LG München I, Urteil vom 23.06.2010 - 33 O 24335/09
Fundstelle
openJur 2012, 109046
  • Rkr:
Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Erstattung von Kosten für ein Abschlussschreiben.

Die Klägerin ist eine Rechtsanwaltssozietät in Berlin, der Beklagte ist Rechtsanwalt in München. Der Beklagte bewarb sich im Branchenbuch als Fachanwalt für Versicherungsrecht, ohne zu diesem Zeitpunkt zur Fachanwaltschaft zugelassen gewesen zu sein, weshalb ihn die Klägerin unter Verzicht auf die Kosten entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum "Selbstauftrag" abmahnte. Da der Beklagte zunächst nicht bereit war, eine entsprechende Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abzugeben, erwirkte die Klägerin gegen den Beklagten im Verfahren 15 O 565/06 des Landgerichts Berlin den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Auf den Widerspruch des Beklagten hin bestätigte das Landgericht Berlin die einstweilige Verfügung, das vom Beklagten eingelegte Rechtsmittel erledigte sich durch Berufungsrücknahme mit Schriftsatz vom 16.07.2009. Das Kammergericht setzte den Streitwert für die erste Instanz mit Beschluss vom 21.07.2009 auf 10.000,-- Euro fest (vgl. Beschluss, Anlage K 1).

Mit dem als Anlage K 2 vorgelegten Schreiben vom 06.08.2009 forderte die Klägerin den Beklagten zur Abgabe einer entsprechenden Abschlusserklärung und Übernahme der Kosten für das Abschlussschreiben von 755,80 Euro auf. Der Beklagte gab zwar am 10.08.2009 – wie mit Schreiben vom 22.12.2006 angekündigt – eine entsprechende Abschlusserklärung ab (vgl. Schreiben vom 22.12.2006, Anlage B 2 und Abschlusserklärung, Anlage B 3), war aber nicht bereit, die ihm in Rechnung gestellten Kosten des Abschlussschreibens zu tragen. Die Klägerin forderte den Beklagten nach außergerichtlicher Kostenausgleichung mit Schreiben vom 14.10.2009 erfolglos zur Zahlung von 737,90 Euro bis zum 22.10.2009 auf (vgl. Schreiben vom 14.10.2009, Anlage K 3).

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Grundsätze der Rechtsprechung zum "Selbstauftrag" auf das Abschlussschreiben nicht anzuwenden seien, da der Sachverhalt keineswegs einfach gewesen sei, weil der Beklagte keinen eindeutigen Verzicht auf die Verjährung erklärt habe.

Mit Schriftsatz vom 26.02.2010 hat die Klägerin nach entsprechendem richterlichen Hinweis die Klage in Höhe von 169,80 Euro zurückgenommen und macht nunmehr anstatt einer 1,3 Geschäftsgebühr nur noch eine 1,0 Geschäftsgebühr für das Abschlussschreiben geltend.

Die Klägerin beantragt daher zuletzt:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 568,10 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23. Oktober 2009 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt:

Klageabweisung.

Der Beklagte führt aus, dass die einstweilige Verfügung des Landgerichts Berlin zu Unrecht ergangen sei, da er zum Zeitpunkt ihres Erlasses bereits Fachanwalt für Versicherungsrecht gewesen sei. Er trägt vor, dass der angesetzte Gegenstandswert für die Abschlusserklärung mit 15.000,-- Euro übersetzt sei und allenfalls ein Gegenstandswert in Höhe von 3.000,-- Euro anzusetzen sei. Im Übrigen sehe das RVG für derartige einfache Schreiben lediglich eine 0,3 Gebühr vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die wechselseitigen Schriftsätze samt Anlagen und die Sitzungsniederschrift vom 23.06.2010 Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 20.01.2010 ist der Rechtsstreit gemäß § 348 a Abs. 1 ZPO der Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen worden (Bl. 6 d. A.).

Das Gericht hat mit Verfügungen vom 24.02.2010 und 02.03.2010 Hinweise gegeben. Auf die Verfügungen vom 24.02.2010 und vom 02.03.2010 wird Bezug genommen (Bl. 12 und 16 d. A.).

