Bayerischer VGH, Urteil vom 19.05.2010 - 20 N 09.3077
Fundstelle
openJur 2012, 107954
  • Rkr:
Tenor

I. Die Beitragsatzung für die Verbesserung der Entwässerungseinrichtung der Stadt Illertissen im Gebiet Tiefenbach vom 2. Oktober 2009 ist nichtig.

II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Antragstellerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Antragstellerin will die Beitragssatzung der Antragsgegnerin für die Verbesserung der Entwässerungseinrichtung im Gebiet Tiefenbach (VBSEW-TFB) vom 2. Oktober 2009 für nichtig erklären lassen.

Die Antragsgegnerin betrieb zwei technisch und rechtlich getrennte Entwässerungsanlagen als öffentliche Einrichtungen, eine für die Gebiete Illertissen, Au, Betlinshausen und Jedesheim, und die andere für das Gebiet Tiefenbach. Zugleich betrieb und betreibt sie in ihren Stadtgebieten eine Fäkalschlammentsorgung.

Weil die Kläranlage Tiefenbach einer Erneuerung bedurfte, beschloss der Stadtrat der Antragsgegnerin am 27. September 2007, diese Trennung aufzugeben und die Einrichtung Tiefenbach an das Entwässerungssystem in Illertissen anzuschließen, wozu der Neubau eines Pumpwerkes bei der Kläranlage Tiefenbach, der Neubau einer Abwasserdruckleitung zwischen dem Pumpwerk und der Pumpstation Betlinshausen sowie die Inliner-Sanierung einer Abwasserleitung zwischen der Pumpstation Betlinshausen und der Einleitungsstelle in das Kanalnetz in Illertissen für erforderlich gehalten wurden. Diese Maßnahmen sind nach Mitteilung der Antragsgegnerin am 24. Oktober 2009 abgeschlossen worden.

Bereits am 2. Oktober 2009 erließ die Antragsgegnerin unter Aufhebung einer Vorgängersatzung vom 21. November 1998 eine Satzung für die öffentliche Entwässerungsanlage der Stadt Illertissen (EWS), worin unter anderem Folgendes bestimmt wurde:

㤠1

Öffentliche Einrichtung

(1) Die Stadt betreibt derzeit zur Abwasserbeseitigung nach dieser Satzung zwei technisch und rechtlich getrennte leitungsgebundene Entwässerungsanlagen als öffentliche Einrichtung und zwar

a) eine für die Gebiete Illertissen, Au, Betlinshausen und Jedesheim,

b) die andere für das Gebiet Tiefenbach.

(2) Die Abwasserbeseitigung über die leitungsgebundene Entwässerungsanlage für die Gebiete Illertissen, Au, Betlinshausen und Jedesheim sowie die Fäkalschlammentsorgung im gesamten Stadtgebiet einschließlich des Gebiets Tiefenbach einerseits und die Abwasserbeseitigung über die leitungsgebundene Entwässerungsanlage für das Gebiet Tiefenbach andererseits bilden je eine öffentliche Einrichtung.

(3) Ab dem Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Anschlussleitung für die Entwässerungsanlage für das Gebiet Tiefenbach an die Entwässerungsanlage für die Gebiete Illertissen, Au, Betlinshausen und Jedesheim betreibt die Stadt beide bisher getrennten Einrichtungen als eine öffentliche Einrichtung zur Abwasserbeseitigung nach dieser Satzung im gesamten Stadtgebiet.“

Gleichzeitig erließ die Antragsgegnerin auch eine Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung und zur Fäkalschlammentsorgungssatzung (BGS-EWS/FES), in der Beiträge für die beiden bisher betriebenen Entwässerungsanlagen jeweils gesondert und ab der Inbetriebnahme der Anschlussleitung für das gesamte Stadtgebiet einheitlich bestimmt wurden, und zwar pro qm Grundstücksfläche 2,15 €, pro qm Geschossfläche 13,00 €.

