LG München I, Urteil vom 20.05.2010 - 7 O 14224/09
Fundstelle
openJur 2012, 108300
  • Rkr:
Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung eines Patents auf Unterlassung, Rechnungslegung und Schadensersatz in Anspruch.

Die Klägerin stellt sogenannte Intermediate Bulk Container (IBCs) her und vertreibt diese. Diese fertigt sie u. a. nach dem als Anlage K 28 beigefügten europäischen Patent 0 734 967 B1 „Palettenbehälter" (Klagepatent). Inhaber dieses Schutzrechts ist die P. S.A.

Anspruch 1 des Klagepatents lautet:

In der Beschreibung des Klagepatents heißt es u. a.:

Die Beklagten bieten die Wiederaufarbeitung (Rekonditionierung) von IBCs der Firma S. in der Weise an, dass der Kunststoff-Innenbehälter durch einen von der M.-Gruppe stammenden Behälter ersetzt wird.

Die Klägerin sieht darin eine Patentverletzung.

Ihre Aktivlegitimation hat die Klägerin zuletzt mit einer von der P. S.A. erworbenen ausschließlichen Lizenz der S. KG begründet. Die Klägerin sei Gesamtrechtsnachfolgerin der S. KG.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Kunststoff-Innenbehälter integraler Bestandteil des patentgeschützten Palettenbehälters ist und nicht ohne Verletzung des Schutzrechts durch Dritte ausgetauscht werden kann. Von der patentrechtlichen Erschöpfung sei es nicht gedeckt, aus gebrauchten, nicht mehr funktionsfähigen Gegenständen erhalten gebliebene Teile zu entnehmen und wieder zu funktionsfähigen Gegenständen zu komplettieren. Das komme einer patentverletzenden Neuherstellung gleich.

Mit dem Außenmantel aus waagerechten und senkrechten Gitterstangen allein ließen sich Flüssigkeiten nicht transportieren, ebensowenig mit dem den Druck- und Schwallbelastungen nicht gewachsenen Innenbehälter. Es bedürfe vielmehr eines funktionalen Zusammenwirkens von aneinander angepaßten Außenmantel und Innenbehälter nach Maßgabe des Anspruches 1 des Klagepatents. Nur dann, wenn die einander gegenüberliegenden Außenwände des Innenbehälters so voneinander beabstandet seien, dass sie an den Gitterstäben anliegen, könnten sie von letzteren erfindungsgemäß abgestützt und so gegenüber Schwallschwingungen und sonstiger Druckbelastung stabilisiert werden. Die Innenbehälter seien deshalb keine handelsüblichen Produkte; sie müssten speziell und eigens für die Schütz-Gitterkäfige angefertigt werden. Der Gittermantel andererseits solle den Innenbehälter schützen und stabilisieren. Dazu sei der Gittermantel aber nur dann in der Lage, wenn auch er so gestaltet sei, dass er mit seinen Gitterstäben an den Außenwänden des Innenbehälters anliege. Es bestehe also eine wechselseitige konstruktive Abhängigkeit der beiden Hauptbauteile Gittermantel und Innenbehälter; nur in ihrem Zusammenwirken manifestiere sich die erfindungsgemäße Lösung, indem sich der Innenbehälter an die Innenseite des Gittermantels anlehne. Diese wechselseitige Anpassung sei das Herzstück der durch die beiden Hauptbauteile geprägten patentierten Einheit. Durch die Verbesserung des dynamischen Verhaltens des Außenmantels werde nicht nur eine Reduzierung des Gewichts des Außenmantels des IBC ermöglicht, sondern es könne gleichfalls dass Gewicht des Innenbehälters von 18 kg auf 15,5 kg reduziert werden. Es liege auf der Hand, dass das Ausmaß der Schwallschwingungen mit der Wandstärke und damit der Widerstandskraft des Innenbehälters korreliere. Ein Gittermantel nach Anspruch 1 des Klagepatents ermögliche daher eine deutlich verringerte Wandstärke des Innenbehälters. Es bestehe also eine wechselseitige konstruktive Abhängigkeit von Gittermantel und Innenbehälter.

