OLG Nürnberg, Beschluss vom 14.01.2010 - 6 W 16/10
Fundstelle
openJur 2012, 105773
  • Rkr:
Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss II des Landgerichts Regensburg vom 12. November 2009 geändert.

II. Die von dem Kläger zu 1 an die Beklagte nach dem Beschluss des OLG Nürnberg vom 9. September 2009 zu erstattenden Kosten für die erste Instanz und das Berufungsverfahren werden auf 3746,70 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1836,99 Euro seit 15. April 2009 und aus 1909,71 Euro seit 30. September 2009 festgesetzt.

III. Die von der Klägerin zu 2 an die Beklagte nach dem Beschluss des OLG Nürnberg vom 9. September 2009 zu erstattenden Kosten für die erste Instanz werden auf 550,73 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15. April 2009 festgesetzt.

IV. Die Kläger haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

V. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 202,06 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Im Dezember 2004 erhoben die Kläger eine Zahlungsklage gegen die Landeskreditbank X. Zugrunde lag ein Darlehensvertrag vom 12. Juli / 2. August 1996, den die Kläger mit der Landeskreditbank X. abgeschlossen hatten. Die Beklagtenvertreter trugen in Vertretung sowohl der Landeskreditbank X. - Förderbank als auch der Landesbank X. vor, dass das Vermögen der Landeskreditbank X. aufgrund Gesetzes vom... (Gesetzblatt für X.) im Weg der Gesamtrechtsnachfolge auf die Landesbank X. übergegangen sei.

Nach Ausscheiden der Klägerin zu 2 aus dem Prozess erklärte der Kläger zu 1 im Schriftsatz vom 13. Mai 2005, dass sich die Klage gegen die Landesbank X. als Rechtsnachfolgerin der Landeskreditbank X. richten solle.

Das Landgericht wies die Klage ab. Die Berufung des Klägers zu 1 blieb in der Sache ohne Erfolg.

Im Kostenfestsetzungsverfahren beantragten die anwaltlichen Vertreter der Beklagten, für die erste Instanz eine um 0,3 auf 1,6 erhöhte Verfahrensgebühr festzusetzen, weil sie zwei Auftraggeber vertreten hätten. Die Kostenbeamtin des Landgerichts hielt im Kostenfestsetzungsbeschluss II vom 12. November 2009 (der Kostenfestsetzungsbeschluss I vom selben Tag hat die an dieStreithelferinzu erstattenden Kosten zum Gegenstand) nur eine 1,3 Verfahrensgebühr für erstattungsfähig und wies deshalb den Antrag auf Festsetzung einer Mehrvertretungsgebühr zurück. Der Kostenfestsetzungsbeschluss wurde der Beklagten am 23. November 2009 zugestellt. Mit am 2. Dezember 2009 eingegangenem Schriftsatz legte die Beklagte Beschwerde ein.

II.

Die sofortige Beschwerde, über die der Einzelrichter zu entscheiden hat (§ 568 Satz 1 ZPO), ist zulässig.

Sie ist statthaft (§ 104 Abs. 3 S. 1, § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, § 11 Abs. 1 RPflG) und in der Frist und Form des § 569 ZPO eingelegt worden. Der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt 200 EUR (§ 567 Abs. 2 ZPO). Zwar beanstandet die Beschwerdeführerin lediglich, dass die Kostenbeamtin die 0,3 Mehrvertretungsgebühr (die hier 169,80 Euro ausmacht) nicht festsetzte. Zu diesem Betrag kommt jedoch noch die Umsatzsteuer (von 19 %) hinzu; es ergibt sich dann eine Differenz von 202,06 Euro zwischen dem von der Beklagten beantragten und dem festgesetzten Betrag.

Die Umsatzsteuer ist bei der Berechnung des Beschwerdewerts mit zu berücksichtigen (OLG Nürnberg, Beschluss vom 12. Juni 2007 - 6 W 1127/07; OLG Koblenz MDR 1992, 196; OLG Düsseldorf MDR 1957,239; Schneider JurBüro 1974, 966; Zöller/Herget, ZPO, 28. Auflage, § 104 Rn 21 "Beschwer"; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 67. Auflage, § 567 Rn 19). Zwar bildet sie beim Rechtsanwalt nur einen durchlaufenden Posten. Das gilt jedoch nicht für die Partei (sofern sie nicht ebenfalls vorsteuerabzugsberechtigt ist; hiernach zu differenzieren widerspräche aber der im Kostenrecht gebotenen typisierenden Betrachtungsweise, vgl. BGH NJW 2006, 3008; 2003, 901). Auch § 4 Abs. 1 ZPO spricht für die Berücksichtigung der Umsatzsteuer. Diese Vorschrift klammert bei der Wertberechnung nur "Früchte, Nutzungen, Zinsen und Kosten" aus, nicht aber Steuerbeträge. § 4 Abs. 1 ZPO bildet insoweit eine erschöpfende Regelung (OLG Düsseldorf aaO.).

III.

Die sofortige Beschwerde ist auch begründet.