Ebenfalls am 2. Oktober 2009 wurde eine Beitragssatzung für die Verbesserung der Entwässerungseinrichtung der Stadt Illertissen im Gebiet Tiefenbach (VBSEW-TFB) ausgefertigt, der ein Lageplan (Maßstab unbekannt) beigefügt wurde und die unter anderem Folgendes regelt:

㤠1

Beitragserhebung

Die Stadt erhebt einen Beitrag zur Deckung ihres Aufwandes für die Verbesserung der Entwässerungseinrichtung für das Gebiet Tiefenbach durch folgende Maßnahme: Herstellung einer Verbindungsleitung zur Abwassereinrichtung für das Gebiet Illertissen, Au, Betlinshausen und Jedesheim.

Durch die Anschlussleitung wird die nicht mehr dem Stand der Technik entsprechende Anlage für das Gebiet Tiefenbach für den Anschluss an die den Anforderungen entsprechende Anlage für die Gebiete Illertissen, Au, Betlinshausen und Jedesheim „eingliederungsbereit“ gemacht.

Im Einzelnen werden folgende Maßnahmen umgesetzt:

- Neubau eines Pumpwerks bei der Kläranlage Tiefenbach

- Neubau einer Abwasserdruckleitung zwischen dem errichteten Pumpwerk und dem (richtig wohl der) Pumpstation Betlinshausen (Friedrich-Silcher-Straße)

- Relining einer vorhandenen Abwasserleitung zwischen dem (richtig wohl der) Pumpstation Betlinshausen und der Einleitungsstelle in das Kanalnetz Illertissen (Siemensstraße/Ulmerstraße)

Die Maßnahmen sind zeichnerisch erkennbar aus dem der Satzung beiliegenden Lageplan. Der Lageplan ist wesentlicher Bestandteil der Satzung und dieser als Anlage 1 beigefügt.

§ 6

Beitragssatz

Der Beitrag beträgt

a) pro qm Grundstücksfläche 0,07 €

b) pro qm Geschossfläche 1,19 €.“

Am 15. Oktober 2009 erließ die Antragsgegnerin unter Aufhebung der BGS-EWS/FES vom 2. Oktober 2009 erneut eine Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung und zur Fäkalschlammentsorgung. In § 6 Abs. 1 wurden die Beitragssätze für die bisherigen getrennten Einrichtungen unverändert übernommen, diese aber ab Inbetriebnahme der Anschlussleitung im gesamten Stadtgebiet pro qm Grundstücksfläche auf 1,85 € und pro qm Geschossfläche auf 8,20 € bestimmt (während sie in der BGS-EWS/FES vom 2.10.2009 noch pro qm Grundstücksfläche 2,15 € und pro qm Geschossfläche 13,00 € betrugen).

Die Antragstellerin ist Eigentümerin eines im Ortsteil Tiefenbach gelegenen Grundstücks, das seit dem Jahre 1966 an eine Entwässerungseinrichtung der Antragsgegnerin angeschlossen ist.

