OLG München, Beschluss vom 05.11.2009 - Verg 15/09
Fundstelle
openJur 2012, 104559
  • Rkr:
Tenor

I. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer Südbayern vom 3.9.2009 wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich des Verfahrens nach § 118 GWB und der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen trägt die Antragstellerin.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 86.718,59 € festgesetzt.

Gründe

I.

Das Staatliche Bauamt M. (im folgenden Vergabestelle) schrieb öffentlich im Bayerischen Staatsanzeiger am 13.3.2009 die Erneuerung der Tonanlage im R. Theater aus. Nebenangebote waren zugelassen. Die Erneuerung der Tonanlage mit einem geschätzten Volumen von ca. 2 Mio €. ist Teil der Anpassungs- und Instandsetzungsmaßnahmen am R.Theater mit einem Gesamtvolumen von ca. 12,5 Mio. Euro. Im Erläuterungsbericht der Vergabestelle zu der geplanten Erneuerung der Tonanlage heißt es u.a.:

„Seite 6: Die Schaffung eines Digitalen-Produktionsstudios, in dem hochwertige Tonbearbeitungen und -aufnahmen gemacht werden können, ist notwendig...Ein Umstieg von einer analogen Aufnahme- und Bearbeitungstechnik zur Digitaltechnik ... sind erforderlich.

01 Tonstudio

Das Herz der Aufzeichnungs- und Signalverarbeitungstechnik bildet ein Pro Tools HDS System der Firma D. Die Fabrikatsvorgabe ist sinnvoll, da vorhandene Geräte wieder benutzt werden sollen und die Einarbeitung des Personals nur so in der kurzen Bauzeit gewährleistet werden kann.

01 ELA-Anlagen

S. 10: ...die wesentlichen Geräte sollen untereinander über längere Distanzen mit Glasfaserleitungen und über kürzere Distanzen mit Twisted-Pair bzw. Ethernet-Leitungen vernetzt werden.

Im wesentlichen sind für das Theater folgende Anlagenteile ein- bzw.- auszubauen:

- die Tonloge..- das Tonstudio..- ...NF.Leitungsverteiler..- HF-Mikrofonübertragungsanlage- Leistungsverstärker- Lautsprecher- Leitungsnetz für Aufnahme und Wiedergabe- Leitungsnetz mit Steuereinheiten- Netzverteilung für Hauptverteilung ELA..- Video-Signalverteilung..03 Beschallungsanlage

Die vorhandenen Beschallungssysteme des Herstellers d&b. sollen teilweise ausgetauscht bzw. ergänzt werden. An Stelle der alten Systeme kommen wieder Beschallungssysteme des Herstellers d&b.

Für die Beschallung des Zuschauerraumes mit Musik, Sprache und Gesang, ausgelegt für mindestens 105 db (A) kommen hochwertige Breitband-Systeme zur Anwendung...“

Geschätzte Gesamtsumme: 2,327Mio €“

In der beigefügten Kostenberechnung für die Ton- und ELA-Anlage sind die reinen Baukosten mit 97.430,00 € angesetzt. Die Bühnentechnik sowie die MSR-Technik enthalten den Vermerk: keine Hochbaukosten.

Im Leistungsverzeichnis ist aufgeführt:

„Seite 10: Mit Angebotsabgabe sind folgende Nachweise vom Bieter zu erbringen:

Dem Angebot sind beizufügen:

es ist mit Herstellerbestätigung nachzuweisen, dass nur Serienprodukte zum Einbau kommen, und dass jegliche Ersatzteile ab Werk sofort abrufbar für die nächsten zehn Jahre zu erhalten bzw. zu kaufen sind. Austauschteile müssen innerhalb von 48 Stunden lieferbar sein. Die Versorgung mit funktionskompatiblen Bauteilen ist für mindestens fünf weitere Jahre zu gewährleisten...

03 Beschallungsanlage

Die vorhandenen Beschallungssysteme des Herstellers d&b sollen teilweise ausgetauscht bzw. ergänzt werden. Zusätzlich kommen neue Lautsprechersysteme wie. z.B. Center Cluster hinzu.

Im ersten Bauabschnitt wird die Ansteuerung der Verstärker über die vorhandenen analogen Wege realisiert. Mit dem Einbau der neuen Mischpulte und Kreuzschienen wird in der zweiten Bauphase die Ansteuerung in digitale Signale geändert. Der hierzu erforderliche Aufwand ist in der Position Verstärker mitzukalkulieren. Die Leistungsverstärker-Anlage ist neu konzipiert. ….

