Bayerischer VGH, Beschluss vom 24.09.2010 - 5 ZB 10.1870
Fundstelle
openJur 2012, 110597
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 22. Juni 2010 wird abgelehnt.

II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger, der sich bereits gegen seine Heranziehung zum Mikrozensus 2008 gewandt hatte (vgl. BayVGH vom 2.6.2010, 5 ZB 09.2084 <juris>), wendet sich mit gleichlautender Argumentation nun gegen den Bescheid des Landesamtes für Statistik und Datenverarbeitung vom 22. Februar 2010, der ihn verpflichtet, den Erhebungsbogen zum Mikrozensus 2009 auszufüllen. Seine hiergegen gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht Augsburg mit Urteil vom 22. Juni 2010 u.a. unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Senats vom 2. Juni 2010 ab.

Der Kläger beantragt, die Berufung gegen dieses Urteil zuzulassen.

Der Beklagte ist diesem Antrag unter Hinweis auf den 23. Tätigkeitsbericht 2008 des Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz (dort Nr. 23.2) entgegengetreten.

II.

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts, mit dem seine Klage gegen die Heranziehung zum Mikrozensus 2009 abgewiesen wurde, bleibt ohne Erfolg.

1. An der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Kläger hat weder einen einzelnen Rechtssatz noch eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt (s. dazu BVerfG vom 21.1.2009, JZ 2009, 850/851; vom 23.6.2000 NVwZ 2000, 1163/1164).

a) Der Kläger macht gegen seine Heranziehung zum Mikrozensus 2009 zunächst geltend, die Auswahl des zu ersetzenden Viertels der Auswahlbezirke erfolge nicht entsprechend § 2 Abs. 1 MZG 2005 nach dem Zufallsprinzip, sondern in willkürlicher Weise nach einer systematischen Regel, bei der schon jetzt und für alle künftigen Erhebungen bekannt sei, welcher Auswahlbezirk hinzukomme und welcher ausscheide. Auch die in § 3 MZG 2005 vorgesehene Einschränkung, wonach die Erhebung in den Auswahlbezirken höchstens in bis zu vier aufeinanderfolgenden Jahren erfolgen dürfe, werde so gehandhabt, dass die Erhebung regelmäßig bei jedem herangezogenen Haushalt vier Jahre hintereinander durchgeführt werde. So sei dies aber vom Gesetz nicht gemeint; andernfalls wären die Worte „bis zu“ in § 3 S. 2 MZG 2005 sinnlos.

Damit kann der Kläger nicht durchdringen. Der Gesetzgeber hat den Mikrozensus als Verlaufserhebung angelegt (BR-Drs. 12/04 S. 11, 16) und die zuständigen Behörden ermächtigt, in jedem Auswahlbezirk die Erhebung jährlich nur einmal in bis zu vier aufeinander folgenden Jahren durchzuführen (§ 3 S. 2 MZG 2005 a.F.) bzw. die Erhebungseinheiten innerhalb von fünf aufeinander folgenden Jahren bis zu viermal zu befragen (§ 3 S. 2 MZG 2005 n.F.). Dass die Ermächtigung des § 3 S. 2 MZG 2005 ausgeschöpft wird, beinhaltet keinen Rechtsverstoß. Die Festlegung der Auswahlbezirke erfolgte nach mathematischen Zufallsverfahren (§ 2 Abs. 1 S. 2 MZG 2005). Für die Behauptung des Klägers, die jährlich neu in die Auswahl einzubeziehenden Auswahlbezirke müssten sukzessive bestimmt werden, findet sich kein Anhaltspunkt im Gesetz.

b) Der Kläger sieht sich in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung dadurch verletzt, dass die Ordnungsnummern zusammen mit den Erhebungsmerkmalen „dauerhaft“ gespeichert würden. Für die Erstellung einer Repräsentativstatistik sei eine Reidentifizierungsmöglichkeit jedoch nicht nötig. Einen anderen Zweck habe die Ordnungsnummer nach erfolgter Plausibilitätsprüfung nicht. § 8 Abs. 3 S. 1 MZG 2005 stehe im Widerspruch zu der vom Bundesverfassungsgericht in der Volkszählungsentscheidung geforderten Sicherstellung einer zuverlässigen und frühzeitigen Anonymisierung.