Am 10. Dezember 2009 erhob die Antragstellerin Normenkontrollklage und trug zur Begründung unter anderem vor, als Eigentümerin eines Grundstücks im Anwendungsbereich der Beitragssatzung (Gebiet Tiefenbach) könne sie geltend machen, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in absehbarer Zeit in ihren Rechten verletzt zu werden. Durch die Feststellung der Nichtigkeit der angegriffenen Rechtsvorschrift könne eine Rechtsverletzung der Antragstellerin noch verhindert werden. Es seien auch noch keine unanfechtbaren Verwaltungsakte auf der Grundlage der angegriffenen Norm erlassen worden. Zwar sei die Satzung formell ordnungsgemäß zustande gekommen, aber aus materiell-rechtlichen Gründen nichtig, weil sie gegen den Grundsatz der Einrichtungseinheit und gegen das Verbot der abschnittsweisen Abrechnung verstoße. Die in der Verbesserungsbeitragssatzung beschriebenen Maßnahmen seien zwischenzeitlich bautechnisch abgeschlossen und die Verbindungsleitung/Anschlussleitung zwischenzeitlich in Betrieb genommen. Die Herstellung der technischen Einheit der Anlage verbiete die Erhebung von Verbesserungsbeiträgen für das Gebiet Tiefenbach auf der Grundlage der angefochtenen Satzung. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs handle es sich um eine unzulässige Abschnittsbildung. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Satzung seien die Weichen bereits dafür gestellt gewesen, eine Verbindungsleitung zur Gesamtabwassereinrichtung herzustellen und eingliederungsbereit zu machen. Damit sei von Beginn an der Verlust der früher zulässigen Trennung der beiden Anlagen vorgegeben, eine technisch selbstständige Anlage in Tiefenbach existiere nicht mehr. Mit der tatsächlichen Schaffung einer Einrichtungseinheit im gesamten Entwässerungsgebiet sei die bisherige Trennung der Einrichtungen wegen Verstoßes gegen Art. 21 Abs. 2 GO nichtig geworden und könne nicht mehr die Basis dafür darstellen, aufgrund einer Verbesserungssatzung eine Beitragserhebung nur für das Gebiet Tiefenbach vorzunehmen. Außerdem kämen die in § 1 der Satzung beschriebenen technischen Maßnahmen auch den Anschlussnehmern im Stadtgebiet Illertissen zugute. Nach § 3 der Satzung entstehe die Beitragsschuld, wenn die Verbesserungsmaßnahme tatsächlich beendet sei bzw. wenn dieser Zeitpunkt vor dem Inkrafttreten der Satzung liege, erst mit Inkrafttreten. Das führe dazu, dass die Anschlussnehmer in Tiefenbach nur für eine „logische Sekunde“, nämlich der Beendigung der Verbesserungsmaßnahme, für deren Finanzierung über Verbesserungsbeiträge aufzukommen hätten, um danach Beiträge nur nach der einheitlichen Beitragserhebung für das gesamte Stadtgebiet zu schulden. Dies lasse sich mit dem Verbot der abschnittsweisen Abrechnung nicht in Einklang bringen, da eine solche Regelung nicht auf die von der Rechtsprechung geforderte gewisse Dauer angelegt sei. Außerdem bedeute nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs jede Verbesserung eines Einrichtungsteils notwendig auch die Verbesserung der Gesamteinrichtung, weil ein Einrichtungsgebiet rechtlich eine Solidargemeinschaft darstelle.

Die Antragstellerin beantragt:

Die Beitragssatzung der Antragsgegnerin für die Verbesserung der Entwässerungseinrichtung der Stadt Illertissen im Gebiet Tiefenbach (VBSEW-TFB) vom 2. Oktober 2009 wird für nichtig erklärt.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Weder in formeller Hinsicht noch materiell-rechtlich sei die Satzung zu beanstanden. Die Verbesserungsbeitragssatzung stehe mit Art. 5 Abs. 1 KAG im Einklang. Durch die bautechnischen Maßnahmen werde in Bezug auf das Entwässerungssystem in Tiefenbach die dortige Abwasserbeseitigungsanlage verbessert, nachdem die Kläranlage Tiefenbach nicht mehr den abwassertechnischen Vorgaben entsprochen habe und komplett erneuerungsbedürftig gewesen sei. Entscheidend sei, dass zum Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahmen bis zum Anschluss zwei rechtlich getrennte Entwässerungssysteme existiert hätten, so dass die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Verteilung der sich nur in einem Teilbereich einer Einrichtung positiv auswirkenden Verbesserungsmaßnahme auf das gesamte Einrichtungsgebiet auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar sei. Zwischen dem Abschluss der Verbesserungsmaßnahme und der Schaffung einer einheitlichen Einrichtung liege eine logische Sekunde. Unmittelbar vor der rechtlichen Zusammenfassung sei die Verbesserungsbeitragspflicht für die Anlieger des anzuschließenden Ortsteils entstanden. Es entspreche auch der materiellen Gerechtigkeit, diesen Aufwand, soweit er nicht für Neuanschließer in die Herstellungsbeiträge eingeflossen sei, auf die Anschlussnehmer in Tiefenbach zu verteilen, da die Maßnahme nur dazu gedient habe, diesem Personenkreis ansonsten höhere Verbesserungsbeiträge, die im Falle einer grundlegenden Erneuerung der Kläranlage Tiefenbach angefallen wären, zu ersparen. Die über Verbesserungsbeiträge umgelegten Maßnahmen kämen auch faktisch ausschließlich den Anschlussnehmern im Gebiet Tiefenbach zugute. Dies gelte auch für die Inliner-Sanierung der vorhandenen Druckleitung. Diese Leitung sei bereits seit längerem stillgelegt gewesen und daher für die Entwässerungseinrichtung Illertissen ohne Bedeutung.

