FG München, Urteil vom 26.02.2010 - 14 K 4676/06
Fundstelle
openJur 2012, 106468
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Tatbestand

I. Streitig ist der Vorsteuerabzug des Klägers aus Bewirtungs- Benzin- und Reisekosten.

Gegenstand des Unternehmens des Klägers ist eine EDV-Beratung. In den eingereichten Umsatzsteuererklärungen errechnete er die Umsatzsteuer wie folgt:

für 1999 mit 3.340,70 DM  =      1.708,07 €für 2000 mit 4.262,31 DM  =      2.179,28 €für 2001 mit 8.647,20 DM  =      4.421,24 €für 2002 mit                           7.918,18 €.Anlässlich einer für die Streitjahre durchgeführten betriebsnahen Veranlagung traf das Finanzamt (FA) folgende Erkenntnisse: Der Kläger bewirtete in den Jahren 2000 bis 2002 mehrmals wöchentlich eine Vielzahl unterschiedlicher Personen, Umsätze wurden jedoch nur mit 8 Kunden getätigt. Die in den Tankbelegen angegebenen Aufenthaltsorte wichen von den Orten in der Reisekostenaufstellung ab, darüber hinaus legte er Tankbelege über 9 Tankvorgänge an einem Tag sowie Belege über das Tanken von unterschiedlichen Kraftstoffen vor. Seit 1999 hielt sich der Kläger mehrmals in Kroatien und Slowenien auf und machte in diesem Zusammenhang ebenfalls Aufwendungen geltend, Umsätze wurden insoweit jedoch nicht getätigt (Bericht vom 28. November 2000, Bl. 242 ff Heftung Rechtsbehelf FA).

Das FA sah den Bezug dieser Aufwendungen zu der unternehmerischen Tätigkeit des Klägers als nicht ausreichend nachgewiesen an. Im Schätzungswege berücksichtigte das FA 50 % der geltend gemachten Bewirtungsaufwendungen und Benzinkosten. Die im Zusammenhang mit Reisekosten zu seinen Kunden geltend gemachten Vorsteuern aus Taxifahrten und Übernachtungskosten im Inland ließ das FA zum Abzug zu, nicht jedoch die Vorsteuer im Zusammenhang mit den Kroatienreisen.

Mit Bescheid jeweils vom 2. Dezember 2004 wurde die Umsatzsteuer 1999 auf 2.665,88 €, die Umsatzsteuer 2000 auf 3.917,01 €, die Umsatzsteuer 2001 auf 6.486,76 € und die Umsatzsteuer 2002 mit Bescheid vom 4. Oktober 2005 auf 10.210,41 € festgesetzt.

Das dagegen gerichtete Einspruchsverfahren hatte keinen Erfolg. Mit Entscheidung vom 6. November 2006 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.

Mit der hiergegen eingelegten Klage macht der Kläger im Wesentlichen geltend, dass die vom FA vorgenommene Schätzung zu Unrecht erfolgt sei. Entgegen der Ansicht des FA genüge es hinsichtlich des konkreten Anlasses der Bewirtung, den Namen des Kunden sowie unter dem Betreff den Namen des Firmenvertreters bzw. Kaufverhandlung zu vermerken. Aufgrund der Kompliziertheit der einzelnen EDV-Sachverhalte würde es den Rahmen des hierfür zu verwendenden Vordrucks völlig sprengen, nähere Einzelheiten Soft- oder Hardware näher zu bezeichnen.

Darüber hinaus habe er in den Streitjahren ein Pensionsverwaltungsprogramm entwickelt, das er im ehemaligen Jugoslawien vermarkten wolle. Aus diesem Umstand erkläre sich seine Tätigkeit in Kroatien und die damit verbundenen Bewirtungsaufwendungen.

