VG Augsburg, Beschluss vom 01.02.2010 - Au 6 S 09.1027
Fundstelle
openJur 2012, 106276
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert wird auf 2.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die Ablehnung seines Antrags auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis bzw. der Verlängerung seines Aufenthaltstitels und die mit dieser Ablehnung verbundene Ausreiseaufforderung unter Androhung der Abschiebung.

Der Antragsteller, ein libanesischer Staatsangehöriger, wurde am ... 1972 in ... geboren. Er reiste am 10. Dezember 1999 in das Bundesgebiet ein und stellte am 17. Dezember 1999 einen Asylantrag. Zur Durchführung des Asylverfahrens erhielt der Antragsteller fortlaufend Aufenthaltsgestattungen. Mit Bescheid vom 29. Dezember 1999 wurde der Asylantrag nach erfolglosem Rechtsbehelfsverfahren bestandskräftig abgelehnt. Dem Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 8. November 2006 nicht stattgegeben.

Nach der bestandskräftigen Ablehnung seines Asylantrags kam der Antragsteller seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach; eine Aufenthaltsbeendigung war nicht möglich, da er keinen gültigen Reisepasses besaß. Der Antragsteller erhielt in der Folgezeit daher zunächst Grenzübertrittsbescheinigungen, ab 23. Februar 2005 Duldungen und nachdem die Bemühungen, bei der Botschaft des Libanon einen Pass oder Heimreiseschein für den Antragsteller zu erlangen, erfolglos waren, von der damals zuständigen Ausländerbehörde am 16. August 2006 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Am 31. Oktober 2007 zog der Antragsteller in den Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners. Die Aufenthaltserlaubnis wurde zuletzt mit Bescheid vom 2. September 2008 durch den Antragsgegner bis zum 15. September 2009 verlängert.

Im Zuge des Verlängerungsantrags vom 31. Januar 2008 gab der Antragsgegner auf Wunsch des Antragstellers für die Beantragung des Passes bei der Libanesischen Botschaft folgende Erklärung ab: "Hiermit bestätigen wir Ihnen, dass der Aufenthaltstitel in den Nationalpass eingetragen wird, sobald dieser uns vorgelegt wird." Der vom Antragsteller am 13. März 2008 per Post an die Botschaft geschickte Antrag auf Ausstellung eines Reisepasses blieb erfolglos.

Am 17. Oktober 2008 beantragte der Antragsteller über seinen Bevollmächtigten die Ausstellung eines Notreiseausweises, da er durch eine Reise in das Heimatland versuchen wolle, bei den dortigen Behörden einen Reisepass zu erhalten. Am 5. November 2008 stellte der Antragsgegner dem Antragsteller einen bis zum 4. Dezember 2008 gültigen Notreiseausweis aus.

Am 11. Februar 2009 beantragte der Antragsteller beim Antragsgegner die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis gemäß § 26 Abs. 4 AufenthG. Er habe während seines Aufenthalts im Libanon einen Pass beantragt, das Verfahren zur Passausstellung dauere sechs Monate. Im Hinblick auf seine Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet sei ihm daher die beantragte Niederlassungserlaubnis zu erteilen.

Mit Schreiben vom 17. Februar 2009 forderte der Antragsgegner den Antragsteller auf, die Bestätigung über die Beantragung des Reisepasses vorzulegen. Die Erteilung der beantragten Niederlassungserlaubnis setze voraus, dass der Antragsteller die gesetzlich geforderte Passpflicht erfülle. Es bestehe kein Grund, auf die Erfüllung der Passpflicht zu verzichten. Mit Schreiben vom 6. März 2009 teilte der damalige Bevollmächtigte des Antragstellers mit, der Antragsteller könne seinen Reisepass nur persönlich im Libanon abholen, er sei hierzu jedoch nur bereit, wenn ihm zugesichert werde, dass ihm bei Vorlage des Reisepasses die beantragte Niederlassungserlaubnis erteilt wird. Trotz mehrfacher Erinnerungsschreiben bzw. Sachstandsanfragen legte der Antragsteller keine Bestätigung über die Beantragung des Reisepasses während seines Libanonaufenthaltes vor.

