Bayerisches LSG, Beschluss vom 15.03.2010 - L 15 SF 69/10
Fundstelle
openJur 2012, 107014
  • Rkr:
Tenor

Die Entschädigung des Antragstellers für die Fertigung desHNO-ärztlichen Gutachtens vom 02.02.2010 wird gemäß § 4 Abs. 1 JVEGauf 1.485,92 Euro festgesetzt. Dem Antragsteller sind 214,20 Euronachzuentrichten.

Gründe

I.

In dem am Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) anhängigen Rechtsstreit R. M. gegen Deutsche Rentenversicherung Bund mit Az.: L 6 R 229/09 ist der Antragsteller mit Beweisanordnung vom 26.10.2009 gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zum ärztlichen Sachverständigen bestellt worden.

Für sein HNO-ärztliches Gutachten vom 02.02.2010 hat der Antragsteller mit Honorarnote vom selben Tag insgesamt 1.754,39 Euro geltend gemacht. Die Kostenbeamtin des BayLSG hat mit Schreiben vom 10.02.2010 lediglich 1.271,72 Euro bewilligt, weil der Stundensatz nach der Honorargruppe M2 = 60,00 Euro pro Stunde zugrunde zu legen sei und nicht der nach der Honorargruppe M3 = 85,00 Euro pro Stunde. Außerdem sei im Rahmen der Diagnostikuntersuchungen die DKG-NT-Ziffer 1409 nur einmal abrechnungsfähig.

Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 22.02.2010 gerügt, dass die Honorargruppe M3 angemessen sei. In dem vorliegenden Gutachten handele es sich zwar auch um die Minderung der Erwerbsfähigkeit, allerdings basiere deren Beurteilung auf einer ausführlichen differenzialdiagnostischen Berücksichtigung diverser Funktionsstörungen (Tinnitus, Hörminderung, Gleichgewichtsbeschwerden) vor dem Hintergrund diverser Unfälle zwischen April 1970 und 2008 sowie endogener Risikofaktoren (Bluthochdruck, Verdacht auf Schlafapnoe-Syndrom). Demnach seien spezielle Kausalzusammenhänge und differenzialdiagnostische Probleme zur Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) zu erörtern und zu bewerten gewesen. Es habe sich somit um ein Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad gehandelt.

Der Kostenbeamte des BayLSG hat mit Aktennotiz vom 24.02.2010 an der Auffassung festgehalten, dass die Honorargruppe M2 = 60,00 Euro pro Stunde zugrunde zu legen sei. Berücksichtigungsfähig seien hier jedoch insgesamt 18 Stunden x 60,00 Euro pro Stunde = 1.080,00 Euro. Weiterhin wurde die Problematik aufgezeigt, dass die DKG-NT-Ziffer 1409 von fachärztlicher Seite vielfach als zweifach abrechnungsfähig erachtet werde. Der Kostenbeamte des BayLSG hat im Folgenden den Vorgang dem 15. Senat des BayLSG als Kostensenat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Festsetzung der Vergütung erfolgt gemäß § 4 Abs. 1 JVEG durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte dies wie hier mit Schreiben vom 22.02.2010 sinngemäß beantragt. Die Entschädigung für das gefertigte HNO-ärztliche Gutachten vom 02.02.2010 ist auf 1.485,92 Euro festzusetzen. Dem Antragsteller sind 214,20 Euro nachzuentrichten.

Entsprechend der Grundsatzentscheidung des 15. Senats des BayLSG als Kostensenat vom 19.03.2007 - L 14 R 42/03.Ko - hat der Präsident des BayLSG mit Schreiben vom 25.05.2007 "Neue Bemessungskriterien für die Feststellung der Vergütung für in erster Linie medizinische Gutachten nach dem JVEG" verfügt. Danach gilt:

- Für das Aktenstudium 100 Blatt pro Stunde einschließlich der Fertigung von Notizen u. Exzerpten bei mindestens 25 % medizinisch gutachtensrelevanten Inhalt. In allen anderen Fällen dagegen erscheinen 150 bis 200 Blatt pro Stunde angemessen. Das von der Rechtsprechung des Kostensenats im Einzelfall zugebilligte und davon abweichende Aktenstudium bleibt natürlich davon unberührt, z.B. nur ein bis zwei Stunden bei einem testpsychologischen Zusatzgutachten nach dem JVEG.

- Anamnese und rein körperliche Untersuchung wie beantragt, soweit nicht einem offensichtlichen Missverhältnis zur z.B. Anwesenheitszeit des Klägers stehend oder sonstige begründete Zweifel bestehen.

- Für die Abfassung 1 Seite der Beurteilung und Beantwortung der gestellten Beweisfragen eine Stunde, wobei jeweils für eine ganze Seite von 1800 Anschlägen (30 Zeilen x 60 Anschläge nach DIN 1422) ausgegangen wird.

- Für Diktat und Durchsicht eine Stunde für je 6 Seiten, wobei auch hier jeweils für eine ganze Seite 1800 Anschläge (30 Zeiten x 60 Anschläge) zugrunde gelegt werden.

- Die Anerkennung von zusätzlich notwendigem Literaturstudium ist weiterhin nur in besonderen Fällen möglich.