Die Landesanwaltschaft Bayern beteiligte sich als Vertreter des öffentlichen Interesses und trägt vor, zunächst hätten zwei rechtlich und technisch selbständige Einrichtungen bestanden. Die Antragsgegnerin verfüge zwar aktuell nur über jeweils eine Entwässerungssatzung und Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung, aber in den Satzungen komme die Trennung - soweit sie nicht künftig entfalle - hinreichend deutlich zum Ausdruck. Wie der durch den Anschluss Tiefenbach an die bestehende Einrichtung für die übrigen Gemeindeteile der Antragsgegnerin verursachte Aufwand auf die betroffenen Grundstückseigentümer umzulegen sei, sei im Einzelnen von der Rechtsprechung noch nicht geklärt. Es komme eine Verbesserung der Gesamteinrichtung, eine Verbesserung im anzuschließenden Gemeindeteil oder eine Neuherstellung im anzuschließenden Gemeindeteil in Betracht. Das Vorgehen der Antragsgegnerin stelle keine Umgehung des Verbots einer abschnittsweisen Abrechnung dar. Eine Trennung einer einheitlichen Einrichtung sei nicht verfügt worden, um sie anschließend wieder zusammenzuführen. Vielmehr dienten die Maßnahmen der erstmaligen Schaffung einer Einrichtungseinheit; sie seien wirtschaftlich zur Kostenminimierung zweckmäßig und auf Dauer angelegt. Sie dienten ausschließlich den Grundstücken in Tiefenbach, weswegen ein Verbesserungsbeitrag für die Gesamteinrichtung ausscheide. Bei Umsetzung der Planungen handle es sich auch nicht um die Neuherstellung einer Entwässerungsanlage für den Ortsteil Tiefenbach, weil eine Erweiterung weder der Einwohnergleichwerte noch des Kanalnetzes beabsichtigt gewesen sei. Vielmehr sollten nur solche Maßnahmen erfolgen, die dem Anschluss an das aufnehmende Kanalnetz dienten. Sollte der Senat aus tatsächlichen Gründen demgegenüber eine Neuherstellung der Anlagen annehmen, wäre jedenfalls auch die Voraussetzung zum Erlass einer Beitragssatzung für einen Neuherstellungsbeitrag im Einrichtungsgebiet Tiefenbach gegeben.

In der mündlichen Verhandlung gaben die Vertreter der Antragsgegnerin unter anderem noch an, die Stadt leite sämtliche Abwässer in die Kläranlage des Abwasserzweckverbandes Mittleres Illertal ein, in die auch andere Gemeinden einleiteten. Die Verbesserungsmaßnahme sei in der Kalkulation der neuen Beitragssätze für den ganzen Ort berücksichtigt worden, so dass Neuanschließer diese im gesamten Gebiet wirtschaftlich mittrügen. Altanschließer im Ortsteil Tiefenbach würden nur zu Verbesserungsbeiträgen, nicht aber zu Herstellungsbeiträgen herangezogen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die von den Beteiligten vorgelegten Unterlagen und auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung verwiesen.

