Bayerischer VGH, Beschluss vom 09.09.2009 - 1 CS 09.1292
Fundstelle
openJur 2012, 103294
  • Rkr:
Tenor

I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 28. Mai 2009 wird in seinen Nrn. I und II geändert.

Der Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Baueinstellungsanordnung des Landratsamts ... vom 22. April 2009 wird abgelehnt.

II. Die Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen jeweils einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die sofortige Vollziehbarkeit einer Baueinstellung.

1. Die Antragstellerin möchte auf dem Dach des auf dem Grundstück Fl.Nr. 1006/5 Gemarkung ... stehenden (ehemaligen) Bahnhofgebäudes eine Mobilfunkantenne errichten. Das Grundstück Fl.Nr. 1006/5 grenzt an den Geltungsbereich des im September 1997 in Kraft getretenen Bebauungsplans „...“. Der zweimal geänderte Bebauungsplan setzt einen Teil der ...straße sowie angrenzende Flächen als Straße bzw. Grünflächen fest und weist einen weiter nördlich gelegenen Bereich als allgemeines Wohngebiet aus.

Die Antragstellerin plante zunächst eine 4,5 m hohe Antennenanlage. Für dieses Vorhaben beantragte sie mit bei der Beigeladenen am 6. April 2009 eingegangenem Schreiben vom 2. April 2009 die Zulassung einer Abweichung von einer örtlichen Bauvorschrift, die auf oder an Gebäuden mehr als 2,5 m über die Dachhaut hinausragende Antennen, Sende- und Empfangsanlagen verbietet.

Nach ihrem Vorbringen im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht hatte die Antragstellerin allerdings bereits Ende März eine Planung für eine 2,50 m hohe Antenne abgeschlossen und den Antennenträger für dieses Vorhaben am 1. April 2009 „gefertigt“. Am 7. April 2009 begann die Antragstellerin mit den Baumaßnahmen (Verstärkung des Dachstuhls des Bahnhofgebäudes, Errichtung des Fußes des Antennenträgers sowie des Treppenpodestes und der notwendigen Geländer). Am 16. April 2009 wurde der Antennenträger zusammengebaut und die Vormontage der Antennen durchgeführt.

Mit einem Schreiben vom 2. April 2009 hatte die ... GmbH als Hauptauftraggeber des Vorhabens die Beigeladene davon in Kenntnis, dass sie an dem Standort am Bahnhof festhalte, nachdem sich Alternativstandorte als nicht geeignet bzw. nicht realisierbar erweisen hätten, und dass sie beabsichtige, in den nächsten Wochen die auf Wunsch der Beigeladenen unterbrochenen Aufbauarbeiten für Antenne abzuschließen.

Der Gemeinderat der Beigeladenen entschied sich in einer am Abend des 16. April 2009 abgehaltenen Sitzung, bei dem Vorhaben der Antragstellerin den Weg einer „planungsrechtlichen Steuerung“ einzuschlagen. Im Einzelnen wurde hierzu beschlossen,

- den Antrag der Beigeladenen auf Zulassung einer Abweichung von der Ortssatzung abzulehnen,

- bei dem ...institut ... ein „Standortkonzept“ in Auftrag zu geben,

- einen „sachlichen Teilflächennutzungsplan ’Mobilfunkanlagen‘ “ aufzustellen,

- ein Verfahren zur (dritten) Änderung des Bebauungsplans "..." einzuleiten, um dessen Geltungsbereich auf das Bahnhofsgebäude zu erweitern, eine geordnete städtebauliche Entwicklung des von der Bahn an Privat verkauften Bahnhofsgebäudes zu sichern und Festsetzungen zur Zulässigkeit von Mobilfunkanlagen entsprechend dem Standortkonzept zu erlassen, sowie

- die letztere Planung durch eine Veränderungssperre zu sichern.

Die Satzung über die Veränderungssperre wurde am 17. April 2009 ausgefertigt und anschließend durch Anschlag an den Amtstafeln bekannt gemacht. Nach einem Vermerk in den Akten über den Aufstellungsbeschluss und die Veränderungssperre erfolgten die Anschläge etwa um 10.20 Uhr (Rathaus), 10.30 Uhr (Kirchplatz in ...) und 10.45 Uhr (...).

