VG Augsburg, Urteil vom 23.02.2010 - Au 1 K 09.1886
Fundstelle
openJur 2012, 106283
  • Rkr:
Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Verpflichtung der Beklagten, ihre Aufenthaltserlaubnis zu verlängern.

Sie ist türkische Staatsangehörige und reiste im September 2003 erstmals ins Bundesgebiet zu einem Au-pair-Aufenthalt ein. Ihr wurde zunächst eine Aufenthaltsbewilligung bis zum 24. August 2004 erteilt. Am 26. Mai 2004 heiratete sie ihren deutschen Ehemann. Auf ihren Antrag hin wurde ihre Aufenthaltsgenehmigung am 22. Juli 2004 für zunächst ein Jahr verlängert.

Erstmals meldete sich die Klägerin zum 12. August 2004 in der gemeinsamen Ehewohnung an. Bereits am 26. April 2005 meldete sie sich wieder ab, um sich am 25. Mai 2005 erneut in der Ehewohnung anzumelden.

Mit Formblattantrag vom 25. Juli 2005 beantragte die Klägerin die Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis. Dabei gab sie an, seit dem 26. April 2005 in ehelicher Lebensgemeinschaft zu leben. In der Folge erhielt sie Fiktionsbescheinigungen.

Zur Aufnahme einer stationären Drogentherapie meldete sich der Ehemann der Klägerin ab dem 27. November 2005 mit seinem Hauptwohnsitz in ... an. Am 8. Februar 2006 meldete sich die Klägerin erneut aus der ehelichen Wohnung ab und begründete ihren Hauptwohnsitz im Zuständigkeitsbereich der Beklagten. Unter dem 21. März 2006 hörte die Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Ablehnung ihres Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis an, da sie sich offensichtlich von ihrem Ehemann getrennt habe. Die Klägerin und ihr Ehemann sprachen daraufhin am 3. April 2006 bei der Beklagten vor. Die Trennung sei nur vorübergehend, da der Ehemann der Klägerin sich seit 17. November 2005 zu einer stationären Drogentherapie in ... befinde. Nach der Drogentherapie, die voraussichtlich im September 2006 ende, wolle man wieder zusammen wohnen. Die Beklagte verlängerte daraufhin am 19. Mai 2006 die Aufenthaltserlaubnis der Klägerin bis zum 14. Dezember 2006.

Mit weiterem Verlängerungsantrag vom 27. November 2006 beantragte die Klägerin die Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis und gab dabei als Familienstand "verheiratet" an. Daraufhin wurde die Aufenthaltserlaubnis der Klägerin bis zum 14. Dezember 2008 verlängert.

Auf Antrag des Ehemanns der Klägerin vom 13. April 2007 wurde die Ehe der Klägerin mit Wirkung zum 1. Januar 2008 rechtskräftig geschieden. Der Scheidungsakte ist zu entnehmen, dass die Ehegatten übereinstimmend den März 2005 als Trennungszeitpunkt angegeben haben.

Unter dem 1. April 2008 hörte die Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Rücknahme ihrer Aufenthaltserlaubnis an. Hierzu ließ die Klägerin am 17. April 2008 Stellung nehmen. Die Klägerin habe in ihrem Verlängerungsantrag vom 27. November 2006 keine Falschangaben gemacht. Es sei nicht richtig, dass sich die Eheleute bereits im März 2005 zum Zwecke der Ehescheidung getrennt hätten. Es habe zwar erhebliche, durch die Drogenabhängigkeit des Ehemanns der Klägerin bedingte Eheprobleme gegeben, die Eheleute hätten aber im Herbst 2006 nicht getrennt gelebt. Die Trennung sei vielmehr erst Anfang 2007 erfolgt, als der Ehemann der Klägerin seinen Getrenntlebenswillen erklärt und sodann einen Scheidungsantrag eingereicht habe. Im Übrigen liege eine besondere Härte im Sinne von § 31 Abs. 2 AufenthG vor, da der Klägerin die Aufrechterhaltung der Ehe mit ihrem drogenabhängigen und inhaftierten Ehegatten nicht zumutbar gewesen sei.

