VG Ansbach, Urteil vom 26.11.2009 - AN 16 K 09.00087
Fundstelle
openJur 2012, 104432
  • Rkr:
Tenor

1. Die Klagen werden abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene hat seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine Informationsgewährung nach dem Verbraucherinformationsgesetz.

Die Lebensmittelüberwachung des Landratsamtes … nahm am 2. April 2007 bei dem …hersteller Bayern … in … eine Probe Hinterschinken, die ausweislich des Etiketts von der Klägerin stammt.

Am … erstellte das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (im Folgenden Landesamt genannt) ein Gutachten über die Probe vom …. Dem Gutachten sind verschiedene Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften zu entnehmen.

Mit Schreiben vom 27. Mai 2008 und 27. Juni 2008 beantragte der Beigeladene beim Landesamt die Erteilung von Informationen nach dem Verbraucherinformationsgesetz zu folgenden Punkten:

1. Anbieter (Gastronomiebetrieb, Imbiss, Bäckerei, Großhandel etc.) 2. Bezeichnung der Speise (laut Schild bzw. Speisekarte) 3. Hersteller/Vertreiber (Fleischerzeugnis) 4. Herstellungsland (Fleischerzeugnis) 5. Produktname (Fleischerzeugnis) 6. Verkehrsbezeichnung (laut Deklaration oder Analyse) 7. Fleischanteil % (laut Deklaration oder Analyse) 8. Brätanteil über 5 % (ja/nein, ggf. Anteil %) 9. Fremdwasseranteil % 10. Bindemittel/Stabilisator(en) (laut Deklaration oder Analyse) 11. Fremdeiweiß (laut Kennzeichnung oder Analyse) 12. Eiweißhydrolysate 13. Knochenpartikelanteil erhöht (ja/nein pro qcm) 14. Beanstandungsgrund 15. Anzahl untersuchter Proben/davon beanstandete Proben

jeweils bezogen auf Beanstandungen bei Kochschinken und Formfleischschinken im Zeitraum 2007/2008.

Mit Schreiben vom 9. Juli 2008 teilte das Landesamt der Klägerin mit, dass beabsichtigt sei, bei ihr vorhandene sich auf die Anfrage des Beigeladenen beziehende Informationen über von der Klägerin in den Verkehr gebrachte Kochpökelware an den Beigeladenen herauszugeben.

Die Klägerin teilte dem Landesamt mit Schreiben vom 29. Juli 2008 mit, dass der Gewährung der begehrten Informationen nicht zugestimmt werde. Zur Begründung wurde dargelegt, die Ware sei in … in den Verkehr gebracht worden und nicht in Deutschland. Somit seien auch die … Anforderungen bzw. Gesetze heranzuziehen. Das untersuchte Produkt entspreche dem … Lebensmittelgesetz. Gaststätten in Deutschland würden nicht beliefert werden. Es sei nicht nachvollziehbar, wie die Ware nach Deutschland gelangt sei.

Mit an den Beigeladenen adressierten Bescheid des Landesamtes vom 1. September 2008 wurde dem Antrag des Beigeladenen insoweit stattgegeben, als keine Ausschluss- und Beschränkungsgründe vorliegen. Der Bescheid war mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen, die auf die Möglichkeit hinwies, gegen den Bescheid Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht … zu erheben. Unter Ziff. II des Bescheides wurde verfügt, dass die Auskunft zwei Tage nach Bestandskraft des Bescheids erfolgen werde. Mit Schreiben vom 1. September 2008 übermittelte das Landesamt an die Klägerin den Bescheid vom 1. September 2008 und führte aus, die Abwägung der Interessen der Klägerin mit dem Interesse des Beigeladenen habe ergeben, dass das Interesse des Beigeladenen an der Gewährung der Informationen einem möglichen Interesse an der Nichtgewährung überwiege. Der die Klägerin betreffende Datensatz werde nach Bestandskraft des Verwaltungsaktes an den Beigeladenen herausgegeben. Der Grundverwaltungsakt werde als Anlage bekannt gegeben. Ausschluss- und Beschränkungsgründe seien nicht gegeben. Nach § 5 Abs. 3 VIG sei das Landesamt nicht verpflichtet, die inhaltliche Richtigkeit der vorhandenen Daten zu überprüfen. Die Daten würden so weitergegeben, wie sie vorhanden seien. Bekannte Zweifel an der Richtigkeit würden mitgeteilt. Der betreffende Datensatz werde mit dem Vermerk versehen, dass das Produkt nach den Angaben der Klägerin lediglich in … in den Verkehr gebracht worden sei und nach den Angaben der Klägerin dem … Lebensmittelgesetz entspreche. Diese Angaben würden lediglich weitergereicht. Eine explizite Bestätigung dieser Angaben könne nicht erfolgen. Das Schreiben war mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen, die auf die Möglichkeit hinwies, gegen diesen Bescheid Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach zu erheben.