Maßgeblich sei letztlich, ob die getroffenen Maßnahmen noch die Identität des bereits in den Verkehr gebrachten konkreten patentgeschützten Erzeugnisses wahrten oder der Schaffung eines neuen erfindungsgemäßen Erzeugnisses gleichkämen. Anders als in den vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen „Laufkranz" und „Pipettensystem" bestimme hier der ausgetauschte Teil, d. h. der Innenbehälter wesentlich die Identität des „Palettenbehälters für Flüssigkeiten"; ohne den Innenbehälter liege kein Palettenbehälter für Flüssigkeiten vor; sein Austausch schaffe deshalb eine „neue" Identität. Es gehe um die Frage, ob der Austausch des Innenteils des IBCs die Identität des „Palettenbehälters für Flüssigkeiten" verändere. Dies sei zu bejahen. Ohne den Innenteil des IBCs komme ein solches Erzeugnis nicht vor. Es bestimme also auch und gerade der ausgetauschte Teil, der Innenteil des IBCs, wesentlich die Identität des „Palettenbehälters für Flüssigkeiten"; mit der Palette und dem Außenmantel des IBCs allein könnten Flüssigkeiten nicht transportiert werden. Der Austausch des Innenteils des IBCs schaffe also ein neues Erzeugnis und damit eine neue Identität. Ohne den Innenteil des IBCs verbleibe nur ein rudimentärer Teil der unter Schutz gestellten Baueinheit aus Außenmantel des IBCs und Innenteil des IBCs. Gittermantel und Innenbehälter des Palettenbehälters seien gleichgewichtige, identitätsprägende Hauptbauteile des Erzeugnisses. Der Palettenbehälter sei dabei auch kein „Wegwerfartikel", der nach jedem Umlauf des Palettenbehälters auszutauschen wäre.

Hinzu komme, dass die Beklagten die rekonditionierten IBC’s nicht an die Abnehmer der Klägerin zurücklieferten, sondern nicht mehr benötigte, leere IBC’s einsammelten, rekonditionierten und – in Konkurrenz zur Klägerin – Befüllern anböten. Es könne bei dieser Sachverhaltskonstellation – die sich insofern von der Fallgestaltung beim „Pipettiersystem“ unterscheide, als dort die Verschleißteile an den Abnehmer des Patentinhabers geliefert worden seien – daher keine Rede davon sein, dass der Patentinhaber bereits durch das erstmalige Inverkehrbringen der Gesamtvorrichtung den ihm zustehenden Nutzen aus der Erfindung gezogen hätte.

Die Klägerin hat daher b e a n t r a g t,

I. den Beklagten bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu € 250.000,-, ersatzweise an einem ihrer gesetzlichen Vertreter zu vollziehender Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verbieten,

Palettenbehälter zum Transport und zur Lagerung von Flüssigkeiten mit einer Flachpalette, einem austauschbaren Innenbehälter aus Kunststoff mit einer oberen, verschließbaren Einfüllöffnung und einer unteren Entleerungseinrichtung sowie einem den Innenbehälter umgebenden Außenmantel, der aus senkrechten und waagrechten Gitterstäben aus Metall besteht, die den mit Flüssigkeit gefüllten Kunststoff-Innenbehälter abstützen,

die folgende Merkmale aufweisen:

1. Die als Rohre ausgebildeten Gitterstäbe sind an den Kreuzungsstellen zur Bildung muldenartiger, in Längsrichtung der Gitterstäbe verlaufender, doppelwandiger Vertiefungen eingezogen.

2. An jeder Kreuzungsstelle entstehen zwischen den Längsrändern der Vertiefungen zweier rechtwinklig übereinander liegender Gitterstäbe vier Berührungsstellen mit jeweils einer der vierfachen Gitterstabwandstärke entsprechenden Materialanhäufung.

