Bayerischer VGH, Beschluss vom 26.04.2010 - 17 P 09.3079
Fundstelle
openJur 2012, 107441
  • Rkr:
Tenor

I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 9. Dezember 2009 wird aufgehoben und der Antrag des Antragstellers auf Ausschluss des Beteiligten zu 1) aus dem Personalrat des Polizeipräsidiums München vom 19. November 2009 wird abgelehnt.

II. Der Gegenstandswert wird auf 4.000,- € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Beteiligte zu 1) ist seit 1. Januar 2009 für die „Gemeinsame Liste Ballungsraum“ (GLB) Mitglied des Personalrats des Polizeipräsidiums München aufgrund der Personalratswahl vom 11. November 2008. Der Personalrat des Polizeipräsidiums München (im folgenden Antragsteller) besteht aus 23 Personen (19 Beamte und vier Arbeitnehmer).

Am 14. Januar 2009 sprachen der Beteiligte zu 1) und ein weiteres Mitglied der GLB (Herr St.; dieser hatte am 3.2.2009 mit dem Polizeipräsidenten eine weitere Unterredung), welches auch in den Personalrat gewählt worden war, beim Polizeipräsidenten vor, um sich als neue Mitglieder des Antragstellers diesem vorzustellen. Bei dem Gespräch sollen u.a. die Themen Suizidhäufungen im Bereich des Polizeipräsidiums München, Fälle von sogenanntem Bossing und Mobbing sowie Probleme im Zusammenhang mit laufenden Disziplinarverfahren bei einer bestimmten Polizeieinheit angesprochen worden sein. Der Polizeipräsident erbat sich insoweit weitere Informationen.

Am 18. Februar 2009 sprach das weitere Personalratsmitglied und ebenfalls Mitglied der GLB, Frau B.-W., beim Polizeipräsidenten vor, weil sie sich als Bossing- bzw. Mobbingopfer beschweren wollte. Hierbei soll Frau B.-W. dem Polizeipräsidenten mitgeteilt haben, dass der Beteiligte zu 1) über weiteres Hintergrundmaterial verfüge.

Zur Vorbereitung des für den 7. April 2009 geplanten sogenannten Monatsgesprächs des Antragstellers mit dem Polizeipräsidenten verschickte der Vorsitzende des Antragstellers am 3. April 2009 per E-Mail an alle seine Mitglieder entsprechendes Informationsmaterial. Darunter befand sich auch eine von den Polizeibeamten B. und Sch. erstellte sogenannte Tischvorlage in Sachen „PI ED 4 (Reiterstaffel)“.

Am 4. Juni 2009 übergab Frau B.-W. in einem geschlossenen Kuvert zwei Gehefte an den Polizeipräsidenten. Es handelte sich dabei zum einen um die per E-Mail vom 3. April 2009 übermittelte Tischvorlage sowie zum anderen um vom Beteiligten zu 1) erstellte zwei Seiten Hinweise und vier Seiten Zusammenfassung von Aussagen verschiedener Polizeibeamter über Vorfälle in ihrer jeweiligen Dienststelle. Nach Durchsicht der Unterlagen leitete der Polizeipräsident die beiden Gehefte am 5. Juni 2009 an die Abteilung P zur weiteren Veranlassung weiter.

Aufgrund der hierdurch ausgelösten Ermittlungen und der veranlassten Stellungnahmen der betroffenen Beamten erfuhr auch der Vorsitzende des Antragstellers von den Vorgängen. Er nahm daraufhin Einsicht in den Beschwerdevorgang und stellte fest, dass sich die als vertraulich zu behandelnde Tischvorlage zum Monatsgespräch vom 7. April 2009 in den Akten befand. Aufgrund der Begleitumstände ging der Vorsitzende des Antragstellers davon aus, dass der Beteiligte zu 1) die Tischvorlage dem Polizeipräsidenten übermittelt haben musste.

In der außerordentlichen Vollsitzung vom 27. Oktober 2009, zu der unter dem 22. Oktober 2009 geladen worden war, beriet der Antragsteller über diesen Sachverhalt sowie über einen Ausschluss des Beteiligten zu 1) aus dem Personalrat des Polizeipräsidiums München. Der Antragsteller fasste den Beschluss, das Verfahren über den Ausschluss des Beteiligten zu 1) durchzuführen und gleichzeitig im Wege der einstweiligen Verfügung dem Beteiligten zu 1) die weitere Mitwirkung an Personalratssitzungen vorläufig untersagen zu lassen. Der Beteiligte zu 1) wirkte an diesen Beschlüssen nicht mit. Er wurde zu den Vorwürfen vorher auch nicht angehört.