Mit am 1. Oktober 2008 beim Bayerischen Verwaltungsgericht … per Telefax eingegangenem Schriftsatz ihres Bevollmächtigten hat die Klägerin gegen den Bescheid des Landesamtes vom 1. September 2008 Klage erhoben (M 18 K 08.4822) und beantragt,

den gegenüber dem Beigeladenen erlassenen Bescheid des Landesamtes vom 1. September 2008 aufzuheben.

Mit am 1. Oktober 2008 per Telefax beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach eingegangenem Schriftsatz ihres Bevollmächtigten hat die Klägerin gegen das an sie adressierte Schreiben vom 1. September 2008 Klage erhoben und beantragt,

den Bescheid des Landesamtes vom 1. September 2008 aufzuheben.

Zur Begründung der Klagen wurde im Wesentlichen dargelegt, der zur Übermittlung vorbereitete Datensatz sei falsch, da die angegebene Beanstandung unrichtig sei. Ihr liege ein fehlerhaftes Gutachten zu Grunde, welches rechtsirrig einen Verstoß gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften annehme. Ein solcher Verstoß sei nicht gegeben, was zur Folge habe, dass gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 VIG ein Informationsanspruch des Beigeladenen nicht bestehe. Ein Wasseranteil von 4,2 % stelle keinen Verstoß gegen das … Lebensmittelrecht dar. Der … Lebensmittelcodex sehe einen Grundwert von 4 % vor. Jedoch bestimme der Codex unter G.2 eine zulässige Toleranz von 0,2 %. Die Beanstandung „wertgemindert“ sei unzutreffend. Das Gutachten gehe zu Unrecht davon aus, dass NPN (Nicht-Protein-Stickstoff) in Form von Glycin und Lysin zugesetzt worden sei. Ein derartiger Zusatz finde bei der Klägerin generell nicht statt. Daraus folge, dass das Gutachten zu Unrecht die Angabe „1 % zugesetzte NPN“ aufweise. Aus dieser falschen Angabe resultiere eine falsche Berechnung des Eiweißanteils. Dieses eine Prozent sei dem Eiweißanteil fälschlicherweise abgezogen worden, wodurch eine unzutreffende Zahl von 18,2 % entstanden sei. Das fehlende Prozent wäre richtigerweise wieder hinzuzuaddieren gewesen, so dass ein Eiweißanteil von 19,2 % zu errechnen sei. Dieser Wert sei nach deutschem Lebensmittelrecht, welches einen Wert von 19 % vorsehe, zulässig. Der Beklagte habe nicht dargelegt, inwieweit die Ware nach … Recht wertgemindert sei. Nach Artikel 28 EG genieße das Produkt Warenverkehrsfreiheit, soweit der Beklagte nicht nachweise, dass die Ware in … nicht verkehrsfähig sei. Da Lysin und Glycin nicht zugesetzt seien, seien sie auch nicht gemäß §§ 3, 5 und 6 LMKV in das Verzeichnis der Zutaten aufzunehmen. Eine QUID-Kennzeichnung sei vorliegend nicht erforderlich, da die entsprechenden Vorschriften im B2B-Geschäftsverkehr nicht anwendbar seien und eine QUID-Kennzeichnung erst ab 5 % Wasseranteil erforderlich sei. Da das Gutachten einen Wasseranteil von 4,2 % aufweise, werde der Schwellenwert nicht erreicht.

