LG München I, Urteil vom 20.05.2010 - 7 O 19419/08
Fundstelle
openJur 2012, 108301
  • Rkr:
Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung eines Patents auf Unterlassung, Rechnungslegung und Schadensersatz in Anspruch.

Die Klägerin stellt sogenannte Intermediate Bulk Container (IBCs) her und vertreibt diese. Diese fertigt sie u. a. nach dem als Anlage K 2 beigefügten europäischen Patent 0 370 307 B1 „Palettenbehälter" (Klagepatent). Inhaber dieses Schutzrechts ist die P. S.A.

Anspruch 1 des Klagepatents lautet:

Palettenbehälter mit einer Flachpalette, einem austauschbaren Innenbehälter aus Kunststoff mit einer oberen Einfüllöffnung und einer unteren Entleerungseinrichtung sowie einem den Innenbehälter umgebenden Außenmantel aus einem Gitterwerk mit senkrechten und waagerechten Gitterstäben aus Metall mit folgender Ausgestaltung:

Der Außenmantel besteht aus als Rohre ausgebildeten Gitterstäben. Die Gitterstäbe liegen eng an der Außenwand des Kunststoffinnenbehälters an. An den Kreuzungsstellen sind die senkrechten und waagerechten Gitterstäbe zur Bildung muldenartiger, in Längsrichtung der Gitterstäbe verlaufender doppelwandiger Vertiefungen eingezogen. Die beiden gekrümmten Längsränder der Wandung der Vertiefungen jedes Gitterstabes verlaufen zwischen einer Tangentialebene und einer zu dieser parallelen Sekantenebene des Gitterstabes. An jeder Kreuzungsstelle zwischen den Längsrändern der Vertiefungen zweier rechtwinklig übereinander liegender Gitterstäbe entstehen vier in einer Ebene liegende Berührungsstellen mit jeweils einer der vierfachen Gitterstabwandstärke entsprechenden Materialanhäufung. Die Gitterstäbe sind durch eine Widerstandspreßschweißung der vier Berührungsstellen an jeder Kreuzungsstelle derart miteinander verbunden, dass die Stäbe innen und außen gemeinsame Tangentialebenen aufweisen.

In der Beschreibung des Klagepatents heißt es unter anderem:

Zum Innenbehälter führt das Klagepatent u. a. aus:

Sp. 2, Z. 35 bis 42: „Der Palettenbehälter 1 nach den Fign. 1 und 2 zur Lagerung und für den Transport von Flüssigkeiten weist als Hauptbauteil einen austauschbaren Innenbehälter 2 aus Polyethylen mit rechteckigem bzw. quadratischem Grundriß und abgerundeten Ecken und Kanten sowie einen Außenmantel 3 aus sich kreuzenden senkrechten und waagerechten Gitterstäben 4, 5 aus Stahlrohr und einen Blechboden 6 auf."

Sp. 2, Z. 49 - 58: „Der Kunststoff-Innenbehälter 2 hat in der Mitte seiner oberen Wand 9 eine Einfüllöffnung 10, die mit einem Schraubdeckel 11 verschließbar ist. An seiner tiefsten Stelle besitzt der Innenbehälter 2 eine Auslassöffnung 12, die ebenfalls mit einer Schraubkappe 13 und zusätzlich mit einer kunststoffkaschierten Folie (nicht dargestellt) verschlossen wird, so dass nach Abschrauben der Kappe 13 eine entsprechende Zapfarmatur, z. B. ein Einschlag- oder Aufschraubhahn, angebracht werden kann."

Sp. 3, Z. 1 - 8: „Die senkrechten und waagerechten Gitterstäbe 4, 5 des Außenmantels 3 liegen eng an der Außenwand 14 des Innenbehälters 2 an und bilden durchgehende äußere und innere Begrenzungsebenen, so daß ein „Klettern" benachbarter Palettenbehälter aufgrund einer Verwindung der Ladefläche beim Transport der Behälter z. B. mit einem Lastkraftwagen ausgeschlossen ist."

Die Beklagten bieten die Wiederaufarbeitung (Rekonditionierung) von IBCs der Firma S. in der Weise an, dass der Kunststoff-Innenbehälter durch einen von der M.-Gruppe stammenden Behälter ersetzt wird (Schreiben Anlage K 5).

Die Klägerin sieht darin eine Patentverletzung.