Mit dem am 19. November 2009 beim Verwaltungsgericht München eingegangenen Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 18. November 2009 beantragte der Antragsteller den Ausschluss des Beteiligten zu 1) aus dem Personalrat des Polizeipräsidiums München. Zur Begründung heißt es dazu im Wesentlichen, der Beteiligte zu 1) habe die ihm als Personalratsmitglied obliegende Schweigepflicht verletzt, indem er die als vertraulich zu behandelnde Tischvorlage an den Polizeipräsidenten weitergegeben habe. Zu dieser Weitergabe sei er nicht autorisiert gewesen. Ein Ausnahmetatbestand nach Art. 10 BayPVG liege nicht vor. Infolge der Verletzung der Schweigepflicht durch den Beteiligten zu 1) sei eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ihm im Personalrat nicht mehr möglich, zumal für die künftige Zusammenarbeit innerhalb und außerhalb des Antragstellers die Intimität der Willensbildung nicht mehr gewahrt sei. Das Vertrauensverhältnis sei nachhaltig gestört. Die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht sei durch den Beteiligten zu 1) in grober Weise erfolgt, denn dieser habe in voller Absicht die vertraulichen Unterlagen weitergegeben. Eine Anhörung des Beteiligten zu 1) vor der Antragstellung sei rechtlich nicht geboten gewesen.

Der Beteiligte zu 1) ist dem Antrag über seinen Bevollmächtigten entgegengetreten. Hierzu führt er im Einzelnen aus, die gegen ihn erhobenen Vorwürfe seien unzutreffend. Er habe keine vertraulichen Informationen weitergegeben. Die sogenannte Tischvorlage sei nicht von ihm dem Polizeipräsidenten ausgehändigt worden. Er habe lediglich seine Erkenntnisse aus der Zeit vor seiner Personalratstätigkeit zusammengestellt und diese Informationen Frau B.-W. gegeben, damit sie beim Polizeipräsidenten entsprechend vortragen bzw. die Unterlagen dem Polizeipräsidenten übergeben könne. Er habe keine Informationen aus der Tischvorlage verwendet, sondern nur Informationen, die er außerhalb der vertraulichen Informationen durch den Antragsteller erhalten habe. Der Ausschluss sei daher nicht gerechtfertigt.

Nach mündlicher Anhörung der Beteiligten und Einvernahme der Frau B.-W. als Zeugin gab die Fachkammer dem Ausschlussantrag mit Beschluss vom 9. Dezember 2009 statt. Zur Begründung heißt es dazu im Wesentlichen, Voraussetzung für den Ausschluss nach Art. 28 Abs. 1 Satz 2 BayPVG sei eine grobe Verletzung der gesetzlichen Pflichten durch das Gremiumsmitglied. Zu den gesetzlichen Pflichten gehöre insbesondere die Schweigepflicht nach Art. 10 BayPVG. Eine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht stelle sich regelmäßig als grobe Pflichtverletzung dar. Das Verhalten des Beteiligten zu 1) stelle eine grobe Pflichtverletzung dar. Das gelte schon für die Weiterleitung des von ihm erstellten Dossiers an den Polizeipräsidenten, aber auch für seine Vorsprache als neu gewählter Personalrat der GLB am 14. Januar 2009 und seine dort gemachten Ausführungen. Gemäß Art. 37 BayPVG finde die Meinungsbildung im Personalrat in nichtöffentlichen Sitzungen statt und münde in einem Beschluss des Gremiums. Art. 32 Abs. 3 BayPVG mache es dem Vorsitzenden zur Aufgabe, den Personalrat im Rahmen dieser Beschlüsse zu vertreten. Diese gesetzlichen Vorschriften habe der Beteiligte zu 1) missachtet. Er habe sich in seiner Eigenschaft als neu gewähltes Personalratsmitglied an den Ansprechpartner des Gremiums gewandt und dort Themen angesprochen, die noch nicht im Gremium behandelt worden waren (Mobbing/Bossing) beziehungsweise, zu denen das Gremium sich noch keine Meinung gebildet hatte (Dauer der Disziplinarverfahren bei einer bestimmten Polizeieinheit). Es stelle eine erhebliche Pflichtverletzung dar, wenn ein Personalratsmitglied sein Gremium umgehe. Das Verhalten des Beteiligten zu 1) sei ein Profilierungsversuch auf Kosten des Antragstellers, eine grobe Unbilligkeit und ein Verstoß gegen die Pflicht zu solidarischem und loyalem Verhalten gegenüber den übrigen Personalratsmitgliedern. Dem Beteiligten zu 1) sei auch eine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht anzulasten, denn er müsse sich die Weitergabe des von den Personalratsmitgliedern B. und Sch. für die Personalratssitzung zusammengestellten Informationsmaterials (sogenannte Tischvorlage) zurechnen lassen. Dies folge vor allem daraus, dass er in seinem eigenen Dossier auf die umfangreichen Schreiben der Personalräte B. und Sch. verwiesen habe. Der Beteiligte zu 1) könne sich nicht damit entlasten, dass die Verhältnisse bei einer bestimmten Polizeieinheit im Monatsgespräch angesprochen werden sollten und auch wurden, denn ausweislich des Protokolls über die Besprechung vom 7. April 2009 sei die Tischvorlage nicht an die auf Seiten der Dienststellenleitung beteiligten Personen des Monatsgesprächs übergeben worden; auch Details seien nicht erörtert worden.