Das Landesamt hat mit Schreiben vom 14. Oktober 2008 als Vertreter des Beklagten beantragt,

die Klage M 18 K 08.4822 als unzulässig abzuweisen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen dargelegt, da in derselben Angelegenheit eine Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach erhoben worden sei, bestehe gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG ein Prozesshindernis. Beiden Klagen liege derselbe Lebensachverhalt und somit derselbe Streitgegenstand zu Grunde. Das zentrale Rechtsschutzbegehren der Klägerin sei darauf gerichtet, den Grundverwaltungsakt, der eine Entscheidung über die Informationsgewährung enthalte, aufheben zu lassen. Der Umstand, dass der Grundverwaltungsakt und das Bekanntgabeschreiben an die Klägerin mit unterschiedlichen Rechtsbehelfsbelehrungen versehen seien, folge aus den unterschiedlichen Gerichtszuständigkeiten.

Der Klägervertreter führte mit Schreiben vom 30. Oktober 2008 unter anderem aus, die Klage M 18 K 08.4822 sei nicht unzulässig. Das Landesamt habe zwei unterschiedliche Verwaltungsakte gegenüber verschiedenen Personen erlassen. Beide Verwaltungsakte seien gesondert anfechtbar. Um den Eintritt der Bestandskraft zu verhindern, habe der Grundverwaltungsakt, der gegenüber dem Beigeladenen ergangen sei, angefochten werden müssen. Neben dem Grundverwaltungsakt habe das Landesamt einen weiteren belastenden Verwaltungsakt gegenüber der Klägerin erlassen, der erstmals eine Interessenabwägung zu Lasten der Klägerin enthalten habe.

Das Bayerische Verwaltungsgericht … verwies mit Beschluss vom 15. Dezember 2008 den Rechtsstreit M 18 K 08.4822 an das örtlich zuständige Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach, wo es unter dem Aktenzeichen AN 16 K 09.00087 fortgeführt wurde.

Das Landesamt hat mit Schreiben vom 6. April 2009 als Vertreter des Beklagten beantragt,

die Klagen abzuweisen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen dargelegt, das Landesamt sei die für das Auskunftsbegehren gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 VIG zuständige Stelle, da bei ihr die vom Informationsanspruch umfassten Daten/Informationen/Erkenntnisse vorhanden seien. Das Landesamt sei als Untersuchungsamt Behörde im Sinn des § 1 Abs. 4 VwVfG. Auf eine Außenwirkung der behördlichen Tätigkeit komme es nicht an. Die Voraussetzungen für die Erteilung der beantragten Informationen seien gegeben. Der vorliegende Antrag betreffe Daten über Beanstandungen, mithin Daten über Verstöße gegen das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch und die auf dessen Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen. Der Begriff des Verstoßes sei zu verstehen als jegliche Abweichung von den lebensmittelrechtlichen Vorschriften. Er setze kein Tätigwerden auf der Kreisverwaltungsebene voraus, insbesondere keine Rechtskraft bzw. Bestandskraft einer Entscheidung der Kreisverwaltungsbehörde. Ausschluss- und Beschränkungsgründe lägen bezüglich des geltend gemachten Informationsanspruchs nicht vor. Der Vortrag der Klägerin im Verwaltungsverfahren sei nicht geeignet gewesen, Zweifel an der Richtigkeit der vorliegenden Informationen hervorzurufen. Das Verbraucherinformationsgesetz gewähre Zugang zu Informationen, die bei einer informationspflichtigen Stelle vorhanden seien. Nach § 5 Abs. 3 VIG sei die informationspflichtige Stelle nicht verpflichtet, die inhaltliche Richtigkeit der vorliegenden Daten zu überprüfen. Es seien lediglich bekannte Hinweise auf Zweifel an der Richtigkeit mitzuteilen. Obwohl der Vortrag im Anhörungsverfahren nicht geeignet gewesen sei, Zweifel am Gutachten auszulösen, werde die Informationsgewährung mit dem Zusatz versehen, dass das Produkt nach Auffassung der Klägerin nur in … in Verkehr gebracht worden sei und nach Angaben der Klägerin … Recht entspreche. Dabei sei zu beachten, dass diese Kennzeichnung zu Gunsten der Klägerin ausfalle, da das Gutachten, das nicht im Informationsergebnis enthalten sei, von einem Verstoß gegen … Recht ausgehe und auf Grund der deutlich abweichenden Verkehrsanschauung zu dem Ergebnis gelange, dass das Produkt selbst bei der Beachtung der … Rechtsvorschriften nicht unter der Verkehrsbezeichnung des Herstellermitgliedstaats in Deutschland in Verkehr habe gebracht werden dürfen. Das Gutachten sei auf der Basis der Probeentnahmeprotokolle der Vollzugsbehörden erstellt worden. Den Kreisverwaltungsbehörden oblägen gegebenenfalls weitere Vollzugsmaßnahmen. Die Ausführungen der Klägerin zu einer angeblichen Fehlerhaftigkeit des Gutachtens gingen an der Sache vorbei. Zum einen werde nicht das Gutachten, sondern nur das Ergebnis übermittelt, zum anderen seien Einwendungen gegen das Gutachten im Rahmen eines entsprechenden Verwaltungs- oder Gerichtsverfahrens geltend zu machen.

