AG Augsburg, Beschluss vom 28.06.2010 - 1 M 11033/10
Fundstelle
openJur 2012, 108986
  • Rkr:
Tenor

1. Die Erinnerung der Schuldnerin vom 12.03.2010, eingegangen am 15.03.2010 gegen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Augsburg vom 05.03.2010 wird zurückgewiesen.

2. Die Wirksamkeit dieses Beschlusses wird bis zur Rechtskraft hinausgeschoben.

3. Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben.

Gründe

Mit Beschluss vom 05.03.2010 erließ das Vollstreckungsgericht Augsburg aufgrund des Kostenfestsetzungsbeschlusses des Landgerichts München II vom 21.01.2010 (12 O 235/08) einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss. In dem Kostenfestsetzungsbeschluss wurden die der Gläubigerin zu erstattenden Kosten auf 1.735 € nebst 5 % Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 08.09.2009 festgesetzt. Der Schuldnerin hat das Landgericht gestattet, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, falls nicht die Gläubigerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Schuldnerin hatte zuvor am 04.02.2010 als Sicherheit 1.950,27 € beim Amtsgericht Augsburg hinterlegt und die Gläubigerin am 25.02.2010 durch Hinterlegung beim Amtsgericht München Sicherheit in Höhe von 1.908,50 € geleistet.

Mit Schreiben vom 12.03.2010 (Bl. 2/3) hat die Schuldnerin Erinnerung eingelegt und die vorläufige Aufhebung bzw. Aussetzung der Pfändung und Kontofreigabe bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens beantragt. Mit Beschluss vom 16.03.2010 (Bl. 15/16) hat die Rechtspflegerin die Kontofreigabe zurückgewiesen und die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt. Die Gläubigerin hat die Zurückweisung der Erinnerung beantragt (Bl. 18/20). Die Rechtpflegerin hat der Erinnerung mit Beschluss vom 07.05.2010 nicht abgeholfen (Bl. 53/54). Der Hinterlegungsschein der Gläubigerin vom 25.02.2010 wurde der Schuldnerin am 05.06.2010 zugestellt.

Die Schuldnerin begründet ihre Erinnerung u.a. damit, dass wegen der Schuldnerhinterlegung die Vollstreckungsmaßnahme rechtsmißbräuchlich (Bl. 3), eine Hinterlegung durch die Gläubigerin nach § 711 Absatz 1 ZPO nicht möglich, weil der in Bezug stehende § 708 Nr. 11 ZPO durch 1.500 € begrenzt sei, die Schuldnerin nicht unverzüglich über die Hinterlegung nach § 374 Absatz 2 BGB benachrichtigt worden (Bl. 14) sowie keine vorherige Zustellung der die Sicherheitsleitung nachweisenden Urkunde nach § 751 Absatz 2 ZPO erfolgt sei (Bl. 34), durch die vorausgehende Sicherheitsleistung seitens der Schuldnerin die zeitlich nachfolgende Sicherheitsleistung seitens der Gläubigerin rechtsunwirksam werde (Bl. 36), der hinterlegte Betrag in Höhe von 1.908.50 € zu gering, die fehlende Zustellung nach § 751 Absatz 2 ZPO nicht nachholbar sei, weil die 2-Wochen-Frist des § 750 Absatz 3 ZPO nicht nachholbar sei, und gemäß § 775 Ziffer 3 ZPO die Zwangsvollstreckung dauerhaft einzustellen sei.

Die nach § 766 Absatz 1 Satz 1 ZPO zulässige Erinnerung ist unbegründet. Zwar war der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 05.03.2010 anfechtbar wegen Verstoßes gegen § 751 Absatz 1 ZPO, jedoch wurde dieser Mangel geheilt.

Entgegen der Auffassung des Gläubigerinvertreters fehlt der Erinnerung nicht wegen des Antrags auf Einstellung der Zwangsvollstreckung beim OLG München das Rechtsschutzbedürfnis. Es geht nämlich vorliegend allein darum, ob ein wirksamer Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vorliegt oder dieser wegen Fehlerhaftigkeit aufzuheben ist, weil es an Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen fehlt.