Nach einem Hinweis der Beigeladenen stellte das Landratsamt ... am späten Vormittag des 17. April 2009 die zum damaligen Zeitpunkt weit fortgeschrittenen, aber noch nicht beendeten Bauarbeiten für die Errichtung der Mobilfunkanlage ein, weil dem Vorhaben die Veränderungssperre entgegenstehe. Mit Bescheid vom 22. April 2009 wurde die mündliche Baueinstellung bestätigt und die Anordnung für sofort vollziehbar erklärt.

2. Am 28. April 2009 beantragte die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht München, die aufschiebende Wirkung der bereits am 17. April 2009 erhobenen Klage gegen die Baueinstellung wiederherzustellen. Das Verwaltungsgericht entsprach diesem Antrag mit Beschluss vom 28. Mai 2009, weil die Anfechtungsklage gegen die Baueinstellung voraussichtlich Erfolg haben werde. Die Baueinstellung dürfte die Antragstellerin in ihren Rechten verletzen, weil die Antennenanlage nicht im Widerspruch zu öffentlichrechtlichen Vorschriften errichtet werde. Mit einer Höhe von 2,5 m stehe die Anlage im Einklang mit der Gestaltungsvorschrift der Beigeladenen. Auch die Veränderungssperre dürfte dem Vorhaben nicht entgegenstehen. Das verfahrensfreie Vorhaben sei zwar nicht nach § 14 Abs. 3 BauGB von der Wirkung der Veränderungssperre ausgenommen. Ein verfahrensfreies Vorhaben werde von einer Veränderungssperre aber nicht mehr erfasst, wenn mit seiner Ausführung vor dem Inkrafttreten der Sperre begonnen worden sei. Zum Zeitpunkt des Beginns der Bauarbeiten habe der Bauherr regelmäßig erhebliche Kosten aufgewendet. Aus diesem Grund dürfe er darauf vertrauen, dass die bei Beginn der Bauarbeiten geltende Rechtslage für sein Vorhaben maßgebend bleibe. Im Rahmen der Interessenabwägung sei ferner zu berücksichtigen, dass die Wirkungen des bereits errichteten Sendemastes auf das Ortsbild nicht davon abhingen, ob die Installationsarbeiten abgeschlossen und die Anlage in Betrieb genommen werden darf. Das Interesse der Antragstellerin, die getätigten Investitionen auch nutzen zu können, überwiege die hinter der Baueinstellung stehenden öffentlichen Interessen.

3. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Beigeladenen. Diese macht geltend:

Die Entscheidung begegne im Hinblick auf § 14 Abs. 3 BauGB und den Zweck einer Veränderungssperre, die Planungshoheit der Gemeinde zu schützen, durchgreifenden Bedenken. Neben Unterhaltungsarbeiten und der Fortführung einer bisher ausgeübten Nutzung blieben von einer Veränderungssperre nach § 14 Abs. 3 BauGB nur bei Inkrafttreten der Sperre baurechtlich genehmigte Vorhaben sowie Vorhaben, von denen die Gemeinde nach Maßgabe des Bauordnungsrechts Kenntnis erlangt habe und mit deren Ausführung vor dem Inkrafttreten der Sperre hätte begonnen werden dürfen, unberührt. Das Verwaltungsgericht habe zwar erkannt, dass verfahrensfreie Vorhaben nicht von diesem so genannten veränderungssperrenrechtlichen Bestandsschutz erfasst würden; es ziehe aus dieser Erkenntnis aber nicht die zwingende Rechtsfolge, dass eine verfahrensfreie Anlage gerade keinen Vertrauensschutz genieße und deshalb grundsätzlich auch noch nachträglich von einer Veränderungssperre erfasst werde. Die Auffassung, dass ein verfahrensfreies Vorhaben bereits ab Beginn der Bauausführung nicht mehr von einer Veränderungssperre erfasst werde, sei unzutreffend.

Vertrauensschutz bestehe nur im Rahmen von § 14 Abs. 3 BauGB. Der Bauherr dürfe darauf vertrauen, dass sein Vorhaben nicht durch eine nachträgliche Veränderungssperre verhindert werde, wenn die Gemeinde nach ordnungsgemäßer Unterrichtung die ihr eingeräumte Interventionsfrist habe verstreichen lassen. Verfahrensfreie Vorhaben, wie die strittige Mobilfunkantenne, fielen aber nicht in den Anwendungsbereich des § 14 Abs. 3 BauGB. Anders als die Hessische und die Saarländische Bauordnung sehe die Bayerische Bauordnung bei den nach Art. 57 BayBO verfahrensfreien Vorhaben kein den Vorgaben des § 14 Abs. 3 Alt. 2 BauGB entsprechendes Verfahren vor, dessen Durchführung die Voraussetzungen des § 14 Abs. 3 BauGB erfüllen und dadurch dem Bauherren Vertrauensschutz vermitteln würde. Der Bauherr solcher Verfahren sei deshalb nicht geschützt.