Gegen den am 9. Dezember 2009 verkündeten und seinem Bevollmächtigten ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 23. Dezember 2009 zugestellten Beschluss erhob der Beteiligte zu 1) mit dem am 11. Dezember 2009 beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingegangenen Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 10. Dezember 2009 Beschwerde, die mit dem am 16. Februar 2010 eingegangenen Schriftsatz vom 15. Februar 2010 damit begründet wurde, dass die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 BayPVG nicht gegeben seien. Der Beteiligte zu 1) habe Frau B.-W. nur insgesamt sechs (lose) Seiten ausgehändigt. Dabei habe es sich um eine Zusammenstellung von Vorfällen gehandelt, die ihm zum großen Teil schon vor seiner Personalratstätigkeit zur Kenntnis gelangt seien. Seite 1 und Seite 6 sei eine Zusammenstellung als Gesprächsleitfaden für Frau B.-W. gewesen, während Seite 2 bis Seite 5 Einzelfälle umfasst hätten. Die vertrauliche Tischvorlage der Polizeibeamten B. und Sch. sei von ihm nicht übergeben worden. Im Übrigen habe der Polizeipräsident die vertrauliche Behandlung der Informationen zugesichert. Darauf habe sich der Beteiligte zu 1) verlassen dürfen. Zudem sei der Beteiligte zu 1) vom Antragsteller mit Beschluss vom 19. November 2009 zum Betreuer von Frau B.-W. bestellt worden. Von daher habe er sich auch für diese engagieren dürfen, womit er nicht am Antragsteller vorbei gehandelt habe. Schließlich sei der Beteiligte zu 1) vom Antragsteller nicht angehört worden, obwohl dies ohne weiteres möglich gewesen wäre. Dass die Aussage von Frau B.-W. der Wahrheit entsprochen habe, stehe außer Zweifel. Der Beteiligte zu 1) habe keinerlei vertrauliche Informationen an den Polizeipräsidenten weitergegeben.

Dem Beschwerdeschriftsatz war eine schriftliche Aussage des Personalrats St. beigefügt.

Der Beteiligte zu 1) beantragt:

1. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München (Az.: M 20 P 09.5437) vom 9. Dezember 2009 wird aufgehoben.