Ein Verstoß gegen § 720 a ZPO oder § 750 Absatz 3 ZPO liegt nicht vor. So wurde vom Gläubigervertreter nicht im Wege der Sicherungsvollstreckung nach § 720 a ZPO vollstreckt, weil gerade kein Pfändungsbeschluss, sondern ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss beantragt wurde. Auch liegt gerade kein Titel vor, der nur gegen Sicherheitsleistung des Gläubigers vorläufig vollstreckbar ist, was aber Voraussetzung für die Sicherungsvollstreckung ist (Zöller 28 Auflage § 720a ZPO RdNr. 2; M-K 3. Auflage § 720 a ZPO RdNr. 2). Hier kann die Gläubigerin grundsätzlich ohne Sicherheitsleistung vollstrecken. Damit sind hier § 720 a Absatz 3 und § 750 Absatz 3 ZPO nicht einschlägig.

Auch war bei Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses mangels Kenntnis seitens des Vollstreckungsgerichts nicht der Umstand der Sicherheitsleistung durch die Schuldnerin am 04.02.2010 zu berücksichtigen (vgl. § 775 Ziffer 3 ZPO).

In dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts München II ist die Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO in Anlehnung an das Urteil vom 25.11.2008 (12 O 235 / 08 LG München II) enthalten. Ob das Landgericht wegen § 708 Nr. 11 ZPO nicht § 711 ZPO hätte anwenden dürfen, wird im Zwangsvollstreckungsverfahren nicht geprüft. Ferner sind vorliegend nicht §§ 372 ff BGB einschlägig, weil die in diesen Vorschrift geregelte Hinterlegung nur ein Erfüllungssurrogat darstellt, aber nicht die Hinterlegung zur Sicherungszwecken nach § 108 ZPO ff. betrifft (vgl. Palandt 68. Auflage Einf v. § 372 BGB RdNr. 3 sowie Zöller § 108 ZPO RdNr. 1).

Allerdings hätte vor Erlass des beantragten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses die Gläubigerin entweder auf den Zustellungsnachweis der Hinterlegungsurkunde nach § 751 Absatz 1 ZPO oder auf die Möglichkeit, sich wegen § 839 ZPO auf eine Pfändung ohne Überweisung zu beschränken, hingewiesen werden müssen.

Dabei ist entgegen der Auffassung des Gläubigerinvertreters (Bl. 63) nicht das Vollstreckungsgericht für die Zustellung nach § 751 Absatz 2 ZPO zuständig. Es handelt sich um keine Zustellung von Amts wegen, sondern um eine Parteizustellung, bei der anders als bei der Zwangsvollstreckung durch einen Gerichtsvollzieher (vgl. §192 ZPO) nicht das Vollstreckungsorgan (= hier Vollstreckungsgericht) mit der Zustellung beauftragt werden kann.

Darüber hinaus hätte die Rechtspflegerin nach Vorlegung der Hinterlegungsurkunde prüfen müssen, ob nun nicht nach § 773 Ziffer 3 ZPO vorzugehen wäre.

Durch die am 05.06.2010 erfolgte Zustellung des Hinterlegungsscheins der Gläubigerin vom 25.02.2010 wurde nun der Zustellungsmangel des § 751 Absatz 1 ZPO der Schuldnerin rückwirkend geheilt.

