LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 14.01.2010 - 15 S 8642/09
Fundstelle
openJur 2012, 105806
  • Rkr:
Gründe

Die Kammer beabsichtigt, die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Amtsgerichts Schwabach, Az.: 5 C 119/09, vom 17. September 2009 nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Nach Überzeugung der Kammer hat die Berufung keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat zudem weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO). Das Erstgericht hat den Beklagten zu Recht verurteilt, es zu unterlassen, sein Fahrzeug in irgendeiner seine gemietete Fläche überschreitenden Weise zulasten des angrenzenden Parkplatzes abzustellen und diesen dadurch zu blockieren:

1. Das Berufungsgericht hat bei seiner Entscheidung den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt nach § 529 Abs. 1 ZPO zugrunde zu legen. Es liegen nämlich insbesondere keine konkreten Anhaltspunkte vor, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Das Erstgericht ist entgegen der Auffassung der Berufung jedenfalls zu Recht davon ausgegangen, dass der Beklagte zeitweise in der Vergangenheit sein Fahrzeug auf den für ihn reservierten Parkplatz so abgestellt hat, dass der angrenzende Parkplatz teilweise blockiert wird. Aus dem unstreitigen Sachvortrag der Parteien und den von den Klägern vorgelegten Lichtbildern ergibt sich, dass der Beklagte mit seinem Fahrzeug jedenfalls am 24. Oktober 2008 nicht nur seinen Parkplatz, sondern auch den daran angrenzenden teilweise blockiert hat. Der Beklagte hat im Schriftsatz vom 26. Mai 2009 hinsichtlich der Lichtbilder vom 24. Oktober 2008 vorgetragen, dass nur der hintere rechte Reifen sich auf der Markierung befunden habe. Dies aber den daneben stehenden Parker in keiner Weise gestört hat. Unstreitig ist somit, dass die Lichtbilder vom 24. Oktober 2008 das Fahrzeug des Beklagten zeigen. Aufgrund der vorliegenden Lichtbilder vom 24. Oktober 2008, die gut erkennbar eine nicht nur unerhebliche Überschreitung der Parkplatzgrenze zeigen, ist das Erstgericht zu Recht zu der Bewertung gekommen, dass das Fahrzeug des Beklagten so abgestellt war, dass der rechte hintere Fahrzeugteil den angrenzenden Parkplatz jedenfalls teilweise blockiert hat.

Neue Tatsachen sind im Berufungsverfahren nicht zu berücksichtigen (§ 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO), da solche nicht vorgetragen bzw. deren Zulassung nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht beantragt wurde.

2. Auf Grundlage des rechtsfehlerfrei festgestellten Sachverhalts hat das Erstgericht ohne Rechtsverletzung (§ 513 Abs. 1, § 546 ZPO) festgestellt, dass den Klägern der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB zusteht:

5a) Es liegt eine bereits erfolgte Eigentumsbeeinträchtigung vor. Eine Beeinträchtigung ist jeder dem Inhalt des Eigentums (§ 903 BGB) widersprechende Eingriff in die rechtliche oder tatsächliche Herrschaftsmacht des Eigentümers ( BGH NJW 2005, 1366). Sie besteht insbesondere auch in einer tatsächlichen Benutzung des Eigentums ohne Berechtigung. Das Eigentum der Kläger wurde jedenfalls durch das Abstellen des Fahrzeugs des Beklagten unter Überscheiten der Markierungen am 24. Oktober 2008 beeinträchtigt. Für die Beeinträchtigung des Gebrauchs des Eigentums kommt es dabei nicht darauf an, in welchem Umfang oder Ausmaß dieses beeinträchtigt wird ( Palandt/Bassenge , BGB, 69. Aufl., § 1004 BGB Rdnr. 6). Eine Eigentumsbeeinträchtigung ist auch unabhängig von der Kenntnis des Eigentümers und besteht auch bei Unschädlichkeit ( Palandt/Bassenge , a.a.O. mit Rechtsprechungshinweisen). Der Umfang der Beeinträchtigung ist nur für die Frage von Bedeutung, ob lediglich eine vorübergehende Gebrauchsbeeinträchtigung – wie hier – oder eine vollständige Gebrauchsentziehung vorliegt. Im letzteren Fall wäre nämlich § 985 BGB als gegenüber § 1004 BGB speziellerer Vorschrift anwendbar. Entgegen der Auffassung der Berufung ist es deshalb unerheblich, ob der angrenzende Stellplatz durch die Grenzüberschreitung überhaupt nicht mehr genutzt werden konnte.