Der Klägerbevollmächtigte führte mit Schriftsatz vom 29. April 2009 aus, die vom Beklagten vorgenommene Differenzierung zwischen dem Gutachten und dem Ergebnis des Gutachtens sei nicht nachvollziehbar. Es komme letztlich nur auf das Ergebnis des Gutachtens an, wonach die Klägerin gegen Lebensmittelrecht verstoßen habe. Da diese Informationen unzutreffend seien, beeinträchtigte dies die Klägerin in ihren Rechten. Derartige Fehlinformationen seien in hohem Maß geschäftsschädigend. Anderweitiger Rechtsschutz gegen das Gutachten des Landesamtes sei nicht möglich. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG sehe einen Informationsanspruch bei Verstößen gegen das LFGB und dessen untergesetzliche Normen vor. Da ein Verstoß nicht gegeben sei, sei die Informationsgewährung unzulässig. Da für den Entscheidungszeitpunkt des Gerichts auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen sei, müssten die Einwendungen gegen das Gutachten im gerichtlichen Verfahren berücksichtigt werden.

Mit Beschlüssen des Gerichts vom 12. Juni 2009 wurde die Verbraucherzentrale Bayern zum Verfahren notwendig beigeladen.

In der mündlichen Verhandlung am 1. Oktober 2009 wurde die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert. Die Vertreter der Klägerin und des Beklagten wiederholten ihre schriftsätzlich gestellten Anträge. Der Vertreter der Klägerin hat zusätzlich hilfsweise beantragt,

festzustellen, dass der Bescheid des Beklagten vom 1. September 2008 rechtswidrig war und die Klägerin in ihren Rechten verletzt hat.

Die Beteiligten verzichteten auf die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung für den Fall, dass der in der mündlichen Verhandlung erörterte Einigungsvorschlag nicht angenommen wird.

Wegen der übrigen Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Behördenakten und die Gerichtsakten Bezug genommen.

Gründe

Die Klagen, über die gemäß § 101 Abs. 2 VwGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden konnte, haben keinen Erfolg, da sie bereits unzulässig sind.