Mit Schreiben vom 18. Mai 2009 hörte der Antragsgegner den Antragsteller zur beabsichtigten Antragsablehnung an, eine Reaktion hierzu erfolgte nicht. Mit Bescheid vom 1. Juli 2009 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis (Ziffer 1 des Bescheides) sowie die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis über den 15. September 2009 hinaus (Ziffer 2) ab. Der Antragsteller wurde aufgefordert, bis spätestens 16. September 2009 die Bundesrepublik zu verlassen, für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung in den Libanon oder in einen anderen Staat, in den die Einreise erlaubt oder der zur Rücknahme verpflichtet sei, an (Ziffer 3). Die Erteilung der beantragten Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG setze voraus, dass der Antragsteller im Besitz eines gültigen und anerkannten Passes seines Heimatlandes sei. Der Antragsteller habe im Dezember 2008 nach eigenen Angaben im Libanon die Ausstellung eines Passes beantragt und trotz mehrfacher Aufforderung keine Bestätigung hierüber vorgelegt. Er habe erklärt, zur Abholung des Passes nur bereit zu sein, wenn ihm im Gegenzug die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis zugesichert werde. Von der Erfüllung der Passpflicht sei auch nicht im Ermessenswege abzusehen. Der Antragsteller sei nach § 48 Abs. 3 Satz 1 AufenthG verpflichtet, an der Beschaffung des Identitätspapiers mitzuwirken, diese Mitwirkungspflicht bestehe unabhängig davon, ob dem Ausländer nach Erhalt des Passes ein Aufenthaltstitel erteilt werde. Ein Absehen von der Passpflicht komme nur in Betracht, wenn der Betroffene diese wegen der besonderen Umstände der Aufenthaltsbegründung nicht erfüllen könne. Dies sei jedoch nicht der Fall, der Antragsteller habe nach eigenen Angaben den Pass bei den Heimatbehörden zwar beantragt, er sei nur nicht bereit, diesen im Heimatland auch abzuholen. Die Verlängerung des bis zum 15. September 2009 gültigen Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 5 AufenthG komme nicht in Betracht, da die Aufenthaltserlaubnis nach dieser Vorschrift nur erteilt werden könne, wenn der Ausländer unverschuldet an seiner Ausreise gehindert sei. Dem Antragsteller sei es jedoch möglich und zumutbar, den Pass in seinem Heimatland abzuholen. Die Ausreise sei auch im Sinne von § 25 Abs. 5 AufenthG zumutbar, da der Antragsteller keine schutzwürdigen Bindungen im Bundesgebiet habe.

Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller am 27. Juli 2009 Klage sowie einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO und beantragte ,

die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Der Bescheid vom 1. Juli 2009 sei verfrüht ergangen. Der Antragsgegner habe mit Schreiben vom 31. Januar 2008 eine Zusicherung erteilt, bei Vorlage des Passes einen Aufenthaltstitel zu erteilen. Daraufhin sei der Antragsteller in den Libanon gereist, um sich einen Pass ausstellen zu lassen. Dieser sei in Kürze zu erwarten. Aufgrund eines Schreibens des Antragsgegners vom 9. März 2009 habe der Antragsteller darauf vertrauen dürfen, dass eine ablehnende Entscheidung zum derzeitigen Zeitpunkt nicht ergehen werde. Ein Verschulden des Antragstellers an der Passlosigkeit liege nicht vor, da er in den Libanon gereist sei, um den Pass dort zu beantragen. Die Voraussetzungen für die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG lägen vor. Auch die im Rahmen des § 26 Abs. 4 AufenthG geforderten Aufenthaltszeiten zur Erteilung der Niederlassungserlaubnis hätten im August 2009 vorgelegen. Die bereits am 1. Juli 2009 getroffene Entscheidung habe wohl zum Zweck gehabt, den Eintritt des zeitlichen Erfordernisses zu verhindern.

Der Antragsgegner beantragt ,

den Antrag abzulehnen.

