FG Nürnberg, Urteil vom 10.11.2009 - 2 K 1696/2008
Fundstelle
openJur 2012, 104654
  • Rkr:
Tatbestand

Streitig ist, ob eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung vorliegt.

Die Klägerin ist Unternehmerin. Gegenstand ihres Unternehmens ist der Handel mit Kraftfahrzeugen.

Ab dem Streitjahr 2006 unterhielt die Klägerin Geschäftsbeziehungen mit dem spanischen UnternehmenB. Die im Streitjahr erfolgte Fahrzeuglieferung eines PkwZ, FahrgestellnummerC, (Verkaufspreis 28.618 € netto) an dieBbehandelte die Klägerin als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung gemäß § 4 Nr. 1b UStG i.V.m. § 6a UStG.

In ihrer beim Finanzamt am 23.10.2007 eingereichten Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2006, die nach Zustimmung des Finanzamts einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstand (§§ 168 Satz 1, 164 AO), erklärte die Klägerin steuerpflichtige Umsätze zu 16% in Höhe vonD€, abziehbare Vorsteuerbeträge in Höhe vonE € und errechnete einen Umsatzsteuerüberschuss in Höhe vonA €. Steuerfreie Umsätze aus innergemeinschaftlichen Lieferungen gab sie in Höhe vonF€ an.

Ermittlungen der spanischen Finanzbehörden führten zu folgenden Erkenntnissen:

Die FirmaBwar vom 10.05.2005 bis 05.07.2007 aktiv und existent. Ihre Gesellschafter waren französische Staatsbürger. Die spanische Gesellschaft buchte die Fahrzeuge, die von den deutschen Unternehmen angeboten wurden, über das Internet und bot sie dann französischen Unternehmen an. Gegenüber den spanischen Finanzbehörden gab sie an, dass sie in Deutschland Fahrzeuge angekauft und diese an französische Kunden weiterveräußert habe. Keines der von der spanischen Gesellschaft erworbenen Fahrzeuge sei nach Spanien gelangt. Ein Fahrzeug mit der FahrgestellnummerCsei im spanischen Verkehrsregister nicht erfasst worden. Die Fahrzeuge seien von französischen Abholern, die eine Vollmacht der spanischen Gesellschaft gehabt hätten, beim jeweiligen Veräußerer in Deutschland abgeholt und nach Frankreich verbracht worden. Der Transportauftrag und dessen Bezahlung sei durch die Kunden in Frankreich erfolgt. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird verwiesen auf die SCAC-Auskünfte der spanischen Finanzverwaltung vom 18.02.2008 und vom 25.03.2008.

Aufgrund dieser Erkenntnisse behandelte die Prüferin im Rahmen einer Umsatzsteuernachschau die im Streitjahr 2006 erfolgte Lieferung der Klägerin an die FirmaBin Höhe von 28.618 € als umsatzsteuerpflichtig. Sie beurteilte diese Lieferung als ruhende Lieferung innerhalb eines Reihengeschäfts und sah daher die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung als innergemeinschaftliche Lieferung als nicht gegeben an. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Aktenvermerk über die Umsatzsteuernachschau vom 17.06.2008 verwiesen.

Das Finanzamt folgte den Feststellungen der Prüferin und setzte mit nach § 164 Abs. 2 AO geändertem Bescheid vom 07.07.2008 die Umsatzsteuer für das Jahr 2006 in Höhe vonG € fest. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen.

Den gegen den geänderten Bescheid vom 07.07.2008 eingelegten Einspruch wies das Finanzamt mit Entscheidung vom 07.10.2008 als unbegründet zurück.

Die Klägerin hat Klage erhoben und beantragt, den Bescheid über Umsatzsteuer 2006 vom 07.07.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.10.2008 dahin zu ändern, dass die Umsatzsteuer für das Jahr 2006 entsprechend der am 23.10.2007 eingereichten Umsatzsteuerjahreserklärung in Höhe vonA € festgesetzt wird.

Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen Folgendes vor:

Das verkaufte Fahrzeug sei von einer Person abgeholt worden, die sich als Bevollmächtigte der FirmaBdurch Vorlage einer Vollmacht ausgewiesen habe. Sie habe nichts erkennen können, was darauf hingedeutet habe, dass der Abholer vom Endkunden selbst beauftragt oder bezahlt worden sei. Der Endabnehmer sei bei ihr nicht zur Abholung erschienen.

In Abholfällen würde eine Abholung durch den Endabnehmer immer zur Zerstörung der Steuerbefreiung wegen innergemeinschaftlicher Lieferung führen. Sie habe lediglich eine Rechtsbeziehung zur FirmaBgehabt und keinen Einfluss darauf, wer ein verkauftes Fahrzeug tatsächlich abhole. Maßgeblich sei das Auftreten nach außen und damit die für sie erkennbaren objektiven Umstände. Eine Bestrafung für Verfehlungen des spanischen Vertragspartners komme nicht in Betracht. Sie könne sich nur auf die ihr zugänglichen Informationen verlassen.

Sie habe keine Möglichkeit, von den spanischen Steuerbehörden Informationen über ihre Abnehmerin zu erhalten.

Die Erkenntnisse, die der Beklagte von den spanischen Finanzbehörden erhalten habe, seien nicht verwertbar. Sie, die Klägerin, sei vor Einholung der Auskünfte nicht angehört worden. Im übrigen sei die Auskunft kein geeignetes Beweismittel, da es sich dabei lediglich um Spekulationen, Annahmen und Mutmaßungen handele.

Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und trägt darüber hinaus im Wesentlichen Folgendes vor:

Die Voraussetzungen für eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung lägen nicht vor. Denn aufgrund der Ergebnisse der Ermittlungen der spanischen Finanzbehörden ergebe sich, dass das Fahrzeug vom französischen Endabnehmer unmittelbar bei der Klägerin abgeholt worden sei. Daher sei die Beförderung nur der Lieferung derBan den Endabnehmer zuzuordnen (R 31a Abs. 8 UStR). Da dieBnicht befördert habe, liege im Verhältnis der Klägerin zu ihr eine ruhende Lieferung vor, die nicht zur Steuerfreiheit der Lieferung führe, weil auf sie die Vorschriften des § 6a UStG nicht anwendbar seien.

Die Unkenntnis der Klägerin, dass die Abholung dem Endabnehmer zuzurechnen sei, führe zu keinem schutzwürdigen Vertrauen, denn sie müsse sich einen mangelnden Informationsaustausch mit ihrem Geschäftspartner entgegenhalten lassen. Selbst im Falle einer Täuschung durch ihre VertragspartnerinBhabe die Klägerin bereits deshalb misstrauisch werden müssen, weil ein französischer Abnehmer das Fahrzeug abgeholt habe. Denn diese Tatsache sei ein deutliches Anzeichen dafür, dass ein Reihengeschäft vorgelegen und der Transport der Ware in der Hand des französischen Abnehmers gelegen habe. Darüber hinaus liege das Fehlen der Voraussetzungen für eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung in der Risikosphäre der Klägerin, da sie den Warentransport dem Abnehmer überlassen habe. Hätte sie selbst versendet oder die Beförderung veranlasst, so hätte sie die Voraussetzungen für das Vorliegen der Steuerfreiheit selbst in der Hand gehabt.

Bei den Auskünften der spanischen Steuerverwaltung handele es sich um reguläre Auskünfte im zwischenstaatlichen Auskunftsverkehr nach den Vorschriften der EG-Zusammenarbeitsverordnung.

Der Klägerin wurde mit Schreiben des Berichterstatters vom 16.09.2009 aufgegeben, hinsichtlich der Lieferung an die Fa.Bdie Voraussetzungen für das Vorliegen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung (§§ 4 Nr. 1 Buchst. b, 6a Abs. 1 UStG) bzw. das Vorliegen der Voraussetzungen des § 6a Abs. 4 UStG darzulegen und Nachweise entsprechend der §§ 6a Abs. 3 UStG, 17a-17c UStDV vorzulegen.