2. Der Antrag auf Ausschluss des Beteiligten zu 1) aus dem Personalrat des Polizeipräsidiums München wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller beantragt:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Er verteidigt in erster Linie die angefochtene Entscheidung und weist auf einige Widersprüche in den Ausführungen des Beteiligten zu 1) in den Verfahren erster und zweiter Instanz hin. Zudem habe der Beteiligte zu 1) selbst eingeräumt, dass er auch Informationen an den Polizeipräsidenten weitergegeben habe, die ihm aus seiner Personalratstätigkeit bekannt geworden seien. Die Stellungnahme des Personalrats St. sei widersprüchlich und offensichtlich bewusst nicht in der Form der eidesstattlichen Versicherung abgegeben worden. Auch der Vortrag der Frau B.-W. entspreche nicht der Wahrheit. Der Beteiligte zu 1) sei am Personalrat vorbei tätig geworden. Der Hinweis auf den Beschluss vom 19. November 2009 sei insofern unbehelflich, als sich die maßgeblichen Vorfälle bereits 10 Monate vorher abgespielt hätten. Im Übrigen sei der Beteiligte zu 1) nicht mit Beschluss vom 19. November 2009 zum Beauftragten von Frau B.-W. bestellt worden, sondern schon früher. Mit dem besagten Beschluss sollte die Beauftragung nur aufrechterhalten bleiben. Dass eine Anhörung vor der Antragstellung nicht erfolgt sei, sei unerheblich. Eine weitere Zusammenarbeit mit dem Beteiligten zu 1) sei dem Antragsteller nicht zuzumuten. Die Beschwerde sei daher unbegründet. Der Vollständigkeit halber werde darauf hingewiesen, dass Frau B.-W. aufgrund eines am 27. Januar 2010 geschlossenen Vergleichs zwischenzeitlich einvernehmlich aus dem Personalrat ausgeschieden sei.

Der Beteiligte zu 2) hat sich zur Beschwerde ebenfalls geäußert und auf etwaige Widersprüchlichkeiten im Vortrag des Beteiligten zu 1) hingewiesen. Einen Antrag hat er nicht gestellt.

Der Senat hat die Beteiligten am 26. April 2010 mündlich angehört.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die Niederschrift über die mündliche Anhörung vom 26. April 2010 verwiesen.

II.

Die gemäß Art. 81 Abs. 2 Satz 1 BayPVG i.V.m. § 87 Abs. 1, 2 Satz 1, § 66 Abs. 1 Sätze 1 und 2 ArbGG zulässige Beschwerde hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Beteiligten zu 1) zu Unrecht aus dem Personalrat des Polizeipräsidiums München gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 2 BayPVG ausgeschlossen.

1. Nach Art. 28 Abs. 1 Satz 2 BayPVG kann der Personalrat den Ausschluss eines Mitglieds u.a. wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten beantragen. Der Antrag des Personalrats setzt einen ordnungsmäßigen Beschluss voraus, den das gesamte Personalratsgremium jedoch ohne die Mitwirkung des auszuschließenden und mithin rechtlich verhinderten Mitglieds zu fassen hat (vgl. Ballerstedt/-Schleicher/Faber/Eckinger, BayPVG, RdNr. 39 zu Art. 28). Anstelle des letzteren ist ein Ersatzmitglied zu beteiligen.

Ein grober Pflichtverstoß kommt regelmäßig bei einer Verletzung der in Art. 10 BayPVG normierten Schweigepflicht in Betracht, der vor allem darin liegen kann, dass Vorgänge aus einer Sitzung des Personalrats an Außenstehende weitergegeben werden (vgl. Ballerstedt/Schleicher/Faber/Eckinger, BayPVG, RdNr. 28 zu Art. 10 m.w.N. sowie RdNr. 21 zu Art. 28). Im Übrigen muss eine grobe Pflichtverletzung objektiv erheblich sein, insbesondere den Arbeitsfrieden innerhalb der Dienststelle ernstlich gefährden oder nachhaltig stören und darüber hinaus ein mangelndes Pflichtbewusstsein des Personalratsmitglieds erkennen lassen, d.h. auch verschuldet sein (BayVGH vom 30.4.2009 Az. 17 P 08.2381; BayVGH vom 14.2.2001 a.a.O.; Ballerstedt/Schleicher/Faber/Eckinger, BayPVG, RdNr. 7 c zu Art. 28).

Dies voraus geschickt ergibt sich im vorliegenden Fall folgendes:

a) Der Beschluss des Personalrats des Polizeipräsidiums München vom 27. Oktober 2009, der dem Antrag auf Ausschließung des Beteiligten zu 1) zu Grunde liegt, begegnet zwar keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

aa) Zur Sitzung am 27. Oktober 2009 wurde ordnungsgemäß geladen. Das ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

bb) Auch schwerwiegende sonstige Verfahrensfehler, die zur Nichtigkeit des Beschlusses vom 27. Oktober 2009 führen würden, vermag der Senat nicht festzustellen; das gilt namentlich in Bezug auf die nicht durchgeführte Anhörung des Beteiligten zu 1).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG vom 11.1.2006 NVwZ-RR 2006, 333), der der Senat gefolgt ist (BayVGH vom 30.4.2009 Az. 17 P 08.2381) und an der er festhält, ist die Anhörung des Betroffenen vor der Beschlussfassung des Personalrates über die Stellung eines Antrages auf Ausschluss, weder gesetzlich vorgeschrieben noch sonst erforderlich. Folglich ist es unbeachtlich, dass vorliegend kein Anhörungsverfahren durchgeführt wurde.