Gründe

Der Normenkontrollantrag, die Beitragssatzung für die Verbesserung der Entwässerungseinrichtung der Stadt Illertissen im Gebiet Tiefenbach (VBSEW-TFB) vom 2. Oktober 2009 für nichtig zu erklären, ist zulässig.

Die angegriffene Abgabesatzung ist eine als Ortsrecht der Antragsgegnerin im Range unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift nach Landesrecht einer gerichtlichen Normenkontrolle zugänglich (Art. 1, 2, 5 KAG; Art. 23 f. GO, § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, Art. 5 Satz 1 AGVwGO).

Die Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist eingehalten. Die Antragstellerin ist nach dieser Vorschrift auch antragsbefugt. Denn sie kann geltend machen, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, weil sie Eigentümerin eines Grundstücks ist, das seit 1966 an eine Entwässerungseinrichtung der Antragsgegnerin angeschlossen ist. Die Antragstellerin kann Adressat eines auf die angegriffene Norm (§ 6) gestützten Verbesserungsbeitragsbescheides werden.

Der Normenkontrollantrag ist auch begründet.

Denn § 1 VBSEW-TFB schafft die Möglichkeit der Erhebung eines Beitrages im Gebiet Tiefenbach zur Deckung des Aufwandes für die Verbesserung der Entwässerungseinrichtung für das Gebiet Tiefenbach – der aber kein Verbesserungsaufwand, sondern Herstellungsaufwand für die Herstellung einer nunmehr einzigen öffentlichen Einrichtung zur Abwasserbeseitigung im gesamten Stadtgebiet der Antragsgegnerin ist (vgl. § 1 Abs. 3 der Satzung für die öffentliche Entwässerungsanlage der Stadt Illertissen vom 2.10.2009 (EWS)) – nur von den Abgabepflichten im Ortsteil Tiefenbach (vgl. §§ 1, 4 VBSEW-TFB) und verstößt deswegen gegen das Verbot der abschnittsweisen Abrechnung gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 5 KAG.

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann ein Verbesserungsaufwand nur für Maßnahmen erhoben werden, die zur Hebung der Qualität und Leistungsfähigkeit, insbesondere zur Erhöhung der Wirkungskraft einer schon vorhandenen Einrichtung dienen, die über den bloßen Unterhalt oder Reparaturen hinaus gehen. Dazu gehören auch Erneuerungsmaßnahmen an bereits vorhandenen Anlagen, die sich nach der Verkehrsauffassung positiv auf die Gesamtanlage auswirken (BayVGH vom 27.2.2003 BayVBl 2003, 373 = GK 2003 Nr. 143, m.w.N.). Ein Verbesserungsbeitrag stellt die Differenz zwischen dem von den Altanschließern geforderten Beitrag für die erstmalige Herstellung etwa einer öffentlichen Entwässerungsanlage und dem von den Neuanschließern zu fordernden Herstellungsbeitrag für eine bereits hergestellte, mittlerweile verbesserte Anlage dar (BayVGH vom 27.2.2003 a.a.O. m.w.N.).