Auf Antrag der Beklagten wurde gegen die Klägerin und ihren Ehemann ein Strafverfahren wegen des Verdachts einer Straftat nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG eingeleitet. Im Ermittlungsverfahren ließen die Eheleute durch ihre jeweiligen Verteidiger übereinstimmend vortragen, die Eheleute hätten sich Anfang März 2005 zunächst getrennt, sich aber nach einiger Zeit (der Bevollmächtigte der Klägerin gibt 6 bis 7 Wochen an) nach der Trennung wieder versöhnt. Der Bevollmächtigte der Klägerin gab dabei an, die Eheleute hätten ab dem 26. April 2005 wieder in der Wohnung der Schwiegereltern des Ehemanns in ehelicher Gemeinschaft zusammengelebt. Erst später hätten sich die Eheleute wieder zerstritten und erneut ein Getrenntleben aufgenommen. Daraufhin wurde das Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Falschangaben im Antrag vom 25. Juli 2005 durch Beschluss vom 3. November 2008 eingestellt. Das Ermittlungsverfahren wegen der Falschangaben im Antrag vom 27. November 2006 wurde zuständigkeitshalber an die Staatsanwaltschaft ... abgegeben.

Am 28. November 2008 beantragte die Klägerin die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis.

In der Folge erging gegen die Klägerin ein Strafbefehl wegen des Erschleichens von Aufenthaltstiteln in Tateinheit mit mittelbarer Falschbeurkundung wegen der Angaben im Verlängerungsantrag vom 27. November 2006. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein. Zugleich ließ sie durch ihren Bevollmächtigten bei der Beklagten anfragen, ob sie auf Grund ihrer nunmehr dreijährigen Beschäftigung in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis Rechte nach dem Assoziationsratsbeschluss (ARB) 1/80 erworben habe.

Mit Schriftsatz vom 10. Juni 2009 machte der Bevollmächtigte der Klägerin gegenüber der Beklagten geltend, dass sich die Klägerin auf die Härtefallregelung des § 31 Abs. 2 AufenthG berufe.

Am 21. September 2009 wurde die Klägerin vom Amtsgericht ... wegen des Vorwurfs des Erschleichens eines Aufenthaltstitels und der mittelbaren Falschbeurkundung nach Durchführung der mündlichen Verhandlung freigesprochen. Weder dem in den Ausländerakten befindlichen Sitzungsprotokoll noch den schriftlichen Urteilsgründen ist zu entnehmen, auf welcher Tatsachengrundlage der Freispruch erfolgte. Nach der Darstellung des Bevollmächtigten der Klägerin vom 3. November 2009 wurde der Freispruch laut der mündlichen Urteilsbegründung darauf gestützt, dass bis April 2007 ein subjektiver Trennungstatbestand nicht erfüllt gewesen sei.

Mit Schriftsatz vom 23. September 2009 ließ die Klägerin bei der Beklagten hilfsweise die Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis beantragen.

Unter dem 9. November 2009 teilte die Beklagte dem Bevollmächtigten der Klägerin mit, dass nunmehr nicht mehr beabsichtigt sei, die Aufenthaltserlaubnis der Klägerin zurückzunehmen. Allerdings werde beabsichtigt, den Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis bzw. den hilfsweise gestellten Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abzulehnen. Hierzu nahm der Bevollmächtigte der Klägerin am 11. November 2009 Stellung. Aus der Zeugenaussage des Ehemannes der Klägerin vor dem Amtsgericht ... im Strafverfahren habe sich ergeben, dass die eheliche Lebensgemeinschaft bis April 2007 bestanden habe.