03.01.0002 Lautsprecher ...AbstrahlwinkelE 12..Abmessungen: 580 x 350 x 334Gewicht:16 kg03.01.0008 Subwoofer..2-Wege-Bassreflex Design-Subwoofer ..Dadurch entsteht ein reduziertes Diffusschallfeldim Tieftonbereich und somit eine extrempräzise Tonwiedergabe.Abmessungen: 540 x 1100 x 945Gewicht: 106 kg03.03 Verstärker/Überwachung03.03.0001 Verstärker/Controller-Einheit, 2-kanalig...Controller: Anschlüsseanaloge Eingänge. 2xdigital Eingang (AES/EBU):1x03.03.0003 Netzwerk-InterfaceMit Angebotsbegleitschreiben vom 29.4.2009 teilte die Antragstellerin der Vergabestelle mit, aufgrund der technischen Daten in Titel 3 des Leistungsverzeichnisses habe man unschwer erkennen können, dass es sich bei dem gewünschten Fabrikat um die Firma d.&b gehandelt habe. Diese habe die Antragstellerin für ein entsprechendes Lieferangebot an ihren Partner, die Beigeladene, verwiesen. Darauf hin habe die Antragstellerein bei zwei anderen d&b Partnern ein Angebot angefordert, aber hierbei erfahren, dass die Firma d&b ihren Partnern klar gemacht habe, dass für das ausgeschriebene Projekt nur die Beigeladene zuständig sei. Vor diesem Hintergrund könne sie leider das gewünschte Fabrikat in Titel 3 nicht anbieten, da sie ansonsten an einer Wettbewerbsverzerrung teilnehmen würde und somit aus dem Wettbewerb ausgeschlossen werden müsste. Deshalb biete sie nun ein anderes gleichwertiges, möglicherweise höherwertiges System an. Zum Punkt 03.03.0001 Verstärker-/Controller-Einheit bot sie das Fabrikat B. XR-4000 an, welches unstreitig keinen integrierten digitalen Zugang hat, sondern mittels eines Zusatzgerätes die analogen Signale in digitale Signale umwandeln muss. Ein Hinweis auf ein solches Zusatzgerät ist im Angebot der Antragstellerin nicht enthalten.

Beim Submissionstermin vom 30.4.2009 lagen sechs Angebote vor. Die Antragstellerin lag nach rechnerischer Prüfung an erster Stelle mit einem Preis von 1,734.371,88 €, an zweiter Stelle lag die Beigeladene mit 1.837.420, 76 €. Das von der Vergabestelle beauftragte Projektsteuerungsbüro führte bei der Prüfung der Angebote in einem Vermerk vom 14.5.2009 auf, das Angebot der Antragstellerin enthalte in den Punkten Lautsprecher und Verstärker wesentliche Abweichungen zum Leistungsverzeichnis. So seien bei 14 der 16 ausgeschriebenen Lautsprechertypen die geforderten Kriterien nicht erfüllt, insbesondere seien im maximalen Schalldruck Abweichungen bis zu 8 dB festzustellen. Die angebotenen Verstärker vom Typ B. XR 4000 verfügten nur über einen analogen, nicht aber über den geforderten digitalen Audio-Eingang. Dadurch sei es entgegen der Planung nicht möglich, die Endstufen mit einem digitalen Signal direkt anzufahren. In der Planung sei bewusst darauf Wert gelegt worden, dass die Signalübertragung weitestgehend digital erfolge. Da die Leistungsdaten der Lautsprecher in aktiver und passiver Ausführung gleich seien, entsprächen auch die Nebenangebote der Antragstellerin nicht dem ausgeschriebenen Qualitätsstandard.

Mit Schreiben vom 19.5.2009 teilte die Vergabestelle der Antragstellerin mit, auf ihr Angebot könne der Zuschlag nicht erteilt werden, weil es ausgeschlossen werden musste, § 25 Nr. 1 VOB/A. Gleichzeitig wurde der Beigeladenen der Auftrag erteilt.

Am 25.5.2009 fragte die Antragstellerin nach Erhalt des Schreibens telefonisch nach, was das Absageschreiben zu bedeuten hätte. Ihr wurde bedeutet, dass die Gleichwertigkeit des Angebots nicht gegeben sei. Am 26.5.2009 rügte die Antragstellerin durch Schreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten, vergaberechtswidrig sei die Ausschreibung nur national erfolgt, obwohl der Schwellenwert von 5.150.000 € weit überschritten sei, da die Erneuerung der Tonanlage nur ein Einzellos einer Gesamtbaumaßnahme darstelle. Sollte die Erneuerung kein Los einer Gesamtmaßnahme sein, würde es sich um Lieferleistungen handeln, für welche der Schwellenwert unzweifelhaft überschritten sei. Zudem sei die Ausschreibung nicht produktneutral erfolgt. Es seien offensichtlich Produkte der Firma d&b ausgeschrieben. So betreffe die Position 03.01.0002 eindeutig den Lautsprecher E 12 dieser Firma. Aus der unklaren Mitteilung vom 19.5.2009 habe die Antragstellerin den Grund für den Ausschluss ihres Angebotes nicht entnehmen können. Vergaberechtswidrig sei auch die Wertung, dass das Angebot der Antragstellerin nicht gleichwertig sei. Von den Rechtsverstößen habe die Antragstellerin erst nach anwaltlicher Beratung erfahren. Die Antragstellerin stellte am 27.5.2009 Nachprüfungsantrag.

Die Vergabekammer hat mit Beschluss vom 3.9.2009 den Nachprüfungsantrag als unzulässig verworfen, weil der Antragstellerin die Antragsbefugnis fehle. Zwar handele es sich um einen Lieferauftrag, bei welchem der Schwellenwert überschritten sei. Der Zuschlag sei daher wegen der fehlenden Mitteilung nach § 13 VgV nichtig. Ihr Angebot sei aber zwingend auszuschließen, weil dem angebotenen Verstärker der digitale Eingang fehle. Zwar könne das Gerät auch digital angesteuert werden, doch sei hierfür ein Zusatzgerät nötig. Die Angabe dieses Zusatzgerätes im Leistungsverzeichnis sei durch die Antragstellerin unterblieben, daher sei für die Vergabestelle die digitale Ansteuerung nicht erkennbar gewesen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Sie trägt vor,

