Bayerischer VGH, Beschluss vom 11.01.2010 - 14 ZB 09.30252
Fundstelle
openJur 2012, 105439
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund schon nicht in der erforderlichen Weise geltend gemacht wurde, jedenfalls aber nicht vorliegt. Dem Verwaltungsgericht ist kein zur Zulassung der Berufung nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG führender Verfahrensfehler unterlaufen.

Obwohl dieser Beschluss gemäß § 78 Abs. 5 Satz 1 AsylVfG keiner Begründung bedarf (vgl. BVerfG vom 12.3.2008, Az.: 2 BvR 378/05, juris RdNr. 33), weist der Senat auf folgendes hin:

1. Der Zulassungsantrag bedarf zunächst der Auslegung, weil der Kläger den Zulassungsgrund i.S.v. § 78 Abs. 3 AsylVfG in seinem Antragsschriftsatz nicht selbst spezifiziert hat.

In der Formulierung "Das Urteil des VG Ansbach verstößt gegen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Aktenzeichen 2 BvR 1328/96, Entscheidung vom 16. Oktober 1998, und beruht auf diesem Verstoß", könnte die Geltendmachung des Zulassungsgrundes nach § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG zu sehen sein. Aus der weiteren Begründung des Zulassungsantrages ergibt sich aber, dass der Kläger der Auffassung ist, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Ansbach sei willkürlich, weil das angefochtene Urteil an beachtlichen Begründungsmängeln leide bzw. auf sachfremden Erwägungen beruhe. Damit macht der Kläger in der Sache aber einen Verfahrensfehler i.S.v. § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG geltend.

2. Ein gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG beachtlicher Verfahrensfehler ist nicht gegeben.

a) Insofern ist zunächst in Erinnerung zu bringen, dass vorliegend vom Verwaltungsgericht über den zweiten Folgeantrag des Klägers (Asylantrag vom 7.8.1981, der zurückgenommen wurde; erster Folgeantrag vom 27.8.2002, der aufgrund des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 25.5.2004 [Az. 14 ZB 04.30452] rechtskräftig abgelehnt ist) zu entscheiden war und sich dieser Folgeantrag im Wesentlichen mit der gleichen Problemlage befasste, wie sie auch schon dem ersten Folgeantrag zugrunde lag. Diesem Umstand trägt der Antragsschriftsatz vom 16. Oktober 2009, vor allem im Hinblick auf die Voraussetzungen nach § 71 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 VwVfG, nicht ausreichend Rechnung, womit bereits zweifelhaft ist, ob der Zulassungsantrag den Erfordernissen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG genügt.

b) Unabhängig davon ist die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts jedenfalls nicht - wie vom Kläger behauptet - willkürlich. Das aus dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) folgende Willkürverbot zieht der Rechtsprechung bei der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts nur gewisse äußerste Grenzen (vgl. BVerfG vom 24.3.1976 BVerfGE 42, 64/73). Nicht jede fehlerhafte Anwendung des einfachen Rechts stellt daher auch einen Gleichheitsverstoß dar. Von Willkür kann nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Auffassung nicht jedes sachlichen Grundes entbehrt (vgl. BVerfG vom 3.11.1992 BVerfGE 87, 273/278 f.; BVerfG vom 8.7.1997 BVerfGE 96, 189/203). Ein Richterspruch ist allerdings dann willkürlich und verstößt damit gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn er unter keinem rechtlichen Aspekt vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. BVerfG vom 3.11.1982 BVerfGE 62, 189/192; BVerfG vom 4.6.1985 BVerfGE 70, 93/97; BVerfG vom 8.7.1997 a.a.O.). Dabei ist Willkür nicht im Sinne eines subjektiven Vorwurfs, sondern objektiv zu verstehen, als eine Maßnahme, die im Verhältnis zu der Situation, der sie Herr werden will, tatsächlich und eindeutig unangemessen ist (vgl. BVerfG vom 3.11.1982 a.a.O.; BVerfG vom 4.6.1985 a.a.O.; BVerfG vom 16.10.1998 NVwZ-Beilage 1999 S. 10 f.; BVerfG v. 11.8.2009 DVBl 2009, 1237 = NJW 2009, 3293).