MitBescheid vom 11. November 2009lehnte die Beklagte den Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis ab (Ziffer 1 des Bescheids), gleichzeitig wurde der Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt (Ziffer 2 des Bescheids). Die Klägerin wurde aufgefordert, das Bundesgebiet zu verlassen, die Abschiebung in die Türkei oder jeden anderen übernahmebereiten oder -verpflichteten Staat wurde angedroht (Ziffern 3 und 4 des Bescheids). Zur Begründung ist ausgeführt, die Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis seien nicht erfüllt. Gleiches gelte für die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis. Die Klägerin habe mit ihrem Ehemann keine zwei Jahre in ehelicher Lebensgemeinschaft gelebt. Es könne dahinstehen, ob die eheliche Lebensgemeinschaft bereits nach der Eheschließung aufgenommen worden sei. Jedenfalls habe die Klägerin die Ehewohnung zum 26. April 2005 wieder verlassen und sei erst am 25. Mai 2005 wieder zurückgekehrt. Auch auf Grund der Angaben im Ehescheidungsverfahren sei nicht nachvollziehbar, warum die eheliche Lebensgemeinschaft bis Frühjahr 2007 angedauert haben solle. Zumindest könne als Ehebestandszeit allenfalls die Zeit ab dem 25. Mai 2005 berücksichtigt werden, da die Trennung im März 2005 die Zwei-Jahres-Frist unterbrochen habe. Stelle man auf diesen Zeitpunkt ab, sei bei der endgültigen Trennung im April 2007 die Zwei-Jahres-Frist noch nicht verstrichen gewesen. Eine erhebliche Härte im Sinne des § 31 Abs. 2 AufenthG sei nicht ersichtlich. Auf die hierzu gemachten Ausführungen auf S. 5 des angegriffenen Bescheids wird Bezug genommen. Schließlich habe die Klägerin auch keine Rechte aus Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 erworben. Zum einen stünde bereits die Erschleichung des Aufenthaltstitels dem Erwerb von Rechten aus Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 entgegen. Darüber hinaus sei die Klägerin zwar vom 4. Juli 2006 bis 31. Juli 2009 durchgehend beim selben Arbeitgeber beschäftigt gewesen, sie habe in dieser Zeit jedoch nicht durchgehend eine Aufenthaltserlaubnis besessen, was für den Erwerb von Rechten aus Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 erforderlich sei. Im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sei sie lediglich bis zum 14. Dezember 2008 gewesen, danach sei sie nur noch im Besitz von Fiktionsbescheinigungen gewesen. Diese begründeten keine gesicherte Rechtsposition, wie sie Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 voraussetze.

Hiergegen ließ die Klägerin am21. Dezember 2009 Klageerheben. Die Klägerin verfolgt mit ihrer Klage nur einen Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis. Nicht Gegenstand der Klage ist hingegen ihr Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. Zur Begründung wurde zunächst das Vorbringen im Verwaltungsverfahren wiederholt. Weiter wurde ausgeführt, es sei davon auszugehen, dass eine Trennung erst im April 2008 (richtig wohl: 2007) stattgefunden habe. Die räumliche Trennung der Ehegatten sei durch die stationäre Drogentherapie des Ehemanns in ... und die anschließende längere Verbüßung der Restfreiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt ... erzwungen gewesen. Obwohl die Klägerin erheblich unter der Sucht und dem Verhalten ihres Ehemannes gelitten habe, habe sie noch bis zum Ende der Drogentherapie des Ehemanns die Hoffnung gehabt, dass dieser wieder von seinen Drogenproblemen geheilt werde und die Ehe aufrechterhalten werden könne. Erst als der Ehemann der Klägerin im Frühjahr 2007 mitteilen ließ, dass er nunmehr getrennt leben wolle, habe die Klägerin innerlich die eheliche Lebensgemeinschaft mit ihrem Ehegatten aufgegeben. Die ehemals gemeinsame Wohnung habe die Klägerin aus wirtschaftlicher Not aufgeben müssen, da ihr Mann seinen Arbeitsplatz verloren und sich in die stationäre Drogentherapie begeben habe. Da sie mit Hilfe ihrer Verwandtschaft eine Arbeitsstelle gefunden habe, hätte sie in den Zuständigkeitsbereich der Beklagten umziehen müssen. Noch im Februar 2006 hätten die Eheleute ein gemeinsames Antragsformular der Betriebskrankenkasse des ehemaligen Arbeitgebers des Ehemanns der Klägerin ausgefüllt und unterschrieben. Dabei habe sich die Klägerin bereiterklärt, die Krankenkassenbeiträge auch für ihren Ehemann von ihrem eigenen Konto zu bezahlen, was dokumentiere, dass im Jahr 2006 die eheliche Lebensgemeinschaft weiterhin bestanden habe. Dies alles habe der Ehemann der Klägerin letztlich auch als Zeuge vor dem Amtsgericht ... im Strafverfahren ausgesagt, was dazu geführt habe, dass die Klägerin freigesprochen worden ist. Außerdem habe die Klägerin ihrem Ehemann während der Therapie wiederholt Geldbeträge zukommen lassen. Darüber hinaus läge eine besondere Härte im Sinne von § 31 Abs. 2 AufenthG vor. Im Übrigen mache die Klägerin Rechte aus Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 geltend.

