OLG München, Beschluss vom 27.04.2010 - 4 Wx 009/10
Fundstelle
openJur 2012, 107824
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) und 3) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Augsburg vom 26.01.2010 (Zahlung von 94.000,00 Euro aus Mitteln des Nachlasses) wird zurückgewiesen.

2. Die Beteiligten zu 2) und 3) tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Beschwerdewert wird auf 94.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beschwerde betrifft die nachlassgerichtliche Genehmigung eines Vergleichs zur Zahlung von Nachlassverbindlichkeiten an den Beteiligten zu 6).

Die Erblasserin ist am 14.02.2008 im Alter von 88 Jahren verstorben. Mit notariellem Testament vom 29.05.2006 setzte die Erblasserin den Beteiligten zu 1) zum Alleinerben ein. Mit handschriftlichem Testament vom 23.01.2007 wandte sie ihr Hausgrundstück den Beteiligten zu 2) und 3) zu. Nach den Feststellungen des Sachverständigen ... vom 23.02.2009, ergänzt durch Ausführungen vom 26.10.2009, war die an Demenz leidende Erblasserin bei Errichtung beider Testamente nicht testierfähig. Die verwitwete kinderlose Erblasserin hatte keine Geschwister. Die als gesetzliche Erben in Betracht kommenden Personen sind noch nicht vollständig ermittelt. Das Amtsgericht – Nachlassgericht – ordnete mit Beschluss vom 24.03.2009 Nachlasspflegschaft zur Sicherung und Verwaltung des Nachlasses sowie zur Ermittlung der Erben an und bestellte den Beteiligten zu 4) zum Nachlasspfleger.

Mit Beschluss vom 26.01.2010 genehmigte das Amtsgericht – Nachlassgericht – den Kaufvertrag über die Veräußerung des Hausgrundstückes der Erblasserin zu einem Kaufpreis von 230.000,00 Euro, nachdem das Landgericht und das Oberlandesgericht (Beschluss vom 07.01.2010, Geschäftszeichen 31 Wx 154/09) zuvor die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 2) gegen den die Genehmigung des Grundstücksverkaufs ankündigenden Vorbescheid des Amtsgerichts – Nachlassgericht – zurückgewiesen hatten. In den Gründen der Beschwerdeentscheidung wurde u. a. ausgeführt, dass die Veräußerung des Grundstücks notwendig sei, um die Nachlassverbindlichkeiten gegenüber dem Beteiligten zu 6) begleichen zu können.

Mit Schriftsatz vom 14.12.2009 beantragte der Beteiligte zu 4) folgende nachlassgerichtliche Genehmigung zu erteilen:

"Der Vergleich zwischen Herrn ..., geboren ..., ..., vertreten durch seinen Sohn Herrn ..., ..., und Herrn Nachlasspfleger ..., hinsichtlich der Rückzahlung der insgesamt 8 Darlehen, die Herr ... der Erblasserin im Zeitraum 1997 – 2006 ausgereicht hat, wird bezüglich der Gesamtsumme einschließlich angemessener Zinsen in Höhe von 94.000,00 Euro nachlassgerichtlich genehmigt."

Ursprünglich machte der Beteiligte zu 6) Nachlassverbindlichkeiten von über 100.000,00 Euro geltend. Nach langwierigen Verhandlungen einigten sich der Beteiligte zu 6), vertreten durch den Beteiligten zu 1) und der Beteiligten zu 4) vergleichsweise auf die Zahlung von 94.000,00 Euro. Mit Ausnahme der Beteiligten zu 2) und 3) befürworten sämtliche Beteiligten den vorgeschlagenen Vergleich als sachgerecht und angemessen, zumal die Hauptforderung unstrittig sei.

