Bayerischer VGH, Beschluss vom 18.08.2010 - 6 ZB 10.1081
Fundstelle
openJur 2012, 109975
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 6. April 2010 wird abgelehnt.

II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 150,00 € festgesetzt.

Gründe

Das Verwaltungsgericht hat mit dem angegriffenen Urteil dem Begehren des Klägers auf Erlass einer ihm günstigen Kostenentscheidung für das Widerspruchsverfahren gegen den Straßenausbaubeitragsbescheid der beklagten Gemeinde vom 5. Oktober 2005 nur teilweise entsprochen. Es hat die Beklagte verpflichtet, über die Kosten des Widerspruchsverfahrens unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden; die darüber hinausgehende Verpflichtungsklage hat es abgewiesen.

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil in seinem klageabweisenden Teil bleibt ohne Erfolg, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht vorliegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

An der Richtigkeit der klageabweisenden Entscheidung bestehen keine ernstlichen Zweifel. Der Kläger hat mit seinem Zulassungsantrag weder einen einzelnen tragenden Rechtssatz noch eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt (vgl. BVerfG, B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00NVwZ 2000, 1163/1164; B.v. 23.3.2007 – 1 BvR 2228/02BayVBl 2007, 624). Das Verwaltungsgericht ist mit überzeugenden Erwägungen zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Erlass einer ihm günstigen Entscheidung über die Kosten des Widerspruchsverfahrens hat, sondern dass er nach der Erledigung seines Widerspruchs in anderer Weise lediglich eine Kostenentscheidung „nach billigem Ermessen“ gemäß Art. 80 Abs. 1 Satz 5 BayVwVfG verlangen kann.

Entgegen der Ansicht des Klägers war sein Widerspruch gegen den Straßenausbaubeitragsbescheid vom 5. Oktober 2005 nicht erfolgreich, weshalb ihm die Kosten des Widerspruchsverfahrens auch nicht nach Art. 80 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG zu erstatten sind. Will die (Ausgangs-)Behörde den mit einem Widerspruch angefochtenen Ausgangsbescheid aus der Welt schaffen, hat sie grundsätzlich die Wahl, ob sie dem Widerspruch im Rahmen des Widerspruchs gemäß § 72 VwGO mit der Kostenfolge des Art. 80 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG abhilft oder ob sie den Verwaltungsakt in einem eigenständigen Verfahren außerhalb des Widerspruchsverfahrens beseitigt. Hilft sie ab, hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, gemäß Art. 80 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG zwingend die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu tragen. Beseitigt sie den angefochtenen Verwaltungsakt in einem eigenständigen Verfahren, führt das zur Erledigung des Widerspruchs in anderer Weise mit der Folge, dass über die Kosten gemäß Art. 80 Abs. 1 Satz 5 BayVwVfG nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sachstandes zu entscheiden ist. Für welchen Weg die Behörde sich entschieden hat, ist nach den üblichen Auslegungsgrundsätzen für behördliche Willenserklärungen zu beurteilen (vgl. BVerwG, U.v. 28.4.2009 – 2 A 8.08BayVBl 2009, 735 f.). Nach diesem Maßstab ist das Verwaltungsgericht zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beklagte mit der Aufhebung des Ausgangsbescheids keine Abhilfeentscheidung getroffen hat, um dem Begehren des Widerspruchsführers ganz oder teilweise zu entsprechen.