12Hiervon ausgehend fällt auf, dass das von dem Antragsteller gewählte Layout etwas zu großzügig ist. Mit durchschnittlich 25 Zeilen x 50 Anschlägen werden etwa nur 1250 Anschläge pro Seite erreicht, welches nicht der DIN 1422 entspricht. Dennoch hat der Kostenbeamte des BayLSG mit Aktennotiz vom 24.02.2010 darauf hingewiesen, dass entsprechend dem Beschluss des Kostensenats des BayLSG vom 08.01.2007 - L 4 KR 42/05 ZVW.Ko - die Beweisanordnung samt der Diagnosen im zutreffenden Kontext als Beurteilung anerkannt werden kann, wenn sie einmal (nicht aber zweimal) wiedergegeben wird. Somit sind hier auch die Seiten 22 bis 25 als "Beurteilung" zusätzlich berücksichtigungsfähig, mit der Folge, dass insgesamt 18 Stunden nach der Honorargruppe M2 = 60,00 Euro pro Stunde zu vergüten sind: 1.080,00 Euro.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers mit Schreiben vom 22.02.2010 ist in rentenrechtlichen Gutachten nahezu ausnahmslos die Honorargruppe M2 zugrunde zu legen. Denn der Gesetzgeber hat in der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG aus dem Bereich des Sozialrechts als Regelbeispiele für die Honorargruppe M2 Gutachten in Verfahren nach dem Schwerbehindertengesetz (nunmehr: SGB IX) und zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zur Invalidität genannt. In Hinblick auf die gestellten, auch hier üblichen standardisierten Beweisfragen mit Beweisanordnung vom 26.10.2009 ist eine Begutachtung spezieller Kausalzusammenhänge und/oder differenzialdiagnostische Probleme und/oder Beurteilung der Prognose und/oder Beurteilung strittiger Kausalitätsfragen wie in Verfahren nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) oder in Verfahren nach dem Häftlingshilfegesetz (HHG) nicht erforderlich gewesen. Eine Honorierung nach der Honorargruppe M3 wie beantragt ist somit nicht möglich.

An Diagnostikuntersuchungen sind 136,92 Euro bewilligt worden, das heißt ohne die 2. DKG-NT-Ziffer 1409 = 34,36 Euro. Hierzu hat der 15. Senat des BayLSG bereits mit Beschluss vom 10.11.2003 - L 18 SB 8/01.Ko - grundsätzlich entschieden, dass für die entsprechenden Leistungen nach den GOÄ-Ziffern 1408 und 1409 der allgemeine Grundsatz zum Tragen kommt, dass bei allen als "Untersuchung" gekennzeichneten Leistungen im Zweifel davon auszugehen ist, dass im Rahmen einer Inanspruchnahme die einmalige vollständige Durchführung der betreffenden Untersuchung medizinisch indiziert ist. Daraus ergibt sich die Begrenzung der Abrechnungsfähigkeit auf den einfachen Satz je Inanspruchnahme, das heißt, je Sitzung oder Arzt-Patientenkontakt. Für dieses Ergebnis spricht auch, dass die Untersuchungen nach den entsprechenden GOÄ-Ziffern 1408 und 1409 der objektiven Feststellung der Hörfähigkeit bzw. des Ausmaßes der Schwerhörigkeit eines Menschen dienen und somit zwangsläufig beide Ohren untersucht werden müssen.

Der Senat verkennt nicht, dass hier der Antragsteller die DKG-NT-Ziffer 1409 zweifach in Ansatz gebracht hat, weil eine DPOAE sowie eine TEOAE durchgeführt worden ist.

Im Kommentar zur Gebührenordnung für Ärzte von Brück wird hinsichtlich der entsprechenden GOÄ-Ziffer 1409 jedoch ausgeführt: Die Messung otoakustischer Emissionen bei Neugeborenen wird von der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde im Sinne eines sogenannten "kleinen" OAE-Screening-Verfahrens für alle Neugeborenen empfohlen. Wenn sie auf Wunsch der Eltern durchgeführt wird, ist sie Nr. 1409 zuzuordnen. Zur weiterführenden Diagnostik (wie hier) steht als hochspezifischer Test die Bestimmung klick-evozierter transitorischer otoakustischer Emissionen (TEOAE) zur Verfügung.

Der 15. Senat des BayLSG als Kostensenat hält daher in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehrmeinung an seiner Rechtsprechung fest, dass die DKG-NT- bzw. GOÄ-Ziffer 1409 im Rahmen einer Gutachtenerstellung nur einmal abrechnungsfähig ist.

Zusammenfassend ist daher das Gutachten des Antragstellers vom 02.20.2010 wie folgt zu vergüten:

- Für die Erstellung des Gutachtens sind 18 Stunden á 60,00 Euro = 1.080,00 Euro berücksichtigungsfähig.

- Die Diagnostikuntersuchungen sind zutreffend mit 136,92 Euro entschädigungsfähig.

- Die Schreibgebühren samt Porto sind mit 31,75 Euro anzusetzen.

- Auf den Netto-Betrag von 1.248,67 Euro errechnen sich 19 % Umsatzsteuer = 237,25 Euro.

- Die Gesamtvergütung des Antragstellers beträgt somit nicht 1.271,72 Euro, sondern 1.485,92 Euro. Die Differenz in Höhe von 214,20 Euro ist nachzuentrichten.

Hierüber hat das BayLSG gemäß § 4 Abs. 7 Satz 1 JVEG als Einzelrichter zu entscheiden gehabt. Eine Übertragung auf den Senat gemäß § 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG ist nicht geboten gewesen, zumal das BayLSG in Senatsbesetzung mit Beschluss vom 10.11.2003 - L 18 SB 8/01.Ko - sowie mit Beschluss vom 19.03.2007 - L 14 R 42/03.Ko - in dem nämlichen Sinn entschieden hat.

Die Entscheidung ist gemäß § 177 SGG endgültig. Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).