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

15I. Die Klägerin kann von dem Beklagten die Erstattung von Kosten für das Abschlussschreiben weder aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG noch aus §§ 683 S. 1, 670, 677 BGB (Geschäftsführung ohne Auftrag) noch aus sonstigen Anspruchsgrundlagen verlangen, da diese nicht notwendig waren.

a) Zu ersetzen sind nur diejenigen Kosten, die aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (BGH GRUR 2007, 621 – Abschlussschreiben).

17b) Der Klägerin ist es wie anderen kundigen Gläubigern, z. B. Wirtschaftsverbänden, Wettbewerbsvereinen und größeren Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung, zuzumuten, das Abschlussschreiben selbst ohne anwaltliche Hilfe zu formulieren (vgl. dazu KG NJWE-WettbR 1999, 293 für ein wettbewerbsrechtliches Abschlussschreiben; BGH GRUR 2007, 621 – Abschlussschreiben für ein Abschlussschreiben außerhalb des Wettbewerbsrechts; Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, 28. Auflage, § 12 Rdnr. 3.73; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Retzer, UWG, 2. Auflage, § 12 Rdnr. 665; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Auflage, § 43 Rdnr. 32; Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Auflage, § 12 Rdnr. 186).

c) Bei einer Abmahnung ist die (Selbst-) Beauftragung eines Anwalts weder unter dem Gesichtspunkt einer Geschäftsführung ohne Auftrag noch unter schadensersatzrechtlichen Aspekten erforderlich, wenn der Abmahnende bei typischen, unschwer zu verfolgenden Wettbewerbsverstößen selbst über eine hinreichende eigene Sachkunde zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung verfügt, was die Klägerin offensichtlich für sich bejaht hat (BGH NJW 2004, 2448 – Selbstauftrag).

d) Als Abschlussschreiben, welches gelegentlich als Abmahnung für das Hauptsacheverfahren angesehen wird (Ahrens, Wettbewerbsprozess, 5. Auflage, Kap. 58 Rdnr. 40 m. w. N.), genügte im vorliegenden Fall die formlose Anfrage, ob die vorangegangene einstweilige Verfügung nunmehr als endgültige Regelung anerkannt werde. Bei dieser Sachlage unterliegt ein Abschlussschreiben geringeren Anforderungen als eine erste Abmahnung. Jedenfalls für einen Anwalt, der schon das Verfügungsverfahren erfolgreich selbst durchgeführt hat, erscheint es zumutbar, vor Durchführung des Hauptsacheverfahrens die erste Anfrage, ob dieses durchgeführt werden müsse oder ob es bei der einstweiligen Verfügung verbleibe, ohne Einschaltung eines anderen Rechtsanwalts durchzuführen (BGH GRUR 2007, 621 – Abschlussschreiben).

e) Im vorliegenden Fall war das Abschlussschreiben der Klägerin ein reines Routinegeschäft und warf keine schwierigen Rechtsfragen auf. Soweit die Klägerin anführt, es seien schwierige Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Verjährungsverzicht des Beklagten aufgetreten, so kann dies nicht ohne weiteres nachvollzogen werden. Der im Schreiben des Beklagten vom 22.12.2006 – mit dem im Übrigen auch bereits die Abgabe einer Abschlusserklärung angekündigt wurde – formulierte Verjährungsverzicht ist eindeutig (vgl. Schreiben vom 22.12.2006, Anlage B 2); abweichende Erklärungen des Beklagten hat die Klägerin nicht vorgelegt.

f) Nachdem die Klägerin folglich bei Einschaltung eines anderen Rechtsanwalts keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten gehabt hätte, muss Entsprechendes auch für den Fall der Selbstbeauftragung gelten (BGH GRUR 2007, 620 – Immobilienwertgutachten; BGH NJW 2004, 2448 – Selbstauftrag).

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 708 Nr. 11 und § 711 S. 1 und 2 ZPO.

III. Die Berufung war zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 511 Abs. 4 ZPO hat (Zöller/Heßler, ZPO, 28. Auflage, § 511 Rdnr. 37).