Daran gemessen liegt ein solcher Verbesserungsaufwand für eine bereits bestehende und weiter betriebene Entwässerungseinrichtung hier aber nicht vor. Die in § 1 VBSEW-TFB beschriebenen Maßnahmen dienen nämlich gerade nicht der Verbesserung der ehemals technisch und rechtlich selbstständig betriebenen Entwässerungsanlage für das Gebiet Tiefenbach (vgl. § 1 Abs. 1 Buchst. b EWS), sondern dazu, eine neue, technisch und rechtlich einheitliche Entwässerungsanlage für das gesamte Stadtgebiet der Antragsgegnerin herzustellen (s. § 1 Abs. 3 EWS). Denn mit dem Neubau eines Pumpwerkes bei der Kläranlage Tiefenbach (die aufgelassen worden ist), dem Neubau einer Abwasserdruckleitung zwischen diesem Pumpwerk und der Pumpstation in Betlinshausen sowie dem Relining einer vorhandenen, wieder in Betrieb genommenen Abwasserleitung von der Pumpstation Betlinshausen zur Einleitungsstelle in das Kanalnetz Illertissen (Siemensstraße/Ulmer Straße) wurden die Voraussetzungen für eine neue Entwässerungseinrichtung für das gesamte Stadtgebiet der Antragsgegnerin geschaffen, die nach Angabe der Antragsgegnerin am 24. Oktober 2009 in Betrieb gegangen ist. Dafür, dass die bisherige Einrichtung für die Gebiete Illertissen, Au, Betlinshausen und Jedesheim (§ 1 Abs. 1 Buchst. a EWS) modernisiert oder neu gebaut worden wäre, waren Anhaltspunkte weder vorgetragen noch angesichts des Vortrags der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung ersichtlich. Die Inbetriebnahme der stillgelegten Abwasserleitung von Betlinshausen zur Einleitungsstelle in das Kanalnetz Illertissen, verbunden mit einer Inlinersanierung, dient dazu, die Abwässer aus dem Ortsteil Tiefenbach ungehindert der Einleitungsstelle in das Kanalnetz Illertissen (Kernstadt) zuzuleiten, und damit der Herstellung der neuen Einrichtung, die ihre gesamten Abwässer in die Kläranlage des Abwasserzweckverbandes Mittleres Illertal einleitet.

Deswegen durfte dieser Herstellungsaufwand nicht abschnittsweise und teilweise nur auf die beitragspflichtigen Altanschließer im Ortsteil Tiefenbach verteilt und ihre Erhebung nur von diesen durch die streitgegenständliche Verbesserungsbeitragssatzung ermöglicht werden, was auch dem Gleichheitssatz und dem Äquivalenzprinzip widerspricht. Zwar wurde dieser Investitionsaufwand nach Angaben der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung als weiterer Herstellungsaufwand in die Globalkalkulation zur Ermittlung der (erhöhten) Beitragssätze zur Deckung des Investitionsaufwandes für die neu geschaffene Entwässerungseinrichtung im gesamten Stadtgebiet (ab Inbetriebnahme der Anschlussleitung, vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 2 der BGS-EWS/FES vom 2. bzw. 15.10.2009) einbezogen und auf alle Beizugsflächen im gesamten Stadtgebiet rechnerisch verteilt (vgl. bereits BayVGH vom 25.11.1996 BayVBl 1997, 308 zur Verteilung eines Verbesserungsaufwandes; in diesem Sinne auch Schima/Bosch, Kalkulation von Beiträgen und Benutzungsgebühren, Teil I Beiträge, Kapitel X, Nr. 5 [S. 16 f.]), aber lediglich die satzungsmäßige Voraussetzung für die Erhebung nur eines Verbesserungsbeitrages von den Altanschließern im Ortsteil Tiefenbach einerseits und eines erhöhten Herstellungsbeitrages von allen Neuanschließern im gesamten neuen Einrichtungsgebiet andererseits unter Verstoß gegen das Verbot der abschnittsweisen Abrechnung, gegen den Gleichheitssatz und das Äquivalenzprinzip geschaffen. Nach der Rechtsprechung des Senats ist bei einer Einrichtungseinheit im Sinne des Art. 21 Abs. 2 GO, wie sie hier im Stadtgebiet der Antragsgegnerin gebildet wurde, der Aufwand für Verbesserungsmaßnahmen, auch wenn sie sich nur in einem Teilbereich auf deren Leistungsfähigkeit positiv auswirken, auf das gesamte Einrichtungsgebiet zu verteilen und der Beitrag im gesamten Einrichtungsgebiet zu erheben (vgl. BayVGH vom 14.1.2004 Az. 23 ZB 03.3115 m.w.N.). Nichts anderes hat für den Investitionsaufwand für die Schaffung einer neuen Einrichtung zu gelten, weil für den Bereich des kommunalen Abgabenrechtes auch geklärt ist, dass alle von einer Abgabesatzung erfassten Grundstückseigentümer und Erbbauberechtigten in Bezug auf eine Entwässerungseinrichtung eine Solidargemeinschaft darstellen (vgl. BayVGH vom 14.1.2004 a.a.O.; s. auch VerfGH vom 6.11.1991 VerfGH n.F. 44, 124/133 = BayVBl 1992, 80/82). Wie eine solche neu gebildete Einrichtung abzurechnen ist, hat der Satzungsgeber unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles nach Maßgabe der Rechtsprechung des Senats zu beurteilen (vgl. BayVGH vom 29.4.2010 Az. 20 BV 09.2024; vom 15.9.2008 Az. 20 ZB 08.1702; vom 16.3.2005 BayVBl 2006, 108 = GK 2005 Nr. 188, jeweils m.w.N.).