Die Klägerin lässt beantragen:

1. Der Bescheid der Beklagten vom 23.11.09 wird in Ziffern 2. bis 6. aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verpflichtet, die Aufenthaltserlaubnis der Klägerin zu verlängern, hilfsweise der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie wiederholt im Wesentlichen die Ausführungen im angegriffenen Bescheid. Ergänzend führt sie aus, dass alles dafür spreche, dass sich die Eheleute im Frühjahr 2005 getrennt hätten. Dies ergebe sich sowohl aus den Meldeverhältnissen als auch aus der Tatsache, dass die Klägerin für das Jahr 2007 eine Lohnsteuerkarte mit der Steuerklasse I beantragt habe. Zudem sei es nicht richtig, dass der Ehemann der Klägerin durchgehend in Therapie bzw. Haft gewesen sei. Zwischen dem Abbruch der Therapie und dem Antritt der Haft hätte ein Zeitraum von einigen Monaten gelegen. In dieser Zeit sei die eheliche Lebensgemeinschaft nicht wieder aufgenommen worden. Auch habe der Ehemann der Klägerin während seines Aufenthalts in der Drogenentzugstherapie seine Möglichkeiten zu Wochenendheimfahrten immer nur zum Besuch seiner Eltern, nicht dagegen zum Besuch seiner Ehefrau genutzt.

Zu den weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der beigezogenen Behördenakten und der Gerichtsakte sowie auch die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 23. Februar 2010.

Gründe

I.

Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die Beklagte war weder verpflichtet, noch im Ermessenswege gehalten, die Aufenthaltserlaubnis der Klägerin zu verlängern. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis nicht zu (§ 113 Abs. 5 VwGO).

1. Ein Anspruch auf die begehrte Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ergibt sich vorliegend nicht aus § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG.

Nach dieser Vorschrift wird die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht für ein Jahr verlängert, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens zwei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat.

a) Zwar bedarf es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 24.5.1995 Az. 1 C 7/94, BVerwGE 98, 313 <317>) der Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 AufenthG nicht mehr, wenn der Ausländer nach dem Ablauf seiner letzten Aufenthaltserlaubnis für den Zeitraum von mindestens einem Jahr Fiktionsbescheinigungen erhalten hat und ihm eine Erwerbstätigkeit gestattet war. In diesen Fällen ist regelmäßig der Zweck des § 31 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, dem Ausländer nach dem Scheitern der Ehe die Möglichkeit zu geben, eine eigene wirtschaftliche Existenz aufzubauen, bereits durch die Fiktionsbescheinigung mit der Erlaubnis der Erwerbstätigkeit erfüllt, so dass es keiner für die Vergangenheit wirkenden Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 AufenthG mehr bedarf (BVerwG a. a. O.; vgl. auch OVG NRW vom 1.2.2000 Az. 18 B 1120/99 - <juris> RdNr. 18). Ob dies auch bei der Klägerin, deren Aufenthaltserlaubnis lediglich vom 14. Dezember 2008 bis zum 23. November 2009 als fortbestehend galt, der Fall wäre, kann letztlich dahinstehen. Denn von der genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist nach Auffassung der Kammer zumindest dann eine Ausnahme zu machen, wenn der ununterbrochene Besitz einer Aufenthaltserlaubnis weitere Folgen für die Rechtsstellung des Ausländers hat.