13Entgegen der Auffassung des Schuldnervertreters im Schriftsatz vom 03.05.2010 wird durch die Sicherheitsleistung seitens der Schuldnerin nicht die Sicherheitsleistung der Gläubigerin ausgeschlossen (vgl. Wortlaut des Kostenfestsetzungsbeschlusses sowie von § 711 Satz 1 ZPO). Vielmehr erlischt nunmehr die mit der Sicherheitsleistung des Schuldners verbundene Wirkung und die Gläubigerin kann wie bei einem Urteil vollstrecken, das nach § 709 ZPO für vorläufig vollstreckbar erklärt worden ist. Mithin ist unerheblich, wann der Gläubiger Sicherheit leistet (so ausdrücklich OLG Zweibrücken Rpfleger 1999, 454: „Der Begriff „zuvor“ bezieht sich nicht auf die Reihenfolge der Sicherheitsleistung, sondern nur auf die Zwangsvollstreckung; auch OLG Oldenburg Rpfleger 1985, 504; OLG Köln MDR 1993, 270; Zöller 28. Auflage § 711 ZPO RdNr. 1; Münchner Kommentar 2007 § 711 ZPO RdNr. 7).

14Die fehlende Zustellung kann mit ex-tunc-Wirkung nachgeholt werden(vgl. Zöller 28. Auflage vor § 704 ZPO RdNr. 35 m.w.N.; siehe BGH NJW-RR 2008, 1018 zur Heilungsmöglichkeit von Mängeln bei der Titelzustellung im Zwangsversteigerungsverfahren.). Das gilt auch für das Erinnerungsverfahren, weil es dabei auf die Sach- und Rechtslage beim Erlass der Erinnerungsentscheidung ankommt und nicht auf die zur Zeit der Pfändung oder Beanstandung (so BGH NJW-RR 2009,211). Der Heilung steht nicht § 776 Satz 1 ZPO entgegen, wonach bei § 773 Ziffer 3 ZPO die Aufhebung der Vollstreckungsmaßregel vorgesehen ist. Zum einen ist gerade nicht nach § 776 Satz 1 ZPO vorgegangen worden. Zum anderen ist im Rahmen der Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO vor einer Entscheidung nach § 775 Ziffer 3 ZPO dem Gläubiger bei Sicherheitsleistung durch den Schuldner rechtliches Gehör zu gewähren, um die Wirkung der Abwendungsbefugnis seitens des Schuldners beseitigen zu können. In diesem Zusammenhang hätte aber aufgrund von § 839 ZPO zugunsten der Schuldnerin nur eine Entscheidung wegen der angeordneten Überweisung, nicht aber wegen der angeordneten Pfändung ergehen können.

Die Zwangsvollstreckung ist schließlich nicht schikaneartig erfolgt, sondern unter Einhaltung der Wartefrist des § 798 ZPO. Sie ist nicht rechtsmißbräuchlich wegen der Hinterlegung der Sicherheit durch die Schuldnerin, weil § 711 ZPO gerade erlaubt, dass der Gläubiger entweder vor dem Schuldner oder nach dessen Sicherheitsleistung selbst Sicherheit leistet.

Der von der Gläubigerin hinterlegte Betrag in Höhe von 1.908,50 € sind genau 110 % von dem zu vollstreckenden Betrag in Höhe von 1.735 €, weshalb der Einwand der Schuldnerin, die Gläubigerin hätte wie sie 1.950,27 € hinterlegen müssen, nicht zum tragen kommt. Zu dem „vollstreckenden Betrag“ gehören nämlich nicht die Zinsen, weil es nicht heißt „den jeweils zu vollstreckenden Betrag“ wie in § 709 Satz 1 ZPO. Vielmehr werden die Zinsen durch den 10 %-Zuschlag berücksichtigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Absatz 2 ZPO unter Heranziehung des Rechtsgedankens von § 92 Absatz 1 Satz 1 ZPO. Ursprünglich wäre die Erinnerung teilweise erfolgreich gewesen, weil der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wegen § 839 ZPO auf die Pfändung hätte beschränkt werden müssen und erst durch die im Erinnerungsverfahren erfolgte Zustellung nach § 751 Absatz 2 ZPO die Erinnerung insgesamt erfolglos wurde.

Eine Gegenstandswertfestsetzung erfolgt nicht, weil keine Gerichtsgebühren anfallen