Der vorliegende Fall zeigt allerdings deutlich, dass es - unabhängig von dem Fehlen einer entsprechenden gesetzlichen Verpflichtung - durchaus sinnvoll sein kann, den Betroffenen vor Stellung eines entsprechenden Ausschlussantrages beim Verwaltungsgericht anzuhören. Dadurch wird ihm einerseits die Möglichkeit gegeben, den Sachverhalt aus seiner Sicht darzustellen beziehungsweise weiter aufzuklären; andererseits werden regelmäßig auch die Mitglieder des Personalrats erst aufgrund der Anhörung des Auszuschließenden in der Lage sein, sich ein abschließendes Bild über das Fehlverhalten des Betroffenen und dessen Hintergründe zu machen. Es widerspricht jedenfalls dem Gebot der Loyalität und der Fairness im Verhältnis der Personalratsmitglieder untereinander (vgl. BayVGH vom 14.2.2001 ZfPR 2002, 3 = PersV 2003, 27), wenn der Personalratsvorsitzende und die hinter ihm stehende Mehrheit des Personalrats einseitig und ohne Interesse an einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts den Ausschluss eines Personalratsmitglieds betreibt.

b) Die objektiven Voraussetzungen für einen Ausschluss des Beteiligten zu 1) aus dem Personalrat des Polizeipräsidiums München liegen - entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts - indessen nicht vor.

aa) Gegenstand der vom Gericht zu treffenden Entscheidung über einen Ausschluss eines Personalratsmitglieds nach Art. 28 Abs. 1 BayPVG sind allein die konkreten Handlungen oder Unterlassungen des betroffenen Personalrates, die das Personalratsgremium dazu bewogen haben, das konkrete Ausschlussverfahren beim Verwaltungsgericht anzustrengen (BVerwG vom 18.1.1990 PersR 1990, 108 = ZfPR 1990, 113 = PersV 1990, 348; BVerwG v. 24.10.1975 BVerwGE 49, 259). Auch aus dem Grundsatz der Amtsermittlung ergibt sich nicht, dass das Gericht die gesamte Tätigkeit des Personalratsmitglieds im Einzelnen von Amts wegen aufzuklären und auf eine grobe Verletzung gesetzlicher Pflichten zu überprüfen hätte (Ballerstedt/Schleicher/Faber/Eckinger, BayPVG, RdNr. 24a zu Art. 28). Da vorliegend der Antragsteller das Ausschlussbegehren gegen den Beteiligten zu 1) allein auf die angebliche nicht autorisierte Weitergabe der sogenannten Tischvorlage vom 3. April 2009 gestützt hat, kann dem Ausschlussantrag folglich auch nur dieser Sachverhalt zu Grunde gelegt werden. Das Verwaltungsgericht hätte daher dem Ausschlussantrag nicht (auch) wegen eines angeblich illoyalen Verhaltens des Beteiligten zu 1) gegenüber dem Antragsteller entsprechen dürfen. Dementsprechend kann im vorliegenden Verfahren ebenfalls nicht berücksichtigt werden, ob eine Pflichtverletzung des Beteiligten zu 1) - wie vom Antragsteller im Beschwerdeverfahren behauptet - etwa darin zu sehen wäre, dass von seinem Rechtsanwalt im Verfahren die ungeschwärzten Protokolle weiterer Personalratssitzungen vorgelegt worden sind.