So liegt der Fall hier. Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass die Klägerin Rechte aus Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 nur erworben hätte, wenn sie in der Zeit ihrer Erwerbstätigkeit vom 4. Juli 2006 bis 31. Juli 2009 durchgehend eine Aufenthaltserlaubnis besessen hätte, da die bloß gesetzlich fingierte Fortgeltung einer Aufenthaltserlaubnis nicht geeignet ist, eine ordnungsgemäße Beschäftigung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 herbeizuführen (vgl. BayVGH vom 22.1.2007 Az. 24 CS 06.3256 - <juris> RdNr. 12). Da die Klägerin lediglich bis zum 14. Dezember 2008 eine Aufenthaltserlaubnis besaß, hat sie ein über den Zweck des § 31 Abs. 1 Satz 1 AufenthG hinausgehendes Interesse an einem für die Vergangenheit wirkenden Aufenthaltstitel nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG (vgl. zum Interesse an der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum BayVGH vom 10.5.2006 Az. 24 BV 05.2703 - <juris> RdNr. 21).

b) Allerdings sind die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG im Falle der Klägerin nicht erfüllt.

aa) Eine eheliche Lebensgemeinschaft setzt eine tatsächlich gelebte Verbundenheit der Eheleute in Gestalt eines tatsächlich gelebten Näheverhältnisses voraus (BVerfG vom 10.5.2007 Az. 2 BvR 304/07, NVwZ 2007, 946 <947>). Nicht ausreichend ist insofern, dass der Ausländer auf den bloßen Bestand einer formal ordnungsgemäß eingegangenen Ehe, also auf die schlichte Tatsache seines Verheiratetseins, verweisen kann. Vielmehr kommt es entscheidend darauf an, ob die durch das Institut der Ehe miteinander verbundenen Personen auch der Sache nach in einer ehelichen Lebensgemeinschaft im Sinne einer die persönliche Verbundenheit der Eheleute zum Ausdruck bringenden Beistandsgemeinschaft leben (vgl. dazu und zum Folgenden HessVGH vom 16.1.2007 Az. 7 TG 2879/06, NVwZ-RR 2007, 491 f.). Diese eheliche Lebensgemeinschaft, die sich nach außen im Regelfall in einer gemeinsamen Lebensführung, also in dem erkennbaren Bemühen dokumentiert, die alltäglichen Dinge des Lebens miteinander in organisatorischer, emotionaler und geistiger Verbundenheit zu bewältigen, dreht sich im Idealfall um einen gemeinsamen Lebensmittelpunkt und wird daher regelmäßig in einer von den Eheleute gemeinsam bewohnten Wohnung gelebt.

bb) Im auf die Erteilung eines Aufenthaltstitels gerichteten Fall trifft dabei den Ausländer die objektive Beweislast (Feststellungslast) für das Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft, d. h. er hat die nachteiligen Folgen der Nichterweislichkeit einer ehelichen Lebensgemeinschaft zu tragen. Im gerichtlichen Verfahren ergibt sich dies aus der in § 86 Abs. 1 Satz 1, Halbsatz 2 VwGO verankerten Mitwirkungspflicht der Beteiligten, im behördlichen Verfahren aus § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, wonach der Ausländer verpflichtet ist, seine Belange und für ihn günstige Umstände, soweit sie nicht offenkundig oder bekannt sind, unter Angabe nachprüfbarer Umstände unverzüglich geltend zu machen und die erforderlichen Nachweise über seine persönlichen Verhältnisse, sonstige erforderliche Bescheinigungen und Erlaubnisse sowie sonstige erforderliche Nachweise, die er erbringen kann, unverzüglich beizubringen (HessVGH a.a.O.).

cc) Dieser Darlegungs- und Beweislast ist die Klägerin nicht nachgekommen. Vielmehr ist die Kammer nach der durchgeführten Beweisaufnahme überzeugt (§ 108 Abs. 1 VwGO), dass die eheliche Lebensgemeinschaft zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann allenfalls vom 26. April 2005 bis zum November 2005, längstens jedoch bis ins Frühjahr 2006 bestanden hat.