Ihre Aktivlegitimation hat die Klägerin zuletzt mit einer von der P. S.A. erworbenen ausschließlichen Lizenz der S. KG begründet. Die Klägerin sei Gesamtrechtsnachfolgerin der S. KG.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Kunststoff-Innenbehälter integraler Bestandteil des patentgeschützten Palettenbehälters ist und nicht ohne Verletzung des Schutzrechts durch Dritte ausgetauscht werden kann. Von der patentrechtlichen Erschöpfung sei es nicht gedeckt, aus gebrauchten, nicht mehr funktionsfähigen Gegenständen erhalten gebliebene Teile zu entnehmen und wieder zu funktionsfähigen Gegenständen zu komplettieren. Das komme einer patentverletzenden Neuherstellung gleich.

Mit dem Außenmantel aus waagerechten und senkrechten Gitterstangen allein ließen sich Flüssigkeiten nicht transportieren, ebensowenig mit dem den Druck- und Schwallbelastungen nicht gewachsenen Innenbehälter. Es bedürfe vielmehr eines funktionalen Zusammenwirkens von aneinander angepaßtem Außenmantel und Innenbehälter nach Maßgabe des Anspruches 1 des Klagepatents. Nur dann, wenn die einander gegenüberliegenden Außenwände des Innenbehälters so voneinander beabstandet seien, dass sie an den Gitterstäben anliegen, könnten sie von letzteren erfindungsgemäß abgestützt und so gegenüber Schwallschwingungen und sonstiger Druckbelastung stabilisiert werden. Die Innenbehälter seien deshalb keine handelsüblichen Produkte; sie müssten speziell und eigens für die Schütz-Gitterkäfige angefertigt werden. Der Gittermantel solle den Innenbehälter schützen und stabilisieren. Dazu sei der Gittermantel aber nur dann in der Lage, wenn auch er so gestaltet sei, dass er mit seinen Gitterstäben an den Außenwänden des Innenbehälters anliege. Um dies zu erreichen, besäßen die Gitterstäbe die eingezogenen Vertiefungen gemäß Merkmal 3. Es bestehe also eine wechselseitige konstruktive Abhängigkeit der beiden Hauptbauteile Gittermantel und Innenbehälter; nur in ihrem Zusammenwirken manifestiere sich die erfindungsgemäße Lösung, indem sich der Innenbehälter an die Innenseite des Gittermantels anlehne. Diese wechselseitige Anpassung sei das Herzstück der durch die beiden Hauptbauteile geprägten patentierten Einheit.

Maßgeblich sei letztlich, ob die getroffenen Maßnahmen noch die Identität des bereits in den Verkehr gebrachten konkreten patentgeschützten Erzeugnisses wahrten oder der Schaffung eines neuen erfindungsgemäßen Erzeugnisses gleichkämen. Anders als in den vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen „Laufkranz" und „Pipettensystem" bestimme hier der ausgetauschte Teil, d. h. der Innenbehälter, wesentlich die Identität des „Palettenbehälters für Flüssigkeiten"; ohne den Innenbehälter liege kein Palettenbehälter für Flüssigkeiten vor; sein Austausch schaffe deshalb eine „neue" Identität. Es gehe um die Frage, ob der Austausch des Innenteils des IBCs die Identität des „Palettenbehälters für Flüssigkeiten" verändere. Dies sei zu bejahen. Ohne den Innenteil des IBCs komme ein solches Erzeugnis nicht vor. Es bestimme also auch und gerade der ausgetauschte Teil, der Innenteil des IBCs, wesentlich die Identität des „Palettenbehälters für Flüssigkeiten"; mit der Palette und dem Außenmantel des IBCs allein könnten Flüssigkeiten nicht transportiert werden. Der Austausch des Innenteils des IBCs schaffe also ein neues Erzeugnis und damit eine neue Identität. Ohne den Innenteil des IBCs verbleibe nur ein rudimentärer Teil der unter Schutz gestellten Baueinheit aus Außenmantel des IBCs und Innenteil des IBCs. Gittermantel und Innenbehälter des Palettenbehälters seien gleichgewichtige, identitätsprägende Hauptbauteile des Erzeugnisses. Der Palettenbehälter sei dabei auch kein „Wegwerfartikel", der nach jedem Umlauf des Palettenbehälters auszutauschen wäre.

