VG München, Urteil vom 20.10.2009 - M 16 K 09.2072
Fundstelle
openJur 2012, 103648
  • Rkr:
Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Hinsichtlich des Tatbestandes wird zunächst Bezug genommen auf die Gründe I. des dem vorliegenden Klageverfahren vorausgehenden Beschlusses der erkennenden Kammer vom 6. August 2009 (M 16 S 09.2735).

Durch Schriftsatz vom 15. April 2009, eingegangen am 6. Mai 2009, hat die Klägerin Anfechtungsklage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München gegen den Besitzeinweisungsbeschluss der Beklagten vom … April 2009 für das klägerische Grundstück FlNr. 561, Gemarkung …, erhoben. Die Inanspruchnahme dient der Realisierung einer von der Beigeladenen geplanten Ethylen- Rohrleitungsanlage zwischen … und … (Planfeststellungsbeschluss der Regierung von … vom … September 2007).

Die Klage wurde auch für Herrn … mit der handschriftlichen Unterschrift der Klägerin „i.A. …“ unterzeichnet.

Zur Begründung wurde, auch in weiteren Schriftsätzen, darauf abgestellt, dass die Klägerin und ihr Ehemann im Planfeststellungsverfahren nicht beteiligt worden seien. Die Betroffenheit des Grundstücks sei aus der Bekanntmachung der öffentlichen Auslegung der Planunterlagen nicht ersichtlich gewesen und die Firma … habe bereits am 9. Februar 2007 auf den Zugriff des Grundstücks verzichtet. Dem Planfeststellungsverfahren fehle die Prüfung von Trassenvarianten und das Wohl der Allgemeinheit stehe dem rein privaten Vorhaben entgegen; eine Planrechtfertigung ließe sich daraus nicht ableiten. Auch sei das Bayerische Rohrleitungsenteignungsgesetz verfassungswidrig und dürfe der Bayerische Landtag nicht über das Grundstück der Kläger verfügen. Das Besitzeinweisungsverfahren sei rechtswidrig abgelaufen, da eine öffentliche Terminbestimmung nicht stattgefunden habe und auch der unmittelbare Besitzer nicht beteiligt worden sei. Schließlich sei der Besitzeinweisungsbeschluss auch inhaltlich rechtswidrig, da die einzelnen Voraussetzungen der Besitzeinweisung nicht vorgelegen hätten; insbesondere sei das Vorhaben nicht dringlich im Sinne des Art. 39 BayEG. Auf die Einzelheiten der Begründung wird Bezug genommen.

Durch Beschluss des Präsidiums des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 29. Mai 2009 wurde die Streitsache der 16. Kammer zugewiesen.

Durch Schriftsatz vom 9. Juni 2009 zeigte der Vertreter des öffentlichen Interesses seine Beteiligung am Verfahren an.

Durch Beschluss vom 16. Juni 2009 erfolgte die Beiladung der … GmbH & Co. KG.

Durch Schriftsatz vom 16. Juni 2009 erwiderte die Beklagte auf die Klage, beantragte

Klageabweisung

und begründete dies im Wesentlichen unter Bezugnahme auf den streitgegenständlichen Bescheid. Auf die Begründung wird Bezug genommen.

Durch Schriftsatz vom 30. Juni 2009 beantragte der Bevollmächtigte der Beigeladenen

Klageabweisung

und wies insbesondere darauf hin, dass die Klage wirksam nur von der jetzigen Klägerin erhoben worden sei, nicht jedoch von Herrn …. Auch sei das streitgegenständliche Grundstück bereits im Antrag auf Erlass des Planfeststellungsbeschlusses erfasst gewesen. Der Klägerin seien angemessene Erwerbsangebote im Sinne des Art. 3 Abs. 2 BayEG gemacht worden, was im Einzelnen ausgeführt wurde. Auf die Begründung wird Bezug genommen.

Am 30. Juli 2009 wurde die Streitsache vor dem Berichterstatter der 16. Kammer erörtert. Herr … erklärte, er „nehme“ die für ihn erhobene Klage „zurück“. Auf die Niederschrift des Erörterungstermins wird Bezug genommen.

Am 6. August 2009 lehnte die erkennende Kammer den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klage ab (M 16 S 09.2735).

Durch Schriftsatz vom 3. September 2009 zeigte der Bevollmächtigte der Klägerin seine Vertretung an.