die Tonanlage sei zu Unrecht nicht europaweit ausgeschrieben worden. Es handele sich nicht um eine Bauleistung nach VOB/A, sondern um eine Lieferleistung nach VOL/A, für welche der Schwellenwert überschritten sei. Die reinen Bauarbeiten betrügen nur ca. 8% des Auftrages. Zudem liege ein Verstoß gegen die produktneutrale Ausschreibung vor. Die Angaben zu den ausgeschriebenen Produkten, insbesondere zu den Maßen und Gewichten, entsprächen zum Teil exakt den Werten der Datenblätter der Firma d&b. So befinde sich bei Position 03.01.002 der Hinweis E 12 als Typenbezeichnung des entsprechenden Lautsprechers der Firma d&b. Nach Art. 1 Abs. 2 c Satz 2 VKR liege ein Lieferauftrag vor. Das von der Antragstellerin angebotene Produkt entspreche den Anforderungen des Leistungsverzeichnisses. Die geforderten Schalldruckpegel würden erreicht; die Werte müssten nur entsprechend umgerechnet werden. Insgesamt sei das angebotene Produkt völlig gleichwertig, die Vorgabe, das System sei auf 105 dB auszulegen, werde erfüllt. Den Aufwand für die Umstellung des Verstärkers auf digitale Ansteuerung habe die Antragstellerin miteinkalkuliert und zwar in Form eines Konverters. Dieser sei im Formblatt 223 enthalten, welches die Vergabestelle allerdings nicht bei ihr angefordert habe. Auch habe die Vergabestelle die Wertungsentscheidung nicht selbst getroffen, sondern das von ihr beauftragte Projektsteuerungsbüro. Die Mittelung nach § 27 VOB/A sei unklar, eine Vorabinformation nach § 13 VgV nicht erfolgt. Außerdem sei das Angebot der Beigeladenen trotz Verstoßes gegen den Wettbewerbsgrundsatz nicht ausgeschlossen worden. Denn nur die Beigeladene dürfe auf Weisung der Firma d&b für die ausgeschriebenen Produkte ein Angebot abgeben. Wenn aber Mitbewerber durch eine Vereinbarung von Ausschließlichkeitsrechten und darauf gegründeter Monopolstellung um ihre Chance gebracht würden, im Leistungswettbewerb um den Auftrag zu kämpfen, sei dies eine unlautere Verhaltensweise und ein Verstoß gegen das Wettbewerbsprinzip. Denn dann entscheide ein Mitbewerber praktisch über die Belieferung von Konkurrenten. Die notwendigen geforderten Angaben im Instandhaltungsvertrag als einem Muster seien gemacht worden; die Verfügbarkeitsangaben zu den Produkten könnten nachgereicht werden.

Sie stellt den Antrag,

unter Abänderung des Beschlusses der Vergabekammer Südbayern vom 3.9.2009

1. den Antragsgegner anzuweisen, den Zuschlag auf das Angebot der Antragstellerin zu erteilen,

2. hilfsweise, den Antragsgegner anzuweisen, das Vergabeverfahren aufzuheben,

3. hilfsweise, das Vergabeverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung des Vergabesenats unter Einschluss des Angebots der Antragstellerin fortzusetzen.

Der Antragsgegner stellt den Antrag,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Er trägt vor,

der Rechtsweg zum Vergabesenat sei nicht eröffnet; auch sei der Zuschlag bereits erteilt. Der Schwellenwert sei nicht überschritten, weil die Erneuerung der Tonanlage in technischer, wirtschaftlicher und zeitlicher Hinsicht in keinem Zusammenhang mit den weiteren Einzelaufträgen zur Sanierung des R.Theaters stehe. Die Instandsetzungs- und Anpassungsarbeiten erfolgten über mehrere Jahre und bildeten vergaberechtlich keine Einheit. Bei der Erneuerung der Tonanlage handele es sich um eine Baumaßnahme, weil ein Großteil der Anlagenkomponenten fest eingebaut und für den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Theaters unerlässlich sei. Die Beschallungsanlage sei konkret nach den Bedürfnissen der Einbausituation der Vergabestelle zu gestalten; geschuldet werde auch die abnahme- und betriebsbereite Montage inklusive aller Materialien. Der Antragstellerin sei aus einer etwaigen nicht durchgeführten europaweiten Ausschreibung kein Nachteil erwachsen. Ganz abgesehen davon sei ihr Angebot zwingend auszuschließen, weil es die technischen Anforderungen der Verdingungsunterlagen nicht erfülle. Die Verstärker - Pos. 03.03.01 - seien ohne digitalen Eingang angeboten worden (Typ B. XR 4000). Es treffe auch nicht zu, dass in dieser Position ein AES/EBU-Interface einkalkuliert worden sei. Das Angebot enthalte nur XR 4000 ohne Hinweis auf zusätzliche Bauteile. Der ausgeschriebene Verstärker benötige keine Umwandlung. Bei den Lautsprechern seien in mehreren Positionen die erforderlichen dB Werte nicht erreicht, auch seien Abstrahlcharakteristiken und Einbaumaße nicht eingehalten. Dem Angebot fehlten außerdem die Unterschrift unter den Instandhaltungsvertrag sowie die Ausfüllung der Beiblätter I und II. Nach Maßgabe der Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen sei die Antragstellerin zudem dazu verpflichtet gewesen, Herstellerbestätigungen zum Einsatz und der Verfügbarkeit der Produkte vorzulegen. Unter Berücksichtigung der zwingend notwendigen technischen Anforderungen für die Tonanlage sei eine produktneutrale Ausschreibung erfolgt. Den hohen Fachstandard könnten mindestens drei Produkte erfüllen. So habe ein anderer Bieter im Titel 3.01 sogar preisgünstiger angeboten als die Beigeladene. Auch habe die Antragstellerin die fehlende produktneutrale Ausschreibung nicht rechtzeitig gerügt.

