Bayerischer VGH, Beschluss vom 26.07.2010 - 2 CS 10.465
Fundstelle
openJur 2012, 109408
  • Rkr:
Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert wird auf 3.750 Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin nach § 146 Abs. 1 VwGO hat keinen Erfolg.

1. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass für den Antrag der Antragstellerin nach 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Dieses entfällt für einen Nachbarantrag auf vorläufigen Rechtsschutz regelmäßig dann, wenn der Rohbau des bekämpften Bauvorhabens bereits fertig gestellt ist. Denn das mit dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage verbundene Ziel, die Schaffung vollendeter Tatsachen zu verhindern, ist nach weitgehender Fertigstellung der baulichen Anlagen nicht mehr zu erreichen (vgl. BayVGH vom 14.6.2007 Az. 1 CS 07.265 – juris; vom 4.3.2009 Az. 2 CS 08.3331 – juris).

Vorliegend waren die drei Gebäude, durch die sich die Antragstellerin in ihren Nachbarrechten verletzt sieht, bereits im Dezember 2009 im Rohbau fertig gestellt und auch teilweise verputzt, gestrichen sowie innen ausgebaut. An diesem Bauzustand hat sich bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts am 11. Februar 2010 witterungsbedingt nichts Wesentliches mehr geändert. Für den Antrag der Antragstellerin nach § 80 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO fehlte damit wohl bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung am 3. Dezember 2009, aber jedenfalls kurz danach das erforderliche Rechtsschutzinteresse.

2. Ausnahmsweise kann trotz Fertigstellung des Rohbaus des angegriffenen Vorhabens das Rechtsschutzbedürfnis des Nachbarn im Hinblick auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage fortbestehen, falls er sich durch die inzwischen aufgenommene Nutzung der genehmigten baulichen Anlage in seinen Rechten verletzt sieht. Es ist jedoch nur gerechtfertigt, bereits vor der Entscheidung in der Hauptsache die Nutzung der baulichen Anlage im Weg des einstweiligen Rechtsschutzes zu unterbinden, wenn die behaupteten Beeinträchtigungen erkennbar und erheblich über das Maß dessen hinausgehen, was der Nachbar letztlich hinzunehmen haben wird (vgl. BayVGH v. 4.3.2009 a.a.O.). In dieser Hinsicht hat die Antragstellerin jedoch nichts vorgetragen und sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich. Es handelt sich beim Bauvorhaben der Beigeladenen um Mehrfamilienhäuser einschließlich Tiefgarage, in denen nur Wohnnutzung stattfinden soll. Eine besondere Lärmproblematik wurde nicht dargetan und ist im summarischen Verfahren auch nicht ersichtlich.

3. Soweit die Antragstellerin eine Verschlechterung ihrer Prozesssituation durch die Veräußerung von Wohnungseigentum durch die Beigeladene befürchtet, ist auf die Regelungen des § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 265 Abs. 2 Satz 1, § 266 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu verweisen (vgl. BayVGH v. 19.7.1989 DVBl 1990, 166). Dass die Antragstellerin sich dann möglicherweise mehreren Prozessgegnern gegenüber sieht, rechtfertigt es jedenfalls nicht, ohne Vorliegen der unter Ziff. 2. genannten Voraussetzungen ein Rechtsschutzbedürfnis für ihren Antrag nach § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu unterstellen.

Im Übrigen könnte sich die Beigeladene gegenüber den Erwerbern der Wohnungen haftbar machen, falls sie diese nicht auf den rechtshängigen Prozess wegen der Baugenehmigung hinweist. Soweit die Antragstellerin eine Schädigung durch ein rechtswidriges Zusammenwirken der Antragsgegnerin mit der Beigeladenen befürchtet, bleibt ihr gegebenenfalls die Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen unbenommen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst (§ 162 Abs. 3 VwGO), weil sie kein Prozessrisiko durch eigene Antragstellung auf sich genommen hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.