VG Ansbach, Urteil vom 04.02.2010 - AN 4 K 09.00157
Fundstelle
openJur 2012, 105984
  • Rkr:
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Beitragsheranziehung durch die Beklagte.

Die Klägerin ist als GmbH seit dem … im Handelsregister eingetragen. Gegenstand des Unternehmens ist „der Holzeinschlag, die Holzrückung und der Holzhandel sowie die Vornahme aller sonstigen Forstdienstleistungen“.

Mit Beitragsbescheid vom 15. Januar 2009 wurde die Klägerin von der Beklagten zum Jahr 2009 vorläufig zu einem Kammerbeitrag in Höhe von 128,00 EUR herangezogen.

Mit ihrer am 9. Februar 2009 beim Verwaltungsgericht Ansbach eingegangenen Klage beantragt die Klägerin sinngemäß,

den Beitragsbescheid der Beklagten vom 15. Januar 2009 aufzuheben.

Begründet wird dies mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur so genannten CMA-Abgabe. Die in dieser Entscheidung getroffene Feststellung, wonach die Abgabenpflicht unzulässig in die unternehmerische Freiheit der Betriebe eingreife, sei entsprechend auf die gesetzlich festgeschriebene Mitgliedschaft bei der Industrie- und Handelskammer zu übertragen.

Die Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Die Klägerin werde dem Grunde nach zur Gewerbesteuer veranlagt und sei daher kammerzugehörig. Die Pflichtmitgliedschaft der Gewerbetreibenden in der IHK sei nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verfassungsgemäß. Auch die „CMA-Entscheidung“ des Bundesverfassungsgerichts habe hieran nichts geändert. Der dabei verhandelte Fall betreffe eine Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion. Bei den Mitgliedsbeiträgen der IHK handle es sich dagegen um echte Mitgliedsbeiträge, denen ein Gegenseitigkeitsverhältnis zugrunde liege.

Die Klägerin wendet dagegen ein, dass das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber zur ständigen Prüfung verpflichtet habe, ob die Voraussetzungen für eine öffentliche Zwangskorporation noch bestehen. Mittlerweile habe sich die Situation innerhalb der Europäischen Gemeinschaft nachhaltig verändert, worauf das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 3. Februar 2009 Rücksicht genommen habe. Nach der zum 13. Dezember 2006 in Kraft getretenen Richtlinie 2006/123/EG dürften Dienstleistungserbringern keine Nachteile entstehen, unabhängig davon, ob sie in dem Mitgliedsstaat, in dem sie niedergelassen seien, oder in einem anderen Mitgliedsstaat ihre Leistungen erbringen würden. Nachdem nur in drei der 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union eine Pflichtmitgliedschaft zu Institutionen wie der IHK bestehen würden, verstoße die Zwangsmitgliedschaft gegen europäisches Recht sowie gegen Art. 3 des Grundgesetzes. Nachdem die Klägerin Dienstleistungen im Forstbereich erbringe, sei sie unmittelbar von den Auswirkungen einer Ungleichbehandlung mit Anbietern aus Mitgliedsstaaten, in denen keine Pflichtbeiträge zu Berufsverbänden aufgebracht werden müssten, betroffen.

Die Beklagte wendet hiergegen ein, die Pflichtzugehörigkeit zur IHK verstoße weder gegen Europarecht noch gegen die Dienstleistungsrichtlinie, insbesondere auch nicht gegen die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit des Art. 43, 49 EGV. Da die Pflichtmitgliedschaft nicht an die Staatsangehörigkeit anknüpfe, sondern allein an die Ausübung des Gewerbebetriebes, werde gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 43 EGV nicht verstoßen. Es liege auch keine Diskriminierung vor, aus der Wettbewerbsnachteile erwachsen könnten, weshalb die Pflichtzugehörigkeit auch nicht gegen Art. 49 EGV verstoße. Die Klägerin könne sich nicht auf entsprechende Vorschriften des EU-Vertrages berufen, da dem strittigen Sachverhalt der grenzüberschreitende Bezug fehle. Im Übrigen habe der EuGH die IHK-Pflichtzugehörigkeit in den Niederlanden bestätigt. Auch die Dienstleistungsrichtlinie sei hier nicht einschlägig, weil es sich bei der Klägerin nicht um ein ausländisches Unternehmen handle. Die vorgenannte Richtlinie regle den innergemeinschaftlichen Dienstleistungsverkehr.