Die Beklagte hatte mit dem Ausgangsbescheid vom 5. Oktober 2005 den Kläger für Straßenbaumaßnahmen am „Schlossplatz“ zu einem Ausbaubeitrag in Höhe von 1.475,94 € auf der Grundlage des Art. 5 KAG herangezogen. Nachdem das im Eilverfahren angerufene Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wegen Zweifeln an der Ausdehnung der Einrichtung einerseits und dem möglichen Vorrang des Erschließungsbeitragsrechts vor dem Straßenausbaubeitragsrecht andererseits angeordnet hatte, erließ die Beklagte unter dem 26. September 2008 zunächst einen neuen Bescheid, mit dem sie den Kläger nun zu einem Erschließungsbeitrag in Höhe von 2.735,39 € auf der Grundlage von Art. 5a Abs. 1 KAG i.V.m. den §§ 127 ff. BauGB heranzog; mit Bescheid vom 2. Oktober 2008 hob sie zudem den Straßenausbaubeitragsbescheid vom 5. Oktober 2005 auf. Einer solchen Verfahrensweise hätte es nach materiellem Recht gar nicht bedurft, um die Rechtsgrundlage für die Erhebung des Beitrags für die Baumaßnahmen am „Schlossplatz“ auszutauschen. Denn wenn ein Heranziehungsbescheid zu Unrecht auf das Straßenausbaubeitragsrecht gestützt wird, aber durch die Vorschriften des Erschließungsbeitragsrechts gerechtfertigt wird, so ist die mit ihm getroffene Regelung, also die Festsetzung des geschuldeten Betrags und das Leistungsgebot, nach ständiger Rechtsprechung materiell rechtmäßig (vgl. BVerwG, U.v. 19.8.1988 – 8 C 29.87BVerwGE 80, 96; BayVGH, B.v. 17.1.2002 – 6 ZB 97.858 – juris <RdNr. 3>; U.v. 14.7.2010 – 6 B 08.2254 – juris <RdNr. 27>). Vor diesem Hintergrund diente die Aufhebung des ursprünglichen (Straßenausbau-)Beitragsbescheids ersichtlich lediglich der Rechtsklarheit. Tatsächlich war dieser bereits durch den Erlass des Erschließungsbeitragsbescheids vom 26. September 2008 ersetzt und damit wirkungslos geworden. Wie sich schon aus der im Aufhebungsbescheid vom 2. Oktober 2008 angesprochenen Verrechnung der „bezahlten Straßenausbaubeiträge … mit den festgesetzten Erschließungsbeiträgen“ ergibt, stand für den Empfänger außer Frage, dass die Beklagte ihre Beitragsforderung in der Sache – wenn auch auf anderer Rechtsgrundlage – aufrecht erhält. Da die Beklagte für den Kläger bereits mit Bescheid vom 26. September 2008 einen deutlich höheren (Erschließungs-)Beitrag festgesetzt hatte, kann von einer Abhilfe im Rahmen des Widerspruchsverfahrens keine Rede sein. Vielmehr wurde auch aus der Sicht des Empfängers hinreichend klar ein für unzureichend erkannter Beitragsbescheid durch einen „verschärften“ Zweitbescheid ersetzt.

Dem Kläger kann auch nicht in seinem (Hilfs-)Argument gefolgt werden, dass selbst bei einer Kostenentscheidung nach billigem Ermessen auf der Grundlage des Art. 80 Abs. 1 Satz 5 BayVwVfG als einzig rechtmäßige Lösung die Kostentragung durch die Beklagte in Betracht käme. Für eine solche Ermessensreduktion besteht kein tragfähiger Grund. Dass der ursprüngliche Bescheid zu Unrecht auf das Straßenausbaubeitragsrecht gestützt war, konnte dem Widerspruch des Klägers für sich betrachtet aus den oben angeführten Erwägungen nicht zum Erfolg verhelfen, auch nicht nach Erlass des neuen (Erschließungsbeitrags-)Bescheids. Deshalb kann der Beklagten auch nicht vorgeworfen werden, sie habe angesichts eines zulässigen und begründeten Widerspruchs der zu erwartenden Kostentragungspflicht entgehen wollen (zur Ermessensreduktion in einem solchen Fall: Linhart, Schreiben, Bescheide und Vorschriften in der Verwaltung, RdNr. 210 zu § 20). Ob die Kostenentscheidung gemäß Art. 80 Abs. 1 Satz 5 BayVwVfG erst nach rechtskräftigem Abschluss des Hauptsacherechtsbehelfs gegen den neuen (Erschließungsbeitrags-)Bescheid vom 26. September 2008 sachgerecht getroffen werden kann und sich an dessen Ausgang zu orientieren hat, kann dahinstehen, weil der Kläger mit seinem Zulassungsantrag insoweit keine Rügen erhoben hat.

Soweit der Kläger die Zulassung der Berufung hinsichtlich der auf § 155 Abs. 1 VwGO gestützten Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Kosten des gerichtlichen Verfahrens begehrt, muss der Zulassungsantrag ebenfalls ohne Erfolg bleiben. Ihm steht § 158 Abs. 1 VwGO entgegen, wonach die gerichtliche Kostenentscheidung nicht isoliert anfechtbar ist. Eine Überprüfung der Kostenentscheidung käme nur in Betracht, wenn die Berufung gegen die Entscheidung in der Hauptsache zumindest teilweise zuzulassen wäre (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO 13. Aufl. 2010). Das ist aus den dargelegten Gründen nicht der Fall.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 1 GKG; dabei bewertet der Senat den im Zulassungsverfahren noch streitigen Teil (Verpflichtung statt Bescheidung) mit der Hälfte des vom Verwaltungsgericht für das erstinstanzliche Verfahren festgesetzten Wertes.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).