Bayerischer VGH, Beschluss vom 26.11.2009 - 9 CE 09.2917
Fundstelle
openJur 2012, 104173
  • Rkr:
Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde (§ 146 Abs. 1, 4, § 147 VwGO) ist nicht begründet.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag, dem Antragsgegner aufzugeben, zu dulden, dass der Antragsteller in seinem Schlachtbetrieb für muslimische Gläubige zum Opferfest vom 27. bis 28. November 2009 150 Schafe i.S.d. § 4a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG ohne Betäubung schlachtet (schächtet), zu Recht abgelehnt. Der Senat teilt die Ansicht des Verwaltungsgerichts, dass der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat. Allerdings kommt es nach Ansicht des Senats nicht entscheidungserheblich darauf an, ob der Antragsteller bzw. seine Kunden zu Recht auf die Möglichkeit des Schlachtens unter Anwendung der Elektrokurzzeitbetäubung (vgl. § 14 Abs. 3 Nr. 3 TierSchlV) verwiesen werden können.

Nach § 4a Abs. 1 TierSchG darf ein warmblütiges Tier nur geschlachtet werden, wenn es vor Beginn des Blutentzugs betäubt worden ist. Abweichend von Absatz 1 bedarf es keiner Betäubung, wenn die zuständige Behörde eine Ausnahmegenehmigung für ein Schlachten ohne Betäubung (Schächten) erteilt hat; sie darf Ausnahmegenehmigungen nur insoweit erteilen, als es erforderlich ist, den Bedürfnissen von Angehörigen bestimmter Religionsgemeinschaften im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu entsprechen, denen zwingende Vorschriften ihrer Religionsgemeinschaft das Schächten vorschreiben oder den Genuss von Fleisch nicht geschächteter Tiere untersagen (§ 4a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG). Ziel der Regelung des § 4a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG ist es, den Grundrechtsschutz gläubiger Juden und Muslime zu wahren, ohne damit die Grundsätze und Verpflichtungen eines ethisch begründeten Tierschutzes, der als Staatszielbestimmung in Art. 20a GG verankert ist, aufzugeben (vgl. BVerwG vom 23.11.2006 BVerwGE 127, 183). Die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung setzt deshalb voraus, dass der Antragsteller substantiiert und nachvollziehbar darlegt, dass er einer Gruppe von Menschen angehört, die eine gemeinsame Glaubensüberzeugung verbindet und die für sich die zwingende Notwendigkeit des betäubungslosen, rituellen Schächtens als anerkannte bindende Verhaltensregel betrachtet (vgl. BVerwG a.a.O; BVerfG vom 15.1.2002 BVerfGE 104, 337).

Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Zwar ist davon auszugehen, dass die Gläubigen, die ihre Schlachttiere von ihm beziehen wollen, einer Religionsgemeinschaft angehören, die insbesondere zum islamischen Opferfest rituelle Schlachtungen vornimmt. Es ist aber nicht substantiiert und nachvollziehbar dargelegt worden, dass das religiöse Verbot der Betäubung der Schlachttiere für die Abnehmer dieser Opfertiere eine bindende Verhaltensregel darstellt. Zur Darlegung der Existenz eines solchen bindenden Verbotes bedarf es einer konkreten Beschreibung sowohl des religiösen Lebens innerhalb der Gemeinschaft, zu der die Kunden gehören, als auch einer Beschreibung ihrer Religionspraxis. Darüber hinaus müssen die religiöse Bedeutung der rituellen Handlung des Schächtens und des Opferns oder Verspeisens des geschächteten Fleisches sowie die religiösen Konsequenzen für den Fall, dass das Schächten nicht erlaubt wird, dargelegt werden (vgl. Lorz/Metzger Tierschutzgesetz, 6. Aufl. 2008, RdNr. 29 zu § 4a; Hirt/Maisack/Moritz Tierschutzgesetz, 2. Aufl. 2007, RdNr. 26 zu § 4a). Erklärungen, die lediglich allgemeine Ausführungen und Hinweise auf Koranstellen enthalten, ohne auf den tatsächlich gelebten und praktizierten Glauben der konkreten Gemeinschaft einzugehen, für deren Mitglieder die Opfertiere bestimmt sind, reichen zur Darlegung nicht aus.

Beschränkt sich die begehrte Ausnahmegenehmigung – wie hier – auf bestimmte Anlässe, ist ferner darzulegen, ob die Mitglieder der Gemeinschaft auch in der übrigen Zeit daran gebunden sind, ausschließlich betäubungslos geschlachtetes Fleisch zu verzehren. In diesem Fall ist durch Angabe der Bezugsquellen darzustellen, woher dieses Fleisch bezogen wird. Greifen die Mitglieder der Gemeinschaft nur für einzelne Anlässe auf das Fleisch geschächteter Tiere zurück, verzehren sonst aber Fleisch betäubt geschlachteter Tiere, besteht innerhalb dieser Gemeinschaft kein bindendes Schächtgebot. Der Schlachtung und dem Verzehr nicht betäubter Tiere ausschließlich zu besonderen Anlässen liegen weniger religiöse, sondern eher traditionelle Motive zugrunde. Die Versagung der Genehmigung nach § 4a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG vermag daher keinen Gewissenskonflikt auszulösen. Decken die Mitglieder der Gemeinschaft ihren Fleischbedarf durch Importware, ist darzulegen, weshalb dies für den konkreten Anlass nicht zumutbar sein soll. Bezogen auf das Opferfest ist darzulegen, ob die Glaubensgemeinschaft grundsätzlich die Möglichkeit vorsieht, den Opferritus im Inland durch andere Handlungen (z.B. eine Spende) zu ersetzen und glaubhaft zu machen, dass es den Mitgliedern der Gemeinschaft nicht zumutbar ist, auf solche Verfahrensweisen auszuweichen.

Das Vorbringen des Antragstellers genügt diesem Darlegungsgebot nicht. Der Senat hat bereits in seinem Beschluss vom 5. Dezember 2008 (Az. 9 CE 08.3225) erhebliche Zweifel daran zum Ausdruck gebracht, ob die vom Antragsteller versorgte Abnehmergruppe einer Gemeinschaft angehört, deren zwingende Vorschriften das Schächten gebieten. Dem Antrag und auch den Akten sind konkrete Beschreibungen im oben dargestellten Sinne nicht zu entnehmen. Im Antragsschreiben hat der Antragsteller angegeben, die Opfertiere würden von ihm bezogen, weil seine Abnehmer keine andere Möglichkeit hätten, sich geschächtetes Fleisch zu beschaffen. Nachdem danach für die Abnehmer keine andere Bezugsquelle besteht, ist davon auszugehen, dass der vom Antragsteller belieferte Personenkreis lediglich für das Opferfest auf geschächtetes Fleisch zurückgreift. Dies mag traditionellen Vorstellungen entsprechen, ein zwingend bindendes Schächtgebot im oben beschriebenen Sinne besteht damit jedoch innerhalb dieser Personengruppe nicht.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 1, § 52 Abs. 2, § 47 GKG