bb) Nach Art. 10 Abs. 1 Satz 1 BayPVG haben Personen, die Aufgaben oder Befugnisse nach dem Bayerischen Personalvertretungsgesetz wahrnehmen, über die ihnen dabei bekannt gewordenen Angelegenheiten und Tatsachen Stillschweigen zu bewahren. Bei der Verschwiegenheitspflicht handelt es sich um eine Hauptpflicht des Personalvertretungsrechts (vgl. OVG RhPf vom 5.8.2005 PersR 2006, 80 m.w.N.). Sie bezweckt den Schutz verschiedener Interessen: Zum einen geht es um die Vertraulichkeit der dem Personalrat mitgeteilten oder bekannt gewordenen Informationen über Beschäftigte oder über die Dienststelle. Daneben dient die Verschwiegenheitspflicht aber auch dem Zweck, die Funktionsfähigkeit des Personalrats selbst zu gewährleisten. Um eine offene Diskussion innerhalb der Personalvertretung zu ermöglichen, muss unter den Mitgliedern die Gewissheit herrschen, dass Inhalt und Ablauf der Personalratssitzungen nicht nach außen getragen werden (vgl. Bieler, ZfPR 1995, 62/63). Von daher bezieht sich die Verschwiegenheitspflicht insbesondere auf die Meinungsäußerungen und das Abstimmungsverhalten der Personalratsmitglieder in den Sitzungen (vgl. z.B. BVerwG vom 11.1.2006 NVwZ-RR 2006, 333; BayVGH vom 30.4.2009 Az. 17 P 08.2381; BayVGH vom 14.2.2001 a.a.O.; OVG RhPf vom 5.8.2005 PersR 2006, 80; NdsOVG vom 15.12.1997 ZfPR 1998, 122/124 f.). Dies versteht sich mit Blick auf die Regelung in Art. 35 Satz 1 BayPVG von selbst, wonach die Sitzungen des Personalrats nicht öffentlich sind. Dadurch soll die freie, durch Druck von außen nicht beeinflusste Willensbildung innerhalb des Personalrats und damit einhergehend die Unabhängigkeit der Personalratsmitglieder im Rahmen einer offenen Diskussion sichergestellt werden (BVerwG vom 11.1.2006 a.a.O.), denn Äußerungen im Personalrat verlangen strengste Vertraulichkeit im Interesse der Dienststelle und der Beschäftigten (vgl. BayVGH vom 14.11.2001 ZfPR 2002, 172; Ballerstedt/Schleicher/Faber/Eckinger, BayPVG, RdNr. 1 zu Art. 10). Die Schweigepflicht besteht grundsätzlich gegenüber jedermann. Ausnahmen enthält Art. 10 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BayPVG (BayVGH vom 30.4.2009 Az. 17 P 08.2381).

Begrifflich setzt eine grobe Pflichtverletzung einen Verstoß voraus, der von solchem Gewicht ist, dass er das Vertrauen in eine künftige ordnungsgemäße Amtsführung zerstört oder zumindest schwer erschüttert (BVerwG vom 14.4.2004 PersR 2004, 268; BayVGH vom 14.11.2001 Az. 17 P 00.3124) und zwar vom Standpunkt eines objektiv urteilenden verständigen Beschäftigten aus gesehen (BVerwG vom 22.8.1991 PersR 1991, 417). D.h., der Verstoß muss den Arbeitsfrieden innerhalb der Dienststelle ernstlich gefährdet oder nachhaltig gestört haben (Ballerstedt/Schleicher/Faber/Eckinger, BayPVG, RdNr. 7 zu Art. 28). Der Verstoß gegen die Pflicht zur Verschwiegenheit stellt in der Regel eine grobe Pflichtverletzung dar (vgl. Ballerstedt/Schleicher/Faber/Eckinger, BayPVG, RdNr. 27 zu Art. 10 und RdNr. 21 zu Art. 28); dennoch bedarf dies im Einzelfall der genauen Prüfung (BayVGH vom 30.4.2009 Az. 17 P 08.2381).