Die von der Klägerin daraufhin vorgelegten Unterlagen enthalten hinsichtlich der im Streitjahr 2006 erfolgten Lieferung des PkwZfolgende Nachweise:

- eine von der Klägerin ausgestellte Rechnung vom 21.12.2006 über den Verkauf an dieB(28.618 € netto; kein Ausweis von Umsatzsteuer unter Hinweis auf das Vorliegen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung)- per Fax an die Klägerin übermittelte verbindliche Bestellung derBvom 20.12.2006- Bestätigung des Bundeszentralamts für Steuern vom 20.12.2006 über Gültigkeit der Umsatzsteueridentifikationsnummer derBund über Übereinstimmung von Name, Ort, Postleitzahl und Strasse- vom Fahrer unterschriebene eidesstattliche Versicherung derBvom 21.12.2006, dass sie den Pkw von der Klägerin erworben hat und nach Spanien ausführen wird- durch dieBausgestellte Abholvollmacht- Kopie des Personalausweises des abholenden Fahrers; die Ablichtung ist vom Fahrer unterschriebenAus den vorgelegten Unterlagen ergibt sich, dass die Klägerin den Pkw selbst unmittelbar vor Veräußerung an dieBerworben hat und die Abholung unmittelbar beim ersten Veräußerer erfolgt ist.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der dem Gericht vorliegenden Akten, die Schriftsätze der Beteiligten und die von der Klägerin eingereichten Unterlagen verwiesen.

Gründe

Die Klage ist begründet. Das Finanzamt hat die Lieferung des Pkw Z an die B zu Unrecht der Umsatzsteuer unterworfen. Denn die Lieferung ist als steuerfreie Lieferung anzusehen. Die Lieferung erfüllt zwar nicht die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG, jedoch ist die Lieferung nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl als steuerfrei anzusehen, weil die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung durch die Klägerin auf unrichtigen Angaben der spanischen Abnehmerin beruhte und die Klägerin die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte.

1. Eine nach § 6a UStG steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nr. 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet;2. der Abnehmer ista) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oderc) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerberund3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung.28Auch bei Reihengeschäften kann eine innergemeinschaftliche Lieferung vorliegen. Allerdings kann in Fällen des Reihengeschäfts eine Beförderung oder Versendung auch nur einer von mehreren Lieferungen als innergemeinschaftliche Lieferung zugerechnet werden (Treiber in Sölch/Ringleb, UStG, Kommentar, § 6a UStG, Rz. 25; EuGH-Urteil vom 06.04.2006, Rs. C-245/04 EMAG Handel Eder OHG, BFH/NV 2006, Beilage 3, S. 294). Im Rahmen eines Reihengeschäfts erfüllt die Lieferung an den ersten Abnehmer nur dann die Voraussetzungen einer steuerbefreiten innergemeinschaftlichen Lieferung, wenn der Unternehmer oder der erste Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet. Holt der letzte Abnehmer den Gegenstand unmittelbar beim ersten Lieferer ab, so stellt nur die Lieferung an ihn die bewegte Lieferung dar. Alle anderen Lieferungen sind demzufolge als sog. ruhende Lieferungen anzusehen, die die Voraussetzungen für eine steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferung nicht erfüllen (Martin in Sölch/Ringleb, a.a.O. § 3 UStG, Rz. 488).

