Bayerischer VGH, Beschluss vom 09.03.2010 - 21 ZB 09.3222
Fundstelle
openJur 2012, 106510
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000,-- Euro festgesetzt.

IV. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt …, …, wird abgelehnt, weil der Zulassungsantrag von Anfang an ohne Erfolgsaussicht war (§ 166 VwGO, § 114 Satz 1, § 121 Abs. 1 ZPO).

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 124 Abs. 2 Nrn. 1, 3 und 4 VwGO) nicht ausreichend im Sinn des § 124 a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO dargelegt sind und/oder erkennbar nicht vorliegen. Der Senat sieht zunächst von einer eigenen Begründung ab und verweist auf die Begründung des angefochtenen Urteils (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

Zu den geltend gemachten Zulassungsgründen ist im Rahmen der nach § 124 a Abs. 5 Sätze 1 und 3 VwGO gebotenen kurzen Begründung auszuführen:

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils liegen nicht vor. Diese bestehen nur dann, wenn gegen dessen Richtigkeit nach summarischer Prüfung gewichtige Gesichtspunkte sprechen, wovon immer dann auszugehen ist, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und sich ohne nähere Prüfung die Frage nicht beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist. Die Gründe, aus denen heraus bei einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung bestehen können, können auch aus einer unzureichenden Ermittlung und Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts resultieren (vgl. Kopp/Schenke VwGO 16. Aufl. 2009 RdNrn 6 ff zu § 124 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Der Kläger meint, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestünden deshalb, weil das Verwaltungsgericht eine Würdigung der gesamten Persönlichkeit des Klägers nicht vorgenommen, sondern den Blick bewusst nur auf die Straftat gerichtet habe; auch seien die durch das Landgericht Regensburg zu Gunsten des Klägers zu berücksichtigenden Aspekte nicht gewürdigt worden. Bei einer umfassenden Würdigung der gesamten Umstände könne deshalb nicht von einer negativen Prognose ausgegangen werden.

Dieses Vorbringen des Klägers führt aber nicht zum Vorliegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Das Verwaltungsgericht hat überzeugend und ausführlich dargelegt, dass bereits der vom Kläger begangene einmalige schwerwiegende Verstoß gegen strafrechtliche und berufsrechtliche Vorschriften, nachdem dieser eine Operation vorgenommen habe, die einem Arzt vorbehalten sei, die zwingende Annahme seiner Unzuverlässigkeit für die weitere Ausübung des Berufs eines Krankenpflegers rechtfertige. Damit hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass diese Straftat allein schon die Annahme der Unzuverlässigkeit des Klägers rechtfertigt, was rechtlich nicht zu beanstanden ist. Entgegen der Meinung der Klägerseite sind auch nicht die weiteren strafrechtlichen Verurteilungen des Klägers herangezogen worden, was sich schon der Formulierung "darüber hinaus" im Urteil entnehmen lässt (vgl. S. 8 UA). Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht durchaus die für den Kläger im Strafverfahren günstig bewerteten Motive ebenso wie eine positive Sozialprognose beachtet, jedoch zutreffend festgestellt, dass diese hier nicht auf das berufsrechtliche Verfahren übertragbar sind. Denn für die hier zu treffende sicherheitsrechtliche Prognose sind andere Kriterien heranzuziehen als es im Strafverfahren, insbesondere bei der Strafzumessung der Fall ist.

Demnach ist es rechtlich nicht zu beanstanden und führt auch nicht zum Vorliegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, aus den begangenen Pflichtverletzungen des Klägers, die Grundlage des Strafurteils waren, auf die fehlende Gewähr einwandfreien zukünftigen Verhaltens zu schließen, wobei für die Prognoseentscheidung der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgeblich ist (vgl. BVerwG vom 9.11.2006 Az. 3 B 7/06; BayVGH vom 28.3.2007 Az. 21 B 04.3153 sowie BVerwG vom 25.2.2008 Az. 3 B 85.07 jeweils m.w.N.). Demzufolge sind auch die von der Klägerseite im Zulassungsverfahren vorgelegten Zeugnisse und Bestätigungen, auch aus jüngster Zeit hier nicht entscheidungsrelevant, sondern allenfalls in einem auf Wiedererlangung der Berufsbezeichnung Krankenpfleger gerichteten Verfahren zu würdigen.

Der Rechtssache kommt auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zu. Der Kläger hält die Fragen für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob das Vorliegen einer strafrechtlichen Verurteilung im Hinblick auf ein die Berufspflichten betreffendes Delikt von entsprechender Schwere ausreichen kann, um für die hier zu entscheidende Prognose eine jahrelang korrekt ausgeführten Tätigkeit vollständig zurückdrängen zu können und ob dieselben strengen Maßstäbe, die für den Widerruf einer ärztlichen Approbation gelten, auch für Krankenpfleger zur Anwendung kommen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat im Beschluss vom 10. Dezember 1993 (Buchholz 418.1 Heil- und Hilfsberufe Nr. 5) den Begriff der beruflichen Unzuverlässigkeit im Grundsatz geklärt; danach liegt Unzuverlässigkeit vor, wenn der Berufsausübende aufgrund bestimmter Tatsachen für eine zukünftige ordnungsgemäße Berufsausübung keine hinreichende Gewähr bietet. In dieser Entscheidung ist weiter ausgeführt, dass ein einmaliges Fehlverhalten die Prognose rechtfertigen kann, dass der Betroffene seine berufliche Pflichten in Zukunft nicht zuverlässig erfüllen werde. Ob dann allerdings das konkrete Verhalten diesen Schluss zulässt, ist eine Frage des Einzelfalls, deren richtige Beantwortung unter Berücksichtigung aller Umstände nicht verallgemeinert werden und somit auch im konkreten Fall einer grundsätzlichen Klärung nicht zugeführt werden kann.

Nachdem im Beschluss vom 10. Dezember 1993 (a.a.O.) über die Unzuverlässigkeit eines Krankenpflegers zu entscheiden war, ist geklärt, dass die vom Bundesverwaltungsgericht gefundene Definition der Unzuverlässigkeit grundsätzlich für Krankenpfleger gilt. Damit besteht kein weiterer Klärungsbedarf im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.

Soweit der Kläger die Divergenzrüge nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO erhebt, führt auch das nicht zur Zulassung der Berufung; denn dieser Zulassungsgrund ist nicht in einer § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt. So fehlt es bereits an der Darlegung, dass das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil einen Rechtssatz aufgestellt hätte, der von einem in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. September 1997 (Az. 3 C 12/95) aufgestellten Rechtssatz abwiche. Der Kläger trägt hier nur vor, die Divergenz ergäbe sich daraus, dass das Verwaltungsgericht gerade keine "umfassende" Bewertung der gesamten Persönlichkeit des Klägers vornehme, sondern die Bewertung – zum Teil sogar ausdrücklich – auf die strafrechtliche Verurteilung begrenze. Insoweit wird aber keine Divergenz dargelegt, sondern lediglich gerügt, dass ein vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellter Rechtssatz nicht richtig angewendet worden sei; damit liegt keine Divergenz vor (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, a.a.O., RdNr. 14 m.w.N.). Im Übrigen fehlt es auch an einer Gegenüberstellung der angeblich voneinander abweichenden Rechtssätze, was zur ordnungsgemäßen Erhebung der Divergenzrüge unverzichtbar ist (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., RdNr. 14 zu § 132).

Insgesamt sind die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe entweder nicht ausreichend dargelegt oder sie greifen erkennbar nicht durch. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist daher abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47, § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).