Das FA werfe ihm ferner zu Unrecht mangelnde Mitwirkung an der Bestimmung der Höhe der Kfz-Kosten vor, da es nicht mitgeteilt habe, zu welchen Daten er eine entsprechende Aufklärung leisten solle. Der nunmehr vorgelegten Excel -Tabelle für den Zeitraum 4. Januar 2000 bis 4. April 2000 könnten die diversen Termine und die Namen der besuchten Kunden entnommen werden. Anhand einer weiteren Excel-Tabelle liefere er den Nachweis für die in der Zeit vom 17. Januar 2000 bis 30. Juni 2000 bewirteten Personen.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Umsatzsteuerbescheide 1999, 2000 und 2001 vom 2. Dezember 2004 sowie des Umsatzsteuerbescheid 2002 vom 4. Oktober 2005 und der Einspruchsentscheidung vom 8. November 2006 die Umsatzsteuer 1999 auf 1.708,07 €, die Umsatzsteuer 2000 auf 2.179,28 €, die Umsatzsteuer 2001 auf 4.421,24 € sowie die Umsatzsteuer 2002 auf 7.918,18 € festzusetzen, hilfsweise regt er an, die Revision zum Bundesfinanzhof zuzulassen.

Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es auf die Einspruchsentscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten, in der Streitsache 15 K 4746/06 eingereichten Unterlagen und auf das unter diesem Aktenzeichen ergangene Urteil vom 10. Dezember 2009 sowie die im Verfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO-).

Gründe

II. Die Klage hat nur teilweise Erfolg, der geltend gemachte Vorsteuerabzug steht dem Kläger nur in geringer Höhe zu.

Ein Unternehmer kann nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung (UStG) die in Rechnungen i. S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. In tatsächlicher Hinsicht trägt der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer die objektive Beweislast (Feststellungslast) dafür, dass die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG erfüllt sind (BFH-Beschluss vom 3. August 2007 V B 73/07, BFH/NV 2007, 2368, m.w.N.).

Hat der Unternehmer zu dieser Zeit mit den Leistungsbezügen noch keine nennenswerten Verwendungsumsätze im Sinne von § 15 Abs. 2 UStG ausgeführt, ist auf die beabsichtigten Verwendungsumsätze abzustellen. Er braucht die Aufnahme des tatsächlichen Betriebs seines Unternehmens nicht abzuwarten, sondern kann den sofortigen Vorsteuerabzug aus den ersten Investitionsausgaben tätigen, wenn er die Erklärung, zu besteuerten Umsätzen führende wirtschaftliche Tätigkeiten aufnehmen zu wollen, in gutem Glauben abgegeben hat und dies durch objektive Anhaltspunkte belegt  (EuGH-Urteil vom 8. Juni 2000 Rs. C-400/98, - Breitsohl -, Umsatzsteuer-Rundschau -UR- 2000, 329; vom 8. Juni 2000 Rs. C-396/98 - Schlossstrasse -, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht - UVR - 2000, 308 und BFH-Urteil vom 8. März 2001 V R 24/98, BFH/NV 2001, 876).Maßgebend für die Überprüfung der durch objektive Anhaltspunkte belegten Verwendungsabsicht ist der jeweilige Zeitpunkt des Leistungsbezugs, zu dem das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht (Art. 17 Abs. 1 i.V.m. Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG; BFH-Urteil in BFH/NV 2001, 876).

Dem Kläger eröffnet sich also nur dann das Recht zum Vorsteuerabzug, soweit er die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet (vgl. EuGH-Urteil vom 11. Juli 1991 Rs. C-97/90, Lennartz, Slg. 1991, I-3795). Insoweit liegen Umsätze im Rahmen des Unternehmens und Bezüge für das Unternehmen nur vor, wenn der Kläger den Leistungsbezug seinem Unternehmen zuordnen kann.