Durch Schriftsatz vom 10. September 2009 zeigte der Bevollmächtigte der Beklagten seine Vertretung an.

Am 20. Oktober 2009 hat die mündliche Verhandlung stattgefunden. Der Klägerbevollmächtigte überreichte Schriftsatz vom selben Tage, auf dessen Begründung Bezug genommen wird. Weiterhin wurde eine Erklärung des Herrn … überreicht, wonach er mit Datum 20. Oktober 2009 die Klagerücknahmeerklärung aus dem Erörterungstermin vom 30. Juli 2009 widerrufe und rein vorsorglich anfechte. Der Bevollmächtigte der Beklagten überreichte Schriftsatz vom 12. Oktober 2009, auf dessen Begründung Bezug genommen wird.

Der Klägerbevollmächtigte beantragte:

1. Der Besitzeinweisungsbeschluss der Beklagten vom … April 2009 wird aufgehoben.

2. Hilfsweise: Die Beklagte wird verpflichtet, eine Zustandsfeststellung im Besitzeinweisungsverfahren nachzuholen und Schutzauflagen zugunsten der Klägerin nach der Rechtsauffassung des Gerichts in den Besitzeinweisungsbeschluss vom … April 2009 einzufügen.

3. Durchführung eines Ortsaugenscheins zum Zwecke der Zustandsfeststellung

4. Gerichtlichen Augenschein zum Beweis der Tatsache, dass die von der Beigeladenen vorgetragenen Fortschritte beim Leitungsbau in Bayern unrichtig sind.

5. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Der Beklagtenbevollmächtigte, der Bevollmächtigte der Beigeladenen und der Vertreter des öffentlichen Interesses beantragten jeweils

Klageabweisung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegte Behördenakte, insbesondere auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung, verwiesen.

Gründe

Die Klage bleibt ohne Erfolg.

Klarstellend verweist das Gericht darauf, dass es keine Veranlassung sieht, seine Zuständigkeit vor dem Hintergrund der Notwendigkeit der Gewährung des gesetzlichen Richters in Zweifel zu ziehen, da die Streitsache - nachdem eine eindeutige Zuordnung auf eine der Kammern des Gerichts aus der Geschäftsverteilung des Bayerischen Verwaltungsgerichts München für das Jahr 2009 nicht möglich war - durch Beschluss des Präsidiums des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 29. Mai 2009 der 16. Kammer zugewiesen worden war (§ 21e GVG).

1. Die Klageanträge zu 1. und 2. sind bereits unzulässig, da ihnen § 1450 Abs. 1 BGB entgegensteht.

Zwischen den Parteien ist es unstreitig, dass die Eheleute … und … im Güterstand der Gütergemeinschaft leben und dementsprechend für das Grundstück FlNr. 561 im Grundbuch von … eingetragen sind (Bl. 96 Behördenakte- BA). Dies bedeutet, dass sie ihren, auch mittelbaren, Besitz (§§ 854, 868 BGB) lediglich gemeinschaftlich verwalten können (§ 1450 Abs. 1 Satz 2 BGB), zumal keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass zum Zeitpunkt der Klagerhebung eine Übertragung etwa auf die Klägerin erfolgt wäre (§ 1421 Satz 1 BGB) oder aber das Grundstück FlNr. 561 dem Sonder- bzw. Vorbehaltsgut zugehören würde (§§ 1417, 1418 BGB). Damit sind die Ehegatten grundsätzlich nur gemeinsam über das Gesamtgut (§ 1416 BGB) verfügungsbefugt und verpflichtet, das Gesamtgut betreffende Rechtsstreitigkeiten gemeinschaftlich zu führen (Palandt, BGB, RdNr. 7 zu § 1450; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, RdNr. 8 Anhang nach § 52; insofern andere Konstellation als die der Entscheidung des BayVGH vom 8. 7.1987; BayVBl. 88, 272); einer der in §§ 1453 Abs. 1 iVm. 1366 Abs. 1 bis 4 (Genehmigung von Verträgen) bzw. §§ 1454, 1455, dort v.a. Nr. 10 BGB (Notverwaltung bzw. Dringlichkeit) geregelten Fälle der Entbehrlichkeit der Zustimmung des anderen Ehegatten bzw. der nachträglichen Zustimmung liegt ersichtlich nicht vor, so dass auch der „vorsorglichen“ Vollmachtserklärung des Herrn … vom 20. Oktober 2009 -wie auszuführen ist- keine nachträglich heilende Wirkung zukommen konnte. Seitens der Klagepartei wurde insbesondere zu keinem Zeitpunkt des Streitverfahrens dargelegt, dass etwa ein nicht von Klageseite zu vertretender dringender Grund Herrn … gehindert hätte, in eigener Person Klage zu erheben bzw. dieser zuzustimmen. Zwar mag ein Ehegatte -zunächst- befugt sein, ohne Zustimmung fristgebundene Maßnahmen zur Erhaltung des Gesamtguts zu ergreifen (vgl. VG München vom 18. April 2006, Az. M 10 S. 06.900), im Rahmen des § 1455 Nr. 10 BGB bedarf es aber nach Überzeugung des Gerichts aber schon wegen des Ausnahmecharakters der Norm der plausiblen Darlegung der Voraussetzungen, was vorliegend nicht geschehen ist.