Hinzu komme, dass die Beklagten die rekonditionierten IBC’s nicht an die Abnehmer der Klägerin zurücklieferten, sondern nicht mehr benötigte, leere IBC’s einsammelten, rekonditionierten und – in Konkurrenz zur Klägerin – Befüllern anböten. Es könne bei dieser Sachverhaltskonstellation – die sich insofern von der Fallgestaltung beim „Pipettiersystem“ unterscheide, als dort die Verschleißteile an den Abnehmer des Patentinhabers geliefert worden seien – daher keine Rede davon sein, dass der Patentinhaber bereits durch das erstmalige Inverkehrbringen der Gesamtvorrichtung den ihm zustehenden Nutzen aus der Erfindung gezogen hätte.

Die Klägerin hat daher zuletzt b e a n t r a g t,

I. den Beklagten bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu € 250.000,-, ersatzweise an einem ihrer gesetzlichen Vertreter zu vollziehender Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verbieten,

Palettenbehälter mit einer Flachpalette, einem austauschbaren Innenbehälter aus Kunststoff mit einer oberen Einfüllöffnung und einer unteren Entleerungseinrichtung sowie einem den Innenbehälter umgebenden Außenmantel aus einem Gitterwerk mit senkrechten und waagerechten Gitterstäben aus Metall

die folgende Merkmale aufweisen:

1. Der Außenmantel besteht aus als Rohre ausgebildeten Gitterstäben.

2. Die Gitterstäbe liegen eng an der Außenwand des Kunststoffinnenbehälters an.

3. An den Kreuzungsstellen sind die senkrechten und waagerechten Gitterstäbe zur Bildung muldenartiger, in Längsrichtung der Gitterstäbe verlaufender, doppelwandiger Vertiefungen eingezogen.

4. Die beiden gekrümmten Längsränder der Wandung der Vertiefungen jedes Gitterstabes verlaufen zwischen einer Tangentialebene und einer zu dieser parallelen Sekantenebene des Gitterstabes.

5. An jeder Kreuzungsstelle zwischen den Längsrändern der Vertiefungen zweier rechtwinklig übereinander liegender Gitterstäbe entstehen vier in einer Ebene liegende Berührungsstellen mit jeweils einer der vierfachen Gitterstabwandstärke entsprechenden Materialanhäufung.

6. Die Gitterstäbe sind durch eine Widerstandspreßschweißung der vier Berührungsstellen an jeder Kreuzungsstelle derart miteinander verbunden, daß die Stäbe innen und außen Tangentialebenen aufweisen, die um ein Maß von weniger als der Hälfte des Durchmessers eines Gitterstabes gegeneinander versetzt sind, sofern die Vertiefungen eine mittige Erhöhung aufweisen,

dadurch wiederaufzuarbeiten und/oder die Wiederaufarbeitung anzubieten und/oder derart wieder aufgearbeitete Palettenbehälter anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,

dass der Innenbehälter ausgetauscht wird gegen einen nicht von der Klägerin stammenden und nicht mit ihrer Zustimmung innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums erstmals in Verkehr gebrachten Innenbehälter aus Kunststoff, wobei der Kunststoffbehälter mit einer oberen Einfüllöffnung und einer unteren Entleerungseinrichtung versehen und derart dimensioniert ist, dass die Gitterstäbe des Außenmantels eng an der Außenwand des Innenbehälters anliegen.

II. festzustellen, dass die Beklagten samtverbindlich der Klägerin allen Schaden zu ersetzen haben, welcher dieser aus den Verletzungshandlungen gemäß Ziffer I. seit 03.03.1993 entstanden ist und/oder noch entstehen wird.

III. die Beklagten zu verurteilen, der Klägerin für die Zeit ab 03.03.1993 unter Vorlage eines einheitlichen geordneten Verzeichnisses darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfange sie die Handlungen gemäß Ziffer l. begangen haben, und zwar unter Angabe der wieder aufgearbeiteten Palettenbehälter, der Wiederaufarbeitungszeiten, der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -Zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer, der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -Zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger, der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet sowie der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns.

IV. festzustellen, dass sich der Rechtsstreit im Hinblick auf die Ausführungsformen „1. Generation“ und „2. Generation“ erledigt hat.

Die Beklagten haben b e a n t r a g t,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten halten die Klägerin nicht für prozeßführungsbefugt. Außerdem stellen sie eine Patentverletzung in Abrede: Die angegriffene Ausführungsform verwirkliche die Merkmale des Klagepatents weder wortsinngemäß noch äquivalent. Durch Austausch der Innenbehälter würden die IBCs nicht neu hergestellt, sondern in zulässiger Weise bestimmungsgemäß gebraucht.