Nach § 6a Abs. 3 Satz 1 UStG müssen die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat (§ 6a Abs. 3 Satz 2 UStG). Diese Ermächtigung wurde in §§ 17 a ff der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV). § 17a Abs. 1 UStDV bestimmt, dass bei innergemeinschaftlichen Lieferungen der Unternehmer im Geltungsbereich dieser Verordnung durch Belege nachweisen muss, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat; dies muss sich aus den Belegen eindeutig und leicht nachprüfbar ergeben (sog. Belegnachweis). In den so genannten Abholfällen i. S. d. § 17 a Abs. 2 UStDV, in denen ein vom Abnehmer Beauftragter den Liefergegenstand abholt, muss sich aus der Versicherung gemäß § 17 a Abs. 2 Nr. 3 UStDV ergeben, dass dieser tatsächlich Beauftragter des Abnehmers ist und es muss ein Bezug zu der Lieferung bzw. dem Liefergegenstand, für den Abholvollmacht erteilt wird, erkennbar sein. In diesem Fall muss die Empfangsbestätigung oder die Versicherung eine mit Datum versehene Unterschrift des Beauftragten enthalten. Außerdem muss sich aus den Unterlagen eindeutig ergeben, dass der Abnehmer den Beauftragten tatsächlich mit der Entgegennahme des Gegenstandes der Lieferung beauftragt hat. Die Identität des Beauftragten muss belegt werden. Darüber hinaus muss sich aus der Versicherung bzw. aus der Empfangsbestätigung ergeben, dass der Abnehmer den Beauftragten mit der Beförderung des Liefergegenstandes in das übrige Gemeinschaftsgebiet beauftragt hat (§ 17 Abs. 2 Nr. 4 UStDV; vgl. BFH-Urteile vom 06.12.2007 V R 59/03, BStBl II 2009, 57 und vom 08.11.2007 V R 26/05, BStBl II 2009, 49, BFH/NV 2008, 1067).

Ferner bestimmt § 17c Abs. 1 Satz 1 UStDV, dass bei innergemeinschaftlichen Lieferungen der Unternehmer im Geltungsbereich dieser Verordnung die Voraussetzungen der Steuerbefreiung einschließlich Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers buchmäßig nachweisen muss; die Voraussetzungen müssen gemäß § 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV "eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sein“ (sog. Buchnachweis).

31Die Verpflichtung des Unternehmers nach § 6a Abs. 3 UStG, die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nach Maßgabe der §§ 17a, 17c UStDV nachzuweisen, ist mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar (vgl. BFH-Urteile vom 06.12.2007 V R 59/03 und vom 08.11.2007 V R 26/05, a.a.O.)

Kommt der Unternehmer den auf der Grundlage von § 6a Abs. 3 UStG bestehenden Pflichten zum Nachweis der Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 und 2 UStG nicht oder nur unvollständig nach, ist die Lieferung steuerpflichtig (BFH-Urteile vom 08.11.2007 V R 72/05, BStBl II 2009, 55 und vom 06.12.2007 V R 59/03, BStBl II 2009, 57). Die innergemeinschaftliche Lieferung ist dann nur steuerfrei, wenn aufgrund der objektiven Beweislage zweifelsfrei feststeht, dass ihre objektiven Merkmale erfüllt sind. Die Nachweispflichten sind insoweit keine materiellen Voraussetzungen für die Befreiung als innergemeinschaftliche Lieferung (EuGH-Urteil vom 27.09.2007 Rs. C-146/05 Collée, BFH/NV Beilage 2008, 34; BFH-Urteil vom 06.12.2007 V R 59/03, a.a.O.). Eine Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG kommt demgegenüber nicht in Betracht (BFH-Urteil vom 12.05.2009 V R 65/06, BFH/NV 2009, 1555, m.w.N.).

332. Liegen die Voraussetzungen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vor, kann die Lieferung aber ausnahmsweise unter den Voraussetzungen der Vertrauensschutzregelung nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei sein, wenn der Unternehmer die Lieferung als steuerfrei behandelt hat, die Inanspruchnahme der Steuerfreiheit auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. Allerdings muss der Unternehmer die auf der Grundlage von § 6a Abs. 3 UStG bestehenden Pflichten zum Nachweis der Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 und 2 UStG (sog. Buch– und Belegnachweis) erfüllt haben (BFH-Urteile vom 12.05.2009 V R 65/06, vom 08.11.2007 V R 72/05 und vom 06.12.2007 V R 59/03, jeweils a.a.O.).

3. Gemessen an den vorstehenden Grundsätzen erfüllt die Lieferung des Pkw an die B in objektiver Hinsicht nicht die in § 6a Abs. 1 UStG gestellten Anforderungen an eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung.