3. Die vier Berührungsstellen zweier Gitterstäbe sind an den Kreuzungsstellen miteinander verschweißt.

4. Die muldenartigen Vertiefungen der senkrechten und waagerechten Gitterstäbe weisen eine über den Querschnitt der Vertiefungen verlaufende, mittige Erhöhung auf.

5. Jeweils zwei an den Kreuzungsstellen übereinander liegende Gitterstäbe sind an den vier Berührungsstellen dieser Erhöhungen miteinander verschweißt.

6. Die beidseitig an die Erhöhung mit den Berührungs- und Schweißstellen anschließenden Abschnitte der Vertiefungen der Gitterstäbe bilden begrenzt elastische Biegestellen mit einem gegenüber der Erhöhung verringerten Biegewiderstandsmoment zur Entlastung der Schweißverbindungen an den Kreuzungsstellen bei statischer und/oder dynamischer Belastung des Gittermantels.

dadurch wiederaufzuarbeiten und/oder die Wiederaufarbeitung anzubieten und/oder derart wieder aufgearbeitete Palettenbehälter anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,

dass der Innenbehälter ausgetauscht wird gegen einen nicht von der Klägerin stammenden und nicht mit ihrer Zustimmung innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums erstmals in Verkehr gebrachten Innenbehälter aus Kunststoff, wobei der Kunststoffbehälter mit einer oberen Einfüllöffnung und einer unteren Entleerungseinrichtung versehen und derart dimensioniert ist, dass die Gitterstäbe des Außenmantels den mit Flüssigkeit gefüllten Innenbehälter abstützen.

II. festzustellen, dass die Beklagten samtverbindlich der Klägerin allen Schaden zu ersetzen haben, welcher dieser aus den Verletzungshandlungen gemäß Ziffer I. seit 26.06.1999 entstanden ist und/oder noch entstehen wird.

III. die Beklagten zu verurteilen, der Klägerin für die Zeit ab 26.06.1999 unter Vorlage eines einheitlichen geordneten Verzeichnisses darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfange sie die Handlungen gemäß Ziffer l. begangen haben, und zwar unter Angabe der wieder aufgearbeiteten Palettenbehälter, der Wiederaufarbeitungszeiten, der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -Zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer, der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -Zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger, der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet sowie der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns.

Die Beklagten haben b e a n t r a g t,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten halten die Klägerin für nicht prozeßführungsbefugt. Außerdem stellen sie eine Patentverletzung in Abrede: Die angegriffene Ausführungsform verwirkliche die Merkmale des Klagepatents weder wortsinngemäß noch äquivalent Durch Austausch der Innenbehälter würden die IBCs nicht neu hergestellt, sondern in zulässiger Weise bestimmungsgemäß gebraucht.

Die Klägerin mache ausschließlich der Patentinhaberin Schütz-Werke GmbH & Co. KG angeblich zustehende Rechte geltend. Insofern sei die Klägerin jedoch nicht prozeßführungsbefugt. Die bloße Ermächtigung durch die Patentinhaberin vermöge eine Prozeßführungsbefugnis nicht zu begründen. Eine gewillkürte Prozeßstandschaft zur Geltendmachung von allein der Patentinhaberin zustehenden Schadensersatz- und Auskunftsansprüchen sei sogar dem Grunde nach ausgeschlossen, da es immer an einem eigenen Interesse des Dritten fehle.

Hinsichtlich der Beklagten zu 2) scheide eine Haftung schon deshalb aus, weil die Beklagte zu 2) erst am 19.09.2008 durch Umfirmierung aus der Gesellschaft "R. GmbH" gegründet worden sei. Der Beklagten zu 2) könne schon deshalb die Rekonditionierung des in Anlage K 6 fotografierten und im März 2007 in Verkehr gebrachten IBC nicht zugerechnet werden. Die R. GmbH habe mit der Rekonditionierung von IBCs nie etwas zu tun gehabt.

Eine Patentverletzung sei nicht dargetan.