Die Antragstellerin könne auch nicht aus anderen Gründen Vertrauensschutz für sich reklamieren; insbesondere habe die Beigeladene in keiner Weise zu erkennen gegeben, dass sie mit einer von 4,5 m auf 2,5 m verkürzten Antennenanlage einverstanden sein könnte. Die Beigeladene habe vielmehr von der Änderung des Vorhabens keine Kenntnis gehabt. Der Verfahrensablauf zeige, dass die Antragstellerin einer bauplanungsrechtlichen Reaktion der Beigeladenen habe zuvorkommen wollen.

Dass die Mobilfunkanlage bodenrechtliche (städtebauliche) Relevanz besitze und daher grundsätzlich von der Veränderungssperre erfasst werde, sei nicht fraglich. Passiven Bestandsschutz könne die Anlage nicht beanspruchen, weil sie zum Zeitpunkt der Baueinstellung noch nicht fertig gestellt gewesen sei. Die Auffassung der Antragstellerin, dass sich eine Anlage, die bei Baubeginn in Einklang mit dem materiellen Recht stehe und für die keine verfahrensrechtlichen Anforderungen bestünden, gegen eine nachträgliche Veränderungssperre durchsetzen müsse, lasse die Planungshoheit der Gemeinden außer Betracht. Der Gesetzgeber habe den veränderungssperrenrechtlichen Bestandsschutz in § 14 Abs. 3 BauGB bewusst verfahrensrechtlich ausgestaltet. So würden beispielsweise genehmigungspflichtige und vor Inkrafttreten der Veränderungssperre auch genehmigungsfähige Vorhaben von der Sperre selbst dann erfasst, wenn der Bauherr vor deren Inkrafttreten mit einer Genehmigung rechnen dürfte. Wegen des verfahrensrechtlichen, die Beteiligung der Gemeinde sicherstellenden Ansatzes genüge die materielle Baurechtmäßigkeit nicht, um eine Veränderungssperre zu überwinden. Maßgeblich sei vielmehr auch stets, ob die Gemeinde die Möglichkeit hatte, das ihr zur Sicherung der Planungshoheit zur Verfügung stehende Instrumentarium noch mit Wirkung gegenüber dem Vorhaben einzusetzen. Die Bayerische Bauordnung berücksichtige dies zwar für das Freistellungsverfahren ausreichend; eine entsprechende Regelung für bauplanungsrechtlich relevante verfahrensfreie Vorhaben fehle jedoch, obwohl die Gemeinde die Möglichkeit haben müsse, auch noch nach der Fertigstellung eines solchen Vorhabens mit einer Veränderungssperre reagieren zu können.

Das Schreiben der ... GmbH vom 2. April 2009 beinhalte keine Unterrichtung nach Maßgabe des Bauordnungsrechts. Außerdem stamme es nicht von der Bauherrin (Antragstellerin). Schließlich trage es dasselbe Datum wie der Antrag auf Zulassung einer Abweichung, weshalb die Beigeladene habe annehmen dürfen, dass es sich auf die 4,50 m hohe Antenne beziehe und dass die Antragstellerin nicht vor einer Entscheidung über die Abweichung mit den Bauarbeiten beginnen werde.

Den am 16. April 2009 gefassten Beschlüssen seien die Erstellung eines von der Beigeladenen in Auftrag gegebenen „Immissionsgutachtens“ durch das ...institut ... e.V. vom 8. September 2008 sowie Bestrebungen der Beigeladenen, mit den Mobilfunkbetreibern im sog. Dialogverfahren einen Standort zu finden, vorangegangen. In dem Gutachten seien Standortalternativen hinsichtlich einer Minimierung der Strahlenbelastung untersucht worden. Dabei habe sich gezeigt, dass der Standort auf dem Bahnhofsgebäude eine vergleichsweise hohe Strahlenbelastung erwarten lasse.

