze vom 09.09.2009, 16.11.2009, 22.02.2010 und 17.09.2010 Bezug genommen.

Gründe

I.

Die gem. § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO) und daher auch insoweit zulässig.

II.

Die Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Die Klage ist zwar zulässig, jedoch unbegründet, da ihm die geltend gemachten Beseitigungs-, Widerrufs- und Auskunftsansprüche nicht zustehen, weil nach dem Klagevorbringen weder eine rechtswidrige Verletzung der geschützten Persönlichkeitsrechte des Klägers gegeben ist noch im Falle unterstellter Verletzung von Persönlichkeitsrechten diese Verletzung andauert und die begehrte Information sowie der Widerruf auch nicht geeignet sind, die etwa andauernden Beeinträchtigungen zu beseitigen.

1.  Die Klage ist als Leistungsklage und auch mit der zuletzt klageerweiternd geltend gemachten Stufenklage auf Auskunft gem. § 254 ZPO entsprechend zulässig, da damit die gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erforderliche Konkretisierung noch hinreichend gegeben ist.

Die im Berufungsrechtszug erfolgte Klageänderung in Form der auf Auskunft gerichteten Stufenklage ist gem. § 533 ZPO zulässig, da sie einerseits trotz Widerspruchs der Beklagten durch die erkennende Kammer für sachdienlich erachtet wird, weil eine prozessökonomische Gesamtentscheidung des Streitstoffs in der Sache herbeigeführt werden kann und andererseits die Klageänderung auch auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach  § 529 ZPO zugrunde zu legen hatte (§ 533 Satz 1 Nr. 2 ZPO).

2. Keine Persönlichkeitsrechtsverletzung

126Der Kläger begehrt mit Ziff. 2.5 und 5.5 seiner Berufungsanträge einen modifizierten Widerruf, bezogen auf die von der Beklagten erklärten streitgegenständlichen Abmahnungen und Kündigungen, sowie darüber hinausgehend die Information der ca. 9.000 weltweiten Mitarbeiter im Konzernverbund der Beklagten von der Tatsache der Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der erklärten streitgegenständlichen Abmahnungen und Kündigungen durch die Arbeitsgerichtsbarkeit in München.

a) Sowohl für den begehrten modifizierten Widerruf als auch für die darauf aufbauende Bekanntgabe ist Voraussetzung für den geltend gemachten Klageanspruch, dass der Kläger durch die rechtskräftig festgestellten unwirksam erklärten Abmahnungen und Kündigungen von der Beklagten rechtswidrig in seinem beruflichen Fortkommen oder seinem Persönlichkeitsrecht verletzt worden ist und ihm deswegen ein schuldrechtlicher (§ 611 BGB i. V. m. § 242 BGB) oder ein quasinegatorischer Anspruch aus § 1004 BGB analog zusteht (vgl. BAG v. 15.04.1999, 7 AZR 716/97 - zit. n. Juris).

128Dies ist weder durch die bloße Tatsache der von der Beklagten erklärten Abmahnungen und Kündigungen noch nach Form und Inhalt der Abmahnungen und Kündigungen entsprechend des klägerischen Sachvorbringens gegeben.

b) Das zivilrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht, abgeleitet aus der verfassungskonformen Anwendung und Auslegung der Generalklauseln (vgl. BVerfGE 7, 188), genießt als sonstiges Recht den Schutz der absoluten Rechte i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB. Geschützt ist das Recht des Einzelnen auf Achtung seiner personalen und sozialen Identität sowie Entfaltung und Entwicklung seiner individuellen Persönlichkeit (vgl. BGHZ 13, 334) gegenüber dem Staat und im privaten Rechtsverkehr (vgl. BGHZ 24, 76; 27, 284). Die vom Kläger geltend gemachte Beeinträchtigung des sozialen Geltungsanspruchs betrifft die Sozialsphäre. Der Persönlichkeitsschutz ist hier jedoch weniger weitgehend wie im Bereich der Privat- und schließlich der Intimsphäre (vgl. BGH NJW 2005, 592 und Palandt, BGB, Nr. 69. Aufl., § 823 Rn. 94 u. 96 m. w. N.). Hierbei bedarf es wegen des offenen Tatbestands bei der Beeinträchtigung einer gewissen Erheblichkeit und bereits hier einer Interessenabwägung (vgl. BGH NJW 2006, 830).