20Soweit der Kläger für die Jahre 2000 bis 2002 den Vorsteuerabzug aus Bewirtungskosten geltend macht, hat er den Zusammenhang mit einer geplanten unternehmerischen Tätigkeit – entgegen der vom FA vertretenen Ansicht - anhand objektiver Anhaltspunkte nachgewiesen. Auch wenn er mit den bewirteten Personen keine Umsätze erwirtschaftet hat, hält es das Gericht für ausreichend, wenn der Kläger den Zweck der Bewirtung mit „Planungsgespräch EDV-Anlage“, „PC-Beratung“ oder „Kundengespräch“ bezeichnet hat. Als selbständiger EDV-Berater ist es nicht ungewöhnlich, eine relativ hohe Anzahl von Beratungs- und Kooperationsgespräche zu Akquisezwecken durchzuführen und die möglichen Geschäftskunden in diesem Zusammenhang zu bewirten. Auch wenn der Kläger den konkreten Anlass der Bewirtung auf den Belegen nur sehr allgemein umschrieben hat, ist der Bezug zu seiner unternehmerischen Tätigkeit gegeben. Zu kürzen sind die zu gewährenden Vorsteuerbeträge jedoch im Jahr 2000 um die im Beleg Nr. 93 vom 24. März 2000, im Jahr 2001 um die im Beleg Nr. 12 vom 25. Januar 2001 und im Jahr 2002 um die in den Belegen Nr. 407 und 520 vom 3. August bzw. 30. September 2002 enthaltenen Vorsteuerbeträge, da insoweit weder der Bewirtungsanlass noch die bewirteten Personen benannt werden. Das Gericht schließt sich insoweit den Urteilsgründen unter II 2. b) des in der Streitsache zwischen den gleichen Beteiligten ergangenen Urteils an (15 K 4746/06).

21Aus finanzgerichtlicher Sicht nicht zu beanstanden ist jedoch die Versagung des Vorsteuerabzugs aus geltend gemachten Aufwendungen in Kroatien, da die vom Kläger bezogenen Eingangsleistungen nach den oben genannten Grundsätzen nicht in einem objektiven und erkennbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit einer unternehmerischen Tätigkeit stehen. Der Kläger, der in den Streitjahren keine Umsätze im Zusammenhang mit der Vermarktung des von ihm entwickelten Pensionsverwaltungsprogramms erwirtschaftet hat, konnte nicht anhand objektiver Anhaltspunkte nachweisen, dass er in Kroatien tatsächlich ein EDV-Programm vermarkten wollte und entsprechende Geschäftskontakte gesucht hat. Er hat es unterlassen, durch Vorlage geeigneter Nachweise wie Geschäftsbriefe oder sonstiger Unterlagen wie beispielsweise Verträge, Prospekte oder ähnlichem den Zusammenhang wirtschaftlichen Zusammenhang der Reisekosten mit einer unternehmerischen Tätigkeit nachzuweisen. Vielmehr hat er lediglich von ihm selbst gefertigte Gesprächsnotizen mit Geschäftspartnern sowie eine Diskette über das EDV-Programm vorgelegt. Damit kommt er jedoch seiner Feststellungslast zum Vorsteuerabzug nicht nach.

Das FA hat ebenfalls zu Recht nur 50 % der Vorsteuerbeträge aus den Benzinkosten des vom Kläger genutzten Fahrzeugs anerkannt.