Jedenfalls handele es sich hier nach den vom Bundesgerichtshof herausgearbeiteten Kriterien nicht um eine verbotene Neuherstellung, sondern einen zulässigen, bestimmungsgemäßem Gebrauch beim Austausch von Teilen einer patentgeschützten Vorrichtung. Die Erfindung des Streitpatentes habe sich allein um die Verbesserung der Gitterbox (des Außenmantels) verdient gemacht. Eine Verbesserung des Innenbehälters (Gewichts- und Materialeinsparung, Ressourcenschonung) werde in der Klagepatentschrift erwähnt. Der Innenbehälter sei demgegenüber nur Objekt der Gesamtvorrichtung und noch dazu von vorneherein bestimmungsgemäß zum Austausch vorgesehen. Deshalb verdiene der Patentinhaber keinen Schutz gegen einen Austausch des Innenbehälters.

IBCs der hier in Rede stehenden Bauart seien Großverpackungen für gefährliche flüssige Füllgüter (z.B. Chemikalien), die bestimmungsgemäß dazu vorgesehen seien, mehrfach verwendet zu werden. So gehe auch der Patentanspruch davon aus, dass der Kunststoffbehälter während der zu erwartenden Lebensdauer des IBCs mehrfach ersetzt werde. Der Austausch des Innenbehälters werde als bestimmungsgemäß vorausgesetzt.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

I.

Der mit der Klage angegriffene Austausch von Innenbehältern patentgemäßer Palettenbehälter der Klägerin durch die Beklagten stellt keine Patentverletzung dar. Ein solcher Austausch gehört zum bestimmungsgemäßen Gebrauch des Palettenbehälters.

1. Das Klagepatent betrifft einen Palettenbehälter mit einem austauschbaren Innenbehälter.

Der Außenmantel des Palettenbehälters wird aus als Rohren ausgebildeten Gitterstäben gebildet, die eng an der Außenwand des Kunststoff-Innenbehälters anliegen.

Die Patentschrift erörtert einleitend die Belastungen, denen Schweißverbindungen an den Kreuzungsstellen von Gitterboxen solcher Palettenbehälter ausgesetzt sind.

Die dem Klagepatent zugrundeliegende Aufgabenstellung lautet, die Haltbarkeit solcher Schweißverbindungen durch eine Entlastung von statischen und dynamischen Beanspruchungen zu verbessern.

Die erfindungsgemäße Lösung nach Anspruch 1 des Klagepatents kann wie folgt gegliedert werden:

Palettenbehälter zum Transport und zur Lagerung von Flüssigkeiten mit einer Flachpalette, einem austauschbaren Innenbehälter aus Kunststoff mit einer oberen, verschließbaren Einfüllöffnung und einer unteren Entleerungseinrichtung sowie einem den Innenbehälter umgebenden Außenmantel, der aus senkrechten und waagrechten Gitterstäben aus Metall besteht, die den mit Flüssigkeit gefüllten Kunststoff-Innenbehälter abstützen,

die folgende Merkmale aufweisen:

1. Die als Rohre ausgebildeten Gitterstäbe sind an den Kreuzungsstellen zur Bildung muldenartiger, in Längsrichtung der Gitterstäbe verlaufender, doppelwandiger Vertiefungen eingezogen.

2. An jeder Kreuzungsstelle entstehen zwischen den Längsrändern der Vertiefungen zweier rechtwinklig übereinander liegender Gitterstäbe vier Berührungsstellen mit jeweils einer der vierfachen Gitterstabwandstärke entsprechenden Materialanhäufung.

3. Die vier Berührungsstellen zweier Gitterstäbe sind an den Kreuzungsstellen miteinander verschweißt.

4. Die muldenartigen Vertiefungen der senkrechten und waagerechten Gitterstäbe weisen eine über den Querschnitt der Vertiefungen verlaufende, mittige Erhöhung auf.

5. Jeweils zwei an den Kreuzungsstellen übereinander liegende Gitterstäbe sind an den vier Berührungsstellen dieser Erhöhungen miteinander verschweißt.