c) Hinzu kommen muss die Widerrechtlichkeit des Eingriffs als Voraussetzung für jeden Abwehranspruch. Aufgrund des offenen Tatbestandes gilt hier nicht der Grundsatz, dass die Tatbestandsmäßigkeit die Rechtswidrigkeit indiziert (vgl. BGHZ 24, 72; 36, 77; 45, 296 ff).

131Grundsätzlich fehlt es an der Rechtswidrigkeit, wenn ein gesetzlich geregeltes Verfahren der Rechtspflege betrieben wird, auch wenn sich das Begehren als ungerechtfertigt erweist (vgl. Palandt, aaO, § 823 Rn. 37 m. w. N.). Entsprechendes gilt auch für die Ausübung arbeitsrechtlicher Gestaltungsrechte. Die Rechtswidrigkeitsgrenze ist jedoch bei bewusst unwahren Behauptungen und diffamierender Schmähkritik überschritten.

Dies ist jedoch vorliegend bei den vom Kläger beanstandeten Abmahnungen und streitgegenständlichen Kündigungserklärungen nicht der Fall gewesen.

d) Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagte durch den langjährig anerkannten und von der Rechtsprechung im Rahmen des ultima-ratio-Prinzips bei Kündigungen bestätigten Grundsatz berechtigt und verpflichtet war, bei beabsichtigten Kündigungen im steuerbaren Verhaltensbereich eines Arbeitnehmers eine Abmahnung vorgehend zu erklären. Dies ist nunmehr auch gesetzlich für Dauerschuldverhältnisse in § 314 Abs. 2 BGB normiert. Die bloße Ausübung des insoweit auch der Beklagten zukommenden Rügerechts durch die streitgegenständlichen Abmahnungen vom 10.10.2003 stellt daher keinen rechtswidrigen Eingriff in Persönlichkeitsrechte des Klägers dar, auch wenn in der Folge die Rechtsunwirksamkeit der erklärten Abmahnungen festgestellt wurde.

e) Darüber hinaus stellt auch die Weitergabe der Information über ein dergestalt ausgeübtes Rügerecht an Mitarbeiter der Arbeitgeberin noch keinen rechtswidrigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers dar. Aufgrund der Einbindung in arbeits- und personalteilige Arbeitsabläufe ist die Kenntnisnahme anderer Mitarbeiter regelmäßig zu erwarten, zum Teil sogar geboten.

Aus den vorgenannten rechtlichen Gegebenheiten vor und bei Ausspruch einer Kündigung ist ein vom Arbeitgeber wahrgenommenes Rügerecht im Arbeitsverhältnis ein nicht ungewöhnlicher und relativ häufiger Vorgang. Soweit nicht Form und Inhalt einer erteilten Abmahnung oder Kündigungserklärung über den Rügecharakter hinaus unzulässig in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers in Form einer Ehrkränkung eingreifen und derartiges Dritten mitgeteilt wird, ist die Information anderer Mitarbeiter hiervon ein sozialadäquater Ausfluss der bestehenden arbeitsrechtlichen Beziehungen, solange der Arbeitnehmer nicht zielgerichtet „an den Pranger gestellt“ wird.