1. Den anwaltlichen Vertretern der Beklagten steht für das Verfahren im ersten Rechtszug eine um 0,3 erhöhte Verfahrensgebühr zu (§ 2 Abs. 2 Satz 1, § 7 Abs. 1 RVG, Nr. 1008 VV).

Zutreffend ging das Landgericht davon aus, dass die Beklagtenvertreter in ein und derselben Angelegenheit tätig wurden (§ 7 Abs. 1, § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG). Der Parteiwechsel begründete keine neue gebührenrechtliche Angelegenheit (BGH NJW 2007, 769). Die trotz des Parteiwechsels gegebene Kontinuität des gerichtlichen Verfahrens verbindet die Vertretung wechselnder Parteien zu einer einzigen Angelegenheit. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Rechtsanwalt gleichzeitig oder nacheinander für mehrere Auftraggeber tätig wird (BGH, aaO.).

Die Meinung des Landgerichts, den Beklagtenvertretern stehe keine Mehrvertretungsgebühr zu, teilt das Beschwerdegericht aber nicht. Handelt es sich bei den Auftraggebern des Rechtsanwalts um mehrere Personen, dann erhöht sich die Verfahrensgebühr für jede weitere Person um 0,3 (Nr. 1008 VV RVG). Das Landgericht begründete seine Auffassung damit, auf Beklagtenseite sei nur eine Partei vorhanden. Aus dem Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 24. Februar 2005 (Seite 2) ergibt sich jedoch, dass diesezweiPersonen, nämlich die Landeskreditbank X. - Förderbank und die Landesbank X., vertraten. Sie erklärten nämlich:"Vorsorglich bestellen wir uns sowohl für die Landeskreditbank X. - Förderbank als auch für die Landesbank X..."

Dass die ursprünglich verklagte Landeskreditbank X. bei Klageerhebung nicht mehr existierte, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Auch eine nicht existente Partei ist in dem gegen sie gerichteten Prozess parteifähig (BGHZ 177, 12/24; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Auflage, vor § 50 Rn 11 m.w.N.) und bedarf anwaltlichen Beistands. Aus Sicht der Landeskreditbank X. - Förderbank, die ihre Geschäfte unter derselben Adresse betreibt wie einst die Landeskreditbank X., bestand wegen der ähnlichen Firma ebenfalls ein berechtigtes Interesse, sich gegen die Klage zu wehren, um einem Vollstreckungstitel vorzubeugen.

Hat der Kläger eine falsche Partei verklagt und "wechselt" er später den Beklagten aus, so fällt die Verfahrensgebühr für den Anwalt, der beide beklagten Parteien vertritt, nur einmal an, erhöht sich jedoch um 3/10 (BGH, aaO., Rn 17, zitiert nach juris; OLG Koblenz JurBüro 1985, 1822; OLG Hamburg MDR 2002, 1339; Gerold/Schmidt/ Müller-Rabe, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 18. Auflage, Nr. 1008 VV, Rn 98; soweit dort in Rn 112 in Verbindung mit Rn 76 der Fall der Rechtsnachfolge noch anders behandelt wird, nämlich wie das Eintreten eines Alleinerben in den Prozess anstelle des Erblassers - kein zusätzlicher Auftraggeber, weil der Rechtsanwalt zu keinem Zeitpunkt Erblasser und Erbe nebeneinander vertreten habe - dürfte es sich um ein Redaktionsversehen handeln, da in Rn 98 die Differenzierung nach gleichzeitiger Vertretung und nacheinander erfolgter Vertretung - auf die es nach der Meinung des Bundesgerichtshofs nicht ankommt - ausdrücklich aufgegeben wurde).

Für die Zuerkennung einer Mehrvertretungsgebühr spricht auch der Sinn der gesetzlichen Regelung. Nr. 1008 VV RVG bezweckt im Interesse der Gerechtigkeit eine möglichst differenzierte Vergütung für die Mehrarbeit des Rechtsanwalts sowie dafür, dass er bei mehreren Auftraggebern einer erhöhten Haftungsgefahr ausgesetzt ist. Er hat dann nämlich nicht nur eine, sondern mehrere Personen über den Verfahrensstand und die Risikolage zu informieren (vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 2001, 1655; Hartmann, Kostengesetze, 38. Auflage, § 7 RVG Rn 2). Auch in Fällen der vorliegenden Art erscheint es deshalb sachgerecht, den typischerweise entstehenden Mehraufwand durch die in Nr. 1008 VV RVG vorgesehene Erhöhung abzugelten. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Beauftragung des Rechtsanwalts im Einzelfall tatsächlich einen Mehraufwand auslöste; im Interesse der Rechtssicherheit wollte der Gesetzgeber das Problem auf eine möglichst einfach zu handhabende, generalisierende Weise regeln (Hartmann, aaO.).

2. Die Höhe der im Kostenfestsetzungsbeschluss für die erste Instanz errechneten Beträge war entsprechend zu ändern.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 28. Auflage, § 104 Rn 22).

Der Streitwert des Berufungsverfahrens entspricht der 0,3 Erhöhungsgebühr (vgl. oben II.).

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor (§ 574 Abs. 2, Abs. 3 ZPO).