6. Die beidseitig an die Erhöhung mit den Berührungs- und Schweißstellen anschließenden Abschnitte der Vertiefungen der Gitterstäbe bilden begrenzt elastische Biegestellen mit einem gegenüber der Erhöhung verringerten Biegewiderstandsmoment zur Entlastung der Schweißverbindungen an den Kreuzungsstellen bei statischer und/oder dynamischer Belastung des Gittermantels.

2. Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagten stellten mit dem Austausch des Innenbehälters eines solchen Palettenbehälters den erfindungsgemäßen Palettenbehälter erneut her. Dem folgt die Kammer nicht.

Mit dem Inverkehrbringen des geschützten Palettenbehälters ist das Ausschließlichkeitsrecht des Patentberechtigten hinsichtlich der in den Verkehr gesetzten Einheit aus Gitterkäfig und Innenbehälter auch dann erschöpft, wenn der Innenbehälter – bestimmungsgemäß – ausgetauscht wird. Der Austausch gehört zum bestimmungsgemäßen Gebrauch des Palettenbehälters. Die Nutzer der Palettenbehälter der Klägerin dürfen daher die Innenbehälter selbst herstellen oder von Dritten wie der Beklagten beziehen.

Zum bestimmungsgemäßen Gebrauch eines patentgeschützten Erzeugnisses gehört nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes auch die Erhaltung und Wiederherstellung der Gebrauchstauglichkeit, wenn die Funktions- oder Leistungsfähigkeit des konkreten Erzeugnisses ganz oder teilweise durch Verschleiß, Beschädigung oder aus anderen Gründen beeinträchtigt oder aufgehoben ist. Von der Wiederherstellung einer aufgehobenen oder beeinträchtigten Gebrauchstauglichkeit eines mit Zustimmung des Patentinhabers in den Verkehr gelangten Erzeugnisses kann indessen dann nicht mehr gesprochen werden, wenn die getroffenen Maßnahmen darauf hinauslaufen, das patentgemäße Erzeugnis erneut herzustellen. Für die Abgrenzung zwischen (zulässigem) bestimmungsgemäßen Gebrauch und (unzulässiger) Neuherstellung ist dabei maßgeblich, ob die getroffenen Maßnahmen noch die Identität des bereits in den Verkehr gebrachten konkreten patentgeschützten Erzeugnisses wahren oder der Schaffung eines neuen erfindungsgemäßen Erzeugnisses gleichkommen. Zur Beurteilung dieser Frage bedarf es einer die Eigenart des patentgeschützten Erzeugnisses berücksichtigenden Abwägung der schutzwürdigen Interessen des Patentinhabers an der wirtschaftlichen Verwertung der Erfindung einerseits und des Abnehmers am ungehinderten Gebrauch des in den Verkehr gebrachten konkreten erfindungsgemäßen Erzeugnisses andererseits (BGH GRUR 2007, 769 – Pipettensystem).

Wie der Bundesgerichtshof für die Abgrenzung zwischen identitätswahrender Reparatur und Neuherstellung ausgesprochen hat, kann die Grenze des bestimmungsgemäßen Gebrauchs sachgerecht nicht ohne Berücksichtigung der spezifischen Eigenschaften, Wirkungen und Vorteile der Erfindung festgelegt werden, die aus patentrechtlicher Sicht einerseits die Identität des Erzeugnisses prägen und andererseits Anhaltspunkte dafür liefern, inwieweit bei diesem Erzeugnis die einander widerstreitenden Interessen der Beteiligten zu einem angemessenen Ausgleich des Schutzes bedürfen (BGH, GRUR 2006, 837 – Laufkranz).

Im hier zu beurteilenden Streitfall reicht es für die Annahme einer Neuherstellung weder aus, dass der Palettenbehälter durch die Entnahme des Innenbehälters unvollständig und damit funktionsunfähig wird, noch steht es umgekehrt einer solchen Annahme entgegen, dass nach der Verkehrsanschauung kein neuer Gegenstand hergestellt wird, wenn in einen solchen Palettenbehälter, der zum langfristigen Gebrauch bestimmt ist, ein neuer Innenbehälter eingesetzt wird. Vielmehr kann die Identitätsfrage nicht beantwortet werden, ohne in den Blick zu nehmen, worin die technischen Wirkungen der Erfindung bestehen und wo sie in Erscheinung treten.