Da in der allgemeinen Verkehrsanschauung auch inzwischen hinreichend bekannt ist, dass gegenüber erteilten Abmahnungen und Kündigungen der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen beschritten werden kann und damit eine erklärte Abmahnung sowie eine Kündigung hinsichtlich ihrer Rechtswirksamkeit immer unter dem Vorbehalt der gerichtlichen Überprüfung steht, kann in einer erklärten Abmahnung oder Kündigung auch noch nicht grundsätzlich ein rechtserheblicher Eingriff in die Sozialsphäre des Klägers gesehen werden. Dies gilt im konkreten Fall vorliegend auch für den von ihm beanstandeten Vorwurf eines vertragswidrigen Verhaltens. Jede Abmahnung oder Kündigung, so sie überhaupt einen hinreichenden rechtlichen Ansatz haben will, bezeichnet grundsätzlich ein aus Sicht des Erklärenden rechtswidriges Verhalten.

f) Der Sachvortrag des Klägers, auch in der Berufungsinstanz, belegt in keiner Weise, dass die ihm erteilten Abmahnungen die vorgenannten Grenzlinien überschritten hätten. Damit stellt sich auch die Weitergabe an Mitarbeiter der Beklagten - unstreitig ist dies zwischen den Parteien nur im Bereich der Abteilung des Klägers - keine die Erheblichkeitsschwelle überschreitende Verletzung seines Persönlichkeitsrechts dar. Er hat nicht im Einzelnen dargestellt, welche ehrkränkenden Äußerungen die Beklagte in ihren Abmahnungen wie auch in den erklärten Kündigungen verwandt haben soll. Der Kläger belässt es bei einer pauschalen Wertungsbehauptung.

Der Wortlaut der beiden Abmahnungs- und Kündigungserklärungen lässt nicht einmal ansatzweise ehrkränkende Erklärungen erkennen.

139Dabei ist er darauf hinzuweisen, dass der Schutz des Persönlichkeitsrechts nicht so weit reicht, dass er Anspruch darauf hätte, in der Öffentlichkeit nur so dargestellt zu werden, wie er sich selbst sieht oder von anderen gesehen werden möchte (vgl. BVerfGE 99, 194 - Hellnwein).

Soweit der Kläger vorgetragen hat, die Beklagte habe die erteilten Abmahnungen inhaltlich im Einzelnen an Mitarbeiter weitergegeben, ist dieser von ihr bestrittene Sachvortrag von ihm nicht näher substanziiert worden. Unstreitig ist lediglich, dass sie Informationen an Mitarbeiter über erteilte Abmahnungen weitergegeben hat mit dem Hinweis, dass in einem Falle vertragswidriges Verhalten, im anderen Falle ein nicht ausreichendes Kommunikationsverhalten abgemahnt worden sei. Dies stellt jedoch in keinem Falle bereits eine ehrverletzende Äußerung dar.

3. Keine andauernde Rechtsbeeinträchtigung

a) Da ein Widerrufsanspruch dem Schutz des Betroffenen vor einer anhaltenden Beeinträchtigung seiner Rechte dient, setzt er neben dem Vorliegen entsprechender Rechtsverletzungen auch voraus, dass diese Rechtsbeeinträchtigungen andauern (vgl. BAG v. 15.04.1999, aaO). Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers eine Rechtsverletzung in Form einer rechtswidrigen Beeinträchtigung seiner Persönlichkeitsrechte unterstellen würde, lässt sein Sachvortrag keine andauernde rechtserhebliche Beeinträchtigung erkennen. Der Rechtsverstoß muss eine stetig neu fließende Quelle der Rufschädigung darstellen (vgl. BGH v. 10.12.1969, I ZR 20/68, zit. n. Juris).

Wie schon das Reichsgericht (vgl. RGZ 163, 210, 215) hervorgehoben hat, sind nur bei Beachtung dieser Voraussetzung diejenigen Gefahren genügend ausgeschaltet, die mit der Zulassung der Widerrufsklage verbunden sind und die das Reichsgericht in der Prozesssucht, Rechthaberei und übertriebenen Empfindlichkeit sowie in der Rückwirkung auf die Freiheit der Meinungsäußerung in Wort und Schrift und in der weitgehenden Aushöhlung des Schutzes des § 193 StGB erblickte.