Die Klage mit dem Aktenzeichen AN 16 K 08.01750 ist bereits deshalb unzulässig, da sie nach Rechtshängigkeit der Klage mit dem Aktenzeichen AN 16 K 09.00087 erhoben wurde. Nach § 173 VwGO i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG kann während der Rechtshängigkeit die Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden. Beide Klagen betreffen denselben Streitgegenstand, da ein identischer prozessualer Anspruch geltend gemacht wird. Sowohl der den Klagen zugrunde liegende Lebensachverhalt als auch das an das Gericht gerichtete Rechtsschutzbegehren sind dieselben (vgl. zum sogenannten zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff, Kopp/Schenke, VwGO, 16. Auflage, § 90, RdNr. 7). Die Klagen richten sich nämlich gegen die Entscheidung des Beklagten, Informationen über Produkte der Klägerin an den Beigeladenen herauszugeben, mithin gegen den so genannten Grundverwaltungsakt. Diese Entscheidung des Beklagten stellt einen Verwaltungsakt mit Drittwirkung dar, der einerseits den Beigeladenen insoweit begünstigt, als dem Antrag auf Informationsgewährung dem Grunde nach stattgegeben wird, und andererseits die Klägerin belastet. Entsprechend der Vorgabe des § 4 Abs. 3 Satz 2 Verbraucherinformationsgesetz (VIG) wurde der Grundverwaltungsakt durch das Landesamt auch an die Klägerin als Dritten bekannt gegeben. Bei dem Schreiben des Landesamtes vom 1. September 2008 an die Klägerin, dem als Anlage der Grundverwaltungsakt beigefügt war, handelte es sich somit um ein Bekanntgabeschreiben, mit dem der Grundverwaltungsakt der Klägerin zur Kenntnis gebracht wurde und das keinen eigenen über den Grundverwaltungsakt hinausgehenden Regelungsgehalt aufweist. Soweit die Klägerseite darauf verweist, das Bekanntgabeschreiben enthalte eine gesonderte Interessenabwägung, übersieht sie, dass die Entscheidung über die Informationsgewährung und somit auch die Interessenabwägung bereits im Grundverwaltungsakt getroffen wurde. Da sich der Grundverwaltungsakt auf Informationen bezieht, die unterschiedliche Firmen betreffen, wurden die von den Dritten im Verwaltungsverfahren erhobenen Einwendungen gegen die beabsichtigte Informationsgewährung nicht im Grundverwaltungsakt, sondern in den jeweiligen Bekanntgabeschreiben näher erläutert. Dies war auch deshalb notwendig, da gemäß § 4 Abs. 3 Satz 3 VIG Informationen nicht vor der Bestandskraft des Grundverwaltungsaktes herausgegeben werden dürfen. Aus dem Umstand, dass dem Bekanntgabeschreiben eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt ist, die als das im Fall der Klageerhebung zuständige Gericht das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach benennt, folgt nicht, dass das Bekanntgabeschreiben gesondert anfechtbar ist. Diese Rechtsbehelfsbelehrung ist vor dem Hintergrund des § 52 Nr. 3 VwGO zu sehen, wonach eine Zuständigkeit des Bayerischen Verwaltungsgerichts … oder des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach gegeben ist, je nach dem ob der Beigeladene oder die Klägerin Klage gegen den Grundverwaltungsakt erhebt. Da die Rechtshängigkeit gemäß § 90 VwGO mit der Klageerhebung eintritt, wurde die am 1. Oktober 2008 ausweislich des Zeitstempels auf dem Telefax um 23.02 Uhr beim Bayerischen Verwaltungsgericht … eingegangene Klage mit dem Aktenzeichen AN 16 K 09.00087 vor der am 1. Oktober 2009 per Telefax um 23.06 Uhr beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach eingegangenen Klage mit dem Aktenzeichen AN 16 K 08.01750 erhoben. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Klage mit dem Aktenzeichen AN 16 K 09.00087 beim Bayerischen Verwaltungsgericht … erhoben wurde, welches sie mit Beschluss vom 15. Dezember 2008 an das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach verwiesen hat. Denn die Verweisung erhält gemäß § 173 VwGO, § 17 b Abs. 1 Satz 2 GVG die Rechtshängigkeit der Klage.

Die Klagen sind hinsichtlich der Hauptanträge, die auf Aufhebung des Grundverwaltungsaktes vom 1. September 2008 gerichtet sind, auch deshalb unzulässig, da sich der streitgegenständliche Grundverwaltungsakt mittlerweile erledigt hat, so dass die Anfechtungsklagen unstatthaft sind. Eine Erledigung ist eingetreten, da die begehrte Aufhebung des Grundverwaltungsaktes sinnlos geworden ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Auflage, § 113, RdNr. 102) und der Klägerin keinen Vorteil bringen kann. Der Beigeladene verfügt bereits über die streitgegenständlichen Informationen, da der Klägerbevollmächtigte sie als Anlage den Klageschriftsätzen beigefügt hat. Entsprechend der sich aus § 65 Abs. 4 Satz 2 VwGO ergebenden Informationspflicht des Gerichts wurde der Klageschriftsatz einschließlich der Anlagen an den Beigeladenen zusammen mit dem Beiladungsbeschluss übermittelt.