Die Planung der Beigeladenen könne durch eine Veränderungssperre gesichert werden. Dass das Planungsziel einer möglichst geringen Strahlenbelastung der Bevölkerung bei gleichzeitiger Sicherstellung einer flächendeckenden Mobilfunkversorgung legitim sei, habe der Senat in seinen Urteilen vom 2. August 2007 anerkannt. Eine solche Planung setzte voraus, dass Mobilfunkanlagen in bestimmten Bereichen ausgeschlossen werden können. Um vollendete Tatsachen zu verhindern, müsse ein solcher Ausschluss vor Abschluss der Planung möglich sein. Bereits das Immissionsgutachten vom September 2008 lasse erkennen, dass es Standorte gebe, bei denen sich das Planungsziel der Antragsgegnerin besser erreichen lasse als bei dem fraglichen Standort, der sich hinsichtlich der Immissionsbelastung der jeweils nächstgelegenen Wohnbebauung als der ungünstigste erweisen habe. Unter dem Aspekt eines vorbeugenden Immissionsschutzes sei deshalb der Ausschluss des Standorts am Bahnhof bereits auf der Grundlage des Gutachtens vom September 2008 zu rechtfertigen gewesen. Die Planung sei hinreichend konkretisiert; denn es lasse sich feststellen, dass sie durch das Vorhaben der Antragstellerin erschwert würde. Das Standortkonzept lasse sich auch mit den Mitteln der Bauleitplanung umsetzen. Da die Bahn durch den Verkauf gezeigt habe, dass sie das Bahnhofgebäude nicht mehr benötige, stehe auch der Fachplanungsvorbehalt nicht entgegen. Außerdem könnten die Festsetzungen so getroffen werden, dass sie erst mit der Entwidmung wirksam würden.

Die Beigeladene beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 28. Mai 2009 in den Nrn. I und II zu ändern und den Antrag auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie macht geltend:

Die Baueinstellung sei schon deswegen nicht rechtens, weil die Veränderungssperre unwirksam sei. Ihr liege keine sicherungsfähige Planung zugrunde, weil die Antragsgegnerin keine Vorstellung dazu entwickelt habe, welches Nutzungsart für das Grundstück des Bahnhofgebäudes gelten solle. Die erforderliche Konkretisierung der Planungsabsichten für das betroffene Baugebiet fehle. Davon, dass eine dem angrenzenden Wohngebiet verträgliche Nutzung angestrebt und die Wohnnutzung in Obergeschoss des Gebäudes erhalten werden solle, sei in dem Aufstellungsbeschluss noch nicht die Rede gewesen. Außerdem ergebe sich auch aus diesem nachträglichen Vorbringen nicht, welche Nutzungsart angestrebt werde. Ferner liege noch kein Standortkonzept vor, welches nach der Rechtsprechung des Senats Voraussetzung einer sicherungsfähigen Planung zur Steuerung von Mobilfunkstandorten sei. Das Gutachten des ...instituts sei kein Standortkonzept; die Beigeladene selbst räume ein, dass dieses Konzept noch entwickelt werden müsse.

Zudem sei fraglich, ob die Veränderungssperre das Vorhaben erfasse. Bei einer nur 2,5 m hohen Antennenanlage sprächen die besseren Gründe gegen eine bauplanungsrechtliche Relevanz des Vorhabens.

Unterstelle man die Wirksamkeit der Veränderungssperre und die bauplanungsrechtliche Relevanz, so hänge die Entscheidung des Rechtsstreits von der Rechtsfrage ab, welche Rechtswirkungen einer Veränderungssperre zukommen, wenn diese erst zu einem Zeitpunkt wirksam werde, in dem ein verfahrenfreies Vorhaben im Einklang mit den formellen und materiellen Erfordernissen des Baurechts begonnen und weitgehend fertig gestellt worden ist. Der Grundfehler der Argumentation der Beigeladenen zu dieser Frage liege darin, dass sie den Vertrauensschutz der Antragstellerin auf einen verfahrensrechtlich vermittelten Vertrauensschutz reduziere und ignoriere, dass ein Bauherr, der sein verfahrensfreies Vorhaben formell und materiell legal im Vertrauen auf die bestehende Rechtslage in Angriff nehme und dieses weitgehend fertig gestellt habe, ein schutzwürdiges Vertrauen genieße. Die durch die formell und materiell rechtmäßigen Bauarbeiten geschaffenen Werte seien durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Dies sei bei der Anwendung der bauaufsichtlichen Befugnisse im Rahmen der Ermessensausübung in der Weise zu berücksichtigen, dass der Bauherr nach dem Beginn der Bauarbeiten für ein materiell rechtmäßiges verfahrensfreies Vorhaben nicht mehr einer Veränderungssperre unterworfen werden dürfe. Die Auffassung der Beigeladenen, dass ein noch nicht fertig gestelltes Vorhaben keinen Bestands-/Vertrauensschutz genieße, sofern dieser nicht verfahrensrechtlich vermittelt sei, sei unzutreffend.