Schließlich fehlt es auch an einer (von der Antragsgegnerin geforderten) logischen Sekunde, die zwischen dem Abschluss der „Verbesserungsmaßnahme“ (im Ortsteil Tiefenbach) und der Schaffung einer einheitlichen Einrichtung für das gesamte Stadtgebiet der Antragsgegnerin liegen soll. Denn in dem Zeitpunkt, in dem die neu geschaffene Pumpstation und Abwasserdruckleitung sowie die wieder in Betrieb genommene Abwasserleitung und damit der Anschluss betriebsbereit sind, ist die ehemalige Einrichtung für Tiefenbach technisch nicht mehr selbstständig und kann wegen Art. 21 Abs. 2 GO und auch schon nach dem in § 1 Abs. 3 EWS, § 6 Abs. 1 Nr. 2 BGS-EWS/FES zum Ausdruck gekommenen Willen des Satzungsgebers nicht (mehr) selbstständig abgerechnet werden.

Für eine Neuherstellung allein der bisher technisch selbstständigen Ortsteilentwässerungsanlage Tiefenbach durch Anschluss an eine zentrale Kläranlage fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten. Auch bei einer solchen Konstellation hätte es sich verboten, lediglich den dafür erforderlichen Investitionsaufwand als Verbesserungsbeitrag nur von den beitragspflichtigen Altanschließern im angeschlossenen Ortsteil zu erheben (vgl. BayVGH vom 15.5.2007 GK 2008 Nr. 60).

Auch der Umstand, dass der Ortsteil Tiefenbach mit etwa 10 % zu Gesamtabwasseraufkommen der Antragsgegnerin beiträgt, was in der mündlichen Verhandlung angeführt wurde, führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Insbesondere kann bei solchen Mengengrößen (noch) nicht von einem Fall ausgegangen werden, in dem ein neu an eine bisher bestehende Einrichtung angeschlossener Ortsteil mengenmäßig nur eine ganz untergeordnete Rolle einnimmt, was die Sicht einer neuen Einrichtung insgesamt, die durch die Zusammenlegung entstehen soll, in Frage stellen könnte.

Auf weiteres Vorbringen der Beteiligten kam es nach alledem nicht mehr entscheidungserheblich an.

Die Entscheidung über die Nichtigkeit der angegriffenen Norm ist allgemein verbindlich; die Entscheidungsformel ist von der Antragsgegnerin ebenso zu veröffentlichen, wie die Vorschrift bekannt zu machen war (§ 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

Die Kostenentscheidung folgt § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

 

Beschluss

Der Streitwert wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 52 Abs. 1 GKG. Der Senat setzt bei Normenkontrollanträgen nunmehr regelmäßig den doppelten Auffangstreitwert des § 52 Abs. 2 GKG an, um einerseits das Interesse des Antragstellers am Prozess, andererseits die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung des Normenkontrollverfahrens zu berücksichtigen (vgl. auch Streitwertkatalog vom 7./8. Juli 2004, abgedr. bei Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., Anhang § 164 RdNr. 14 Nr. 3.3).