Die Klägerin mache ausschließlich der Patentinhaberin Schütz-Werke GmbH & Co. KG angeblich zustehende Rechte geltend. Insofern sei die Klägerin jedoch nicht prozeßführungsbefugt. Die bloße Ermächtigung durch die Patentinhaberin vermöge eine Prozeßführungsbefugnis nicht zu begründen. Eine gewillkürte Prozeßstandschaft zur Geltendmachung von allein der Patentinhaberin zustehenden Schadensersatz- und Auskunftsansprüchen sei sogar dem Grunde nach ausgeschlossen, da es immer an einem eigenen Interesse des Dritten fehle.

Hinsichtlich der Beklagten zu 2) scheide eine Haftung schon deshalb aus, weil die Beklagte zu 2) erst am 19. September 2008 durch Umfirmierung aus der Gesellschaft "R. GmbH" gegründet worden sei. Der Beklagten zu 2) könne schon deshalb die Rekonditionierung des in Anlage K 6 fotografierten und im März 2007 in Verkehr gebrachten IBC nicht zugerechnet werden. Die R. GmbH habe mit der Rekonditionierung von IBCs nie etwas zu tun gehabt.

Die von der Klägerin bzw. Patentinhaberin selbst gefertigten und in Verkehr gebrachten IBCs, die – in rekonditionierter Form – Gegenstand des Patentverletzungsvorwurfes seien, machten von den Merkmalen des Klagepatents keinen Gebrauch. Bei den als Anlage K 6 überreichten Fotos sei nicht zu erkennen, ob der dort abgebildete IBC die Merkmale des Klagepatents verwirkliche. Vorsorglich werde die Verwirklichung insbesondere der Merkmale 2 und 6 des Anspruchs 1 des Klagepatentes bestritten. Der auf den Fotos gem. Anlage K 6 abgebildete streitgegenständliche IBC sei auch von den Beklagten weder rekonditioniert noch in Verkehr gebracht worden.

Merkmal 2 werde nicht verwirklicht, da die Gitterstäbe nicht eng an der Außenwand des Kunststoffbehälters anlägen. Die waagerechten Gitterstäbe seien vielmehr von dem Kunststoffbehälter durch die senkrechten Gitterstäbe beabstandet.

Merkmal 6 werde nicht verwirklicht, da die waagerecht und senkrecht verlaufenden Rohre weder innen noch außen gemeinsame Tangentialebenen der waagerechten und senkrechten Stäbe aufwiesen.

Eine Ausführungsform, wie sie von der Klägerin im Klageantrag definiert werde, falle nicht unter die patentgemäße Lehre; der Klageantrag werde – in Abweichung vom Wortsinn – auf Ausführungsformen ausgedehnt, bei denen die Stäbe weder innen noch außen gemeinsame Tangentialebenen aufweisen, sondern bei denen die vertikalen und die horizontalen Stäbe jeweils eigene innere und äußere Tangentialebenen definieren, wobei die durch die horizontalen Stäbe definierten Ebenen von den durch die vertikalen Stäben definierten Ebenen um bis zu 49,99% des Durchmessers eines Gitterstabes beabstandet sein dürften. Bei einer solchen Ausführungsform wären die Horizontalstäbe um bis zur Hälfte eines Stabdurchmessers von dem Kunststoffbehälter beabstandet und können ihn deshalb nicht abstützen.

Außerdem handele es sich hier nach den vom Bundesgerichtshof herausgearbeiteten Kriterien nicht um eine verbotene Neuherstellung, sondern einen zulässigen, bestimmungsgemäßem Gebrauch beim Austausch von Teilen einer patentgeschützten Vorrichtung. Die Erfindung des Streitpatentes habe sich allein um die Verbesserung der Gitterbox (des Außenmantels) verdient gemacht. Der Innenbehälter sei demgegenüber nur Objekt der Gesamtvorrichtung und noch dazu von vorneherein bestimmungsgemäß zum Austausch vorgesehen. Deshalb verdiene der Patentinhaber keinen Schutz gegen einen Austausch des Innenbehälters.