Das Amtsgericht genehmigte mit Beschluss vom 26.01.2010 dem Beteiligten zu 4) 94.000,00 Euro aus Mitteln des Nachlasses an den Beteiligten zu 6), vertreten durch den Beteiligten zu 1) zu leisten gegen

a)die schriftliche Erklärung, dass damit sämtliche Forderungen aus Darlehen oder sonstigen Zahlungen an die Erblasserin getilgt sind,

b)die schriftliche Erklärung, dass keinerlei weitere Forderungen gegen den Nachlass bestehen, ganz gleich aus welchem Grund,

c)die Verpflichtung, sämtliche dingliche Rechte des Beteiligten zu 6), die im Grundbuch des Amtsgerichts ..., Gemarkung ..., Blatt ..., vorgetragen sind, zu löschen und die hierzu erforderlichen Erklärungen abzugeben. Der Nachlass trägt lediglich die Notar- und Grundbuchgebühren.

Zur Begründung führt das Amtsgericht aus, die Darlehensforderungen seien unbestritten. Die Darlehen seien im Wesentlichen zu Zeitpunkten ausgereicht worden, als keine Anhaltspunkte für eine Geschäftsunfähigkeit der Erblasserin bestanden. Nach dem 01.01.2005 sei lediglich ein Betrag von 2.400,00 Euro ausgereicht worden. Insoweit sei jedenfalls ein Rückzahlungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gegeben. Um den genehmigten Grundstücksverkauf durchzuführen, müssten bestehende Grundpfandrechte gelöscht werden. Eine Bereinigung der strittigen Rechtsverhältnisse durch Vergleich stehe deshalb im wirtschaftlichen Interesse der unbekannten Erben.

Die Beteiligten zu 2) und 3) wenden sich mit Beschwerden gegen diesen Beschluss. Sie meinen, die Auszahlung sei nicht gerechtfertigt, Zeugen, insbesondere zur Ausübung eines psychischen Drucks des Beteiligten zu 1) bzw. zu 6) auf die Erblasserin seien nicht befragt worden, der Beteiligte zu 6) müsse zur gesamten Angelegenheit, insbesondere zur Testamentserrichtung gehört werden. Weiter beantragten sie eine genaue Überprüfung der Darlehensüberweisungen und Darlehensunterlagen.

Das Amtsgericht half der Beschwerde der Beteiligten zu 2) und 3) mit Beschluss vom 12.02.2010 nicht ab.

Der Senat bestellte mit Beschluss vom 16.03.2010 eine Verfahrenspflegerin und forderte ebenfalls mit Beschluss gleichen Datums die Beteiligten zu 4) und 6) auf, zu den behaupteten Forderungen gegen den Nachlass darzulegen, ob bzw. welche konkreten Belege für die Darlehenshingaben vorliegen. Gleichzeitig wies der Senat umfassend auf den rechtlichen und tatsächlichen Sachstand hin. Der Beteiligte zu 4) nahm hierzu Stellung und legte Belege zu den einzelnen Darlehenshingaben vor.

Die bestellte Verfahrenspflegerin befürwortet die Genehmigung des Vergleichs.

Der Senat wies die Beteiligten zu 2) und 3) mit Schreiben vom 29.03.2010 hin, dass der Senat aufgrund der vorgelegten Darlehensurkunden und Überweisungsbelege ihre Beschwerde voraussichtlich zurückweisen werde und die Beteiligten die Kosten eines unbegründeten Rechtsmittels zu tragen hätten. Nach gewährter Fristverlängerung wiederholten die Beteiligten zu 2) und 3) ihre Auffassung, wonach die Beteiligten zu 1) bzw. zu 6) auf die Erblasserin Druck ausgeübt hätten und die Erblasserin ihr Vermögen ihrer Familie mit 6 Kindern hinterlassen wollte.

II.

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) und 3) ist ohne Erfolg. Das Amtsgericht – Nachlassgericht – hat die Zahlung von Nachlassverbindlichkeiten in Höhe von 94.000,00 Euro an den Beteiligten zu 6) unter den angeordneten Bedingungen zu Recht genehmigt.