Die Kammer geht zunächst davon aus, dass eine berücksichtigungsfähige eheliche Lebensgemeinschaft zwischen der Klägerin und ihrem Ehegatten erst (wieder) am 26. April 2005 aufgenommen wurde. Im Scheidungsverfahren haben die Parteien übereinstimmend angegeben, sich bereits im März 2005 getrennt zu haben. Nach den übereinstimmenden Angaben der jeweils anwaltlich vertretenen Ehegatten im Strafverfahren erfolgte danach ein Versöhnungsversuch mit der Wideraufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft ab dem 26. April 2005 (Bl. 182 der Behördenakte der Beklagten). Auch hat die Klägerin gegenüber der damals zuständigen Ausländerbehörde selbst angegeben, seit dem 26. April 2005 in ehelicher Lebensgemeinschaft zu leben (Bl. 70 der Behördenakte der Beklagten). Dass die Eheleute sich im Frühjahr 2005 tatsächlich für einige Wochen getrennt hatten, wird auch belegt durch die Melderegisterauszüge (Bl. 53 bis 56 der Behördenakte der Beklagten). Danach meldete sich die Klägerin am 26. April 2005 aus der gemeinsamen Ehewohnung ab, um sich am 25. Mai 2005 erneut anzumelden. Das Vorbringen der Klägerin und ihres geschiedenen Mannes in der mündlichen Verhandlung, man habe sich nicht getrennt, ist mit den übrigen Hinweisen auf eine (erste) Trennung nicht vereinbar und daher nicht glaubhaft. Zugunsten der Klägerin kann insofern allenfalls unterstellt werden, dass sie entsprechend ihrer Angaben im Strafverfahren - entgegen der Melderegisterauszüge - am 26. April 2005 die eheliche Lebensgemeinschaft wieder aufgenommen hat.

Angesichts des kurzen Zeitraums, in dem die eheliche Lebensgemeinschaft zwischen Eheschließung im Mai 2004 bzw. der ersten Anmeldung der Klägerin in der Ehewohnung zum 12. August 2004 und der ersten Trennung im März 2005 bestand, sowie aufgrund der Trennungsdauer von sechs bis sieben Wochen, geht die Kammer davon aus, dass die von § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG geforderte Zweijahresfrist mit der Trennung im März 2005 unterbrochen wurde und damit erst am 26. April 2005 erneut zu laufen begann. Aus den Angaben im Scheidungsverfahren und der Tatsache, dass sich die Klägerin förmlich aus der Ehewohnung abgemeldet hat, schließt die Kammer, dass die Trennung zu diesem Zeitpunkt auf Dauer angelegt war. Damit kann die Zeit des Zusammenlebens vor dieser Trennung nicht auf die Zweijahresfrist angerechnet werden (vgl. zum Ganzen Marx in GK-AufenthG, Stand Juni 2008, RdNr. 78 f. zu § 31). Dem entspricht auch die Angabe der Klägerin gegenüber der damals zuständigen Ausländerbehörde, sie lebe seit dem 26. April 2005 in ehelicher Lebensgemeinschaft.

Geendet hat die eheliche Lebensgemeinschaft der Klägerin mit ihrem Ehemann nach Auffassung der Kammer im November 2005, spätestens jedoch im Frühjahr 2006.

Die Eheleute haben in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend und daher glaubhaft angegeben, mit der Aufnahme der Drogentherapie des Ehemanns der Klägerin im November 2005 und dem damit verbundenen Umzug des Ehemanns nach ... den Kontakt zueinander abgebrochen zu haben. Die Kammer hält die Angaben der Klägerin, dass sie währenddessen weiterhin hoffte, die eheliche Lebensgemeinschaft fortsetzen zu können, für glaubhaft. Eine echte Beistandsgemeinschaft im Sinne einer tatsächlichen Verbundenheit bestand ab diesem Zeitpunkt allerdings nicht mehr. Die Klägerin hat ihren Ehemann in ... nicht besucht, weil dieser dies nicht wollte. Telefonate fanden nicht statt. Familienheimfahrten hat der Ehemann in dieser Zeit nur genutzt, um seine Eltern zu besuchen. Glaubhaft schildert die Klägerin in diesem Zusammenhang eine emotionale Kälte zwischen den Ehegatten. Der Ehemann der Klägerin hat diese lediglich ein einziges Mal am 3. April 2006 zur gemeinsamen Vorsprache bei der Ausländerbehörde besucht. Eine echte Verbundenheit der Ehegatten war demnach nicht mehr gegeben. Die möglicherweise gemeinsam gehegte Absicht, irgendwann wieder eine Beziehung zueinander aufzunehmen, ersetzt diese tatsächliche Verbundenheit nicht. Ein Indiz dafür, dass die Klägerin selbst diese Hoffnung im Jahr 2006 aufgegeben hatte, stellt auch der Umstand dar, dass sie für das Jahr 2007 eine Lohnsteuerkarte mit der Steuerklasse I beantragt und erhalten hat (Bl. 273 der Behördenakte der Beklagten).