In seiner Begründung wiederholt der Antragsgegner im Wesentlichen seine im Bescheid vom 1. Juli 2009 angestellten Erwägungen. Darüber hinaus wird ausgeführt, der Antragsteller könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Mit Schreiben vom 31. Januar 2008 habe der Antragsgegner lediglich erklärt, die bereits erteilte Aufenthaltserlaubnis in den Pass zu übertragen. Auch habe der Antragsgegner gegenüber dem damaligen Bevollmächtigten erklärt, dass er zu einer Zusicherung über die Erteilung der Niederlassungserlaubnis nicht bereit sei, sondern erst bei Vorlage des Passes über diese entscheiden werde. Nachdem aber weder eine Bescheinigung über die Beantragung des Passes noch dieser selbst vorgelegt worden sei, sei der Antragsteller zur Absicht, den Antrag abzulehnen, angehört worden.

Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten im Übrigen wird auf die Gerichts- und beigezogene Behördenakte verwiesen.

II.

Gegenstand des vorliegenden Eilverfahrens ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 27. Juli 2009 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 1. Juli 2009, mit dem der Antrag auf Niederlassungserlaubnis sowie die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers über den 15. September 2009 hinaus abgelehnt wurde.

Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

1. Der vorläufige Rechtsschutz nach einer ablehnenden Entscheidung über einen Antrag auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels bestimmt sich nach § 80 Abs. 5 VwGO, wenn der Antrag zuvor die gesetzliche Fiktion des § 81 Abs. 3 oder Abs. 4 AufenthG ausgelöst hat. Liegen die Voraussetzungen dieser Vorschriften nicht vor, so dass keine Fiktionswirkung eingetreten ist, besteht keine Rechtsposition, die im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO gesichert werde könnte. In diesen Fällen kommt dann nur ein Eilantrag nach § 123 Abs. 1 VwGO in Betracht (Hailbronner, Kommentar zur Ausländerrecht, § 81 AufenthG, Rd Nr. 33 und 47).

Zweifel am Vorliegen der für die Statthaftigkeit des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO notwendigen Fortgeltungsfiktion bestehen im vorliegenden Fall deshalb, weil mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 1. Juli 2009 zugleich vor Ablauf der bestehenden Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG über die Verlängerung dieses Aufenthaltstitels negativ entschieden wurde.

Nach § 81 Abs. 4 AufenthG gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend, sofern der Verlängerungsantrag rechtzeitig gestellt wurde. Im Zeitpunkt des Bescheidserlasses am 1. Juli 2009 war der Antragsteller allerdings noch im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, dennoch wurde in Ziffer 2 des Bescheides die Verlängerung dieser Aufenthaltserlaubnis - ohne dass der Antragsteller zuvor einen Antrag gestellt hätte - über den 15. September 2009 hinaus abgelehnt. Aus diesem Grunde konnte keine Fortgeltungsfiktion der bisherigen Aufenthaltserlaubnis eintreten. Diese ist vielmehr durch Zeitablauf am 15. September 2009 erloschen. Somit ist es zweifelhaft, ob eine Rechtsposition bestand, die im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO gesichert werden könnte. Der Ausschluss des einstweiligen Rechtsschutzes nach dieser Vorschrift hätte jedoch zur Folge, dass infolge der vorzeitigen Versagung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis die gesetzlich vorgesehene Fortgeltungsfiktion durch die zeitliche Gestaltung des Verwaltungsverfahrens ausgeschlossen werden könnte. Es spricht einiges dafür, dass durch eine vorzeitige Entscheidung durch die Behörde die Möglichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes für den Betroffenen nicht eingeschränkt werden kann. Dies gilt insbesondere für den Fall, in dem der Antragsteller durch die im Bescheid getroffene Ankündigung, die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abzulehnen, von vornherein an einer Antragstellung gehindert wird. Ob in dem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz konkludent ein Verlängerungsantrag gesehen werden kann mit der Folge, dass nach § 81 Abs. 4 AufenthG die bis 15. September 2009 geltende Aufenthaltserlaubnis bis zur Entscheidung des Antragsgegners weiter gilt, braucht daher nicht abschließend entschieden zu werden.