Bei dieser Auslegung habe die Gemeinde zwar keine Möglichkeit, auf ein unerwünschtes Vorhaben mit einer Veränderungssperre zu reagieren. Bei verfahrenfreien Vorhaben dürfte die gemeindliche Planungshoheit jedoch regelmäßig allenfalls marginal beeinträchtigt sein. Solange der Landesgesetzgeber keine Regelung getroffen habe, wie sie § 55 der Hessischen Bauordnung vorsehe, setze sich der Vertrauens- bzw. Eigentumsschutz des Bauherrn bei bereits begonnenen Vorhaben gegenüber der Planungshoheit der Gemeinde durch.

Jedenfalls aber genieße die Planungshoheit entgegen der Auffassung der Beigeladene keinen absoluten Vorrang gegenüber dem Vertrauensschutz des Bauherrn wie auch dieser sich bei dieser Betrachtungsweise nicht stets gegen die gleichfalls verfassungsrechtlich relevanten Belange der Planungshoheit durchsetzen müsse. Bei dieser Sichtweise sei der auf einer unzureichenden Abstimmung des Landesrechts mit dem Bauplanungsrecht beruhende Konflikt vielmehr durch eine Abwägung zu lösen. Diese müsse hier schon aus den vom Verwaltungsgericht genannten Gründen zugunsten der Antragstellerin ausfallen. Hinzukomme, dass die Beigeladene durch das Schreiben der T-Moblie Deutschland GmbH vom 2009 Kenntnis von dem Vorhaben der Antragsteller gehabt habe.

Eine solche Abwägung lasse der angefochtene Bescheid nicht einmal ansatzweise erkennen. Abgesehen davon sei der Bescheid auch deswegen ermessensfehlerhaft, weil er sich auch auf die unzutreffende Erwägung, dass das Vorhaben möglicherweise einer Abweichung von der Bauvorschrift bedürfe, stütze.

Der Antragsgegner hat sich nicht geäußert.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die Akten des Landratsamts Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hätte dem Antrag nicht stattgeben dürfen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Baueinstellungsbescheids ist nicht zu beanstanden. Der Senat teilt die Bedenken des Verwaltungsgerichts gegen die Rechtmäßigkeit der Baueinstellung nicht (1.). Es besteht auch ein öffentliches Interesse daran, dass die strittige Auflage sofort und nicht erst nach rechtskräftigem Abschluss des Klageverfahrens vollzogen werden darf (2.).

1. Der Baueinstellungsbescheid vom 22. April 2002 ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig. Nach Art. 75 Abs. 1 Satz 1 kann die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung der Arbeiten anordnen, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlichrechtlichen Vorschriften errichtet, geändert oder beseitigt werden. Diese Voraussetzungen dürften erfüllt sein.

a) Außer Streit steht, dass die Mobilfunkantenne zum Zeitpunkt der mündlichen Baueinstellung am 17. April 2009 noch nicht fertig gestellt war. Der Bescheid begegnet somit nicht deswegen Bedenken, weil die Anordnung, die er schriftlich bestätigt (Art. 37 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG), schon mangels noch im Gang befindlicher Arbeiten nicht mehr hätte erlassen werden dürften.

b) Ein Widerspruch zu öffentlichrechtlichen Vorschriften lag vor, weil die Veränderungssperre des Beigeladenen dem Vorhaben entgegenstand und entgegensteht. Die Satzung über die Veränderungssperre ist nach summarischer Prüfung wirksam (1). Als Vorhaben im Sinn von § 29 Abs. 1 BauGB wird die Errichtung der Antenne von der Veränderungssperre erfasst (2). Dass die Satzung erst während der Errichtung der Mobilfunkanlage in Kraft getreten ist, steht unter den gegebenen Umständen nicht entgegen (3).