Die Klägerin trägt hierzu noch vor, ihr entstehe ein Nachteil dadurch, dass sie im Wettbewerb mit Unternehmen aus europäischen Mitgliedsstaaten stehe, in denen eine gleichartige kostenpflichtige Zwangsabgabe nicht bestehe. Dieser Wettbewerbsverzerrung solle durch die Richtlinie 2006/123/EG entgegengewirkt werden. Sie beziehe sich nicht nur auf die Niederlassungsfreiheit, sondern auf die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen. Nachdem die Dienstleistungsfreiheit bereits umgesetzt sei, würden die beschriebenen Nachteile real bestehen, weil beispielsweise Unternehmen aus Schweden und Finnland uneingeschränkt im deutschen Wirtschaftsraum tätig werden könnten, ohne zu einer Kammermitgliedschaft verpflichtet zu sein.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Die Kammer hat den Rechtsstreit auf die Einzelrichterin übertragen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

Gründe

Die Klage, über die das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden konnte, ist zulässig, bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.

Der Zulässigkeit der Klage steht nicht im Wege, dass die Veranlagung zum Kammerbeitrag für das Beitragsjahr 2009 im vorliegenden Fall gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 der Beitragsordnung der IHK Nürnberg (BeitrO) i.V.m. § 3 Abs. 2 IHK-Gesetz (IHKG) nur vorläufig erfolgt ist. Die Veranlagung zum Kammerbeitrag ist, obwohl sie unter dem Vorläufigkeitsvorbehalt erfolgt ist, gleichwohl bindend und sofort vollziehbar (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO, § 21 Abs. 3 BeitrO). Der Begriff der Vorläufigkeit verweist hier lediglich auf den Umstand, dass der Beitragsbescheid naturgemäß vorerst - entsprechend § 162 Abgabenordnung, vgl. § 15 Abs. 3 BeitrO - auf einer besonderen Art von Schätzung beruht, nämlich auf Bemessungsgrundlagen, die möglicherweise noch späteren Änderungen unterliegen mit der Folge, dass solche dann nach § 15 Abs. 4 BeitrO zum Anlass für den Erlass eines Berichtigungsbescheides zu nehmen sind. Demgemäß ist ein Rechtsschutzinteresse für die Klage gegeben. Auch im Übrigen bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage.

Die Klage ist jedoch als unbegründet abzuweisen, weil der Beitragsbescheid der Beklagten vom 15. Januar 2009 nicht rechtswidrig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage der Heranziehung zu Beiträgen durch die Beklagte ist § 3 Abs. 2, Abs. 3 IHKG i.V.m. der Beitragsordnung und der Wirtschaftssatzung der IHK … für … für das Geschäftsjahr 2009 vom 25. November 2008. Danach werden die Kosten der Errichtung und der Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Haushaltplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß der Beitragsordnung aufgebracht (§ 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG). Die Kammerzugehörigkeit ergibt sich aus § 2 Abs. 1 IHKG. Danach ist die Klägerin als juristische Person des privaten Rechts, die im Bezirk der Beklagten eine Betriebsstätte unterhält und dem Grunde nach zur Gewerbesteuer veranlagt wird, Kammerzugehörige der Beklagten. Die Ausnahmevorschrift des § 2 Abs. 2 IHKG greift, nachdem sie im Handelsregister eingetragen ist, in ihrem Fall nicht ein.

Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung verstößt ihre Pflichtzugehörigkeit bei der Beklagten auch nicht gegen höherrangiges innerstaatliches oder Gemeinschaftsrecht.