2. Der Antrag ist unbegründet.

Im Rahmen der nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen Entscheidung hat das Gericht aufgrund summarischer Prüfung die Interessen eines Antragstellers und des Antragsgegners gegeneinander abzuwägen. Lässt sich bei summarischer Überprüfung die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verfügung ohne weiteres feststellen, ist sie also offensichtlich rechtswidrig, so ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs wiederherzustellen, weil an der sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Bescheides kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erweist sich dagegen die angefochtene Verfügung als offensichtlich rechtmäßig, so kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass das öffentliche Interesse an der Vollziehung das private Aufschubinteresse überwiegt. Lässt sich schließlich bei summarischer Überprüfung weder die offensichtliche Rechtmäßigkeit noch die evidente Rechtswidrigkeit feststellen, bedarf es zur Entscheidung einer weiteren Abwägung der Interessen im Einzelfall, wobei eine Berücksichtigung der Folgen, die eintreten, wenn die Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes versagt wurde, das Verfahren in der Hauptsache hingegen Erfolg hätte, erforderlich ist. Diese Auswirkungen sind zu vergleichen mit den Nachteilen, die entstünden, wenn die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt bzw. angeordnet würde, dem Rechtsbehelf in der Hauptsache aber der Erfolg versagt würde (vgl. Eyermann, VwGO, 12. Auflage, § 80 Rd Nr. 72 f.).

a) Nach der im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage hat der Antragsteller keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG.

Nach dieser Vorschrift kann einem Ausländer, der seit sieben Jahren eine Aufenthaltserlaubnis nach den Vorschriften der §§ 22 bis 25 AufenthG besitzt, eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden, sofern die in § 9 Abs. 1 Nr. 2 bis 9 AufenthG bezeichneten Voraussetzungen vorliegen. Neben diesen besonderen Voraussetzungen müssen jedoch auch die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG erfüllt sein. So ist nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG insbesondere für die Erteilung eines Aufenthaltstitels Voraussetzung, dass der Ausländer die in § 3 AufenthG geregelte Passpflicht erfüllt.

aa) Der Antragsteller ist jedoch weder im Besitz eines gültigen Passes seines Heimatlandes, noch ist er von der Passpflicht durch Rechtsverordnung befreit. Er ist ebenfalls nicht im Besitz eines Ausweisersatzes im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 2 AufenthG.

bb) Nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG kann von der Erfüllung der Passpflicht als Erteilungsvoraussetzung der Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG abgesehen werden.

Die Entscheidung hierüber steht im Ermessen der Behörde, die eine umfassende Abwägung zwischen den betreffenden öffentlichen und privaten Interessen zu treffen hat. Dieses Ermessen ist jedoch gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar (§ 114 VwGO). Dies hat im Wesentlichen zur Folge, dass die Entscheidung lediglich darauf hin zu überprüfen ist, ob überhaupt eine Ermessensentscheidung getroffen wurde, ob in diese Ermessensentscheidung alle maßgeblichen und keine unzulässigen Erwägungen Eingang gefunden haben und ob einzelne Belange entgegen ihrer objektiven Wertigkeit in die Abwägung eingestellt worden sind.

Bei der Ermessensausübung ist insbesondere zu berücksichtigen, dass bei humanitären Aufenthaltstiteln typischerweise nicht die Erfüllung aller Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG verlangt werden kann. Hieraus ergibt sich, dass nach § 5 Abs. 3 2. Halbsatz AufenthG eine umfassende Einzelfallabwägung vorzunehmen ist. Es sind der Grad der Verantwortlichkeit des Betroffenen, die Bedeutung der Erteilungsvoraussetzungen für das öffentliche Interesse sowie verfassungsrechtliche Wertentscheidungen zu berücksichtigen (Bäuerle, in: GK zum Aufenthaltsgesetz, § 5, Rd Nr. 186; VG Oldenburg, Urteil vom 17.1.2007, Az. 11 A 2381/05 <juris>).