181. Die verfahrensgegenständliche Genehmigung des Vergleichs richtet sich nach FamFG. Das Verfahren auf nachlassgerichtliche Genehmigung eines Vergleichs ist ein eigenständiges Verfahren im Sinne von Art. 111 Abs. 2 FGG-RG. Das Verfahren begann mit Eingang des Antrags des Nachlasspflegers vom 14.12.2009.

2. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) und 3) ist zulässig.

Die Beteiligten zu 2) und 3) sind als Erbprätendenten beschwerdeberechtigt (§ 59 Abs. 1, 345 FamFG). Die Beteiligten zu 2) und 3) legten gegen den ihnen am 28.01.2010 zugestellten Beschluss vom 26.01.2010 am 11.02.2010 rechtzeitig innerhalb der Beschwerdefrist von 2 Wochen (§ 63 Abs. 2 Nr. 2 FamFG) beim Amtsgericht (§ 64 Abs. 1 FamFG) Beschwerde ein.

3. Das Amtsgericht genehmigte zutreffend die Auszahlung von 94.000,00 Euro an den Beteiligten zu 6) aus Mitteln des Nachlasses (§§ 1960 Abs. 2, 1915 Abs. 1, 1822 Nr. 12 BGB).

22a. Bei der Entscheidung über die Erteilung oder Verweigerung einer vormundschaftlichen Genehmigung für einen Vergleichsabschluss nach § 1822 Nr. 12 BGB handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Maßgebendes Kriterium ist dabei, das Interesse der noch nicht festgestellten Erben, wie es sich im Entscheidungszeitpunkt darstellt (OLG München RPfl. 2007, 603 (604)). Die Zahlung des vergleichsweise vereinbarten Betrags von 94.000,00 Euro liegt im Interesse der noch nicht feststehenden Erben. Sie dient der Befreiung von Nachlassverbindlichkeiten einschließlich angefallener Zinsen. Das Oberlandesgericht (31. Senat, Gz: 31 Wx 154/09) bestätigte bereits mit Beschluss vom 07.01.2009, dass der Beteiligte zu 4) berechtigt und letztlich auch verpflichtet ist, die Nachlassverbindlichkeiten zu begleichen, um Schäden oder unnötige Prozesse und Kosten zu vermeiden (vgl. Beschluss vom 07.01.2010 m. w. N.). Zwar dient die Nachlasspflegschaft dem Schutz der Erben und ist grundsätzlich nicht zur Befriedigung der Nachlassgläubiger angeordnet (Beschluss vom 07.01.2010; Kammergericht NJW-RR 2007, 1598 (1599), OLG Köln ZEV 1997, 210 (212)). Der Nachlasspfleger ist jedoch vorliegend auch mit der Sicherung und Verwaltung des Nachlasses betraut. Er kann deshalb aus Mitteln des Nachlasses Nachlassverbindlichkeiten begleichen. Es liegt im Interesse der noch nicht feststehenden Erben, den Nachlass nicht der Gefahr eines aussichtslosen mit erheblichen Kosten verbundenen Prozesses auszusetzen (BayObLGZ 1996, 192(196)).

23b. Die behaupteten Nachlassforderungen sind hinsichtlich ihrer Höhe, ihrer Plausibilität, ihrer Durchsetzbarkeit und ihrer rechtlichen Grundlage schlüssig dargelegt (BayObLG NJW-RR 2003, 1587). Aus dem Nachlass sind Zahlungen des Beteiligten zu 6) an die Erblasserin in Höhe von 58.630,00 Euro zurück zu erstatten (§ 488 Abs. 1 Satz 2, 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB). Der zu zahlende Restbetrag rechtfertigt sich aus Zinsansprüchen.