(1) Die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Veränderungssperre lagen wohl vor.

Nach § 14 Abs. 1 BauGB muss eine Veränderungssperre „zur Sicherung der Planung“ erlassen werden. Diese Anforderung ist nur erfüllt, wenn die mit dem Aufstellungsbeschluss eingeleitete Planung bei Inkrafttreten der Veränderungssperre soweit konkretisiert ist, dass ein „Mindestmaß“ des Inhalts des zu erwartenden Bebauungsplans zu erkennen ist (BVerwG vom 19.2.2004 NVwZ 2004, 984) und wenn diese Planung nicht an schon in diesem frühen Stadium des Verfahrens erkennbaren, aller Voraussicht nach nicht behebbaren Mängeln leidet (BVerwG vom 21.12.1993, NVwZ 1994, 685). Die mit dem Inkrafttreten der Veränderungssperre wirksam werdenden Verbote des § 14 Abs. 1 BauGB sind dem Grundstückseigentümer bzw. dem Bauherrn - auch im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 GG - nicht zuzumuten, wenn die Sperre eine Planung sichern soll, deren Inhalt noch in keiner Weise abzusehen ist (BVerwG vom 10.6.1976 BVerwGE 51, 121/128 = NJW 1977, 400 = BayVBl 1977, 279), oder wenn die Planung auf nicht ausräumbare rechtliche Hindernisse stoßen wird. Diese Anforderungen ergeben sich mittelbar auch aus § 14 Abs. 2 Satz 1 BauGB. Nach dieser Vorschrift kann eine Ausnahme von der Veränderungssperre zugelassen werden, wenn öffentliche Belange nicht entgegen stehen. Ob der praktisch wichtigste öffentliche Belang, nämlich die Vereinbarkeit des Vorhabens mit der beabsichtigten Planung, beeinträchtigt ist, kann nicht beurteilt werden, wenn die planerischen Vorstellungen der Gemeinde noch völlig offen oder von vorneherein nicht tragfähig sind (BVerwG vom 19.2.2004 a.a.O.).

Die der Veränderungssperre zugrunde liegende Planung war ausreichend konkretisiert. Der gegenteiligen Auffassung der Antragstellerin wäre möglicherweise zu folgen, wenn bei der Prüfung dieser Voraussetzung ausschließlich die Äußerungen zu berücksichtigen wären, die in der Niederschrift über die Gemeinderatssitzung vom 16. April 2009 zum Tagesordnungspunkt „Aufstellungsbeschluss“ enthalten sind. Maßgeblich ist indes nicht allein das in der Sitzungsniederschrift Dokumentierte; die Planungsabsicht kann sich auch aus anderen Unterlagen ergeben (Jäde in Jäde/Dirnberger/Weiß, BauGB/BauNVO, 5. Aufl., § 14 RdNr. 9; Lemmel in: Berliner Kommentar zum BauGB, 3. Aufl., § 14 RdNr. 9; jeweils mit weiteren Nachweisen). Nach diesem Maßstab dürfte das von der Rechtsprechung geforderte Mindestmaß an konkretisierter Planungsabsicht vorgelegen haben.

Wie sich auch aus dem von der Antragstellerin vorgelegten Schreiben der ... GmbH vom 2. April 2009 an die Beigeladene ergibt und durch das Vorbringen der Beigeladenen bestätigt wird, waren dem Aufstellungsbeschluss für eine Erweiterung des Geltungsbereichs des Bebauungsplans und dem Erlass der Veränderungssperre Gespräche über den strittigen Standort vorausgegangen. Dem Schreiben ist - in Übereinstimmung mit dem Vorbringen der Beigeladenen im letzten Schriftsatz vom 21. August 2009 - zudem zu entnehmen, dass der ... GmbH als dem (oder zumindest einem) Betreiber der geplanten Anlage - als Ergebnis dieser Vorgespräche - bekannt war, dass der Standort am Bahnhof von der Beigeladenen negativ beurteilt wurde. Auch der Grund hierfür, nämlich die - gemessen an dem Ziel der Planung, Standorte mit einem guten Funkversorgungspegel zu finden und eine unnötig hohe „Befeldung“ benachbarter Wohnbebauung zu vermeiden - ungünstige Bewertung des Standorts in dem von der Beigeladenen in Auftrag gegebenen Immissionsgutachten vom 8. September 2008, dürfte der ... GmbH bekannt gewesen sein. Hierfür spricht schon, dass das Unternehmen dem ...institut funktechnische Entwurfsdaten u. a. für den im Gutachten mit „W01“ bezeichneten Standort am Bahnhof geliefert hatte (vgl. Seite 34 des Gutachtens). Zudem ist nur unter der Voraussetzung, dass die negative Beurteilung bekannt war, verständlich, dass die ... GmbH zwei Alternativstandorte „intensiv geprüft (hat)“ (Seite 1 des Schreibens vom 2.4.2009).

