AG München, Urteil vom 17.11.2009 - 155 C 22290/08
Fundstelle
openJur 2012, 104599
  • Rkr:
Tenor

I. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei € 4.400,00 nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 26.07.08 Zug-um-Zug gegen Rückgabe des Jeep Wrangler Fahrgestellnummer ... zu bezahlen sowie den Kläger von der Verbindlichkeit in Höhe von € 446,13 gegenüber Frau Rechtsanwältin ..., ... wegen der vorgerichtlichen Geltendmachung der streitgegenständlichen Rückzahlungsansprüche freizustellen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die beklagte Partei.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klagepartei erhebt Ansprüche aus Kaufvertrag. Der Kläger erwarb beim Beklagten mit Kaufvertrag vom 20.05.09 einen gebrauchten Jeep Wrangler, einem Geländewagen mit Allradantrieb, mit der Fahrgestellnummer ... zum Kaufpreis von € 4.400,00. Der Kläger erklärte den Rücktritt. Die Parteien streiten um die Berechtigung hierzu.

Der Kläger trägt vor, bei der Probefahrt habe er nicht erkannt, dass statt des Allradantriebs lediglich die Hinterräder angetrieben würden, da der Beklagte jedoch erklärt habe, der Allradantrieb würde funktionieren, fehle eine zugesicherte Eigenschaft, sodass die Berechtigung zum Rücktritt bestünde.

Der Kläger beruft sich daher auf seine wirksame Rücktrittserklärung und fordert den Kaufpreis gegen Rückgabe des Fahrzeugs zurück. Zudem begehrt er Verzugszinsen von Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.07.08 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von € 446,13. Er beantragt deshalb:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei € 4.400,00 nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 26.07.08 Zug-um-Zug gegen Rückgabe des Jeep Wrangler Fahrgestellnummer ... zu bezahlen sowie von den in Höhe von € 446,13 angefallenen Rechtsverfolgungskosten freizustellen.

Demgegenüber beantragt der Beklagte:

Die Klage wird abgewiesen.

Hierzu wird behauptet, bei dem Fahrzeug habe es sich um ein sog. Bastlerfahrzeug gehandelt, sodass angesichts der damit auch im Vertrag offen gelegten Mängel sowie auch des sonstigen Vertragstextes ein wirksamer Gewährleistungsausschluss vereinbart worden sei. Zudem beruft sich der Beklagte darauf, dass angesichts des Alters des Fahrzeugs der vom Kläger gerügte Zustand auch kein Mangel sei, vielmehr handle es sich um üblichen Verschleiß.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) ... und Vernehmung des Zeugen ...

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird wegen der Einzelheiten auf die zu den Akten gelangten Schriftsätze der Parteien, insbes. die Klageschrift und die Klageerwiderungsschrift nebst Anlagen (vgl. hierzu BGH NJW-RR 2002, 381) sowie d. Protok. vom 02.12., 23.12.08, 03.02, 03.03. und 28.04.09 sowie auf das schriftliche Sachverständigengutachten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet, der Beklagte hat den Kaufpreis angesichts des wirksamen Rücktritts zurückzuzahlen, § 346 II Nr. 2 BGB:

1.

Der Zeuge ... schilderte, er habe das Fahrzeug angesehen, weil der Kläger ihm mitgeteilte habe, es funktioniere nur der Hinterradantrieb und hierbei festgestellt, dass die Anschlussleitungen zur Unterdruckdose im Bereich der Innenkotflügel so verstaut gewesen wären, dass er sie mit Gewalt habe herausziehen müssen, nach dem Anstecken sei eine Fahrt wegen des hierbei entstehenden mörderischen Geräuschs nicht möglich gewesen.

Bei dem Zeugen handelt sich zwar um den Schwager des Klägers. Die Angaben des Zeugen sind gleichwohl voll glaubhaft. Der Zeuge hat nicht nur stets trennend zwischen Umständen, bei denen er sich sicher war und Dingen, die er nicht mehr exakt angeben konnte, getrennt. Seine Schilderung wird durch das Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) ... zu den Folgen des Ansteckens bestätigt.

Der Sachverständige Dipl.-Ing. (FH) ... führt im Gutachten aus, ohne explizite Fahrversuche habe man das Abklemmen der Schläuche nicht erkennen können, bei einem Anstecken sei es ausgeschlossen gewesen, das Fahrzeug ordnungsgemäß bewegen zu können.

Der Sachverständige ist dem Gericht aus vielen Fällen als zuverlässiger und sachkundiger Fachmann bekannt, so daß sich das Gericht dem Gutachten in vollem Umfange anschließt.

Für das Gericht steht damit zweifelsfrei fest, dass zum Zeitpunkt der Probefahrt die Hydraulikschläuche nicht angesteckt waren. Das Gericht hat auch keine Zweifel daran, dass der Beklagte dies wusste. Soweit er sich gegenbeweislich hierauf die Aussage des Zeugen ... beruft, ist das Beweisangebot unbehelflich. Der Zeuge ... war beim Erwerb des Fahrzeugs durch den Beklagten der Verkäufer. Angaben zu dem Verkaufsgespräch zwischen dem Kläger und dem Beklagten sowie der Probefahrt des Klägers kann er nicht machen. Soweit behauptet wird, der Zeuge habe beim damaligen Verkauf an den Kläger nicht gesagt, dass der Allradantrieb nicht funktioniere, kann dies als zutreffend unterstellt werden, sodass eine Vernehmung des Zeugen entfällt.