Ein Verstoß gegen die Vorgaben des Grundgesetzes, insbesondere gegen Art. 2 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 und Art. 12 GG, ist nicht ersichtlich. Das Gericht folgt insoweit auch weiterhin (vgl. zuletzt Urteil vom 31.8.2007, Az. AN 4 K 07.00590) der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung, die die Verfassungsmäßigkeit der Pflichtzugehörigkeit zur IHK bejaht. Das Bundesverfassungsgericht hat eine gegen die Pflichtzugehörigkeit zur Industrie- und Handelskammer erhobene Verfassungsbeschwerde zuletzt mit Beschluss vom 7. Dezember 2001 (Az. 1 BvR 1806/98, GewArch 2002, 111 ff.) nicht zur Entscheidung angenommen und ausgeführt, dass diese keine grundsätzliche Bedeutung habe. Die hiermit aufgeworfenen Fragen der Vereinbarkeit der Zwangsmitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer und der daraus folgenden Beitragspflicht mit dem Grundgesetz ließen sich anhand der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vom 19.12.1962, Az. 1BvR 541/57, BVerfGE 15, 235; vom 18.12.1974, Az. 1 BvR 430/65 und 1 BvR 259/66, BVerfGE 38, 281) beantworten. Die Pflichtmitgliedschaft verstoße weder gegen Art. 9 und 12 GG noch gegen Art. 2 Abs. 1 GG und genüge dem verfassungsmäßigem Gebot der Verhältnismäßigkeit. Die Mitgliedschaft aller Gewerbetreibenden in den Industrie- und Handelskammern sei zu deren sachgerechter Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich. Wegen des Gemeinwohlauftrags der Industrie- und Handelskammern und ihrer vielfältigen Wirtschaftsverwaltungsaufgaben sei ein alle Branchen und Betriebsgrößen umfassender Mitgliederbestand von Nöten. Für die wirtschaftliche Selbstverwaltung bedürfe es der Mitwirkung aller Unternehmen, gerade auch der mittleren und kleinen, damit die Kammern ihre Aufgaben umfassend erfüllen könnten. Der Wert der von den Kammern erarbeiteten Vorschläge und Gutachten beruhe auf der Unabhängigkeit ihres Urteils und auf der Vollständigkeit des Überblicks, den die Kammern im Bereich der zu beurteilenden Verhältnisse besitzen.

Auch das Bundesverwaltungsgericht erachtet in ständiger Rechtsprechung die Pflichtmitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer als verfassungskonform (vgl. Urteil vom 21.7.1998, Az. 1 C 32.97, BVerwGE 107, 169; Urteil vom 19.1.2008, Az. 6 C 10/04, BVerwGE 122, 344 ff.).

Dem folgt das Gericht in ständiger Rechtsprechung. Seit den jüngsten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und Bundesverwaltungsgerichts haben sich weder die tatsächlichen noch die rechtlichen Rahmenbedingungen dahingehend verändert, dass nunmehr eine andere Bewertung der Pflichtzugehörigkeit zu den Industrie- und Handelskammern geboten wäre.

Insbesondere ergibt sich aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit der Abgabe nach § 10 des Gesetzes über die Errichtung eines zentralen Fonds zur Absatzförderung der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft (Absatzfondgesetz) vom 3. Februar 2009 (Az. 2 BvL 54/06, GewArch 2009, 155 f.) keine andere rechtliche Beurteilung. Wie die Beklagte zutreffend eingewandt hat, ist diese Entscheidung bereits deshalb nicht auf den hier im Raum stehenden Pflichtbeitrag zur IHK übertragbar, weil es sich bei der in dem Urteil behandelten Abgabe nach § 10 Absatzfondgesetz um eine so genannte Sonderabgabe handelt und daher besonders strengen Begrenzungen unterliegt. Bei dem hier streitgegenständlichen IHK-Beitrag handelt es sich demgegenüber nicht um eine Sonderabgabe, sondern um einen Beitrag im rechtlichen Sinn, der für die (potentielle) Inanspruchnahme einer staatlichen Einrichtung oder Leistung erhoben wird (BVerfG vom 3.2.2009, a.a.O., m.w.N.) und mit dem der sich aus der (Pflicht)Mitgliedschaft ergebende Vorteil abgegolten wird (vgl. schon BVerwG, Urteil vom 26.6.1990, GewArch 1990, 398 ff. m.w.N.). Daher ist auch unter dem Gesichtspunkt dieser Entscheidung die Verfassungsmäßigkeit der Pflichtmitgliedschaft zur IHK und des sich daraus ergebenden Pflichtbeitrags zu bejahen.

Nachdem die Pflichtzugehörigkeit zur IHK die Gewerbetreibenden mit einer Niederlassung in Deutschland unabhängig von deren Staatsangehörigkeit erfasst, ist auch der von der Klägerin gerügte Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht gegeben. Dass Dienstleistungserbringer, die keine Niederlassung in Deutschland haben, keiner Pflichtmitgliedschaft und Beitragspflicht unterliegen, stellt schon wegen der fehlenden Vergleichbarkeit des Sachverhalts keine Verletzung des verfassungsrechtlich garantierten Gleichheitsgrundsatzes dar.