Gemäß § 15 Abs. 1 b UStG sind in den Streitjahren ab 4. März 2000 bis 2002 Vorsteuerbeträge, die auf die Anschaffung oder den Betrieb von Fahrzeugen entfallen, die auch für den privaten Bedarf des Unternehmers oder für andere unternehmensfremde Zwecke verwendet werden, nur zu 50 % abziehbar. Außerdem ist für das Streitjahr 1999 und Anfang 2000 zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des BFH der Anscheinsbeweis gilt, dass ein Fahrzeug typischerweise nicht nur vereinzelt und gelegentlich für private Zwecke genutzt wird (vgl. BFH-Entscheidungen vom 14. Mai 1999 VI B 258/98, BFH/NV 1999, 1330; vom 13. Februar 2003 X R 23/01, BStBl II 2003, 472; vom 11. Juli 2005 X B 11/05, BFH/NV 2005, 1801; vom 30. November 2007 V B 205/06, BFH/NV 2008, 415). Es ist daher Sache des Klägers, diesen Anscheinsbeweis zu erschüttern oder zu entkräften. Dies ist möglich, indem ein Sachverhalt dargelegt wird, der die ernstliche Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Geschehensablaufs ergibt. Zum Nachweis einer ausschließlichen betrieblichen Nutzung und damit des wie im Streitfall geltend gemachten Vorsteuerabzugs von über 50 % bis zu 100 % bedarf es objektiv nachprüfbarer Unterlagen, wie z. B. eines ordnungsgemäß geführten Fahrtenbuchs (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 11. Juli 2005 X B 11/05, BFH/NV 2005, 1801 und vom 30. November 2007 V B 205/06 BFH/NV 2008, 415).

Der Begriff des ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs ist gesetzlich zwar nicht näher bestimmt. Nach der Rechtsprechung des BFH sind jedoch die Voraussetzungen, die an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch zu stellen sind, im Wesentlichen geklärt (vgl. BFH-Urteile vom 9. November 2005 VI R 27/05, BFHE 211, 508, BStBl II 2006, 408; vom 16. November 2005 VI R 64/04, BFHE 211, 513, BStBl II 2006, 410, und vom 16. März 2006 VI R 87/04, BFHE 212, 546, BStBl II 2006, 625). Dazu gehört auch, dass das Fahrtenbuch zeitnah und in geschlossener Form geführt worden ist. Eine mit Hilfe eines Computerprogramms erzeugte Datei genügt diesen Anforderungen nur dann, wenn nachträgliche Veränderungen in an den zu einem früheren Zeitpunkt eingegebenen Daten nach der Funktionsweise des verwendeten Programms technisch ausgeschlossen sind oder zumindest in ihrer Reichweite in der Datei selbst dokumentiert und offen gelegt werden (vgl. allgemein zu den Anforderungen an eine Computerdatei als ordnungsgemäßes Fahrtenbuch BFH-Urteil vom 16.11.2005 VI R 64/04, BStBl II 2006, 410 m.w.N.).

25Im Streitfall bietet die vom Kläger gewählte Form der Erstellung seines Fahrtenbuchs keine hinreichende Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der darin enthaltenen Angaben. Die Erfassung der Fahrten auf einer Word-Datei kann nach Auffassung des Senats nicht als zeitnahe und hinreichend manipulationssichere Erfassung qualifiziert werden. Insbesondere sind nachträgliche Änderungen der Eingaben bzw. Abstimmungen nicht ausgeschlossen, da es möglich ist, die Daten in das Fahrtenbuchprogramm so einzugeben, dass jedes gewünschte Ergebnis erreicht werden kann. Der Ausdruck einer solchen Datei ist deshalb zum Nachweis der Vollständigkeit und Richtigkeit der erforderlichen Angaben nicht geeignet.

Der Kläger hat im Übrigen die Eintragungen in das Fahrtenbuch auch nicht durch Vorlage von Besprechungsprotokollen, Vertragsabschlüssen oder ähnlichen Geschäftsunterlagen glaubhaft gemacht. Es kann nicht mehr nachvollzogen werden, inwieweit tatsächlich Geschäftsbeziehungen bestanden haben oder angestrebt wurden.

Hinzu kommt, dass der Kläger ausweislich der vorgelegten Aufstellung „Benzinbelege 2001“ im April 2001 fünf Fahrten anlässlich der Erkrankung seines Vaters nach Y unternommen hat. Diese Fahrten dienten eindeutig nicht unternehmerischen Zwecken, sondern privaten Zwecken des Unternehmers.

Die Revision wird nicht zugelassen, da keiner der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Gründe ersichtlich ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 S. 3 FGO.

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