Die vom Antragsgegner getroffene Ermessensentscheidung ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Die Ermessensentscheidung ist nicht bereits deshalb fehlerhaft, weil der Antragsteller möglicherweise einen Anspruch auf Ausstellung eines Ausweisersatzes hatte und somit die Passpflicht hätte erfüllen können.

Nach § 3 Abs. 1 AufenthG i. V. m. § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthV wird einem Ausländer, der einen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz nicht besitzt und nicht in zumutbarer Weise erlangen kann, ein Ausweisersatz ausgestellt, sofern er einen Aufenthaltstitel besitzt. Unter welchen Voraussetzungen es dem Ausländer unzumutbar ist, einen Pass zu erlangen, kann nicht generell festgelegt werden, sondern es sind alle Umstände des konkreten Einzelfalls zu berücksichtigen. Unzumutbarkeit in diesem Sinne liegt in der Regel vor, wenn der Pass nur im Heimatstaat ausgestellt oder verlängert wird und die Rückkehr dorthin dem Ausländer (derzeit) nicht zumutbar ist (Grünewald, in: GK zum Aufenthaltsgesetz, § 48, Rd Nr. 34).

Dem Antragssteller ist die Reise allerdings zumutbar.

Der Antragsteller reiste in sein Heimatland, um dort einen Pass zu beantragen. Für diesen Zweck hat der Antragsgegner ihm einen Notreiseausweis ausgestellt. Der Antragsteller ist nun lediglich nicht bereit, den Pass abzuholen, sondern stellt dies unter die Bedingung der Zusicherung einer Niederlassungserlaubnis. Der Antragsteller selbst stellt nicht in Frage, dass ihm eine Reise in sein Heimatland möglich ist, um den Pass abzuholen und den Behörden vorzulegen. Andere Hinderungsgründe als die Bedingung einer Zusicherung der Niederlassungserlaubnis werden weder vorgetragen, noch sind sie nach Aktenlage ersichtlich.

Die vom Antragsteller aufgestellte Bedingung ist jedoch unzulässig und führt nicht zur Unzumutbarkeit im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthV. Nach § 48 Abs. 1 AufenthG ist der Antragsteller verpflichtet, der Behörde seinen Pass vorzulegen. Er ist weiterhin nach § 82 AufenthG angehalten, alle für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis notwendigen Unterlagen vorzulegen. Es obliegt somit dem Ausländer, die ihm möglichen Handlungen vorzunehmen und es ist unzulässig, diese Verpflichtung mit der Bedingung einer Zusicherung der Erteilung der beantragten Aufenthaltserlaubnis zu verbinden. Das bedeutet, dass zunächst der Antragsteller alle ihm zumutbaren Handlungen unternehmen muss und erst dann der Antragsgegner auf Grundlage der vorhandenen Nachweise prüft, ob die Voraussetzungen zur Erteilung der beantragten Aufenthaltserlaubnis vorliegen. Die Unzumutbarkeit liegt aus Sicht des Antragstellers lediglich darin, die Reise unternehmen zu müssen in der Ungewissheit, anschließend eine Niederlassungserlaubnis zu erhalten. Dies ist jedoch nicht schutzwürdig.

Da es dem Antragsteller somit nicht unzumutbar ist, den Reisepass zu erhalten, besteht kein Anspruch auf Ausstellung eines Ausweisersatzes nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthV.

Der Antragsgegner hat auch im Übrigen die grundrechtlich geschützten Interessen des Antragstellers umfassend abgewogen, insoweit wird auf die zutreffenden Erwägungen im Bescheid vom 1. Juli 2009 verwiesen. Weitere als die vom Antragsgegner bereits berücksichtigten Gesichtspunkte sind nicht erkennbar und wurden auch vom Antragsteller nicht angeführt.