Die hilfsweise erhobenen Fortsetzungsfeststellungsklagen sind ebenfalls unzulässig. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage ist nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO, dass der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsaktes hat. Hierfür genügt jedes nach Lage des Falls anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art (vgl. BVerwGE 26, 161). Ein Feststellungsinteresse kommt nach allgemeiner Meinung insbesondere in Betracht bei einer Wiederholungsgefahr, bei einem Rehabilitierungsinteresse und bei Vorgreiflichkeit für einen Amtshaftungsanspruch (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Auflage, § 113, RdNr. 136 ff.). Dabei hat der Kläger die Umstände darzulegen, aus denen sich das Feststellungsinteresse ergibt (vgl. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 113, RdNr. 90).

Soweit die Klägerin ihr Feststellungsinteresse mit ihrem Interesse an einer Rechtssicherheit hinsichtlich der durch das Verbraucherinformationsgesetz entstandenen offenen Rechtsfragen begründet, kann hierin kein berechtigtes Interesse im Sinn des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO gesehen werden, da das abstrakte Interesse an der Klärung der Rechtslage hierfür nicht ausreicht (vgl. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O.). Ein darüber hinausgehendes Feststellungsinteresse hat die Klägerin nicht dargetan.

Im Übrigen sind die Fortsetzungsfeststellungsklagen auch unbegründet. Der Grundverwaltungsakt des Landesamtes vom 1. September 2008 war, soweit er die Klägerin betrifft, rechtmäßig und hat die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO).

Rechtsgrundlage für den angefochtenen Grundverwaltungsakt ist § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG. Danach hat jeder nach Maßgabe des Verbraucherinformationsgesetzes Anspruch auf freien Zugang zu allen Daten über Verstöße gegen das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch, gegen die auf Grund des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches erlassenen Rechtsverordnungen und gegen unmittelbar geltende Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft im Anwendungsbereich des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches sowie Maßnahmen und Entscheidungen, die im Zusammenhang mit solchen Verstößen getroffen worden sind, die bei einer Stelle im Sinne des Absatzes 2 unabhängig von der Art ihrer Speicherung vorhanden sind. Dieser Anspruch besteht insoweit, als kein Ausschluss- oder Beschränkungsgrund nach § 2 VIG vorliegt (§ 1 Abs. 1 Satz 2 VIG). Stelle im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 VIG ist jede Behörde im Sinne des § 1 Abs. 4 VwVfG, die auf Grund anderer bundesrechtlicher oder landesrechtlicher Vorschriften öffentlich-rechtliche Aufgaben oder Tätigkeiten wahrnimmt, die der Erfüllung der in § 1 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches genannten Zwecke dienen.

Das Landesamt ist auskunftspflichtige Stelle im Sinn des § 1 Abs. 2 VIG. Es nimmt nach Art. 5 Abs. 1 GDVG unter anderem zentrale überregionale Fachaufgaben im Bereich der Sicherheit von Lebensmitteln und somit Aufgaben, die der Erfüllung der in § 1 LFGB genannten Zwecke dienen, wahr. Das Landesamt ist Behörde im Sinne des § 1 Abs. 4 VwVfG. Für die Eigenschaft als Behörde kommt es auf eine Außenwirkung der behördlichen Tätigkeit nicht an (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Auflage, § 1, RdNr. 243), so dass auch Fachbehörden ohne eigene Vollzugstätigkeit - wie dies hinsichtlich des Landesamtes im Bereich der Gutachtenerstellung der Fall ist (vgl. BayVGH vom 5.3.2003, 25 CE 03.175) - unter den Behördenbegriff fallen.