Die Pflichtzugehörigkeit zur Industrie- und Handelskammer verstößt auch nicht gegen das Gemeinschaftsrecht. Sie steht mit Art. 43 EG-Vertrag, der die Niederlassungsfreiheit regelt, im Einklang. Ein Verstoß gegen das in dieser Vorschrift enthaltene Diskriminierungsverbot durch die Verpflichtung zur Mitgliedschaft in einer solchen Kammer ist bereits deshalb nicht gegeben, weil die Frage der Pflichtzugehörigkeit zur IHK allein an die Ausübung eines Gewerbebetriebes anknüpft und nicht nach der Staatsangehörigkeit differenziert. Sie beschränkt und erschwert damit nicht die Niederlassung ausländischer Unternehmen und bevorteilt diese auch nicht gegenüber deutschen Unternehmen. Denn die Pflichtmitgliedschaft knüpft nur als Konsequenz an die erfolgte Niederlassung an und trifft deutsche und ausländische Unternehmen gleichermaßen, soweit sie in der Bundesrepublik Deutschland eine Niederlassung gründen. Selbst wenn man der Ansicht folgen wollte, dass die Niederlassungsfreiheit nicht nur einen Anspruch auf Inländergleichbehandlung enthält, sondern darüber hinaus auch ein Beschränkungsverbot, ist - unbeschadet der Frage, ob die generelle Verpflichtung zur Mitgliedschaft in einer Industrie- und Handelskammer überhaupt als Verletzung eines derartigen Beschränkungsverbots angesehen werden kann - insoweit ein Rechtfertigungsgrund jedenfalls deswegen gegeben, weil die Industrie- und Handelskammern dem Allgemeinwohl dienen und legitime öffentliche Aufgaben wahrnehmen (vgl. VG Greifswald, Urteil vom 5.12.2006, Az. 4 A 535/04, GewArch 2007, 287 f., mit Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 17.12.1998, 1 C 7.98, BVerwGE 108,169 ff.; Urteil vom 21.7.1998, a.a.O.).

Die Pflichtmitgliedschaft in einer Industrie- und Handelskammer ist auch mit der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 EG-Vertrag vereinbar. Eine Verletzung dieser Vorschrift liegt schon deshalb nicht vor, weil in- und ausländische Gewerbetreibende mit Sitz im Kammerbezirk gleichbehandelt werden. Wettbewerbsnachteile, die an die Fremdstaatlichkeit anknüpfen, sind daher nicht gegeben. Auch wird das Erbringen von Dienstleistungen im grenzüberschreitenden Verkehr durch die Pflichtmitgliedschaft nicht eingeschränkt. Im Übrigen hat der EuGH im Urteil vom 11. Juni 1996 (Az. C-2/94, GewArch 1996, 472) keine europarechtlichen Bedenken gegen eine Pflichtmitgliedschaft in einer IHK in den Niederlanden erhoben. Zudem ist im Fall der Klägerin auch nicht ersichtlich, dass ein für die Anwendbarkeit der Bestimmungen des Primärrechts und Sekundärrechts der Europäischen Gemeinschaft bzw. der Europäischen Union erforderlicher, grenzüberschreitender europarechtlicher Bezug gegeben ist.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass in der Rechtsprechung der deutschen Verwaltungsgerichte allgemein anerkannt ist, dass die Pflichtmitgliedschaft eines in Deutschland ansässigen Gewerbetreibenden in einer deutschen Industrie- und Handelskammer unter dem Gesichtspunkt des Rechts der Europäischen Gemeinschaft bzw. Europäischen Union unbedenklich ist (vgl. etwa SächsOVG, Beschluss vom 16.4.2008, Az. 5 B 49/07; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 17.7.2007, Az. 6 A 11414/06; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.5.2000, Az. 14 S 353/00; VG Meiningen, Urteil vom 1.7.2009, Az. 2 K 650/06 Me; VG Hannover, Urteil vom 8.10.2008, Az. 11 A 3467/07; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 4.12.2007, Az. 7 K 1099/07; VG Ansbach, Urteil vom 31.8.2007, Az. AN 4 K 07.590; VG Greifswald, Urteil vom 5.12.2006, Az. 4 A 535/04; VG Gießen, Urteil vom 26.10.2005, Az. 8 E 1697/05; VG Darmstadt, Urteil vom 8.5.2002, Az. 3 E 2167/01 (4); alle zitiert nach Juris). Insbesondere ist die Pflichtzugehörigkeit der Klägerin zur IHK auch im Einklang mit den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention vom 4. November 1950 (EMRK). Dies gilt auch im Hinblick auf Art. 11 EMRK. Soweit diese Vorschrift überhaupt Abwehransprüche gegen öffentlich-rechtliche Zwangsvereinigungen beinhaltet (vgl. ablehnend VG Greifswald, Urteil vom 5.12.2006 a.a.O. mit Hinweis auf VG Gießen, Urteil vom 26.10.2005, a.a.O.), ist die Zwangsmitgliedschaft in einer öffentlich-rechtlichen Vereinigung wie den deutschen Industrie- und Handelskammern mit Art. 11 EMRK vereinbar, da entsprechend den oben genannten Erwägungen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und Bundesverwaltungsgerichts mit der Einrichtung von Industrie- und Handelskammern und der Pflichtzugehörigkeit legitime staatliche Zwecke verfolgt werden und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch in seiner Ausprägung gemäß der EMRK gewahrt ist (vgl. VG Ansbach vom 31.8.2007 a.a.O.).