6b) Zu einer solchen Nutzung war der Beklagte auch durch den Mietvertrag der Parteien nicht berechtigt. Nach § 1 Nr. 1 des Mietvertrags ist mitvermietet die gemeinschaftliche Nutzung der gesamten Parkplatzanlage für Kunden/Besucher/Mitarbeiter sowie eines reservierten Parkplatzes in der Nähe des nördlichen Eingangs vor der Gewerbeeinheit 1. Nach dem unstreitigen Sachvortrag der Parteien haben sich die Parteien bei Beginn des Mietverhältnisses geeinigt, dass dem Beklagten der Parkplatz vermietet werden sollte, bei dem auf dem dahinter befindlichen Blumenkasten ein Schild mit der Aufschrift "reserviert" angebracht ist. Der Umstand, dass die Kläger erst danach gelbe Markierungen auf ihrem Parkplatz angebracht haben, stellt keine Einschränkung der dem Beklagten vermieteten Fläche dar. Vielmehr wurde dadurch der Gebrauch des zur Verfügung gestellten Stellplatzes nicht beeinträchtigt, sondern nur der Umfang des vermieteten Stellplatzes in sozialüblicher Weise gekennzeichnet. Der Mieter eines Geschäftsraums ist, soweit – wie hier bezüglich des vermieteten Stellplatzes – keine besonderen Vereinbarungen getroffen worden sind, nur zu einer üblichen Benutzung berechtigt (vgl. auch BGH , Urteil vom 10.11.2006 – V ZR 46/06, NJW 2007, 146 zur Benutzung von Gemeinschaftsflächen). Sozialüblich ist bei einem Stellplatz dessen Benutzung innerhalb der vom Vermieter gezogenen Begrenzungen. Auch der Umstand, dass Mitarbeiter, Besucher und Kunden des Beklagten berechtigt sind, die gesamte Parkplatzanlage zu nutzen, ändert somit nichts daran, dass eine Benutzung der Stellplätze unter Missachtung der Grenzmarkierungen nicht als sozialüblich angesehen werden kann. Zu Recht ist das Erstgericht deshalb davon ausgegangen, dass die Grenzen des Stellplatzes beim Abstellen eines Fahrzeugs einzuhalten sind und nicht überschritten werden dürfen.

Eine andere Bewertung folgt auch nicht aus dem Vortrag des Beklagten, dass erst im Jahr 2008 der links neben seinem Stellplatz liegende Stellplatz geschaffen worden sei. Davor habe sich eine mit einem Baum bepflanzte Leerfläche befunden, weshalb er bereit gewesen sei, den äußersten rechten Parkplatz zu akzeptieren. Die Nutzung als Freifläche habe der langjährigen übereinstimmenden Ausgestaltung des Mietverhältnisses entsprochen. Eine Anspruchsgrundlage dafür, die es den Klägern verwehren würde, die Freifläche neben dem Stellplatz des Beklagten in einen Stellplatz umzuwandeln, ist nicht ersichtlich. Im Mietvertrag ist eine entsprechende Regelung nicht enthalten. Der Beklagte hat weder einen vertraglichen noch einen sonstigen Anspruch dargelegt, dass die Kläger als Grundstückseigentümer die neben dem von ihm gemieteten Stellplatz liegende Grundstücksfläche unverändert belassen müssen. Für eine nachträgliche Einigung der Parteien dahingehend wären entweder ausdrückliche übereinstimmende Willenserklärungen der Parteien oder zumindest ein konkludentes und übereinstimmendes Verhalten der Parteien erforderlich. Entsprechendes hat der Beklagte jedoch nicht vorgetragen. Allein der Umstand, dass die linke Stellfläche neben dem Stellplatz des Beklagten über einen langen Zeitraum eine Freifläche war, reicht hierfür keinesfalls aus und begründet kein Recht auf eine unveränderte Beibehaltung.

Entgegen der Ansicht der Berufung ist ein Unterlassungsanspruch auch nicht mit einem Minderungsanspruch des Mieters wegen eines nicht zur Verfügung gestellten Stellplatzes vergleichbar. Ein Mietminderungsanspruch hat andere Anspruchsvoraussetzungen und führt zu einer ganz anderen Rechtsfolge, nämlich im wirtschaftlichen Ergebnis zu einer Entschädigung des Mieters für entgangene Nutzungsmöglichkeiten der Mietsache. So muss beispielsweise die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch erheblich gemindert sein ( Palandt/Weidenkaff , a.a.O., § 536 BGB Rdnr. 17). Eine erhebliche Eigentumsbeeinträchtigung setzt der Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB, wie bereits ausgeführt, jedoch gerade nicht voraus.