Die Beigeladene hält die sofortige Beschwerde für unbegründet.

Sie trägt vor,

der Ausbau und die Ergänzung der vorhandenen Anlage bedinge zwingend die fabrikatsgebundene Ausschreibung. Es treffe nicht zu, dass die Antragstellerin nur bei ihr hätte Lieferangebote einholen können. Alle anderen Bieterfirmen hätten Produkte der Firma d&b angeboten. Der Verstärker B. XR 4000 sei nicht gleichwertig, weil er statt der ausgeschriebenen digitalen Endverstärker nur analoge Endverstärker enthalte. Dadurch sei keine Fernsteuerung und Überwachung möglich. Da dann auch das Mischpult und die Kreuzschiene auf Analogietechnik umgestellt werden müssten, wäre die Antragstellerin nicht mehr der günstigste Bieter.

Der Senat hat die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde bis zur Entscheidung über die Hauptsache verlängert und am 22.10.2009 mündlich verhandelt. Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift (Bl. 68/72 d.A.) Bezug genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache im Ergebnis keinen Erfolg. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist zulässig, im Ergebnis aber nicht begründet. Zwar liegen Verstöße gegen die Pflicht zur europaweiten Ausschreibung und zur produktneutralen Ausschreibung vor, doch hat die Antragstellerin kein dem Leistungsverzeichnis entsprechendes Produkt angeboten, so dass ihr durch die Rechtsverstöße kein Schaden entstanden ist.

1. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin war zulässig.

a) Die Vorschriften über das Nachprüfungsverfahren gemäß §§ 100 Abs. 1 Satz 1, 102 ff. GWB finden auf den streitgegenständlichen Auftrag Anwendung. Der Auftrag zur Erneuerung der Tonanlage im R.Theater war europaweit auszuschreiben. Es liegt, wie dies schon die Vergabekammer festgestellt hat, ein Lieferauftrag und kein Bauauftrag vor. Da das Ausschreibungsverfahren vor dem 30.4.2009 begonnen hat, finden noch die alten Vorschriften des GWB Anwendung (im folgenden werden die alten Vorschriften des GWB zitiert).

aa) Nach § 99 Abs. 3 GWB sind Bauaufträge Verträge über die Ausführung eines Bauvorhabens oder eines Bauwerkes für den öffentlichen Auftraggeber, das Ergebnis von Tief- oder Hochbauarbeiten ist und eine wirtschaftliche oder technische Funktion erfüllen soll. Lieferaufträge sind demgegenüber Verträge zur Beschaffung von Waren, § 99 Abs. 2 GWB, welche auch Nebenleistungen umfassen können (Satz 2). Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, dass die Bauleistung eine Arbeitsleistung am Bauwerk voraussetzt (OLG München vom 28.9.2005 - Verg 19/05). Danach kann auch die Lieferung von Gegenständen, die der Auftragnehmer den konkreten baulichen Verhältnissen anzupassen, vor Ort einzubauen oder zu montieren hat, eine Bauleistung sein. Auf der anderen Seite ist die bloße Lieferung von Baustoffen oder Bauteilen ohne individuelle auf das Bauvorhaben bezogene Be- und Verarbeitung, die keinen funktionalen Zusammenhang zu der Erstellung des Bauwerks haben, reine Lieferaufträge. Heranzuziehen ist der Anhang I zur VKR, nach welchem unter Bauinstallationen auch Elektroinstallationen, also Installation von elektrischen Leitungen und Kommunikationssystemen fallen können.

bb) Die ausgeschriebene Leistung enthält sowohl Elemente eines Bauauftrages als auch Elemente eines Lieferauftrages.

In der mündlichen Verhandlung hat der Antragsgegner erläutert, dass die Vergabestelle den Auftrag als Bauauftrag angesehen habe, weil Arbeiten am Gebäude und im Gebäude zu erbringen seien, es müssten Kabeldurchbrüche geschaffen, zum Teil ein neues Kabel- und Starkstromnetz gelegt werden und Tonschränke mit den Wänden verschraubt werden. Neben den bestehenden Kabeltrassen müssen zunächst neue Trassen gelegt werden, bevor die endgültigen installiert werden. Zum Teil sind Maurerarbeiten, wie das Schlagen von Schlitzen und Unterputzarbeiten erforderlich. Diese Ausführungen deuten auf einen Bauauftrag hin. Demgegenüber sind die ausgeschriebenen Computer lediglich miteinander zu vernetzen und zu programmieren ebenso wie die Lautsprecher- und Verstärkeranlagen, die zusätzlich zusammenmontiert werden müssen. Eine feste Verbindung zum R.Theater fehlt; die Geräte können in jedem anderen Gebäude ebenfalls miteinander vernetzt werden. Es sind keine Sondergeräte ausgeschrieben, sondern ausdrücklich Serienprodukte. Das Hauptgewicht liegt bei diesen Leistungsteilen daher bei der Lieferung, wobei die Montage und Aufstellung sowie Vernetzung nur eine Nebenverpflichtung darstellt.

48Das GWB enthält im Gegensatz zu dem Verhältnis Liefervertrag/Dienstleistungsvertrag und Dienstleistung/Bauleistung keine Regelungen dazu, wie Bau- von Lieferverträgen abzugrenzen sind. Aus dem Regelungsgehalt von § 99 Abs. 6 GWB kann aber geschlossen werden, dass sich der Charakter der geschuldeten Leistung grundsätzlich nach dem Schwerpunkt der geschuldeten Leistung richtet. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 21.2.2008 - C-412/04). Es ist daher festzustellen, auf welchem Gebiet der Schwerpunkt der Arbeiten liegt.