b) Was die Frage der allgemeinen Rufschädigung betrifft, so ist der mit den erteilten Abmahnungen und Kündigungen erhobene Vorwurf des arbeitsvertragswidrigen Verhaltens des Klägers schon seinem Inhalt nach nicht so ein schwerwiegender und die persönlichen Eigenschaften kennzeichnender Vorwurf, dass ohne Hinzutreten weiterer besonderer Anhaltspunkte angenommen werden könnte, dieser werde seinen persönlichen und betrieblichen Ruf noch nach Jahren ernsthaft beeinträchtigen. Die beanstandeten Abmahnungen und Kündigungen fallen nach Form und Inhalt in keiner Weise aus dem Rahmen tagtäglicher Rechtsauseinandersetzungen vor den deutschen Gerichten für Arbeitssachen. Die Empörung des Klägers mag subjektiv vorhanden sein, ist aber nach Einschätzung der Kammer objektiv überzogen. Außerdem kann er, insbesondere im Falle eines tatsächlichen Wiederantritts seiner Tätigkeit, wie aber auch derzeit, bei etwa interessierten Personen darauf hinweisen, dass er nach Durchführung des rechtsförmigen arbeitsgerichtlichen Verfahrens sowohl hinsichtlich der ausgesprochenen Abmahnungen als auch der Kündigungen obsiegt habe.

c) Hinzu tritt weiterhin, dass der Kläger in keiner Weise - noch dazu substanziiert - vorgetragen hat, dass die Beklagte nach rechtskräftiger Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der von ihr erklärten Abmahnungen und Kündigungen weiterhin gegenüber Dritten die Rechtswirksamkeit dieser Maßnahmen im Zusammenhang mit weiteren diskriminierenden Äußerungen, bezogen auf den Kläger, behauptet hätte.

Eine fortwirkende Herabsetzung seines Rufs oder die Beeinträchtigung in seinem beruflichen Fortkommen ist für die Kammer über seine eigene überpointiert wirkende Darstellung hinaus nicht erkennbar.

d) Dies gilt auch für die von ihm noch bemühten Ansprüche aus seiner betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung, die er nach der zuletzt durchgeführten Betriebsratswahl mit einer auf ihn entfallenden Stimme als denkbares Ersatzmitglied reklamiert. Durch die von ihm erstrittene Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der erklärten Abmahnungen und Kündigungen ist nicht erkennbar, dass er darüber hinaus und nunmehr fortwirkend in nennenswertem Maße in seinem sozialen Ansehen und Auftreten beeinträchtigt wäre. Im Gegenteil, es besteht durchaus auch die Möglichkeit, dass er auf dieser Basis als besonders kämpferisch engagierter Betriebsratsanwärter und Arbeitskollege angesehen wird.

Es ist daher nicht erkennbar, dass nach Entfernung der Abmahnungen aus der Personalakte sowie Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der Kündigung die in den Abmahnungen und Kündigungen aufgestellten Rechtsmeinungen schwerwiegende Störungen des Arbeitsverhältnisses sowie Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts des Klägers nach sich ziehen könnten, was jedoch zumindest Voraussetzung für einen entsprechenden Widerrufsanspruch wäre (vgl. LAG Frankfurt v. 15.08.1997, 13 Sa 1365/96, zit. n. Juris).

e) Eine fortwirkende Persönlichkeitsrechtsverletzung liegt auch nicht durch die - vom Kläger behauptete und von der Beklagten bestrittene - Äußerung seines Vorgesetzten im Zusammenhang mit der Weitergabe der Information über die erteilte Abmahnung vor, nach der sein Vorgesetzter gesagt habe: „Wer hier nicht mitzieht, fliegt!“ Diese Behauptung kann zu Gunsten des Klägers als zutreffend unterstellt werden, denn sie führt nicht zu einer Beeinträchtigung ihm zukommender Rechte, insbesondere nicht von rechtserheblichen Persönlichkeitsrechten. Diese Äußerung des Vorgesetzten würde lediglich eine mögliche Androhung von Sanktionen gegenüber anderen Mitarbeitern darstellen, wenn sie sich möglicherweise ebenso oder ähnlich wie der Kläger verhielten. Dies beeinträchtigt aber keine Rechtspositionen des Klägers oder dessen Persönlichkeitsrecht, da damit kein weitergehendes Unwerturteil über ihn verbunden ist und auch für außenstehende Dritte sowie die Empfänger der Information bzw. der Androhung erkennbar sein konnte, dass die Äußerung lediglich auf der subjektiven Bewertung der Rechtslage durch den Vorgesetzten basierte.