Im vorliegenden Fall hat sich das Verwaltungsgericht unter ausführlicher Darstellung der "Vorgeschichte" mit den Besonderheiten des klägerischen Falles auseinander gesetzt. Es hat im Vorfeld seiner Entscheidung und insofern den Besonderheiten des Verfahrens um einen zweiten Asylfolgenantrag Rechnung tragend eine Auskunft des Auswärtigen Amtes eingeholt, um beurteilen zu können, ob sich die Situation des Klägers im Vergleich zur Situation im ersten Folgeverfahren in asylrechtsrelevanter Weise zu seinen Lasten verschlechtert hat. Auf diese Auskunft hat es dann seine Entscheidung, die Klage mangels Vorliegens eines Wiederaufnahmegrundes nach § 51 VwVfG abzuweisen, im Wesentlichen gestützt (vgl. S. 30 unten bzw. S. 31 oben der Urteilsausfertigung). Das ist nicht zu beanstanden. Aufgrund dessen entbehrt auch der Vorwurf des Klägers, das Verwaltungsgericht wolle zu einem bestimmten Urteil kommen und der Verbleib eines verurteilten Sexualstraftäters sei ihm nicht recht, was durch absurde und sachfremde Erwägungen und verklausuliert in der Begründung des Urteils zum Ausdruck komme, jeglicher Grundlage.

c) Sollte in dem klägerischen Vortrag die Rüge enthalten sein, das angefochtene Urteil sei i.S.v. § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. § 138 Nr. 6 VwGO "nicht mit Gründen versehen", so greift auch dieser Einwand nicht durch. Letztere Vorschrift knüpft an den notwendigen formellen Inhalt eines Urteils an (vgl. § 117 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Danach müssen im Urteil diejenigen Entscheidungsgründe schriftlich niedergelegt werden, die für die richterliche Überzeugungsbildung leitend gewesen sind (§ 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Nach § 138 Nr. 6 VwGO liegt ein Verfahrensmangel i.S.v. § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG vor, wenn die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist. Nicht mit Gründen versehen im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO ist eine Entscheidung nur, wenn die Entscheidungsgründe ihre doppelte Funktion nicht mehr zu erfüllen vermögen. Das ist nach der Rechtsprechung allerdings nicht nur dann der Fall, wenn dem Tenor der Entscheidung überhaupt keine Gründe beigegeben sind, sondern auch dann, wenn die Begründung völlig unverständlich und verworren ist, so dass sie in Wirklichkeit nicht erkennen lässt, welche Überlegungen für die Entscheidung maßgebend gewesen sind (vgl. BVerwG vom 3.4.1990 Buchholz 310 § 117 VwGO Nr. 31). Der "grobe Formmangel" (vgl. BVerwG vom 13.6.1988 Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 80) liegt m.a.W. immer dann vor, wenn die Entscheidungsgründe rational nicht nachvollziehbar, sachlich inhaltslos oder aus sonstigen Gründen derart unbrauchbar sind, dass sie unter keinem denkbaren Gesichtspunkt geeignet sind, den Urteilstenor zu tragen (vgl. etwa Clausing in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Rdnr. 22 zu § 117 VwGO). Demgegenüber greift § 138 Nr. 6 VwGO aber nicht schon dann ein, wenn die Entscheidungsgründe lediglich unklar, unvollständig, oberflächlich oder unrichtig sind (BVerwG vom 5.6.1998 NJW 1998, 3290 = Buchholz 310 § 138 Ziff. 6 VwGO Nr. 32).

Wie bereits ausgeführt, hat sich das Verwaltungsgericht unter ausführlicher Darstellung der "Vorgeschichte" und nach Einholung einer amtlichen Auskunft mit den Besonderheiten des klägerischen Falles auseinander gesetzt und die wesentlichen Gründe hierfür in seinem Urteil nieder gelegt. Damit hat es den oben beschriebenen Erfordernissen genüge getan. Mit seinem Zulassungsantrag kritisiert der Kläger insoweit letztlich nur das nicht seinem Begehren entsprechende Ergebnis der dem Verwaltungsgericht gemäß § 108 Abs. 1 VwGO obliegenden richterlichen Überzeugungsbildung und freien Beweiswürdigung. Dies vermag aber einen Zulassungsgrund i.S.v. § 78 Abs. 3 AsylVfG nicht zu begründen, denn der in § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO enthaltene Zulassungsgrund ist dem Asylverfahrensgesetz fremd.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.