Entgegen dem klägerischen Vorbringen ergibt sich auch keine andere rechtliche Beurteilung aus der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (Dienstleistungsrichtlinie, L 376/36). Die Richtlinie regelt den innergemeinschaftlichen Dienstleistungsverkehr, ohne dass sich hieraus ein Anspruch der in Deutschland niedergelassenen und in Deutschland tätigen Klägerin auf Befreiung von der Pflichtzugehörigkeit zur beklagten IHK ergeben könnte. Soweit sich die Klägerin auf die Vorschrift in Art. 1 Abs. 5 der Richtlinie beruft, ist diese vorliegend schon deshalb nicht einschlägig, weil die Regelungen des IHK-Gesetzes zur Kammerzugehörigkeit und zur Beitragspflicht keine Strafbestimmungen darstellen. Die Regelungen in Art. 16 der Richtlinie zur Dienstleistungsfreiheit (insbesondere auch Art. 16 Abs. 2 lit. b, worauf sich die Klägerin beruft) beziehen sich ausschließlich auf Dienstleistungserbringer, die Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedsstaat als demjenigen ihrer Niederlassung erbringen. Diese Vorschriften sind daher nicht einschlägig für die Klägerin, die nach ihrem eigenen Vortrag ihre Dienstleistung im Staat ihrer Niederlassung erbringt. Auch Art. 37 Abs. 1 der Richtlinie bezieht sich - wie die gesamte Zielrichtung der Richtlinie - auf die Erleichterung der Erbringung von Dienstleistungen in einemanderenMitgliedsstaat, so dass die Klägerin auch hieraus keine für sie günstigen Rechtsfolgen ableiten kann.

Aus alledem folgt für das Gericht, dass die Pflichtzugehörigkeit der Klägerin zur Beklagten mit Verfassungs- und Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob die Klägerin selbst im konkreten Fall Leistungen der beklagten IHK in Anspruch genommen hat oder ob sie beabsichtigt, diese künftig in Anspruch zu nehmen. Denn jedenfalls hätte sie, wie alle anderen Kammermitglieder auch, die Möglichkeit, zahlreiche, im Rahmen von § 1 IHKG angebotene Leistungen der Beklagten in Anspruch zu nehmen.

Einwendungen gegen die konkrete Bemessung der Beitragshöhe werden mit der Klage nicht geltend gemacht. Anhaltspunkte für rechtliche Bedenken insoweit sind auch nicht ersichtlich. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. etwa Urteil vom 27.10.1998, GewArch 1999, 73 ff.) müssen die Mitgliedsbeiträge für die IHK als Beiträge im rechtlichen Sinne dem Äquivalenzprinzip und dem Gleichheitssatz genügen. Dem gemäß ist auch nicht auf ein wie auch immer verstandenes „Leistungsprinzip“ abzustellen. Die Anknüpfung an die Gewerbesteuermessbeträge stellt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Kammermitglieder und damit zugleich auf das Gewicht des Vorteils ab, den der Beitrag abgelten soll. Sie geht davon aus, dass leistungsstarke Unternehmen aus der der Kammer gemäß § 1 Abs. 1 IHKG aufgegebenen Wahrnehmung des Gesamtinteresses der ihr zugehörenden Gewerbetreibenden in der Regel höheren Nutzen ziehen können als wirtschaftlich schwächere. Es ist insbesondere nicht erforderlich, dass der Kammerbeitrag einen unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil ausgleicht, der sich bei dem einzelnen Kammerangehörigen konkret messbar niederschlägt. Die Kammer vertreten in erster Linie die Gesamtbelange ihrer Mitglieder insgesamt, diese Tätigkeit wirkt sich naturgemäß regelmäßig nur mittelbar bei den einzelnen Mitgliedern aus.

Nach alledem war die Klage mit der Rechtsfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

 

Beschluss

Der Streitwert wird auf 128,00 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).