Mit dem vom Beigeladenen gestellten Antrag wurden Informationen über Beanstandungen und somit über Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften - also Abweichungen von den lebensmittelrechtlichen Anforderungen - hinsichtlich der Produkte Kochschinken, Formfleischschinken und Schinkenimitaten begehrt. Derartige die Klägerin betreffende Informationen sind beim Landesamt vorhanden, da dort ein Gutachten vom … existiert, das das Ergebnis einer Untersuchung eines von der Klägerin stammenden Fleischproduktes enthält. Nach der Beurteilung des Landesamtes wird die untersuchte Probe den lebensmittelrechtlichen Anforderungen nicht in vollem Umfang gerecht. Zur Begründung des Informationsanspruches nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG ist nicht erforderlich, dass der Verstoß zu einem Tätigwerden der zuständigen (Vollzugs-)Behörde geführt hat. Dies ist dem Wortlaut der Vorschrift zu entnehmen, wonach der Informationsanspruch hinsichtlich des Verstoßes sowie hinsichtlich der Maßnahmen, die im Zusammenhang mit solchen Verstößen getroffen werden, besteht. Diese wortlautorientierte Auslegung wird durch die Systematik des Verbraucherinformationsgesetzes bestätigt. Nach § 2 Satz 1 Nr. 1 b VIG besteht - wenn ein Verstoß vorliegt - auch während eines laufenden Verwaltungsverfahrens, das die begehrte Information zum Gegenstand hat, ein Informationsanspruch. Dem ist zu entnehmen, dass ein Verwaltungsverfahren nicht abgeschlossen zu sein braucht. Somit besteht ein Informationsanspruch erst recht dann, wenn - wie dies vorliegend der Fall ist - ein Verwaltungsverfahren überhaupt (noch) nicht eingeleitet wurde.

Dem Informationsanspruch steht kein Ausschluss- und Beschränkungsgrund des § 2 VIG entgegen. Der in § 2 Satz 1 Nr. 1 b VIG genannte öffentliche Belang ist nicht gegeben, da ein in dieser Vorschrift genanntes Verfahren nicht eingeleitet wurde.

Ebenso sind keine entgegenstehenden privaten Belange vorhanden. Insbesondere steht nicht der in § 2 Satz 1 Nr. 2 c VIG genannte private Belang der Offenbarung von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen dem Informationsanspruch entgegen. Nach § 2 Satz 3 VIG fallen Informationen über Verstöße im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG nicht unter ein in § 2 Satz 1 Nr. 2 c VIG genanntes Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis. Wie aus der Gesetzesbegründung deutlich wird, besteht regelmäßig kein berechtigtes wirtschaftliches Interesse, Rechtsverstöße nicht zu offenbaren (BT-Drs. 16/5404, Seite 12). Im Übrigen ist in den zur Weitergabe vorgesehenen Informationen kein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis zu erkennen. Ein solches ist nur dann gegeben, wenn Tatsachen, die im Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb stehen, nur einem begrenzten Personenkreis bekannt sind und nach dem Willen des Unternehmers geheim gehalten werden sollen (BT-Drs. 16/5404, Seite 12). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Gegenstand des Auskunftsbegehrens des Beigeladenen sind Informationen über Zusammensetzung und Beschaffenheit von Lebensmittelprodukten und deren Konformität mit den gesetzlichen Vorgaben. Die Produkte der Klägerin sind im Handel frei erhältlich mit der Folge, dass die Produkte von jedermann, der das ausreichende Fachwissen und die entsprechenden Vorrichtungen besitzt, beprobt und analysiert werden können (vgl. VG Magdeburg vom 18.7.2006, 5 A 383/05).

