OLG München, Beschluss vom 02.03.2010 - 1 U 5363/09
Fundstelle
openJur 2012, 107129
  • Rkr:
Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 30.09.2009 durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Hierzu wird binnen 3 Wochen ab Zugang Gelegenheit zur Äußerung gegeben.

Gründe

11. Die Klägerin ist für Behandlungsfehler des Beklagten beweispflichtig. Dies bedeutet, da der Sachverständige bei der Anhörung vom 30.09.2009 die vom Beklagten im gleichen Termin geschilderte Untersuchung der Klägerin als kunstgerecht eingestuft hat, dass die Klägerin das von ihr behauptete chiropraktische Manöver - intensive, ruckartige und kraftvolle Drehung des Kopfes - beweisen muss. Beweisen bedeutet, dass keine vernünftigen Zweifel daran verbleiben dürfen, dass der behauptete Sachverhalt zutrifft. Dieser Beweis ist der Klägerin nicht gelungen. Der Senat verkennt dabei nicht, dass die Abrechnung des Beklagten gegenüber der Krankenkasse der Klägerin Anhaltspunkte für die Durchführung einer chiropraktischen Maßnahme bietet. Andererseits hat der Beklagte bei seiner Anhörung am 08.08.2007 diesbezüglich eine dahingehende Erklärung geliefert, dass die Abrechnung einer chiropraktischen Maßnahme die Mobilisation der kleinen Wirbelgelenke rechts an der Brustwirbelsäule betrifft. Außerdem hat der Sachverständige bei der Anhörung vom 04.02.2009 vor dem Landgericht erläutert, dass das von der Klägerin behauptete chiropraktische Vorgehen in der Chiropraxis schon seit langem nicht mehr üblich ist. Letztlich stehen sich das Vorbringen der Klägerin und des Beklagten weitgehend beweislos gegenüber.

2Entgegen der Einschätzung der Berufung kommt es weder zu einer Beweislastumkehr noch zu Beweiserleichterungen für die Klägerin. Wenn der Beklagte die Klägerin so wie von ihm behauptet (kunstgerecht) manuell untersucht hatte, musste er dies nicht dokumentieren. Die ärztliche Dokumentationspflicht dient nicht der Beweiserleichterung im Rechtsstreit zwischen Patienten und Arzt, sie wird vielmehr einzig und allein davon bestimmt, ob die Dokumentation medizinisch erforderlich ist. Es ist weder erforderlich noch in der Praxis üblich, einfache körperliche Untersuchungen des Patienten in der Dokumentation niederzulegen. Eine chiropraktische Behandlung hätte der Beklagte selbstverständlich dokumentieren müssen. Hier geht es jedoch gerade um die Frage, ob eine derartige Behandlung stattgefunden hat.

2. Der Umstand, dass der Sachverständige es für möglich hält, dass auch die kunstgerechte Untersuchung der Klägerin durch den Beklagten die Foramenstenose manifestiert hat, kann der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Die Haftung der Behandlungsseite setzt einen Behandlungsfehler voraus. Schicksalhafte Folgen einer kunstgerechten Behandlung sind nicht schadensersatzpflichtig.

3. Der Sachverständige hat überzeugend dargelegt, dass der Beklagte die von ihm behauptete Untersuchung der Klägerin, von der der Senat, da die Klägerin ihr Vorbringen nicht beweisen kann, ausgehen muss, ohne vorherige bildgebende Diagnostik vornehmen durfte. Da es sich um eine nicht invasive körperliche Untersuchung handelt, leuchtet dies auch zwanglos ein.

54. Die vom Beklagten behauptete Untersuchung der Klägerin, von der der Senat, wie erwähnt, auszugehen hat, wirft auch keine Einwilligungsproblematik auf. Mit dem Aufsuchen des Arztes erklärt der Patient konkludent seine Einwilligung in vom Arzt für erforderlich gehaltene nicht invasive und ungefährliche körperliche Untersuchungen. Dementsprechend ist es nicht erforderlich und in der ärztlichen Praxis auch nicht üblich, mit dem Patienten vor solchen Untersuchungen ein Aufklärungsgespräch zu führen.

5. Ergänzend und abgesehen davon, dass die Klägerin keinen Behandlungsfehler des Beklagten beweisen kann, weist der Senat darauf hin, dass das Grundleiden der Klägerin, die Foramenstenose, offenkundig nicht auf die Behandlung durch den Beklagten, nicht einmal, da die Klägerin keinen Bandscheibenvorfall hatte, auf den von ihr behaupteten chiropraktischen Eingriff zurückgehen kann. Insofern könnte die Klägerin dem Beklagten ohnehin nur zur Last legen, dass er zur Manifestation der Foramenstenose, die nach den Darlegungen des Sachverständigen auch durch viele andere geringfügige Anlässe erfolgen konnte, beigetragen hat. Da die Klägerin, wie aus der Aussage der Hausärztin P. ersichtlich, schon zum Zeitpunkt der Vorstellung bei dieser, die vor der Behandlung beim Beklagten erfolgt war, erhebliche einschlägige Schmerzen hatte, bestehen zumindest erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass die Behandlung beim Beklagten nicht einmal die Manifestation der Foramenstenose verursacht hat. Dafür dürften eher die vorangegangenen Hustenanfälle oder eine nicht bekannte Ursache verantwortlich sein.

6. Der Sachverständige Prof. Dr. H. hat seine Ausführungen entgegen der Einschätzung der Klägerin nach sorgfältiger Auswertung aller Befunde und unter Zugrundelegung zutreffender Anknüpfungstatsachen nachvollziehbar, widerspruchsfrei, alle vorgetragenen Argumente gewissenhaft abwägend in jeder Hinsicht überzeugend und ausgesprochen ausführlich begründet. Es besteht deshalb nicht der geringste Anlass, gemäß § 412 ZPO ein Obergutachten zu erholen.

Der Klägerin wird empfohlen, die Berufung zur Kostenminderung zurückzunehmen.

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