Der Schwerpunkt liegt auf der Lieferung. Wie sich bereits aus den Zusätzlichen Vertragsbedingungen ergibt, wünscht die Vergabestelle keine individuellen, auf das jeweilige Gebäude angefertigten Geräte und Ausstattungsteile, sondern explizit Serienprodukte. Diese Serienprodukte werden zwar in den Räumen des Theaters aufgestellt und montiert, doch können sie jederzeit für andere Zwecke wieder abgebaut und verwendet werden. Das hat wohl auch die Vergabestelle so gesehen, weil sie selbst in ihrem Bericht schreibt, dass die Kosten für die Bühnentechnik und die MSR-Technik keine Hochbaukosten sind. Das Hauptaugenmerk des Auftrags liegt auch nicht auf irgendwelchen optischen baulichen Veränderungen, sondern auf der Umstellung der analogen Technik auf die Digitaltechnik. Dieser Teil des Auftrags macht aber den Hauptteil des Auftrags aus. Die reinen Baumaßnahmen belaufen sich nur, wie sich ebenfalls aus den Bemerkungen der Vergabestelle selbst ergibt, auf einen Bruchteil der gesamten ausgeschriebenen Maßnahme aus (93.000 € zu ca. 1,7 Mio. €). Das bedeutet, dass insgesamt von einem Lieferauftrag auszugehen ist. Der Schwellenwert für eine europaweite Ausschreibung liegt bei einen Lieferauftrag bei 206.000 € und ist damit weit überschritten.

Es kann dahinstehen, ob dieser Lieferauftrag nur Teil eines übergeordneten Bauauftrages ist oder nicht. Wenn er kein Teil, also kein Los der übergeordneten Baumaßnahme ist, ist er nach den obigen Ausführungen auszuschreiben. Wenn er aber ein Teil eines übergeordneten Bauauftrages wäre, ist er ebenfalls europaweit auszuschreiben, weil auch Einzellose über 1 Mio. € europaweit auszuschreiben sind.

b) Der Antragstellerin steht die Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB zu. Nach dieser Vorschrift ist antragsbefugt jedes Unternehmen, welches ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB geltend macht. Dabei hat das Unternehmen darzulegen, dass ihm durch die behauptete Rechtsverletzung ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

Nach gefestigter Rechtsprechung des EuGH, des BVerfG, des BGH und der Oberlandesgerichte reicht es für die Bejahung der Antragsbefugnis als einer Zulässigkeitsvoraussetzung aus, dass schlüssig vorgetragen wird, dass dem Antragsteller durch die Nichtberücksichtigung seines Angebotes ein Schaden droht. Der Schaden besteht darin, dass durch den behaupteten Rechtsverstoß die Chancen des Bieters auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können. An die Darlegung eines drohenden Schadens sind wegen des Rechts auf Gewährung effektiven Rechtschutzes keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Es ist vielmehr ausreichend, wenn ein Schaden nicht offensichtlich ausgeschlossen ist. Ob tatsächlich ein Schaden eingetreten ist oder droht, ist eine Frage der Begründetheit. Darum ist auch die Frage, ob das eigene Angebot des Bieters möglicherweise ausgeschlossen werden muss, erst in der Begründetheitsstation zu prüfen. Der Zugang zum Nachprüfungsverfahren darf dem Bieter nicht mit der Begründung verwehrt werden, sein eigenes Angebot sei bereits aus anderen Gründen als den zur Nachprüfung gestellten Gründen auszuschließen (vgl. zum ganzen Möllenkamp in Kulartz/Kus/Portz GWB Vergaberecht § 107 Rn. 35 ff.; EuGH vom 19.6.2003 - C-249/01 - Hackermüller; BVerfG vom 29.7.2004 - 2 BvR 2248/03; BGH vom 18.5.2004 - X ZB 7/04 und vom 26.9.2006 - X ZB 14/06; OLG München vom 15.10.2009 - Verg 14/09 in ständiger Rechtsprechung).

c) Die Antragstellerin ist ihrer Rügeverpflichtung nach § 107 Abs. 3 GWB nachgekommen. Nach dieser Vorschrift ist ein Nachprüfungsantrag dann unzulässig, wenn der Antragsteller den gerügten Verstoß bereits im Vergabeverfahren erkannt und nicht unverzüglich gegenüber dem Auftraggeber gerügt hat. Von den Vergaberechtsverstößen, welche die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren geltend macht, hat sie selbst - vor Einschaltung ihres Verfahrensbevollmächtigten - den Verstoß gegen die Pflicht zur produktneutralen Ausschreibung erkannt. Diesen Verstoß hat sie rechtzeitig gegenüber der Vergabestelle gerügt.

54Bereits in ihrem Begleitschreiben zum Angebot hat die Antragstellerin die Vergabestelle unmissverständlich darauf aufmerksam gemacht, dass in Titel 3 verdeckt bestimmte Produkte ausgeschrieben worden sind und es dadurch zu einer Wettbewerbsverzerrung kommt. Die Antragstellerin hat auch das Produkt genannt, welches verdeckt hinter den Angaben im Leistungsverzeichnis steht (vgl. hierzu OLG München vom 2.8.2007 - Verg 7/07). Sinn der Rüge ist es, dem Auftraggeber die Möglichkeit der Heilung der aufgezeigten Mängel bereits im Vergabeverfahren zu ermöglichen, damit zeitraubende Nachprüfungsverfahren vermieden werden können. Der Rüge muss daher eine konkrete vergaberechtliche Beanstandung zu entnehmen sein (OLG München vom 26.6.2007 - Vrg 6/07). An den Inhalt einer Rüge dürfen aber ansonsten, um die Gewährung effektiven Rechtschutzes sicherzustellen, nur geringe Anforderungen gestellt werden. Zum notwendigen Bestandteil einer Rüge gehört daher weder, dass der Bieter das Wort „Rüge“ benutzt, noch, dass er die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens androht (Wiese in Kulartz/Kus/Portz GWB-Vergaberecht § 107 Rn. 99 m.w.N.). Für derartige Anforderungen ergeben sich auch keinerlei Anhaltspunkte aus dem Gesetzestext. Das Schreiben der Antragstellerin ist unter diesen Gesichtspunkten als ausreichende Rüge anzusehen.