Im Streitfall geht es um einen als Mehrwegbehälter konzipierten Palettenbehälter, wobei der Austausch des Innenbehälters sowohl nach dem im Klagepatent referierten Stand der Technik als auch nach dem Klagepatent selbst vorgesehen ist. Zwar handelt es sich bei dem Innenbehälter nicht um einen „Wegwerfartikel“, der – wie etwa die Spritze beim Pipettiersystem – nach jedem Umlauf des Palettenbehälters unbrauchbar ist. Der Austausch des Innenbehälters kommt den Fällen des Austauschs eines „Verschleißteils”, wie sie die Entscheidungen „Flügelradzähler” und „Laufkranz” betrafen, jedoch insofern zumindest sehr nahe, als der Wechsel des Innenbehälters zum Gebrauch eines solchen Palettenbehälters gehört, der üblicherweise während der Lebensdauer des Palettenbehälters mehrfach vollzogen wird. Wie in dem Austausch eines Verschleißteils, das während der zu erwartenden Lebensdauer einer Maschine – gegebenenfalls mehrfach – ersetzt zu werden pflegt, liegt in einem solchen Wechsel regelmäßig keine Neuherstellung, denn der Erwerber eines Palettenbehälters aus Gitterkäfig und Innenbehälter darf erwarten, den für einen dauerhaften Gebrauch ausgelegten Palettenbehälter nicht lediglich mit dem mitgelieferten Innenbehälter benutzen zu dürfen.

Gleichwohl wird in einem solchen Fall die Abwägung jedenfalls in der Regel zugunsten des Patentinhabers ausfallen, wenn die technischen Wirkungen der Erfindung gerade in dem ausgewechselten Teil in Erscheinung treten, etwa weil die Erfindung die Funktionsweise oder Lebensdauer dieses Teils beeinflusst (BGHZ 159, 76 – Flügelradzähler; BGH, GRUR 2006, 837 – Laufkranz). Verkörperte gerade der Innenbehälter wesentliche Teile des Erfindungsgedankens, so dürfte der Erwerber des Palettenbehälters zwar erwarten, diesen für dessen Lebensbauer zu erhalten und nutzen zu dürfen. Er dürfte aber nicht notwendigerweise erwarten, die zum Austausch benötigten Innenbehälter selbst herstellen oder aus beliebiger Quelle beziehen zu können.

56So verhält es sich hier jedoch nicht. Die technischen Wirkungen der Erfindung treten nicht – auch nicht teilweise – am Innenbehälter in Erscheinung. Dass sie Merkmale der geschützten Gesamtvorrichtung aus Flachpalette, Innenbehälter und Außenmantel verwirklichen und demzufolge jeder in die Gitterbox eingesetzte Innenbehälter Teil der erfindungsgemäßen Funktionseinheit ist, bestätigt nur das funktionale Zusammenwirken der genannten Bestandteile, welches für die Qualifizierung des Austauschs der Innenbehälter als Neuherstellung des Palettenbehälters nicht ausreicht (vgl. BGH, GRUR 2006, 837 – Laufkranz).