cc) Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht, dass eine solche grobe Pflichtverletzung seitens des Beteiligten zu 1) gegeben ist. Zwar wäre die Weitergabe der sogenannten Tischvorlage mit vertraulichen Informationen zur Vorbereitung der Diskussion im Personalrat beziehungsweise zum Monatsgespräch mit dem Dienststellenleiter an den Dienststellenleiter grundsätzlich geeignet, den Vorwurf der Verschwiegenheitspflichtverletzung, und damit den einer groben Pflichtverletzung zu begründen. Zu berücksichtigen ist hier jedoch, dass der Beteiligte zu 1) nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts, den übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten und den Feststellungen des Senats in der mündlichen Anhörung vom 26. April 2010 die fragliche Tischvorlage gerade nicht an den Polizeipräsidenten weitergegeben hat; dies geschah vielmehr durch Frau B.-W. Da die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht aber eine höchstpersönliche Verfehlung darstellt (vgl. BayVGH vom 2.11.2009, Az. 17 P 09.794) und Zurechnungsnormen fehlen, kann das Handeln der Frau B.-W., und sei es auch im Einverständnis mit dem Beteiligten zu 1) erfolgt, diesem nicht zugerechnet werden. Ob etwas anderes dann gelten müsste, wenn Frau B.-W. lediglich als Botin des Beteiligten zu 1) gehandelt hätte, kann offen bleiben, denn ein solcher Fall liegt unstreitig nicht vor (die fragliche Tischvorlage wurde von Frau B.-W., die als Personalrätin selbst im Besitz dieser Vorlage gewesen ist, den Unterlagen beigefügt, die sie dem Polizeipräsidenten selbst übergeben hat).

dd) Ergänzend wird vorsorglich auf folgendes hingewiesen:

Anders als das Verwaltungsgericht ist der Senat der Auffassung, dass ein Ausschluss des Beteiligten zu 1) aus dem Personalrat des Polizeipräsidiums München auch nicht auf ein sogenanntes illoyales Verhalten des Beteiligten zu 1) gegenüber dem Antragsteller gestützt werden kann, denn der Beteiligte zu 1) hat sich nicht illoyal verhalten, insbesondere hat er nicht am Personalrat vorbei spezifische Interessen des Personalrats wahrgenommen (vgl. hierzu etwa BayVGH vom 14.2.2001 a.a.O.). So lässt sich den vorliegenden Akten nur ein persönliches Gespräch des Beteiligten zu 1) mit dem Polizeipräsidenten entnehmen. Dieses fand am 14. Januar 2009 statt, wobei der Beteiligte zu 1) und ein weiteres Mitglied der Gemeinsamen Liste Ballungsraum (Herr St.) sich beim Polizeipräsidenten als neu gewählte Mitglieder des Personalrats vorstellten. Auch wenn der Inhalt des Gesprächs im Einzelnen zwischen den Beteiligten umstritten ist, so ging es doch offensichtlich nicht um konkrete Angelegenheiten, mit denen sich der zum 1. Januar 2009 neu gewählte Personalrat bereits befasst hatte, sondern mehr um die Mitteilung etwaiger Tätigkeitsschwerpunkte der neuen Personalräte. In der mündlichen Anhörung vom 26. April 2010 hat der Beteiligte zu 1) dann ein weiteres Gespräch mit dem Polizeipräsidenten eingeräumt; dabei ging es um die Bossing/Mobbing-Vorwürfe, die Frau B.-W. gegen ihre Vorgesetzten erhoben hatte. Zum Zeitpunkt dieses Gesprächs war der Beteiligte zu 1) vom Antragsteller jedoch bereits mit der Betreuung von Frau B.-W. wegen der von ihr geschilderten Probleme beauftragt worden. Der Beteiligte zu 1) handelte damit nicht am Personalrat vorbei, sondern in dessen Auftrag. Inwiefern die Gespräche des Beteiligten zu 1) mit Herrn P. am 25. Juni 2009 und am 10. Juli 2009 ein illoyales Verhalten des Beteiligten zu 1) begründen sollen, erschließt sich dem Senat nicht, denn zum einen ist der Beteiligte zu 1) von Herrn P. angerufen worden (wurde also nicht selbst initiativ), zum anderen ging es allein um die Klärung einer angeblich vom Beteiligten zu 1) gegen die Dienstvorgesetzten von Frau B.-W. erhobenen Beschwerde im Zusammenhang mit Bossing/Mobbing.