Die Rüge ist auch rechtzeitig erfolgt. Die Antragstellerin war bei Empfang der Ausschreibungsunterlagen nicht dazu verpflichtet, unverzüglich die Unterlagen auf Fehler durchzuschauen (OLG München vom 7.8.2007 - Verg 26/03), dies umso weniger, als die Vergabestelle gar keine europaweite Ausschreibung in die Wege geleitet hatte, so dass eine Rügeverpflichtung gemäß § 107 Abs. 3 GWB gar nicht bestand. Wenn die Vergabestelle pflichtwidrig nicht europaweit ausschreibt, kann sich der Bieter in seinen Handlungen zunächst darauf verlassen. Von einem Bieter kann nicht verlangt werden, dass er schlauer zu sein hat als die Vergabestelle. Der Antragsgegner kann sich daher nicht darauf berufen, dass die Antragstellerin trotz der nationalen Ausschreibung unverzüglich nach Erkennen des Verstoßes diesen hätte rügen müssen. Dies wäre nur dann zu fordern, wenn die Antragstellerin bereits während des Vergabeverfahrens erkannt hätte, dass ein Verstoß gegen die Pflicht zur europaweiten Ausschreibung vorlag. Dies war aber nicht der Fall. Die Rüge im Angebotsbegleitschreiben ist damit rechtzeitig erfolgt.

d) Dem Nachprüfungsantrag steht nicht entgegen, dass die Vergabestelle zwischenzeitlich den Zuschlag erteilt hat. Zwar kann ein einmal erteilter Zuschlag nach § 114 Abs. 2 Satz 1 GWB nicht mehr aufgehoben werden, doch ist der hier erteilte Zuschlag von Anfang an nichtig gewesen. Bei der an sich erforderlichen europaweiten Ausschreibung gebietet es § 13 VgV a.F., den nicht berücksichtigten Bietern mitzuteilen, aus welchen Gründen ihr Angebot nicht berücksichtigt worden ist und welchem der Bieter der Zuschlag erteilt werden soll. Eine solche Mitteilung fehlt; die Mitteilung nach § 27 Nr. 1 VOB/A kann wegen der fehlenden Angaben zur Zuschlagsabsicht auch nicht in eine Mitteilung nach § 13 VgV umgedeutet werden. Wird aber eine solche Information nicht erteilt, ist nach § 13 Abs. 6 VgV der dennoch abgeschlossene Vertrag nichtig.

2. Der Nachprüfungsantrag ist aber im Ergebnis nicht begründet. Es liegen zwar gravierende Vergabeverstöße vor, doch hätte die Antragstellerin auch bei Einhaltung der Vergaberegeln keine Aussicht auf Erteilung des Zuschlags gehabt, so dass sich die Vergaberechtsverstöße für sie nicht negativ ausgewirkt haben.

58a) Wie bereits oben ausgeführt, hat die Vergabestelle gegen ihre Pflicht zur europaweiten Ausschreibung verstoßen. Der Schwellenwert für einen Lieferauftrag ist weit überschritten. Doch hat sich dieser Rechtsverstoß für die Antragstellerin nicht kausal ausgewirkt, da sie sich an der Ausschreibung ohne Benachteiligung beteiligen konnte. Es trifft zwar zu, dass der Verstoß gegen die Pflicht zur europaweiten Ausschreibung einen gravierenden Verstoß darstellt, der eklatant gegen den Wettbewerbsgrundsatz und europäisches Recht verstößt. Das Nachprüfungsverfahren ist aber als Individualverfahren ausgestaltet, welches dem Rechtsschutz des einzelnen Bieters und nicht der allgemeinen Rechtmäßigkeitskontrolle des Ausschreibungsverfahrens dient. Ein Bieter, der einen Verstoß gegen die Pflicht zur europaweiten Ausschreibung geltend macht, hat daher nur dann Erfolg, wenn er selbst und individuell durch die fehlende europaweite Ausschreibung in seinen Rechten verletzt worden ist. Die Rechtsverletzung kann darin liegen, dass er durch die fehlende europaweite Ausschreibung an der Abgabe eines Angebotes gehindert worden ist, oder darin, dass er zwar ein Angebot abgeben konnte, aber durch die Nichtanwendung der sogenannten a-Paragraphen einen rechtlichen Nachteil erleidet (OLG Koblenz vom 8.12.2008 - 1 Verg 4/08). Beides ist bei der Antragstellerin offensichtlich nicht der Fall.

b) Gleichzeitig hat die Vergabestelle die Ausschreibung fehlerhaft nicht nach den Vorschriften der VOL/A, sondern der VOB/A durchgeführt. Doch auch dieser Verstoß hat sich nicht zu Lasten der Antragstellerin ausgewirkt, weil sich die Vorschriften der VOB/A und VOL/A in den streitgegenständlichen Problemen des Verstoßes gegen die Pflicht zur produktneutralen Ausschreibung und des Ausschlusses eines Angebotes wegen der fehlenden Übereinstimmung mit den Anforderungen des Leistungsverzeichnisses nicht grundlegend unterscheiden.

c) Die Vergabestelle hat gegen ihre Pflicht zur produktneutralen Ausschreibung verstoßen. Im Leistungsverzeichnis sind nicht nur an einzelnen Stellen ausdrücklich bestimmte Produkte genannt, sondern durchwegs im Titel 3 verdeckt bestimmte Produkte ausgeschrieben, ohne dass hierfür ein rechtfertigender Grund vorliegt.