Der Klägerin und ihrem Ehemann wurde der Besitzeinweisungsbeschluss der Beklagten vom … April 2009 ausweislich der Postzustellungsurkunde (Bl. 512 Behördenakte) am 7. April 2009 zugestellt. Am 6. Mai 2009, mithin am letzten Tag der offenen Klagefrist, ist der Klageschriftsatz der Klägerin bei dem Verwaltungsgericht München eingegangen, den die Klägerin selbst sowie mit erkennbar eigener Handschrift „i.A. …“ auch für ihren Ehemann unterzeichnet hatte. Eine Vollmacht zur Vornahme derartiger Verfahrenshandlungen lag bis zur mündlichen Verhandlung nicht vor. Dies bedeutet, dass der Besitzeinweisungsbeschluss der Beklagten gegenüber Herrn … mit Ablauf der Klagefrist bestandskräftig geworden ist, da eine wirksame Klageerhebung nicht vorlag. Zu den Anforderungen der §§ 81 Abs. 1, 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO gehört es, dass das Schriftstück im Original auch persönlich unterschrieben werden muss, um die Identifikation des Unterzeichners mit dem Erklärungsinhalt sicherzustellen und zu gewährleisten (vgl. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, RdNr. 5 zu § 81; da im gesamten vorbereitenden Verfahren keine einzige zuordenbaren Äußerung des Herrn … vorlag, liegt auch keine Konstellation vor, die dem vom BVerwG (E 81,32, NJW 1989,1175) entschiedenen Fall der Schriftlichkeit der Klageerhebung gleicht).

Die fehlende Unterschrift des Herrn … konnte auch nicht im Wege der gerichtlichen Aufforderung zur Ergänzung gemäß § 82 Abs. 2 VwGO nachgeholt werden (Schoch/Schmidt-Assmann/Pietzner, a.a.O., RdNr. 16 zu § 82; Sodan/Ziekow, VwGO, RdNr. 68 zu § 82 und RdNr. 101 zu § 81). Zudem bestand für das Gericht zum Zeitpunkt des Ablaufs der Klagefrist keine Veranlassung, die Klägerin auf die Notwendigkeit der gemeinsamen Klageerhebung mit ihrem Ehemann hinzuweisen, als die eheliche Gütergemeinschaft unbekannt war und es demzufolge auch keinen Grund gab, etwa im Wege der Amtsermittlung innerhalb offener Klagefrist derlei Unwägbarkeiten der Wirksamkeit der Klageerhebung aufzuklären.

Zwar wäre die eigenhändige Unterschrift des Herrn … auch nach Ablauf der Klagefrist im Wege der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nachholbar gewesen (§ 82 Abs. 2 Satz 3 iVm. § 60 VwGO; vgl. Sodan/Ziekow, a.a.O., RdNr. 79f. zu § 82), jedoch wäre die Versäumung der Klagefrist -unabhängig von dem Fristerfordernis des § 60 Abs. 1 VwGO- verschuldet. Einerseits wurden keinerlei Entschuldigungsgründe vorgetragen, andererseits ist die Kenntnis der Tatsache einer ehelichen Gütergemeinschaft dem individuellen Verantwortungsbereich der Klägerin zuzuordnen.