IBCs der hier in Rede stehenden Bauart seien Großverpackungen für gefährliche flüssige Füllgüter (z.B. Chemikalien), die bestimmungsgemäß dazu vorgesehen seien, mehrfach verwendet zu werden. So gehe auch der Patentanspruch davon aus, dass der Kunststoffbehälter während der zu erwartenden Lebensdauer des IBCs mehrfach ersetzt werde. Der Austausch des Innenbehälters werde als bestimmungsgemäß vorausgesetzt.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

I.

Der mit der Klage angegriffene Austausch von Innenbehältern patentgemäßer Palettenbehälter der Klägerin durch die Beklagten stellt keine Patentverletzung dar. Ein solcher Austausch gehört zum bestimmungsgemäßen Gebrauch des Palettenbehälters.

1. Das Klagepatent betrifft einen Palettenbehälter mit einem austauschbaren Innenbehälter.

Der Außenmantel des Palettenbehälters wird aus als Rohren ausgebildeten Gitterstäben gebildet, die eng an der Außenwand des Kunststoff-Innenbehälters anliegen.

Die Patentschrift erörtert einleitend die Nachteile von Palettenbehältern mit Gitterboxen aus Vollstäben, wie sie in den beiden Druckschriften DE-A-30 39 635 und FR-A-2 596 360 beschrieben werden.

Die dem Klagepatent zugrundeliegende Aufgabenstellung lautet, die Stabilität und die Möglichkeit der automatisierten Fertigung solcher Palettenbehälter weiter zu verbessern, insbesondere, Lösungsmöglichkeiten zur Verbindung der Gitterstäbe des Außenmantels aufzuzeigen.

Die erfindungsgemäße Lösung nach Anspruch 1 des Klagepatents kann wie folgt gegliedert werden:

Palettenbehälter mit einer Flachpalette, einem austauschbaren Innenbehälter aus Kunststoff mit einer oberen Einfüllöffnung und einer unteren Entleerungseinrichtung sowie einem den Innenbehälter umgebenden Außenmantel aus einem Gitterwerk mit senkrechten und waagerechten Gitterstäben aus Metall mit folgender Ausgestaltung:

(1) Der Außenmantel besteht aus als Rohre ausgebildeten Gitterstäben.

(2) Die Gitterstäbe liegen eng an der Außenwand des Kunststoffinnenbehälters an.

(3) An den Kreuzungsstellen sind die senkrechten und waagerechten Gitterstäbe zur Bildung muldenartiger, in Längsrichtung der Gitterstäbe verlaufender doppelwandiger Vertiefungen eingezogen.

(4) Die beiden gekrümmten Längsränder der Wandung der Vertiefungen jedes Gitterstabes verlaufen zwischen einer Tangentialebene und einer zu dieser parallelen Sekantenebene des Gitterstabes.

(5) An jeder Kreuzungsstelle zwischen den Längsrändern der Vertiefungen zweier rechtwinklig übereinander liegender Gitterstäbe entstehen vier in einer Ebene liegende Berührungsstellen mit jeweils einer der vierfachen Gitterstabwandstärke entsprechenden Materialanhäufung.

(6) Die Gitterstäbe sind durch eine Widerstandspreßschweißung der vier Berührungsstellen an jeder Kreuzungsstelle derart miteinander verbunden, dass die Stäbe innen und außen gemeinsame Tangentialebenen aufweisen.

2. Die Klägerin ist der Ansicht, mit dem Austausch des Innenbehälters eines erfindungsgemäßen Palettenbehälters werde dieser neu hergestellt. Dem folgt die Kammer nicht.

Mit dem Inverkehrbringen des geschützten Palettenbehälters ist das Ausschließlichkeitsrecht des Patentberechtigten hinsichtlich der in den Verkehr gesetzten Einheit aus Gitterkäfig und Innenbehälter auch dann erschöpft, wenn der Innenbehälter – bestimmungsgemäß – ausgetauscht wird. Der Austausch gehört zum bestimmungsgemäßen Gebrauch des Palettenbehälters. Die Nutzer der Palettenbehälter der Klägerin dürfen daher die Innenbehälter selbst herstellen oder von Dritten wie der Beklagten beziehen.