Die Beförderung des von der Klägerin an die B gelieferten Pkw in das übrige Gemeinschaftsgebiet ist weder durch die Klägerin als Lieferer noch durch die B als Abnehmerin in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert worden (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG). Denn aufgrund der von den spanischen Finanzbehörden durchgeführten Ermittlungen ergibt sich, dass nicht die B für den Transport des Pkw verantwortlich war, sondern deren in Frankreich ansässiger Abnehmer des Fahrzeugs. Die abholende Transportperson war – entgegen der von der Klägerin vorgelegten Bevollmächtigung durch die B – tatsächlich nicht von der B , sondern von deren französischem Abnehmer beauftragt worden. Die von den spanischen Finanzbehörden im Rahmen des Auskunftsaustauschs nach der EG-Zusammenarbeitsverordnung gewonnenen, hinreichend konkreten Erkenntnisse belegen, dass das gelieferte Fahrzeug nicht von der B bei der Klägerin abgeholt wurde.

Die Erkenntnisse hat das Finanzamt in rechtlich zulässiger Weise gewonnen. Sie sind daher für das Besteuerungsverfahren der Klägerin verwertbar. Rechtsgrundlage ist die Zusammenarbeitsverordnung (Verordnung EG Nr. 1798/2003 vom 07.10.2003), die unmittelbar geltendes nationales Recht darstellt. Soweit die Klägerin einwendet, sie sei vor dem Ersuchen an die spanische Finanzverwaltung nicht angehört worden, so führt dies nicht zu einem Verwertungsverbot. Die Klägerin hatte im Übrigen ausreichend Gelegenheit, sich nach Auskunftserteilung zu äußern.

4. Allerdings kann sich die Klägerin auf die Vertrauensschutzregelung des § 6a Abs. 4 UStG berufen. Die Lieferung des Fahrzeugs ist als steuerfrei anzusehen, da die Voraussetzungen des § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG im Streitfall gegeben sind.

a) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, so ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte (§ 6a Abs. 4 Satz 1 UStG). Die Vorschrift enthält eine Vertrauensschutzregelung. Sie beruht auf Art. 21 Nr. 1 Buchstabe a und Art. 28c Teil A der 6. Richtlinie (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 12/2463, S.31). Danach kann der gutgläubige Lieferant grundsätzlich auch dann auf sein Recht auf Befreiung von der Umsatzsteuer vertrauen, wenn sich die Belegnachweise aufgrund eines vom Abnehmer begangenen Betrugs nachträglich als falsch herausstellen (EuGH-Urteile vom 27.09.2007 Rs. C-409/04, UR 2007, 774 und vom 21.02.2008 Rs. C-271/06, UR 2008, 505). Der Unternehmer kann nach der angeführten Rechtsprechung des EuGH allerdings nur dann einen Vertrauensschutz beanspruchen, wenn er zuvor alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren und von ihm vernünftigerweise zu erwartenden Maßnahmen ergriffen hatte, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (EuGH-Urteile vom 27.09.2007 Rs. C-409/04, und vom 21.02.2008 Rs. C-271/06, jeweils a.a.O.). Konnte somit der Unternehmer auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns die Falschdeklarierung der vom Abnehmer vorgelegten Nachweise nicht erkennen, kann er bei der Finanzbehörde weiterhin die Steuerfreiheit seiner Umsätze geltend machen (vgl. Urteil des FG Baden-Württemberg vom 09.06.2008, 9 K 408/04, juris).

b) Die Klägerin hat die ihr gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a und 17c UStDV obliegenden Nachweispflichten – zwischen den Beteiligten unstreitig- erfüllt. Sie hat eine qualifizierte Bestätigungsabfrage beim Bundeszentralamt für Steuern durchgeführt und sich die Richtigkeit der von der Abnehmerin gemachten Angaben zu Name, Ort, Postleitzahl und Straße sowie die Gültigkeit deren Umsatzsteuer-IdNr. bestätigen lassen. Ebenfalls hat sich die Klägerin eine Versicherung vorlegen lassen, worin bestätigt wird, dass das veräußerte Fahrzeug nach Spanien ausgeführt wird. Die Versicherung ist unterschrieben vom abholenden Fahrer, der von der B schriftlich bevollmächtigt ist und bei Abholung eine Ablichtung seines Personalausweises vorgelegt hat.

c) Obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG objektiv nicht vorlagen, ging die Klägerin aufgrund der von ihr eingeholten Informationen (vgl. oben 4.b), der vorgelegten Vollmacht und der Bestätigungen des Fahrers, wonach der das Fahrzeug abholende Fahrer von der B zur Abholung beauftragt worden ist und das Fahrzeug nach Spanien an den Ort des Firmensitzes der B befördert werden soll, davon aus, dass die Beförderung damit der B als Abnehmerin zuzurechnen war und damit die Voraussetzungen für eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung vorlagen.

d) Die Klägerin konnte die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen. Aufgrund der vorgelegten Vollmacht durfte die Klägerin davon ausgehen, dass der abholende Fahrer für die B handelte und von ihr beauftragt war. Davon geht auch das Finanzamt aus. Die Tatsache, dass es sich bei dem abholenden Fahrer um einen französischen Staatsangehörigen handelt, begründet für sich genommen keine Zweifel an der Richtigkeit der vorgelegten Vollmacht. Denn die Umstände des Falles lassen einen verstärkten Bezug zu Frankreich erkennen, da die B ihren Sitz im spanischen Grenzland zu Frankreich hatte und Frankreich für die Beförderung von Fahrzeugen von Deutschland nach Spanien Transitland ist. Weitere Anhaltpunkte dafür, dass die Klägerin Zweifel an der Richtigkeit der vorgelegten Belege und der von ihr eingeholten Informationen (qualifizierte Bestätigungsabfrage) haben musste, liegen -zwischen den Beteiligten unstreitig– nicht vor.

e) Die Auffassung des Finanzamts, die Vorschrift des § 6a Abs. 4 UStG sei auf sog. ruhende Lieferungen, bei denen weder der Abnehmer noch der liefernde inländische Unternehmer den Gegenstand der Lieferung befördert oder versendet, von vorneherein nicht anwendbar, teilt der Senat nicht. Eine solche Einschränkung ergibt sich nicht aus dem Wortlaut des § 6 a Abs. 4 UStG. Vielmehr setzt die Vorschrift des § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gerade voraus, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG nicht vorliegen. Nach der Gesetzesbegründung vom 03.04.1992 zum Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetz hinsichtlich der Einführung des § 6a Abs. 4 UStG (BT-Drucks. 12/2463, S.31) wird dem Unternehmer die Steuerbefreiung trotz fehlender Voraussetzungen belassen, wenn er bei Beachtung der einem ordentlichen Kaufmann obliegenden Sorgfalt die unrichtigen Angaben des Abnehmers nicht erkennen konnte. Dem entsprechen auch die Ausführungen im Ratsprotokoll vom 16.12.1991 zu Art. 28c Teil A der Sechsten Richtlinie der EWG (77/388/EWG) i.d.F. der Binnenmarkt-Richtlinie vom 16.12.1991 91/680/EWG), auf den sich die Gesetzesbegründung ausdrücklich bezieht und wonach die Befreiung nach Art. 28c Teil A nicht verweigert werden darf, wenn sich nachträglich herausstellt, dass der Erwerber materiell falsche Angaben gemacht hat, während der Steuerpflichtige die erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, um bei Lieferungen seines Unternehmens einer inkorrekten Anwendung der MwSt-Vorschriften vorzubeugen.

Danach hatte die Klage Erfolg.

Das Finanzamt hat als der unterliegende Beteiligte die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 135 Abs. 1 FGO).

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Die grundsätzliche Bedeutung ergibt sich aufgrund der Auswirkungen auf eine Vielzahl von gleichartigen Fällen und aufgrund der von den Entscheidungsgründen abweichenden Behandlung durch die Finanzverwaltung (vgl. R 31a Abs. 2 Sätze 2 bis 4 UStR).

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