Der Beklagte war deshalb zu einem Abstellen seines Fahrzeugs am 24. Oktober 2008 unter nicht nur unerheblicher Überschreitung der Grenzmarkierung nicht berechtigt.

c) Der Vortrag des Beklagten, er sei gezwungen, rückwärts einzuparken und könne nicht wie "abgezirkelt" exakt innerhalb der Markierungen zum Stehen kommen, ist nicht rechtserheblich und überzeugt die Kammer zudem nicht. Dies betrifft die Frage eines Verschuldens. Der Unterlassungsanspruch aus § 1004 BGB ist aber verschuldensunabhängig. Im Übrigen ist es dem Beklagten zumutbar, dass er nach dem Einparken kontrolliert, ob sein Fahrzeug innerhalb des markierten Stellplatzes steht oder dieses – wie vorliegend am 24. Oktober 2008 der Fall – die Parkplatzgrenze deutlich überschreitet und dann ggf. nochmals die Position korrigiert. Die Behauptung des Beklagten, es liege nur in 0,00075% aller Parkvorgänge seit dem Bestehen des Mietverhältnisses eine Überschreitung der Parkplatzgrenze vor und zeige, dass er nicht absichtlich handle, betrifft ebenfalls die nicht rechtserhebliche Frage eines Verschuldens.

d) Die für einen Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB erforderliche Wiederholungsgefahr liegt vor. In der Regel begründet die vorangegangene rechtswidrige Beeinträchtigung – wie hier festgestellt – eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr (BGH NJW 2004, 1035). Auch bei einer einzigen Verletzung kann Wiederholungsgefahr bestehen (Staudinger/ Gursky , BGB, Neubearbeitung 2006, § 1004 BGB Rdnr. 218). Vorliegend hat der Beklagte gegen die zahlreichen weiteren von den Klägern geltend gemachten Eigentumsbeeinträchtigungen im Zeitraum vom 5. Oktober bis 5. November 2008 Einwendungen erhoben bzw. sich auf einen Rechtfertigungsgrund berufen. Als unstreitig ist aber anzusehen, dass das Fahrzeug des Beklagten am 5. Oktober 2008 – wenn auch auf einem anderen Stellplatz – so abgestellt war, dass die Grenzmarkierung überschritten wurde. Am 8. Oktober 2008 hat der Beklagte durch sein Fahrzeug zwar nicht den links angrenzenden Parkplatz beeinträchtigt, aber die rechts angrenzende Grundstücksfläche mitbenutzt. Auch dieses Verhalten zeigt, dass nach wie vor die Gefahr besteht, dass der Beklagte in Zukunft den an seinen Parkplatz angrenzenden Parkplatz durch sein Fahrzeug beeinträchtigt.

e) Dem geltend gemachten Unterlassungsanspruch steht auch nicht der Einwand unzulässiger Rechtsausübung nach § 242 BGB entgegen. Der Vortrag des Beklagten, dass auch andere Besucher ihre Fahrzeuge nicht immer exakt innerhalb der von den Klägern vorgegebenen Parkbegrenzungen abstellen würden, begründet kein widersprüchliches Verhalten der Kläger. Es ist nicht ersichtlich, aus welchem Rechtsgrund sich die Kläger ein Verhalten dritter Personen zurechnen lassen müssten, zumal diese ebenfalls das Eigentum der Kläger stören. Sofern der Beklagte vorträgt, dass der Kläger selbst sein Fahrzeug nicht immer exakt zwischen den vorgegebenen Parkmarkierungen abstelle, begründet dies nicht den Einwand widersprüchlichen Verhaltens. Nicht jedes widersprüchliche Verhalten begründet den Einwand unzulässiger Rechtsausübung. Vielmehr lässt die Rechtsordnung ein widersprüchliches Verhalten grundsätzlich zu (Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 242 BGB Rdnr. 55). Zudem ist vorliegend zu berücksichtigen, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Parkvorgang des Beklagten und des Klägers nicht ersichtlich ist. Es gibt auch keinen Rechtsgrundsatz, dass nur derjenige Rechte geltend machen kann, der sich selbst rechtstreu verhält (BGH NJW 1971, 1747; NJW 2007, 504).

Das Erstgericht hat den Klägern den geltend gemachten Unterlassungsanspruch somit zu Recht zugesprochen. Die Berufung hat aus den genannten Gründen keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass sich im Fall der Rücknahme des Rechtsmittels die gerichtliche Verfahrensgebühr ermäßigen würde.

Es wird eine Frist zur Stellungnahme von 14 Tagen eingeräumt.