57Der technische Vorteil der geschützten Erfindung besteht in einer besseren Haltbarkeit der Schweißverbindungen an den Kreuzungsstellen der Gitterstäbe durch Entlastung von statischen und dynamischen Biegebeanspruchungen. Dies kommt mittelbar auch dem Innenbehälter zugute. Das Klagepatent enthält allerdings weder in der Anspruchsfassung, noch in der Beschreibung einen unmittelbaren Hinweis darauf, dass der Innenbehälter selbst hierdurch in seinen physikalischen Eigenschaften oder seiner Funktionsweise beeinflusst wird. Weder ist von einer möglichen Reduzierung des Gewichts des Innenbehälters die Rede, noch von einer aufgrund der Erfindung möglichen verringerten Wandstärke des Innenbehälters. Eine derartige wechselseitige konstruktive Abhängigkeit von Gittermantel und Innenbehälter findet im Klagepatent letztlich keinen Anklang: Im Klagepatent wird lediglich eine konstruktive Abhängigkeit des Gittermantels vom Innenbehälter beschrieben, die ihren Grund in den vom Innenbehälter ausgehenden Schwallschwingungen des Flüssigguts findet, welche auf den Gittermantel übertragen werden; eine Abhängigkeit in umgekehrter Richtung kommt im Klagepatent nicht zur Sprache. Ein Erfindungsbereich, der weder in der Beschreibung, noch in den Patentansprüchen selbst hinreichend deutlich einbezogen ist, ist nicht unter Schutz gestellt (vgl. dazu Busse/Keukenschrijver, PatG, § 14 Rn. 46). Dies gilt selbst dann, wenn der Fachmann aufgrund seines Fachwissens anhand der Patentbeschreibung die fragliche Lehre – hier Reduzierung von Gewicht bzw. Wandstärke des Innenbehälters – auffinden kann. Wer es versäumt, durch entsprechende Anspruchsfassung den gebotenen Patentschutz zu beantragen, kann grundsätzlich nicht damit gehört werden, dass die eigentliche Erfindung einen weitergehenden Schutz rechtfertige (so auch Busse/Keukenschrijver, PatG, § 14 Rn. 46).

Folglich sind die wesentlichen Elemente des Erfindungsgedankens nicht im Innenbehälter (mit)verkörpert. Der eng an die Gitterbox anliegende Innenbehälter ist vielmehr bloßes Objekt der hinsichtlich der Haltbarkeit der Schweißverbindungen verbesserten Gitterbox. Die für das Zusammenwirken mit der Gitterbox notwendigen Sacheigenschaften des Innenbehälters sind konventionelle Eigenschaften eines Innenbehälters. Das Klagepatent verhält sich nicht dazu, dass dem Innenbehälter selbst durch die Erfindung eine verbesserte Funktionalität verliehen wird.

Der Umstand, dass der Austausch der Innenbehälter während der Lebensdauer des Palettenbehälters eine Einnahmequelle darstellt, an der der Patentinhaber bzw. der Nutzungsberechtigte ein wirtschaftliches Interesse hat, liegt auf der Hand. Dieses Interesse ist jedoch nicht schützenswert, da es über das Interesse an der wirtschaftlichen Verwertung der Erfindung hinausgeht. Dem Patentberechtigten in diesem Fall den Austausch der Innenbehälter vorzubehalten, würde dazu führen, ihm den wirtschaftlichen Vorteil aus dem Vertrieb eines Produkts zuzuweisen, ohne dass der Erfindungsgedanke in diesem Produkt selbst in irgendeiner Weise verkörpert wäre. Der bestimmungsgemäße Austausch des Innenbehälters lässt nach allem die Identität des Palettenbehälters unberührt.

Daran ändert sich auch dadurch nichts, dass die Beklagten ihre Dienstleistung gar nicht gegenüber den Abnehmern der Klägerin erbringen, sondern die rekonditionierten Palettenbehälter freihand im Markt anbieten. Der bestimmungsgemäße Gebrauch stellt sich als Fall der patentrechtlichen Erschöpfung dar (vgl. nur Meier-Beck, GRUR 2008, 1033). Nach dem Erschöpfungsgedanken unterliegen der Erstverbreitung folgende Verwertungshandlungen nicht mehr dem Verbietungsrecht des Patentinhabers, und zwar unabhängig davon, wer verwertet und wem gegenüber entsprechende Leistungen erbracht werden. Ist das Schutzrecht erschöpft, sind die betreffenden Erzeugnisse gemeinfrei, verkehrsfähig und der Rechtsmacht des Patentinhabers entzogen.

II.

1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.