Auch die im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht und im Beschwerdeverfahren erfolgte Vorlage von (ungeschwärzten) Protokollen über Sitzungen des Antragstellers vermögen eine grobe Pflichtverletzung im Sinne von Art. 28 Abs. 1 BayPVG nicht zu begründen. So war die Vorlage des Protokolls über die Sitzung des Antragstellers vom 27. Oktober 2008 schon deshalb erforderlich, weil der Antragsteller insoweit nicht das Originalprotokoll, sondern ein offensichtlich allein zum Zweck der Vorlage beim Verwaltungsgericht erstelltes und stark verkürztes Protokoll über diese Sitzung vorgelegt hatte. Der Senat behält sich vor, die Akten nach Abschluss des vorliegenden Verfahrens der Staatsanwaltschaft zu übermitteln, um prüfen zu lassen, ob in diesem Verhalten die Verwirklichung des Straftatbestandes der Urkundenfälschung (§ 267 StGB) oder des versuchten Prozessbetruges (§ 263 StGB) zu sehen ist. Da im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (Az. 17 PC 09.3076) von Seiten des Antragstellers die Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zum Beteiligten zu 1) behauptet worden war, war es aus Sicht des Beteiligten zu 1) zudem erforderlich, weitere Tagesordnungen aus den Sitzungen des Personalrats des Polizeipräsidiums München vorzulegen, um nachzuweisen, dass ihm auch nach Einleitung des Ausschlussverfahrens weitere Aufgaben vom Antragsteller übertragen worden waren und daher von einer Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses keine Rede sein könne. Soweit vom Antragsteller diesbezüglich gerügt wird, die Tagesordnungen hätten geschwärzt werden müssen, ist zu beachten, dass der Beteiligte zu 1) ohne weiteres davon ausgehen konnte, sein mit der Problematik von Verschwiegenheitsverletzungen bei Personalratsmitgliedern bestens vertrauter Prozessbevollmächtigter werde die Unterlagen nicht ungeprüft weiter leiten, sondern problematische Unterlagen entweder gar nicht oder allenfalls „präpariert“ an das Verwaltungsgericht beziehungsweise den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof übermitteln. Dass der Bevollmächtigte dies nicht getan hat, mag ein Versäumnis des Rechtsanwaltes, nicht aber des Beteiligten zu 1) sein. Da die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht eine höchstpersönliche Verfehlung darstellt (vgl. oben) und zudem entsprechende Normen fehlen, kann das Verschulden des Prozessbevollmächtigten dem Beteiligten zu 1) nicht zugerechnet werden (BayVGH vom 30.4.2009, Az. 17 P 08.2381). Damit fehlt es auch insofern an einer groben Pflichtverletzung seitens des Beteiligten zu 1) und folglich am Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 BayPVG.

Das gilt letztlich auch für die Übergabe der vom Beteiligten zu 1) erstellten sechs Seiten an Frau B.-W., die diese an den Polizeipräsidenten weiterleitete. Der Beteiligte zu 1) hat glaubhaft versichert, dass die übergebene Zusammenstellung auf Informationen beruhte, die aus einer Zeit stammten, als er noch nicht in den Personalrat des Polizeipräsidiums München gewählt worden war. Diesem Vortrag ist der Antragsteller nicht substantiiert entgegen getreten. Soweit er vorträgt, die vom Beteiligten zu 1) zusammengestellten Informationen könnten nur auf seiner Personalratstätigkeit beruht haben, verkennt er, dass nach Art. 10 BayPVG vor allem solche Informationen der Verschwiegenheitspflicht unterliegen, die dem Personalrat im Gremium Personalrat bekannt werden, nicht aber solche, die – wie vorliegend – einem Mitglied des Personalrats außerhalb des Gremiums Personalrat von dritter Seite mit der Befugnis zur Weitergabe unterbreitet werden. Ungeachtet dessen hat der Antragsteller auch nicht dargetan, anlässlich welcher Sitzungen des Personalrats dem Beteiligten zu 1) die fraglichen Informationen hätten bekannt geworden sein sollen.

Nach alledem war auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) daher der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 9. Dezember 2009 aufzuheben und der Antrag des Antragstellers auf Ausschluss des Beteiligten zu 1) aus dem Personalrat des Polizeipräsidiums München abzulehnen.

2. Eine Kostenentscheidung erübrigt sich (Art. 81 Abs. 2 BayPVG i.V.m. § 80 Abs. 2, § 2 Abs. 1 und § 13 Abs. 5 ArbGG).

3. Auf Antrag des Bevollmächtigten des Beteiligten zu 1) war der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren festzusetzen. Er beträgt in Personalvertretungsangelegenheiten nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. z.B. BayVGH vom 16.1.2006 Az.: 17 P 05.167; BayVGH vom 5.10.2007 Az.: 18 C 07.1214) regelmäßig – so auch hier – 4.000 Euro.

4. Diese Entscheidung ist nach Art. 81 Abs. 2 Satz 2 BayPVG endgültig.