aa) Der Beteiligte zu 6) reichte an die Erblasserin Darlehen in Höhe von zumindest 56.230,81 Euro aus, die aus dem Nachlass zurück zu erstatten sind (§ 488 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der Beteiligte zu 6) belegte die Ausreichung eines Darlehens über 108.000,00 DM (55.219,52 Euro) mit Darlehensvertrag vom 10.02.1988. Die Auszahlung dieses Darlehens in Teilbeträgen von 69.500,00 DM (35.534,65 Euro), von 22.500,00 DM (11.504,02 Euro) und von 16.000,00 DM (8.180,64 Euro) belegte der Beteiligte zu 6) mit Überweisungsbelegen vom 23.09.1997, vom 08.12.1997 und vom 22.01.1998. Die Auszahlung weiterer 1.000,00 DM (= 511,29 Euro) sowie 500,00 Euro belegte der Beteiligte zu 6) mit Überweisungsbelegen vom 27.11.2000 und vom 26.08.2004.

bb) Ob und inwieweit weiteren Auszahlungen in Höhe von 400,00 Euro (Überweisungsbeleg V bank e. G. vom 30.06.2005), über 1.000,00 Euro (Kontoauszug V bank e. G. vom 21.06.2006) sowie über weitere 1.000,00 Euro (Kontoauszug V bank e. G. vom 27.09.2006) wegen der zu prüfenden Geschäftsfähigkeit der Erblasserin wirksame Darlehensvereinbarungen zugrunde liegen, mag dahinstehen, weil insoweit jedenfalls – im Falle einer Geschäftsunfähigkeit der Erblasserin – ein Anspruch auf Rückzahlung aus ungerechtfertigter Bereicherung besteht (§ 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB).

cc) Der Restbetrag von 35.370,00 Euro (94.000,00 Euro – 58.630,00 Euro) rechtfertigt sich aus Zinsansprüchen (§ 488 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Höhe dieser Zinsen war in den Vergleichsverhandlungen höchst umstritten. Die Vereinbarung eines Zinssatzes von 5 % erscheint angemessen und unter Berücksichtigung der Interessen der nicht festgestellten Erben nicht überhöht, zumal ursprünglich im Darlehensvertrag vom 10.02.1998 eine – zwar wegen der Zinseszinsvereinbarung nach § 248 Abs. 1 jedenfalls teilweise nichtige – Zinshöhe von 6 % vereinbart wurde.

c) Die Einwände der weiteren Beteiligten zu 2) und 3) führen zu keinem abweichenden Ergebnis. Ihre Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit und Durchsetzbarkeit der Nachlassverbindlichkeiten sind aufgrund der Überprüfung des Senats (vgl. oben b)) entkräftet. Soweit die Beteiligten zu 2) und 3) zur Geschäftsfähigkeit der Erblasserin weitere Beweiserhebungen beantragen, sind diese Einwände im anhängigen Erbscheinsverfahren zu würdigen. An der Berechtigung der Nachlassverbindlichkeiten änderte dieser Einwand nichts. Im Gegenteil, für den Fall der vollen Geschäftsfähigkeit der Erblasserin sind auch die Darlehensverträge vom 11.05.2006, vom 24.01.2007 sowie die den Grundbucheintragungen zugrundeliegenden Willenserklärungen der Erblasserin wirksam.

4. Die Beschwerdeführer haben gesamtschuldnerisch die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 84 FamFG, § 4 KostO). Gründe von dieser Regelung abzuweichen, bestehen nicht, zumal die Beteiligten zu 2) und 3) ihre Beschwerde trotz des Hinweises des Senats auf die voraussichtliche Erfolglosigkeit der Beschwerde aufrecht erhielten.

Der Beschwerdewert wird auf 94.000,00 Euro festgesetzt (§§ 131 Abs. 4, 30 Abs. 1 und 2 KostO). Bei einer Genehmigung richtet sich der Wert nach dem genehmigungspflichtigen Rechtsgeschäft. Durch Zahlung der Nachlassverbindlichkeiten verringert sich der verbleibende Nachlass um 94.000,00 Euro.

Gegen den Beschluss wird die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen (§§ 70 Abs. 1, Abs. 2 FamFG).