Damit kam es für die Beurteilung der Zulässigkeit der Klage zum insofern maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung auf die „Klagerücknahme“ des Herrn … mit Erklärung vom 30. Juli 2009 ebenso wenig an wie demzufolge auf die am 20. Oktober 2009 dem Gericht übergebene Erklärung des Widerrufs bzw. der Anfechtung dieser Erklärung. Beiden Erklärungen konnte gar keine konstitutive Wirkung zukommen, da die „Klageerhebung“ selbst unwirksam war. Die Erklärung vom 30. Juli 2009 wirkte rein deklaratorisch - klarstellend und führte lediglich zur Bereinigung des gerichtlichen Datenbestandes, ohne dass etwa eine -teilweise- Einstellung des Klageverfahrens zu verfügen gewesen wäre. Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass die fehlende Unterschrift des Herrn … bzw. fehlende Vollmacht an seine Ehefrau Ausdruck der rechtlichen Unkenntnis juristischer Laien war, als die Klägerin und ihr Ehemann auch in dem Verfahren M 16 K 08.4071 wirksam gemeinsam Klage erhoben hatten (insofern anders als im Fall des BayVGH vom 20. November 2008, Az. 13 A 07.2096). Aus den vorgenannten Gründen konnte auch der nachträglich am 20. Oktober 2009 vorsorglich erteilten Vollmacht keine heilende Wirkung zukommen.

Eine gerichtliche Sachentscheidung über den Klageantrag zu 1. und den Hilfsantrag hierzu (2.) kann daher nicht erfolgen. Dessen ungeachtet sind im Beschluss vom 6. August 2009 (Az M 16 S 09.2735) bereits Ausführungen hierzu getroffen worden; das Gericht bezieht sich hierauf.

2. Zu den weiteren Klageanträgen sei noch Folgendes angemerkt:

a. Unabhängig von der Zulässigkeit der Klageanträge -vgl. soeben- war die Beklagte nicht verpflichtet, vor Erlass des Besitzeinweisungsbeschlusses den Zustand des Grundstücks FlNr. 561 gemäß Art. 39 Abs. 7, Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayEG festzustellen:

Die „Soll“-Vorschrift des Art. 24 Abs. 2 Satz 2 BayEG greift vorliegend nicht, da die Klägerin einen Antrag auf Zustandsfeststellung zweifelsohne nicht gestellt hat. Dies lässt sich entgegen dem Vortrag des Klägerbevollmächtigten auch nicht aus deren Schreiben vom 19. August 2008 bzw. 16. März 2009 herauslesen. Sie hat dies auch nicht in der mündlichen Verhandlung bei der Beklagten beantragt.

Damit lag es im Ermessen der Enteignungsbehörde, eine derartige Zustandsfeststellung vorzunehmen. Das Gericht vermag nicht zu erkennen, dass das Unterlassen einer derartigen Zustandsfeststellung rechtswidrig gewesen wäre, als die Enteignungsbehörde mangels anderer Anhaltspunkte davon ausgehen durfte, dass der Zustand des Grundstücks vor Inbesitznahme unstrittig war; bereits aus den Behördenakten lässt sich entnehmen, dass landwirtschaftliche Nutzung vorzufinden und besondere topographische Besonderheiten offenbar nicht gegeben waren. Zudem war für die konkrete Wertbeurteilung auch die Situierung des Grundstücks in der Nähe des AUDI- Parkplatzes amtsbekannt (vgl. etwa Luftbild Bl. 357 BA; Lageplan Bl. 94 und 100 BA), so dass diese Gesichtspunkte zusammengenommen ausreichen dürften, eine adäquate Entschädigung auch im Nachhinein festzusetzen. Im Übrigen wäre es die Obliegenheit der Klägerin gewesen, entweder im Wege des Art. 24 Abs. 2 Satz 2 BayEG auf eine Zustandsfeststellung hinzuwirken oder aber die Beklagte auf etwaige nicht erkennbare topographische bzw. geologische Besonderheiten des Grundstücks hinzuweisen (vgl. Molodovsky/Bernstorff, Enteignungsrecht in Bayern, Anm. 2.2.3. zu Art. 24).