Eine Ermessensbindung ist insbesondere nicht aufgrund des vom Antragsteller zitierten Schreibens des Antragsgegners vom 31. Januar 2008 eingetreten. Bei diesem Schreiben handelt es sich aus Sicht eines verständigen Empfängers nicht um eine Zusicherung mit dem Inhalt, dass die Erteilung der Niederlassungserlaubnis zugesagt wird. Wie sich dem Entstehungskontext entnehmen lässt, ist dieses Schreiben im Zusammenhang mit den Voraussetzungen zur Passbeantragung bei der Botschaft des Libanon zu sehen. Bereits bei den vorangegangenen Anträgen auf Passausstellung wurde eine Erklärung dieses Inhalts von der jeweiligen Behörde zur Vorlage bei der Botschaft benötigt. Eine bindende Zusicherung im Sinne von Art. 38 BayVwVfG ist nach den Umständen des Einzelfalles hierin nicht zu erkennen. Die Erklärung war im Übrigen an die libanesischen Behörden und nicht an den Antragsteller gerichtet.

Auch das Vorbringen, der Antragsteller habe aufgrund der Aussage des Antragsgegners, erst nach Vorlage des Passes über die Niederlassungserlaubnis zu entscheiden, darauf vertrauen dürfen, dass vorher keine ablehnende Entscheidung ergeht, führt zu keinem anderen Ergebnis. Der Antragsteller wurde mehrfach vergeblich aufgefordert, zumindest eine Bescheinigung über die Beantragung des Passes vorzulegen. Auch auf das Anhörungsschreiben, in dem die Ablehnung des Antrags angekündigt und nochmals auf die Notwendigkeit der Vorlage der geforderten Bescheinigung bzw. des Passes hingewiesen wurde erfolgte keine Reaktion des Antragstellers. Eine überraschende oder verfrühte Entscheidung des Antragsgegners liegt daher nicht vor. Auch enthielt die vom Antragsteller angeführte Äußerung nicht die Zusicherung, zu einem bestimmten (späteren) Zeitpunkt über den Antrag zu entscheiden, sondern macht nur deutlich, dass der Antragsgegner vor dem Erhalt des Passes noch keine Entscheidung über die Voraussetzungen der Niederlassungserlaubnis treffen wollte.

Die Entscheidung des Antragsgegners, nicht auf die Vorlage des Passes zu verzichten, war somit nach Abwägung aller Umstände im vorliegenden Fall ermessensgerecht.

Da somit die Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG nicht vorlag und der Antragsgegner ermessensfehlerfrei von der Passpflicht keine Ausnahme machte, war die Ablehnung der Erteilung der Niederlassungserlaubnis aus diesem Grund zutreffend. Auf das Vorliegen der besonderen Erteilungsvorrausetzungen, insbesondere die erforderlichen Aufenthaltszeiten, ist daher nicht einzugehen.

c) Es besteht auch kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Nach dieser Vorschrift kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall des Ausreisehindernisses in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Sie soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Die Aufenthaltserlaubnis darf allerdings nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein fehlendes Verschulden an der Ausreise ist Erteilungsvoraussetzung im Rahmen des § 25 Abs. 5 AufenthG. Somit ist der Antragsteller hierfür darlegungs- und beweispflichtig. Es kommt für die Erteilung dieses Aufenthaltstitels auch nicht darauf an, ob die Abschiebung möglich ist, sondern allein die Unmöglichkeit der Ausreise ist ausschlaggebend. Verschulden liegt insbesondere vor, wenn der Ausländer zumutbare Anforderungen zur Beseitigung des Ausreisehindernisses nicht erfüllt (Renner, Kommentar zum AufenthG, § 25, Rd Nr. 36). Nach den vorstehenden Ausführungen ist es dem Antragsteller jedoch zumutbar, das Ausreisehindernis zu beseitigen und den fehlenden Pass zu beantragen und in seinem Heimatland abzuholen. Dass ihm eine Reise in sein Heimatland möglich ist, zeigt die bereits im Dezember 2008 erfolgte Heimreise. Da somit die Voraussetzung nach § 25 Abs. 5 Satz 3 AufenthG für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nicht vorliegt, wurde die Verlängerung zu Recht ausgeschlossen.

Da sich der angefochtene Bescheid daher als offensichtlich rechtmäßig erweist und somit die Klage voraussichtlich erfolglos sein wird, ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs nicht anzuordnen. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.

Der Streitwert bemisst sich nach § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.

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