Soweit die Klägerseite die Richtigkeit der zur Herausgabe vorgesehenen Informationen und des diesen Informationen zugrunde liegenden Gutachtens des Landesamtes bestreitet, ist dem entgegenzuhalten, dass der Beklagte gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 VIG nicht verpflichtet ist, die inhaltliche Richtigkeit der Informationen zu überprüfen. Es besteht lediglich die Pflicht für die informationspflichtige Stelle, bekannte Hinweise auf Zweifel an der Richtigkeit der Informationen mitzuteilen (§ 5 Abs. 3 Satz 2 VIG). Bedenken gegen die Gültigkeit des § 5 Abs. 3 VIG - wie sie in der Literatur geäußert werden (vgl. Werner, ZLR 1/2008, Seite 115 ff.) - bestehen nicht. Insbesondere ist ein Verstoß gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 GG nicht gegeben. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 105, 252) schützt Art. 12 Abs. 1 GG zum einen nicht vor der Verbreitung von inhaltlich zutreffenden und unter Beachtung des Gebots der Sachlichkeit sowie mit angemessener Zurückhaltung formulierten Informationen durch einen Träger der Staatsgewalt. Zum anderen besteht auch kein Schutz davor, dass der Staat Informationen herausgibt, deren Richtigkeit noch nicht abschließend geklärt ist. In solchen Fällen hängt die Rechtmäßigkeit der staatlichen Informationstätigkeit davon ab, ob der Sachverhalt vor seiner Verbreitung im Rahmen des Möglichen sorgsam und unter Nutzung verfügbarer Informationsquellen, gegebenenfalls auch unter Anhörung Betroffener, sowie in dem Bemühen um die nach den Umständen erreichbare Verlässlichkeit aufgeklärt worden ist. Verbleiben dennoch Unsicherheiten in tatsächlicher Hinsicht, ist der Staat an der Verbreitung der Informationen gleichwohl jedenfalls dann nicht gehindert, wenn es im öffentlichen Interesse liegt, dass die Marktteilnehmer über einen für ihr Verhalten wichtigen Umstand, etwa ein Verbraucherrisiko, aufgeklärt werden. In solchen Fällen wird es angezeigt sein, die Marktteilnehmer auf verbleibende Unsicherheiten über die Richtigkeit einer Information hinzuweisen, um sie in die Lage zu versetzen, selbst zu entscheiden, wie sie mit der Ungewissheit umgehen wollen. Diese vom Bundesverfassungsgericht herausgearbeiteten Grundsätze greift das Verbraucherinformationsgesetz auf, indem einerseits auf die Verpflichtung zur Beachtung der Richtigkeit und Sachlichkeit (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drs. 16/5405, Seite 11) hingewiesen wird und andererseits eine Verpflichtung zur Prüfung der inhaltlichen Richtigkeit der Informationen nicht gefordert wird, sondern lediglich eine Weitergabe von Hinweisen auf Zweifel an der Richtigkeit der Informationen vorgesehen ist. Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen verstößt § 5 Abs. 3 VIG auch nicht gegen die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG. Zwar findet eine Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der zur Veröffentlichung bestimmten Informationen nicht statt, da der gerichtliche Prüfungsmaßstab nicht weitergehen kann als der kraft Gesetzes der Behörde eingeräumte Prüfungsmaßstab, allerdings unterliegt der gerichtlichen Kontrolle, ob der Dritte Gelegenheit hatte, im Verwaltungsverfahren seine Einwendungen zu erheben, und ob die Behörde hieraus resultierende Zweifel an der Richtigkeit der Informationen weitergegeben hat.

Der Beklagte hat diese Vorgaben beachtet. Entsprechend der Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 1 VIG wurde der Klägerin Gelegenheit gegeben, zum Antrag des Beigeladenen Stellung zu nehmen. Die im Verwaltungsverfahren durch die Klägerin erhobenen Einwendungen, wonach das Produkt den gesetzlichen Anforderungen in … genüge, hat das Landesamt gewürdigt, indem es den zur Weitergabe bestimmten Datensatz mit dem Zusatz versehen wird, dass das beanstandete Produkt nach Angaben der Klägerin lediglich in … in den Verkehr gebracht worden sei und dem … Lebensmittelgesetz entspreche. Soweit nunmehr im gerichtlichen Verfahren weitere Einwendungen gegen die Richtigkeit der Informationen erhoben bzw. die Einwendungen präzisiert wurden, ist dies für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Grundverwaltungsaktes unbeachtlich, da für die gerichtliche Überprüfung der streitgegenständlichen Entscheidung auf die zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgebliche Sach- und Rechtslage abzustellen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bestimmt sich der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage nach dem materiellen Recht (BVerwGE 34,155). Dies ist bei der Anfechtungsklage und somit auch bei deren Fortführung als Fortsetzungsfeststellungsklage, wenn das in der Sache anwendbare materielle Recht nichts anderes bestimmt, die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung.

Nach alledem waren die Klagen abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Nachdem der Beigeladene keinen eigenen Sachantrag gestellt hat und sich daher keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat, entspricht es billigem Ermessen, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 154 Abs. 3 VwGO, § 162 Abs. 3 VwGO).

Hinsichtlich der Kosten ist das Urteil gemäß § 167 VwGO, § 708 Nr. 11 ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären.

 

Beschluss

Der Streitwert wird bis zur Verbindung der Verfahren auf 5.000 EUR festgesetzt. Ab dem Zeitpunkt der Verbindung der Verfahren wird der Streitwert auf 10.000 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 2 GKG).