4. Keine hinreichende Beseitigungswirkung

Es fehlt letztlich - bei unterstellter Rechtsverletzung - auch an dem erforderlichen Merkmal, dass die Rechtsbeeinträchtigung durch den begehrten Widerruf auch hinreichend beseitigt werden könnte (vgl. BAG v. 15.04.1999, aaO; BGHZ 14, 163 (173); BGHZ GS 34, 99 (102)). Hier ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Rechtsbeeinträchtigung auf Seiten des Klägers, soweit sie unterstellt wird, bereits dadurch beseitigt ist, dass rechtskräftig die Rechtsunwirksamkeit der erklärten Abmahnungen und Kündigungen festgestellt ist.

152Die begehrte schriftliche Information - sei es auch über das Intranet - ist unverhältnismäßig. Insoweit fehlt die im Widerrufsbereich jeweils erforderliche Interessenabwägung seitens des Klägers. Denn er hat nicht einmal annähernd behauptet, dass die weltweit etwa 9.000 tätigen Mitarbeiter der Beklagten in einer nennenswerten Anzahl von den beanstandeten Abmahnungen und Kündigungen Kenntnis erlangt hätten, geschweige denn, dass sie derzeit immer noch Kenntnis haben. Letztlich verlangt er bei einer weit überwiegenden Zahl von Arbeitnehmern der Beklagten bzw. im Konzernverbund die erstmalige Information über die inkriminierten Vorgänge. Hierfür besteht jedoch weder ein Rechtsanspruch noch eine Veranlassung.

5. Insgesamt kein Anspruch

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass keine der Voraussetzungen für die Zubilligung eines Unterrichtungs-/Widerrufsanspruchs seitens des Klägers gegenüber der Beklagten gegeben ist.

6. Kein Auskunftsanspruch der Namen aller Mitarbeiter

Da der Widerrufsanspruch bereits nicht gegeben ist, folgt hieraus auch, dass ein etwaiger Auskunftsanspruch hinsichtlich der Vor- und Zunamen aller im Konzernverbund tätigen Mitarbeiter nicht besteht.

Im Übrigen könnte sich ein etwaiger Anspruch ohnehin nicht auf andere juristische Personen neben der Beklagten erstrecken, unbeschadet eines Konzernverbundes, da insoweit im Einzelfall darzustellen wäre - wie auch bei den Mitarbeitern der Beklagten -, welche Personen von ihr über die erteilten Abmahnungen und Kündigungen überhaupt informiert wurden. Hierauf bezieht sich jedoch der deutlich ausufernde, globale Auskunftsantrag des Klägers nicht.

7. Nachdem, wie dargestellt, ein Rechtsanspruch des Klägers auf Widerruf, Beseitigung und Auskunft nicht gegeben ist, kann als entscheidungsunerheblich dahinstehen, ob bei bestehendem Anspruch dieser wegen Eingreifens von Ausschlussfristen, aus Verwirkungsgesichtspunkten oder wegen der erhobenen Verjährungseinrede ganz oder teilweise nicht durchsetzbar wäre.

III.

Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

IV.

Gegen dieses Urteil findet ein Rechtsmittel nicht statt, denn es liegt kein gesetzlicher Grund vor, die Revision zuzulassen, da auf der Basis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts eine zwischen den Parteien strittige Entscheidung im Einzelfall getroffen wurde (§ 72 Abs. 2 ArbGG). Auf die Nichtzulassungsbeschwerde (§ 72 a ArbGG) wird hingewiesen.

         Müller                  Wahba                    Witty