Dem Beklagten hilft dies im Vertragsverhältnis zum Kläger jedoch nichts. Gemäß § 286 ZPO ist es für das Gericht ausgeschlossen, dass der Kläger, der im Gebrauchtwagengeschäft tätigt ist, "ausgefeilte" AGB verwendet und nach ständiger Rechtsprechung ohnehin einer Untersuchungspflicht bei den gehandelten Fahrzeugen unterliegt, den Mangel nicht erkannt hätte. Die rechtlichen Folgen der Untersuchungspflicht spielen vorliegend keine Rolle. Vielmehr glaubt das Gericht dem Beklagten schlicht nicht, dass er angesichts der dargestellten professionellen Gebrauchtwagenverkäufertätigkeit ohne Untersuchung ein Allradfahrzeug ankauft und niemals die Funktionsfähigkeit überprüft. Schon wegen des Verkaufspreises ist die Kontrolle, ob der Allradantrieb benutz werden kann von extremer Bedeutung.

2.

In der Sache selbst ist zunächst ein Mangel zu bejahen. Ein Allradantriebsfahrzeug kann als Solches nur bezeichnet werden, wenn auch alle Räder angetrieben werden. Die Verbrauchererwartung setzt diese Bezeichnung und das Funktionieren bei einem Jeep zweifelsfrei voraus. Es handelt sich daher um eine zugesicherte Eigenschaft. Da das Fahrzeug aber nur mit Hinterradantrieb gefahren werden kann, liegt nicht nur ein gewöhnlicher Mangel, sondern das Fehlen einer zugesicherte Eigenschaft vor.

Damit kommt es darauf an, ob ein Gewährleistungsausschluss zwischen den Parteien wirksam vereinbart worden war.

Zunächst vermag die Bezeichnung des Fahrzeugs als Bastlerfahrzeug Gewährleistungsansprüche des Klägers nicht zu verhindern. Grundsätzlich sind derartige Vertragsgestaltungen nicht unzulässig (vgl. MüKo-BGB/Lorenz § 475 Rn 8 ff.; Staudinger/A. Matusche-Beckmann BGB, § 475 Rn. 51 ff). Entscheidend kommt es auch hier auf das einzelne Fahrzeug an. So ist der Entscheidung des AG Marsberg (DAR 2003, 322) nicht entgegenzutreten, wenn es bei einem Fahrzeug ohne Getriebe die Bezeichnung als Bastlerfahrzeug mit den gewährleistungsrechtlichen Konsequenzen als zulässig betrachtet. Wer ein nicht fahrbereites Fahrzeug kauft, muss sich auf die Ansprüche aus Arglist verweisen lassen.

20Hier liegt es jedoch anders. Die Einbeziehung der Ausschlussklausel scheitert schon an der AGB-rechtlichen Betrachtung. Das Wort "Bastlerfahrzeug" ist erkennbar Bestandteil einer AGB-Konstruktion, die jegliche Ansprüche des Käufers ausschließen soll. Dazu passt auch die Schriftgestaltung. Es handelt sich um eine Schriftgröße, die noch deutlich hinter der für die Bezeichnung des Fahrzeugs verwendete Schriftgröße zurücktritt und insbes. im Gegensatz zu sonstigen in Fettschrift dargestellten Vertragspassagen die AGB-Bestimmungen nicht in Festschrift gehalten sind, sodass der Käufer visuell vom der Kenntnisnahme abgelenkt wird. § 305 c BGB geht davon aus, dass Einschränkungen von Rechten nicht so Bestandteil der AGB-Regelung sein können

Deshalb kommt es auf die (vorliegend zu bejahende Frage) der Arglist nicht mehr an.

22Schließlich kann sich der Beklagte auch nicht auf einen gewährleistungsirrelevanten Verschleißmangel berufen. Da es sich bei der vertraglichen vereinbarten Eigenschaft "Allradfahrzeug" um eine Zusicherung handelt, kommt es auf die Frage des Verschleißes nicht an. Ohnehin gibt es keine allgemeine technische Erkenntnis, dass Allradfahrzeuge mit einem Alter von 14 Jahren und 250.000 Kilometern verschleißbedingt nicht mehr als Allradfahrzeuge genutzt werden könnten. Ein diesbezüglich technisch feststehender Alterungsprozess scheidet daher aus.

Dementsprechend hat die Klage in der Sache einschließlich der sich aus dem Verzugszeitpunkt im Schriftsatz an den Beklagten vom 17.06.08.

Der Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten ergibt sich aus §§ 286, 288 Abs. 4 BGB.

Die Kostenentscheidung ergibt sich gemäß § 91 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit erfolgt gemäß § 709 ZPO.