Zum bestimmungsgemäßen Gebrauch eines patentgeschützten Erzeugnisses gehört nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes auch die Erhaltung und Wiederherstellung der Gebrauchstauglichkeit, wenn die Funktions- oder Leistungsfähigkeit des konkreten Erzeugnisses ganz oder teilweise durch Verschleiß, Beschädigung oder aus anderen Gründen beeinträchtigt oder aufgehoben ist. Von der Wiederherstellung einer aufgehobenen oder beeinträchtigten Gebrauchstauglichkeit eines mit Zustimmung des Patentinhabers in den Verkehr gelangten Erzeugnisses kann indessen dann nicht mehr gesprochen werden, wenn die getroffenen Maßnahmen darauf hinauslaufen, das patentgemäße Erzeugnis erneut herzustellen. Für die Abgrenzung zwischen (zulässigem) bestimmungsgemäßen Gebrauch und (unzulässiger) Neuherstellung ist dabei maßgeblich, ob die getroffenen Maßnahmen noch die Identität des bereits in den Verkehr gebrachten konkreten patentgeschützten Erzeugnisses wahren oder der Schaffung eines neuen erfindungsgemäßen Erzeugnisses gleichkommen. Zur Beurteilung dieser Frage bedarf es einer die Eigenart des patentgeschützten Erzeugnisses berücksichtigenden Abwägung der schutzwürdigen Interessen des Patentinhabers an der wirtschaftlichen Verwertung der Erfindung einerseits und des Abnehmers am ungehinderten Gebrauch des in den Verkehr gebrachten konkreten erfindungsgemäßen Erzeugnisses andererseits (BGH GRUR 2007, 769 - Pipettensystem).

Wie der Bundesgerichtshof für die Abgrenzung zwischen identitätswahrender Reparatur und Neuherstellung ausgesprochen hat, kann die Grenze des bestimmungsgemäßen Gebrauchs sachgerecht nicht ohne Berücksichtigung der spezifischen Eigenschaften, Wirkungen und Vorteile der Erfindung festgelegt werden, die aus patentrechtlicher Sicht einerseits die Identität des Erzeugnisses prägen und andererseits Anhaltspunkte dafür liefern, inwieweit bei diesem Erzeugnis die einander widerstreitenden Interessen der Beteiligten des Schutzes bedürfen (BGH, GRUR 2006, 837 – Laufkranz).

62Im hier zu beurteilenden Streitfall reicht es für die Annahme einer Neuherstellung weder aus, dass der Palettenbehälter durch die Entnahme des Innenbehälters unvollständig und damit funktionsunfähig wird, noch steht es umgekehrt der Annahme einer Neuherstellung entgegen, dass nach der Verkehrsanschauung kein neuer Gegenstand hergestellt wird, wenn in einen solchen Palettenbehälter, der zum langfristigen Gebrauch bestimmt ist, ein neuer Innenbehälter eingesetzt wird. Vielmehr kann die Identitätsfrage nicht beantwortet werden, ohne in den Blick zu nehmen, worin die technischen Wirkungen der Erfindung bestehen und wo sie in Erscheinung treten.

Im Streitfall geht es um einen als Mehrwegbehälter konzipierten Palettenbehälter, wobei der Austausch des Innenbehälters sowohl nach dem im Klagepatent referierten Stand der Technik als auch nach dem Klagepatent selbst vorgesehen ist. Zwar handelt es sich bei dem Innenbehälter nicht um einen „Wegwerfartikel“, der – wie etwa die Spritze beim Pipettiersystem – nach jedem Umlauf des Palettenbehälters unbrauchbar ist. Der Austausch des Innenbehälters kommt den Fällen des Austauschs eines „Verschleißteils”, wie sie die Entscheidungen „Flügelradzähler” und „Laufkranz” betrafen, jedoch insofern zumindest sehr nahe, als der Wechsel des Innenbehälters zum Gebrauch eines solchen Palettenbehälters gehört, der üblicherweise während der Lebensdauer des Palettenbehälters mehrfach vollzogen wird. Wie in dem Austausch eines Verschleißteils, das während der zu erwartenden Lebensdauer einer Maschine – gegebenenfalls mehrfach – ersetzt zu werden pflegt, liegt in einem solchen Wechsel regelmäßig keine Neuherstellung, denn der Erwerber eines Palettenbehälters aus Gitterkäfig und Innenbehälter darf erwarten, den für einen dauerhaften Gebrauch ausgelegten Palettenbehälter nicht lediglich mit dem mitgelieferten Innenbehälter benutzen zu dürfen.