§ 8 Abs. 3 Satz 3 VOL/A schreibt vor, dass bestimmte Erzeugnisse nur dann ausdrücklich vorgeschrieben werden dürfen, wenn dies durch die Art der zu vergebenden Leistung gerechtfertigt ist. Nach § 8 Nr. 3 Abs. 5 VOL/A dürfen Bezeichnungen für bestimmte Erzeugnisse oder Verfahren (z.B. Markennamen) ausnahmsweise, jedoch nur mit dem Zusatz „oder gleichwertiger Art“ verwendet werden, wenn eine Beschreibung durch hinreichend genaue, allgemeinverständliche Bezeichnungen nicht möglich ist. Zwar ist der öffentliche Auftraggeber in der Auswahl der von ihm zu beschaffenden Leistungen frei. Er kann bestimmen, welche Anforderungen an die Tonanlage zu stellen sind. Grenze ist aber die Verpflichtung zur produktneutralen Ausschreibung. Gegen diese wird nicht nur dann verstoßen, wenn Leitfabrikate offen in das Leistungsverzeichnis aufgenommen werden, sondern auch dann, wenn durch die Vielzahl der Vorgaben verdeckt ein Leitfabrikat ausgeschrieben wird, weil nur ein bestimmtes Produkt allen Vorgaben gerecht wird (OLG München vom 17.9.2007 - Verg 10/07). Würde allein das Streichen der Fabrikatsangaben aus einem Leistungsverzeichnis zu einer produktneutralen Ausschreibung führen, wäre der Umgehung Tür und Tor geöffnet. Die Vorgabe eines bestimmten Produktes kann nur in Ausnahmefällen - als Ausnahme vom Grundsatz des freien Wettbewerbs - gerechtfertigt sein, wie z.B. dann, wenn bestimmte Elemente an bereits bestehende Elemente angekoppelt werden müssen und andere Produkte nicht integriert werden können.

Nach diesen Grundsätzen widerspricht die Ausschreibung der Vergabestelle der Verpflichtung zur produktneutralen Ausschreibung in erheblichem Maße. Wie die mündliche Verhandlung ergeben hat, bleiben nur wenige Lautsprecher des Fabrikats d&b übrig, die weiter verwendet werden sollen. Alle anderen technischen Geräte sollen wegen der Umstellung auf digitale Übertragung ausgetauscht werden. Dieser Sachverhalt rechtfertigt keineswegs das durchgängige Vorschreiben eines bestimmten Fabrikats. Auch wenn Titel 3 des Leistungsverzeichnisses bis auf wenige Stellen keine offenen Fabrikatsangaben enthält, sind doch offensichtlich bestimmte Produkte der Firma d&b ausgeschrieben. Der Senat kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Prospektangaben des Herstellers mehr oder weniger abkopiert worden sind. Dies belegen nicht nur die minutiösen Angaben zu den Maßen und Gewichten der technischen Geräte, sondern auch Textteile des Leistungsverzeichnisses, die keine Beschreibung der Leistung, sondern reine Werbeaussagen enthalten, wie z.B. „dadurch entsteht ein reduziertes Diffusschallfeld im Tieftonbereich und somit eine extrem präzise Tonwiedergabe“. Außerdem wurde an einer Stelle übersehen, den Abstrahlwinkel E 12 zu löschen.

Der Verstoß gegen die produktneutrale Ausschreibung hat sich auf das Angebot der Antragstellerin auch negativ ausgewirkt. Nach ihren Angaben ist es ihr nicht gelungen, das gewünschte Produkt zu einem annehmbaren Preis anbieten zu können.

c) Es kann dahinstehen, ob die Information der Antragstellerin darüber, dass ihr Angebot ausgeschlossen werden musste, zu knapp war. In der Tat konnte die Antragstellerin aus dem Absageschreiben nicht entnehmen, aus welchem konkreten Grund ihr Angebot ausgeschlossen worden war. Doch hat sich dieser Verstoß nicht nachteilig auf die Rechtsposition der Antragstellerin ausgewirkt. Die Information hat sie zwischenzeitlich erhalten.

65d) Auch wenn ein Verstoß gegen die Pflicht zur produktneutralen Ausschreibung vorliegt, ist der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin nicht begründet, weil ihr trotz des Rechtsverstoßes kein Schaden entsteht, da auf ihr eigenes Angebot der Zuschlag nicht erteilt werden kann. Ihr Angebot entspricht nicht in allen Punkten den Anforderungen des Leistungsverzeichnisses. Soweit dies Punkte betrifft, welche sich aus der Verletzung der Pflicht zur produktneutralen Ausschreibung ergeben, ist dies allerdings unschädlich. Hierzu zählen die Abweichungen hinsichtlich Maßen und Gewicht der einzelnen Geräte sowie die Dezibelwerte für die einzelnen Geräte. Hier ist nicht auszuschließen, dass der geforderte Mindestdezibelwert von 105 nicht auch durch anders zusammengestellte und vernetzte Geräte erreicht werden kann.

