OLG München, Beschluss vom 02.07.2010 - 21 W 1347/10
Fundstelle
openJur 2012, 109714
  • Rkr:
Tenor

I. Die sofortige Beschwerde des Klägers vom 12.1.2010 wird verworfen, soweit sie sich gegen die im Beschluss des Landgerichts München I vom 8.12.2009 enthaltene Anordnung richtet, dass die Öffentlichkeit betreffend die von der Beklagten vorgelegten Verträge vom 25.5./30.5.2000 „Vereinbarung zur Regelung der Provisionshöhe“ und vom 5.8./20.8.1997 „Rahmen-Vertriebsvertrag“ ausgeschlossen wird.

II. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 12.1.2010 wird die im Beschluss des Landgerichts München I vom 8.12.2009 enthaltene Anweisung an den Klägervertreter aufgehoben, die aus dem ihm mit dem Beschluss des Landgerichts zugestellten o.g. Verträgen zur Kenntnis gelangenden Tatsachen mit Ausnahme des Umstandes, dass die Beklagte eine Vertriebsprovision von 14 % bedungen hatte, geheim zu halten.

III. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) gegeneinander aufgehoben.

IV. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wir auf 3.000 € festgesetzt.

V. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Beschluss des Landgerichts München I vom 8.12.2009 enthält folgende zwei zu unterscheidenden Anordnungen:

1. Das Landgericht hat die Öffentlichkeit betreffend die von der Beklagten vorgelegten Verträge vom 25.5./30.5.2000 „Vereinbarung zur Regelung der Provisionshöhe“ und vom 5.8./20.8.1997 „Rahmen-Vertriebsvertrag“ ausgeschlossen.2. Das Landgericht hat den Klägervertreter angewiesen, die aus den ihm mit dem Beschluss des Landgerichts zugestellten o.g. Verträgen zur Kenntnis gelangenden Tatsachen mit Ausnahme des Umstandes, dass die Beklagte eine Vertriebsprovision von 14 % bedungen hatte, geheim zu halten, und sich in seinem Beschluss dabei ausdrücklich auf § 174 III 1 GVG bezogen.

Die Klägervertreter wenden sich mit ihrer Beschwerde gegen beide Anordnungen. Dies ergibt sich zunächst daraus, dass sie die Beschwerde nicht auf nur eine Anordnung beschränkt haben sondern uneingeschränkt Beschwerde eingelegt haben (Vl. 306 d.A.). Insbesondere aus dem Schriftsatz der Klägervertreter vom 29.3.2010 (Bl. 415 ff d.A.) wird deutlich, dass sich die Klägervertreter gerade auch gegen die Anordnung wenden möchten, dass die Öffentlichkeit ausgeschlossen wurde. Insbesondere aus dem Schriftsatz der Klägervertreter vom 14.5.2010 ergibt sich, dass sie sich mit der Beschwerde auch gegen die Geheimhaltungsanordnung wenden möchten.

II.

31. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 8.10.2009 ist unzulässig, soweit sie sich gegen die im Beschluss des Landgerichts München I vom 8.12.2009 enthaltene Anordnung richtet, dass die Öffentlichkeit ausgeschlossen wird. Ein Beschluss, mit dem die Öffentlichkeit nach § 174 I GVG ausgeschlossen wird, ist nicht gesondert anfechtbar. Dies ergibt sich bereits aus dem Umkehrschluss zu § 174 III 3 GVG, in dem schon nach der systematischen Stellung der Vorschrift nur die Anfechtbarkeit des in § 174 III 1, 2 GVG genannten Beschlusses angeordnet wird, nicht aber die des in § 174 I GVG genannten Beschlusses. Wird in einem Zivilprozess die Öffentlichkeit zu Unrecht ausgeschlossen, so ist dieser Beschluss nicht gesondert anzufechten, sondern durch Rechtsmittel gegen die unter Verstoß gegen das Öffentlichkeitsgebot ergangene Entscheidung dafür zu sorgen, dass eine Entscheidung ohne Verstoß gegen das Öffentlichkeitsgebot ergeht, wobei es sich bei einem solchen Verstoß um einen absoluten Revisionsgrund handelt (§ 547 Nr. 5 ZPO). Hier kommt hinzu, dass der im Beschluss vom 8.10.2009 angeordnete Ausschluss der Öffentlichkeit nicht praktisch vollzogen wurde. So hat das Landgericht ausweislich des Protokolls vom 13.4.2010 (Bl. 453 ff d.A.) öffentlich verhandelt hat. Zum Vollzug des Beschlusses über den Ausschluss der Öffentlichkeit bei einer Verhandlung über die o.g. Verträge ist es nicht gekommen und kann es auch nicht mehr kommen, weil die Parteien das Verfahren durch Vergleichsschluss in der Sitzung das Verfahren 13.4.2010 beendet haben. Es besteht daher unabhängig von den o.g. Gründen auch kein Rechtsschutzbedürfnis mehr für die insoweit eingelegte Beschwerde gegen die Anordnung in einen Beschluss, der keinerlei praktische Auswirkungen mehr haben kann. Da die Beschwerde insoweit bereits unzulässig ist, bedarf es hier keiner Prüfung, ob der Beschluss so ergehen konnte (dass dies nicht der Fall ist, wird unter 2. näher dargestellt).

42. Soweit sich die sofortige Beschwerde gegen die im Beschluss des Landgerichts München I vom 8.12.2009 enthaltene Anweisung an den Klägervertreter zur Geheimhaltung richtet, ist die Beschwerde zulässig. Sie ist insbesondere statthaft (§ 174 III 3 GVG) und fristgerecht (§ 569 I ZPO, vgl. Zöller, Rdnr. 5 zu § 174 GVG) erhoben worden. Die Beschwerde ich auch begründet, weil die Anordnung so, wie sie getroffen wurde, in § 174 GVG keine Stütze findet. Dabei kann unterstellt werden, dass die o.g. Verträge Geschäftsgeheimnisse enthalten. Wenn dies der Fall wäre, dann dürfte schon der entsprechende Beschluss über die Ausschließung der Öffentlichkeit nicht - wie hier geschehen - den Parteivertretern zugestellt werden. Vielmehr müsste er öffentlich verkündet werden, denn die Voraussetzungen des § 174 I 2 HS 2 GVG liegen offensichtlich nicht vor. Dies hat auch seinen guten Grund, weil die Öffentlichkeit zumindest grundsätzlich erfahren können muss, dass etwas nicht öffentlich verhandelt wird. Außerdem wird durch die vom Landgericht gepflogene Verfahrensweise, dass der Beschluss bereits vor der mündlichen Verhandlung erlassen worden ist, der gewünschte Erfolg (Schutz des Geschäftsgeheimnisses über § 353 d Nr. 2 StGB) gerade nicht erfüllt, denn für eine Strafbarkeit reicht es nicht aus, wenn das Schweigegebot bereits vor der mündlichen Verhandlung beschlossen wurde (Schönke-Schröder, 27. Aufl., Rdnr. 25 zu § 353 d StGB). Der Senat verkennt nicht, dass der BGH in seiner Entscheidung vom 8.7.2009, Az. VIII ZR 314/07 darauf hinweist, dass bei Geschäftsgeheimnissen ggf. der Weg über §§ 172, 174 GVG zu beschreiten ist. Dies bedeutet aber, dass - wie hier nicht - auch die formalen Erfordernisse der §§ 172, 174 GVG eingehalten werden müssen.

3. Die Entscheidung zu den Kosten beruht auf §§ 91, 92, 97 ZPO, wobei sich die teilweise Kostentragungspflicht der Beklagten zu 1) daraus ergibt, dass sie den Beschluss des Landgerichts mit ihrem Schriftsatz vom 25.11.2009 (Bl. 292a ff d.A.) initiiert hat. Der Gegenstandswert wurde nach § 3 ZPO festgesetzt.

III.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 574 ZPO nicht vorliegen.