Dagegen lassen nach Auffassung der Kammer weder der gemeinsame Antrag auf die Aufnahme in die Krankenversicherung im Februar 2006 noch die finanziellen Zuwendungen der Klägerin an ihren Ehegatten bzw. dessen Vater während des Jahres 2006 und Anfang 2007 auf den Fortbestand einer schützenswerten ehelichen Lebensgemeinschaft schließen. Für beides lässt sich auch eine vom tatsächlichen Vorliegen einer emotionalen Verbundenheit unabhängige Erklärung finden. Durch die gemeinsame Beantragung der Aufnahme in die Krankenversicherung haben sich die Klägerin und ihr damaliger Ehemann die Vorteile der Familienversicherung gesichert. Sollte der Vortrag der Klägerin zutreffen, sie habe die Krankenkassenbeiträge für ihren Ehemann während der gesamten Therapie bezahlt, spräche dies sogar gegen das Vorliegen einer ehelichen Lebensgemeinschaft, da die Klägerin ab April 2006 einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nachging, in deren Rahmen ihr Ehemann, den Bestand der ehelichen Lebensgemeinschaft vorausgesetzt, mitversichertes Familienmitglied gewesen wäre. Die Geldzahlungen an den Ehemann bzw. dessen Vater können auf den von der Klägerin geschuldeten Trennungsunterhalt oder auf einen anderen (eheunabhängigen) Verpflichtungsgrund zurückzuführen sein. Jedenfalls können diese Zahlungen bei einer wertenden Betrachtung aller Umstände das monatelange Ausbleiben eines jeglichen persönlichen Kontakts bei gleichzeitiger räumlicher Trennung nicht aufwiegen.

Zudem hat die durchgeführte Beweisaufnahme ergeben, dass der Ehemann der Klägerin sich spätestens im Frühjahr 2006 dauerhaft von seiner Ehefrau abgewandt hat. Nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung hatte sich der Ehemann der Klägerin bereits mehrere Monate vor dem Ende der Therapie im Juli 2006 einer anderen Frau zugewandt, die er im Rahmen der Therapie in ... kennen gelernt hatte. Auch hat er während des Zeitraums zwischen dem Abbruch der Therapie und dem Haftantritt bei seinen Eltern bzw. seiner neuen Lebensgefährtin und nicht bei der Klägerin gewohnt. Dementsprechend hat er sich am 19. Juli 2006 in der ehemaligen Ehewohnung angemeldet und gleichzeitig erklärt, seit dem 6. Februar 2006 von der Klägerin im steuerrechtlichen Sinn getrennt zu leben (Bl. 79 f. der Gerichtsakte). Nach Überzeugung der Kammer war damit spätestens im Frühjahr 2006 die eheliche Lebensgemeinschaft der Klägerin (endgültig) beendet, auch wenn ihr Ehemann dies ihr gegenüber nicht geäußert haben sollte.

c) Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass vom Erfordernis einer zweijährigen Ehebestandszeit aufgrund einer besonderen Härte nach § 31 Abs. 2 AufenthG abzusehen sein sollte. Die Kammer verkennt nicht, dass eine Ehe mit einem drogenabhängigen Partner sehr belastend sein kann. Allerdings hat die Klägerin nach ihrem eigenen Bekunden stets an der Ehe festgehalten und damit zum Ausdruck gebracht, dass ihr das Festhalten an der Ehe zumutbar war. Da die endgültige Trennung letztlich von ihrem Ehemann ausging, ist für die Annahme einer besonderen Härte im Sinne des § 31 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vorliegend kein Raum. Weitere Gründe, die für das Vorliegen einer besonderen Härte sprechen könnten, sind von der Klägerin weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich.

2. War die Klägerin demnach lediglich bis zum 14. Dezember 2008 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis und war diese auch nicht nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zu verlängern, hat die Klägerin, die derzeit nicht erwerbstätig ist, auch keine Rechte aus Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 erworben. Auf die Ausführungen unter I. 1. a) wird Bezug genommen.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Klägerin trägt als unterlegener Teil die Kosten des Verfahrens.

III.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

 

Beschluss

Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG. Die Kammer folgt dabei der Empfehlung der Ziffer 8.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit

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