Der von dem Klägerbevollmächtigten unter Nr. 3 gestellte hilfsweise Beweisantrag, über den im Urteil mitentschieden werden konnte (Kopp/Schenke, VwGO, RdNr. 19 zu § 86), war daher abzulehnen, als es für die Rechtmäßigkeit des Besitzeinweisungsbeschlusses nicht auf die unterbliebene Zustandsfeststellung ankam. Anhaltspunkte dafür, dass für die Besitzeinweisung andere Faktoren gelten würden als für die Enteignung, bestehen ersichtlich nicht. Wie von der Beklagtenpartei mitgeteilt, ist die Zustandsfeststellung - ohne dass dies vorliegend streitgegenständlich wäre - in Auftrag gegeben worden.

b. Auf den von dem Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung gestellten hilfsweisen (Kopp/ Schenke, a.a.O.) Beweisantrag zu 4., im Bereich nördlich von Ingolstadt den Baufortschritt an einzelnen noch nicht fertiggestellten Leitungsabschnitten in Augenschein zu nehmen, kommt es für die Entscheidung nicht an; der bedingt gestellte Beweisantrag war abzulehnen.

Im Rahmen des von der Klagepartei gerügten mangelnden Tatbestandes der Norm (Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayEG) hat die Beklagte auch das Tatbestandsmerkmal des „dringenden Gebotenseins“ aus Gründen des Wohl der Allgemeinheit auf Seite 15 ff. des Besitzeinweisungsbeschlusses (Bl. 495 ff. Behördenakte) ausführlich und überzeugend dargelegt. Das Gericht folgt dieser Bewertung, insbesondere im Hinblick auf den nachvollziehbaren Gesichtspunkt, dass es das Gesamtprojekt planerisch notwendig macht, faktische Abschnittsbildungen, etwa an Landesgrenzen, vorzunehmen und für jeden Abschnitt eine Art Prognoseurteil abzugeben, dass dem Gesamtvorhaben keine unüberwindlichen Hindernisse entgegenstehen (S. 15, 3. Abschnitt). Dies ist für den Bereich des Freistaates Bayern mit bestandskräftigem Planfeststellungsbeschluss vom 10. September 2007 geschehen und es ist daher unerheblich, wenn die Arbeiten in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg derzeit noch in einem deutlich früheren Stadium stehen. Keinesfalls ist aber beachtlich damit zu rechnen, dass das Gesamtvorhaben wegen des Planungsrückstands in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz in seiner Gänze nicht realisiert werden könnte (vgl. zur Abschnittsbildung im Planfeststellungsrecht: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, RdNr. 23 zu § 73 und RdNr. 52 zu § 74). Es käme einem Zirkelschluss gleich, könnte die besitzeinweisungsrechtliche Dringlichkeit erst dann bejaht werden, wenn das betroffene Grundstück gleichsam das allerletzte der in der Reihe bereits in Anspruch genommener Grundstücke wäre. Die Dringlichkeit des Zugriffs bemisst sich an den abschnittsweisen Bauphasen; bei Projekten wie dem vorliegenden kann sie freilich nicht kleinräumig oder gar nach einzelnen Gemarkungen bewertet werden. So ist die Beklagte auch in überzeugender Weise auf die Notwendigkeit einer abschnittsweisen, dann aber einheitlichen Fertigstellung zur Schaffung der technischen Voraussetzungen der Prüfung der einzelnen Abschnitte eingegangen (vgl. Molodovsky/Bernstorff, a.a.O., Anm. 4.4.3. zu Art. 39).

Schließlich und letztlich setzt sich der Besitzeinweisungsbeschluss der Beklagten auch ausführlich und nachvollziehbar damit auseinander, dass sich die Beigeladene ernsthaft, aber vergeblich um den Erwerb der Grunddienstbarkeit für das Grundstück FlNr. 561, Gemarkung …, bemüht hat (Art. 39 Abs. 1 Satz 2, 3 Abs. 1, Abs. 2 BayEG; Art. 3 Abs. 3 Bayer. Rohrleitungsenteignungsgesetz).

Die Klage war daher unter der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO, § 162 Abs. 3 VwGO abzuweisen. Die Beigeladene hat sich durch Antragstellung einem prozessualen Risiko ausgesetzt. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO. Die vom Klägerbevollmächtigten am 14. November 2009 beantragte Wiedereröffnung des Verfahrens war nicht mehr möglich, da das Urteil vom 20. Oktober 2009 bereits wirksam war (§ 116 Abs. 2, 104 Abs. 3 VwGO; vgl. Eyermann, VwGO, RdNr. 14 zu § 104).

 

Beschluss

Der Streitwert wird auf EUR 1.771,60 festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).

Das Gericht sieht es als sachgerecht an, den Streitwert anhand des geschätzten Wertverlustes, hier gemessen an dem der Klägerin von der Beigeladenen gebotenen Entschädigung, zu bemessen.