Wegen des oben bereits beschriebenen Charakters des Mikrozensus als Verlaufserhebung können die vorgebrachten Einwände nicht überzeugen. Die in § 8 MZG 2005 getroffenen Regelungen zur Trennung der Hilfsmerkmale von den Erhebungsmerkmalen und zu deren Löschung und Vernichtung reichen zum Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung aus. Das Gebot der möglichst frühzeitigen (faktischen) Anonymisierung ist nicht verletzt, wenn die Daten für das Bayerische Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung personenbezogen, weil personenbeziehbar bleiben. Das insoweit verbleibende Reidentifizierungsrisiko hat der Einzelne grundsätzlich als notwendige Folge einer im überwiegenden Allgemeininteresse angeordneten Statistik hinzunehmen (vgl. BVerfG vom 28.9.1987 BayVBl 1987, 689/ 690). In Bezug auf die internen organisatorischen Vorkehrungen des statistischen Landesamts, die die Beachtung des Zweckbindungsgebotes und des Reidentifizierungsverbotes sicherstellen sollen, sind Mängel weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

c) Der Kläger wendet sich des weiteren gegen die Weitergabe von Einzelangaben an Dritte zu ihm völlig unbekannten wissenschaftlichen Zwecken. Dabei werde auch die Ordnungsnummer übermittelt, so dass eine Reidentifizierung wegen der geringen Haushaltsanzahl pro Auswahlbezirk sehr leicht möglich sei.

Für letztere Behauptung bleibt der Kläger jeglichen Beleg schuldig. Dafür, dass die Übermittlung von statistischen Daten an die Wissenschaft in den Grenzen des § 16 Abs. 6 BStatG einen Rückschluss auf die Identität einer bestimmten Person nicht sicher ausschließe, ist weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich.

d) Schließlich trägt der Kläger vor, es sei nicht geregelt, wann die Aufbereitung der Daten abgeschlossen sei. Das vermittele Rechtsunsicherheit, da niemand sagen könne, wie lange die Daten wirklich gespeichert würden.

Dem kann mit Blick auf § 8 Abs. 2 und 3 MZG 2005 nicht gefolgt werden. Mit den dort geregelten Vernichtungs- und Löschungsgeboten hat der Gesetzgeber selbst für die notwendigen Sicherungsvorkehrungen zum Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung gesorgt. Dafür, dass der Spielraum überschritten wäre, der der Verwaltung bei der Ausfüllung des Gebots der frühestmöglichen Vernichtung und der Löschungsregelungen verbleibt, ist nichts ersichtlich. Dem Kläger bleibt es insoweit unbenommen, zu gegebener Zeit entsprechende Ansprüche geltend zu machen.

2. Nach dem unter 1. Ausgeführten bestehen weder besondere tatsächliche noch besondere rechtliche Schwierigkeiten, die die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO rechtfertigten. Das angefochtene Urteil befindet sich in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerfG vom 15.12.1983 BVerfGE 65, 1; vom 28.9.1987 BayVBl 1987, 689; BVerwG vom 9.7.1996 Buchholz 451.04 Statistik Nr. 9; BayVGH vom 18.10.1995 Az. 5 B 95.1993; vom 11.11.2004 Az. 5 CS 04.2547; vom 15.6.2009 Az. 5 ZB 09.394).

3. Soweit der Kläger in Bezug auf die Dauer der Speicherung den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend macht, hat er die behauptete grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht in der nach § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO gebotenen Weise dargelegt (vgl. § 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Er formuliert schon keine konkrete Rechtsfrage und erläutert weder, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich sein soll, noch weshalb sie in Anbetracht der gesetzlichen Regelung klärungsbedürftig sein soll.

4. Auch die erhobene Divergenzrüge (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) entspricht nicht den Darlegungserfordernissen. Der Kläger stellt den aus dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts entnommenen „Vorgaben an die Sicherstellung einer frühzeitigen (faktischen) Anonymisierung“ (BVerfGE 65, 1/49 ff.) keinen Rechtssatz des Verwaltungsgerichts gegenüber.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).