Bayerischer VGH, Beschluss vom 22.07.2010 - 5 ZB 10.406
Fundstelle
openJur 2012, 109287
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 2. Dezember 2009 wird abgelehnt.

II. Die Kläger haben die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.

III. In Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 2. Dezember 2009 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf je 10.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die 2000 und 2002 geborenen Kläger tragen als Familiennamen den zum Ehenamen bestimmten Namen ihres Vaters T., dem ihre Mutter ihren Geburtsnamen P. vorangestellt hat. Den Namensänderungsantrag der Kläger, ihren Familiennamen von T. in P. zu ändern, hat das Landratsamt Landsberg am Lech mit Bescheid vom 8. Januar 2009 abgelehnt. Die Verpflichtungsklage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 2. Dezember 2009 abgewiesen. Die Kläger beantragen, die Berufung gegen dieses Urteil zuzulassen. Der Beklagte ist diesem Antrag entgegengetreten.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.

1. Die mit dem Zulassungsantrag geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor. Die Kläger haben weder einen einzelnen tragenden Rechtssatz noch eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt (vgl. BVerfG vom 21.1.2009 JZ 2009, 850/851 und vom 23.6.2000 NVwZ 2000, 1163/1164).

Die Kläger tragen vor, das Verwaltungsgericht habe den Gesichtspunkt nicht in die Abwägung eingestellt, dass sich das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des bei der Geburt gegebenen Namens dadurch verringere, dass der Mädchenname der Mutter zum Namen der Kinder werden solle (vgl. Ziff. 54 NamÄndVwV). Deshalb sei der Grundsatz der einheitlichen Namensführung in der Familie (Ziff. 30 NamÄndVwV) hier nicht tangiert. Zudem lägen sowohl Gründe für eine Änderung der Schreibweise wie des Namens selbst nach Ziff. 36 bis 38 NamÄndVwV vor. Damit könne der Vater den Familiennamen ändern und in der Folge wohl auch die Kinder ihren Namen. Der Vater sei hieran jedoch aus beruflichen Gründen gehindert. Das angefochtene Urteil beruhe auf einer dem Elternrecht und der elterlichen Sorge nicht gerecht werdenden Auslegung des Namensänderungsgesetzes, wenn es schutzwürdige Interessen nur in der Form gegenwärtiger aktueller Schäden, Störungen und Beeinträchtigungen des Kindeswohls anerkenne. Abgesehen davon, dass die Kläger in der Schule bereits negativ als "Perser" abgestempelt worden seien, gebe es derzeit zum Glück noch keine gravierenden Folgen aus der Namensgebung. Die elterliche Sorge umfasse aber nicht nur die tägliche Sorge und Pflege, sondern auch die Zukunftsvorsorge durch Bildung und Ausbildung; aus ihr sei auch die Pflicht abzuleiten, vorausschauend Probleme und Beeinträchtigungen von den Kindern abzuwenden und das Kindeswohl zu wahren. Dazu gehöre es auch, die getroffene Namensentscheidung, die sich zu Lasten der Kinder auswirken könne, nochmals zu überdenken und abzuändern.

Das Verwaltungsgericht hat den gesetzlichen Maßstab nicht verkannt. Ein wichtiger Grund i.S. des § 3 Abs. 1 NamÄndG für eine Änderung des Familiennamens liegt nach ständiger Rechtsprechung des Senats (BayVGH vom 28.10.2004 Az. 5 B 04.692 m.w.N.) vor, wenn das schutzwürdige Interesse des Namensträgers an der Ablegung seines bisherigen Namens und der Führung des neuen Namens Vorrang hat vor den in den gesetzlichen Bestimmungen zum Ausdruck kommenden Grundsätzen der Namensführung, zu denen auch die Ordnungsfunktion des Namens sowie sicherheitsrechtliche Interessen an der Beibehaltung des bisherigen Namens gehören einschließlich etwaiger schutzwürdiger Interesse der durch eine Namensänderung betroffenen Träger des bisherigen und des neuen Namens. Bei der Entscheidung über das Vorliegen eines wichtigen Grundes ist zu berücksichtigen, dass das bürgerliche Recht dem Grundsatz nach das Namensrecht abschließend regelt. Die öffentlich-rechtliche Namensänderung dient dazu, Unzuträglichkeiten zu beseitigen, die bei der Führung des nach bürgerlichem Recht zu tragenden Namens auftreten. Der von der Bundesregierung erlassenen Verwaltungsvorschrift (Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen - NamÄndVwV - vom 11.8.1980, Beilage zum BAnz Nr. 153 vom 20.8.1980 i.d.F. vom 18.4.1986, Beilage zum BAnz Nr. 78 vom 25.4.1986) kommt nach der Rechtsprechung die Bedeutung eines Maßstabes zu, der als Ausdruck der allgemeinen Verkehrsauffassung bei der Prüfung des wichtigen Grundes mit in Betracht zu ziehen ist.