Gleichwohl wird in einem solchen Fall die Abwägung jedenfalls in der Regel zugunsten des Patentinhabers ausfallen, wenn die technischen Wirkungen der Erfindung gerade in dem ausgewechselten Teil in Erscheinung treten, etwa weil die Erfindung die Funktionsweise oder Lebensdauer dieses Teils beeinflusst (BGHZ 159, 76 – Flügelradzähler; BGH, GRUR 2006, 837 – Laufkranz). Verkörpert gerade der Innenbehälter wesentliche Teile des Erfindungsgedankens, so darf der Erwerber des Palettenbehälters zwar erwarten, diesen für dessen Lebensbauer zu erhalten und nutzen. Er darf aber nicht notwendigerweise erwarten, die zum Austausch benötigten Innenbehälter selbst herstellen oder aus beliebiger Quelle beziehen zu können.

So verhält es sich hier jedoch nicht. Die technischen Wirkungen der Erfindung treten nicht – auch nicht teilweise – am Innenbehälter in Erscheinung. Dass mit dem Innenbehälter Merkmale der geschützten Gesamtvorrichtung aus Flachpalette, Innenbehälter und Gitter-Mantel verwirklicht werden und demzufolge jeder in die Gitterbox eingesetzte Innenbehälter Teil der erfindungsgemäßen Funktionseinheit ist, bestätigt nur das funktionale Zusammenwirken der genannten Bestandteile, was für die Qualifizierung des Austauschs der Innenbehälter als Neuherstellung des Palettenbehälters allerdings nicht ausreicht (vgl. BGH, GRUR 2006, 837 – Laufkranz).

66Der technische Vorteil der geschützten Erfindung besteht in einer Gewichtsreduktion der Gitterbox durch die Verwendung von Rohrstäben statt Vollstäben sowie einer – der besonderen Ausbildung der Kreuzverbindungen dieser Rohrstäbe geschuldeten – höheren Stabilität der Gitterbox. Dies kommt mittelbar auch dem Innenbehälter zugute. Der Innenbehälter selbst wird hierdurch allerdings in seinen physikalischen Eigenschaften und seiner Funktionsweise nicht beeinflusst. Folglich sind die wesentlichen Elemente des Erfindungsgedankens nicht im Innenbehälter (mit)verkörpert. Der eng an die Gitterbox anliegende Innenbehälter ist vielmehr bloßes Objekt der stabileren Gitterbox. Die für das Zusammenwirken mit der Gitterbox notwendigen Sacheigenschaften des Innenbehälters sind konventionelle Eigenschaften eines Innenbehälters. Dem Innenbehälter selbst wird durch die Erfindung auch keine verbesserte Funktionalität verliehen.

Der Umstand, dass der Austausch der Innenbehälter während der Lebensdauer des Palettenbehälters eine Einnahmequelle darstellt, an der der Patentinhaber bzw. der Nutzungsberechtigte ein wirtschaftliches Interesse hat, liegt auf der Hand. Dieses Interesse ist jedoch nicht schützenswert, da es über das Interesse an der wirtschaftlichen Verwertung der Erfindung hinausgeht. Dem Patentberechtigten in diesem Fall den Austausch der Innenbehälter vorzubehalten, würde dazu führen, ihm den wirtschaftlichen Vorteil aus dem Vertrieb eines Produkts zuzuweisen, ohne dass der Erfindungsgedanke in diesem Produkt selbst in irgendeiner Weise verkörpert wäre. Der bestimmungsgemäße Austausch des Innenbehälters lässt nach allem die Identität des Palettenbehälters unberührt.

Daran ändert sich auch dadurch nichts, dass die Beklagten ihre Dienstleistung gar nicht gegenüber den Abnehmern der Klägerin erbringen, sondern die rekonditionierten Palettenbehälter freihand im Markt anbieten. Der bestimmungsgemäße Gebrauch stellt sich als Fall der patentrechtlichen Erschöpfung dar (vgl. nur Meier-Beck, GRUR 2008, 1033). Nach dem Erschöpfungsgedanken unterliegen der Erstverbreitung folgende Verwertungshandlungen nicht mehr dem Verbietungsrecht des Patentinhabers, und zwar unabhängig davon, wer verwertet und wem gegenüber entsprechende Leistungen erbracht werden. Ist das Schutzrecht erschöpft, sind die betreffenden Erzeugnisse gemeinfrei, verkehrsfähig und der Rechtsmacht des Patentinhabers entzogen.

II.

1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.