Anders ist es aber mit Anforderungen, welche die Vergabestelle unabhängig von der Vorgabe eines bestimmten Produktes gestellt hat. Hierbei handelt es sich um die Vorgabe, dass die Umstellung auf die digitale Übertragung gewünscht wird, und hier weiter speziell um die Vorgabe zu Position 03.03.0001, dass die dort ausgeschriebenen Verstärker einen digitalen Eingang haben sollen. In der mündlichen Verhandlung hat sich herausgestellt, dass die von der Antragstellerin unter dieser Position angebotenen Geräte einen nach Angaben der Antragstellerin miteinkalkulierten Konverter benötigen, der ein Zusatzgerät darstellt und das gesendete digitale Signal in ein analoges Signal für den Verstärker umwandelt. Der von der Antragstellerin angebotene Verstärker verfügt daher nicht über den geforderten Eingang. Verstärker mit digitalem Eingang werden aber nach den Angaben des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung nicht nur von der Firma d&b angeboten, sondern auch von anderen Firmen. Dem hat die Antragstellerin letztlich nicht widersprochen. Ihr Hinweis darauf, dass nur die Firma d&b ein integriertes Gerät anbiete, bezieht sich nicht auf die Forderung nach einem digitalen Eingang, sondern auf die Frage, ob ein Konverter im Gerät enthalten ist. Die Vergabestelle hatte aber ausdrücklichen einen digitalen Eingang gefordert, also ein Gerät, welches beim Empfang der Signale keine Umwandlung von digitalen in analoge Signale vornehmen muss. Das Angebot der Antragstellerin entspricht daher in diesem Punkt unabhängig von der Produktvorgabe nicht den Anforderungen des Leistungsverzeichnisses. Ein Zuschlag könnte ihr daher nicht erteilt werden; ihr Angebot ist zwingend auszuschließen, § 25 Nr. 1 Abs. 1 d VOL/A (vgl. hierzu Dittmann in Kulartz/Marx/Portz/Prieß Kommentar zur VOL/A § 25 Rn. 53, 54).

4. Die Antragstellerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass das Angebot der Beigeladenen ebenfalls auszuschließen ist und deshalb möglicherweise das gesamte Ausschreibungsverfahren aufgehoben werden müsste. Sie hat zwar vorgetragen, dass es ihr nicht möglich gewesen sei, Produkte der Firma d&b anzubieten, weil diese als allein berechtigte Vertriebspartnerin die Beigeladene benannt habe. Ein zwingender Ausschlussgrund nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 f VOL/A liegt hierin nicht. So ergibt sich schon aus dem eigenen Vortrag der Antragstellerin nicht, dass diese Anweisung von der Beigeladenen ausgegangen ist. Zudem haben alle anderen Bieter Produkte der Firma d&b anbieten können, zum Teil sogar günstiger als die Beigeladene. Die von der Antragstellerin angeführten Entscheidungen des OLG Celle (Beschluss vom 24.5.2007 - 13 Verg 4/07) und des OLG Koblenz (Beschluss vom 26.10.2005 - 1 Verg 4/07) betrafen andere Fallgestaltungen. Im Fall des OLG Celle hatte die Vergabestelle gegen ihre Verpflichtung zur losweisen Vergabe verstoßen, im Fall des OLG Koblenz ging es um ein Unterkostenangebot, welches in marktverdrängender Absicht abgegeben worden sein sollte.

5. Es trifft ebenfalls nicht zu, dass die Vergabestelle keine eigene Vergabeentscheidung getroffen hat. Wie aus den Vergabeakten ersichtlich, ist der Vergabevorschlag des Projektsteuerers von der Vergabestelle geprüft und abgezeichnet worden.

6. Soweit der Antragsgegner weitere Ausschlussgründe für das Angebot der Antragstellerin vorgebracht hat, erlaubt sich der Senat den Hinweis, dass diese nicht vorliegen.

Nach dem Formular 243.H waren in das Muster sowie die Beiblätter für den Instandhaltungsvertrag durch den Bieter einzutragen die geforderte Vergütung und die weiteren zur Vergütung erforderlichen Angaben. Die Preise ergeben sich aus Beiblatt II, eine Unterschrift war nicht verlangt, wäre aber im übrigen auch durch die Hauptunterschrift unter dem Angebot abgedeckt.

Die Antragstellerin hat durch die Beigabe der entsprechenden Produktblätter nachgewiesen, dass sie Serienprodukte anbietet. Soweit von der Vergabestelle eine Herstellerbestätigung über die Verfügbarkeit von 10 Jahren bzw. darüber hinaus von weiteren 5 Jahren verlangt, dürfte es sich um eine unzumutbare Bietererklärung handeln, da nicht nachzuvollziehen ist, wie ein Bieter eine rechtsverbindliche Erklärung dieser Art beischaffen soll. Im Verhältnis zum Auftraggeber ist eine Erklärung des Lieferanten gegenüber dem Bieter zudem ohne rechtliche Verbindlichkeit, es wird sich auch kaum ein Lieferant auf eine so weit gehende Garantie gegenüber einem Kunden einlassen. Der Bieter selbst kann eine so weit reichende Garantie nicht abgeben, weil diese nicht von dem ausgeschriebenen Auftrag umfasst ist. Im übrigen hat auch die Beigeladene eine derartige Erklärung nicht abgegeben.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO analog, § 128 Abs. 4 GWB.

Der Streitwert folgt aus § 50 Abs. 2 GKG; er beträgt 5% der Bruttoauftragssumme bzw. hier der Bruttoangebotssumme der Antragstellerin.