Die Kläger haben ihre Behauptung, ein Namensänderungsgrund im Sinn der Nrn. 36, 37 Abs. 1 Halbsatz 2, 38 NamÄndVwV liege vor, in keiner Weise substantiiert. Denn dafür genügt es nicht, dass der Name T. fremdsprachigen Ursprungs ist. Dass er nach dem Vortrag der Kläger an zwei für die deutsche Sprache untypischen Stellen mit h geschrieben wird, zieht nicht automatisch mehr als unwesentliche Behinderungen der Kläger nach sich. Fehlt es mithin an einem wichtigen Grund für die Namensänderung, kann der Klage - wie das Verwaltungsgericht weiter zutreffend ausgeführt hat - auch der Umstand nicht zum Erfolg verhelfen, dass der für die Kläger gewünschte neue Familiennamens als Geburtsname ihrer Mutter unter Ziff. 54 NamÄndVwV fällt.

Der Umstand, dass das Bürgerliche Recht die Namenswahl grundsätzlich unabänderlich ausgestaltet und § 3 NamÄndG die Namensänderung von einem wichtigen Grund abhängig macht, widerspricht weder Art. 6 Abs. 1 GG noch dem elterlichen Sorgerecht. Demgegenüber können sich die Kläger nicht darauf berufen, dass der Gesetzgeber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dafür Sorge zu tragen hat, dass das Namensrecht die Freiheitsräume für die Namenswahl, die Art. 2 Abs. 1 GG sowie Art. 6 Abs. 1 GG gewähren, nicht unverhältnismäßig einschränkt (BVerfG vom 30.1.2002, BVerfGE 104, 373/387). Denn die Identifikationsfunktion des Namens verlangt nach Namenskontinuität, so dass der Name nicht jeder Änderung der Verhältnisse anzupassen ist (v. Sachsen-Gessaphe in Münchner Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2008, RdNr. 8 vor § 1616). Dass die Eltern der Kläger im Hinblick auf "Änderungen in Politik und Gesellschaft" den Ehenamen jetzt nicht mehr so wählen würden, stellt keinen wichtigen Grund dar.

2. Soweit die Kläger mit ihrem Zulassungsantrag geltend machen, der Rechtssache komme grundsätzliche Bedeutung zu (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), genügt ihr Vortrag nicht den Darlegungserfordernissen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Um einen auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer - erstens - eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, - zweitens - ausführen, weshalb diese Rechtsfrage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, - drittens - erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist, und - viertens - darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt; Darlegungen zu offensichtlichen Punkten sind dabei entbehrlich (Happ in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, RdNr. 72 zu § 124 a). Diesen Anforderungen ist nicht genügt. Die Kläger benennen schon keine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 3 Satz 1, § 52 Abs. 2, § 47, § 39 Abs. 1 GKG. Die begehrte Namensänderung des Klägers zu 1. und der Klägerin zu 2. sind zwei selbständige Streitgegenstände, deren Wert von jeweils 5.000 € (vgl. Nr. 28.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Fassung 7/2004, abgedruckt bei Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 12. Aufl. 2006, Anhang) zusammenzurechnen war.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).