Angesichts dieser Vorgeschichte kann für alle von der Veränderungssperre Betroffenen - auch für die Antragstellerin, deren Hauptauftraggeber die ... GmbH ist - vernünftigerweise kein Zweifel daran bestanden haben und bestehen, dass die laut dem Aufstellungsbeschluss für die Erweiterung des Baugebiets „...“ beabsichtigten „Festsetzungen zur Zulässigkeit von Mobilfunkanlagen“ einen Ausschluss dieser Anlagen beinhalten sollen, wenn sich im Rahmen des in derselben Sitzung in Auftrag gegebenen Standortkonzepts Standorte finden lassen, die bei geringerer „Befeldung“ von Wohngebieten den erwünschten guten Funkversorgungspegel gewährleisten. Damit war (und ist) die Planungsabsicht hinreichend konkretisiert.

Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass sich weder im Aufstellungsbeschluss noch in den ergänzend heranzuziehenden Unterlagen Aussagen darüber finden, welche Nutzungsart im Bereich des Baugrundstücks, das in den Geltungsbereich des Bebauungsplans einbezogen werden soll, festgesetzt werden soll. Zwar wird das für den Erlass einer Veränderungssperre erforderliche Mindestmaß an Konkretisierung der Planungsziele in der Regel nur erreicht, wenn die Gemeinde bei Erlass der Sperre zumindest Vorstellungen über die Art der baulichen Nutzung im künftigen Plangebiet besitzt (BayVGH vom 2.8.2007 VGH n. F. 61, 27 = BayVBl 2008, 470 = ZfBR 2008, 287). Geht es jedoch um die Einbeziehung eines einzelnen Grundstücks in den Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der, wie der ein allgemeines Wohngebiet festsetzende Bebauungsplan „...“, mit einer Baugebietsfestsetzung (§ 1 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 BauNVO) bereits eine Regelung zur Art der baulichen Nutzung enthält, dann sind in dieser Hinsicht weniger strenge Anforderungen zu stellen. Denn in diesem Fall liegt es nahe, dass die festgesetzte Baugebietsart auch für das einzubeziehende Grundstück gelten soll. Umstände, die diese „Vermutung“ im vorliegenden Fall widerlegen würden, sind nicht ersichtlich. Die Tatsache, dass sich in dem Bahnhofsgebäude eine Wohnung befindet, bestätigt die „Vermutung“ vielmehr.

Anhaltspunkte dafür, dass die durch die Veränderungssperre gesicherte Planung von vorneherein zum Scheitern verurteilt gewesen wäre, liegen nicht vor. Das Instrumentarium des § 1 Abs. 4 bis 9 BauNVO lässt es wohl zu, in dem auf der Grundlage der Baunutzungsverordnung 1990 festgesetzten allgemeinen Wohngebiet die Zulässigkeit von Mobilfunkanlagen (als fernmeldetechnische Nebenanlagen im Sinne von § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO) auszuschließen (BayVGH vom 2.8.2007 a. a. O. [entsprechende Anwendung von § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauNVO]). Bei der gesicherten Planung handelt es sich auch nicht um eine § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB zuwiderlaufende, nur auf die Verhinderung der Antennenanlage zielende Negativplanung. Vielmehr ist das Ziel, die Standorte von Mobilfunkanlagen so festzulegen, dass Wohngebiete so wenig „befeldet“ werden, wie dies bei Sicherstellung eines guten Funkversorgungspegel möglich ist, ein „positives“ und, wie der Senat im Urteil vom 2. August 2007 (a. a. O.) näher dargelegt hat, auch grundsätzlich legitimes Planungsziel.

(2) Bei der Errichtung der Mobilfunkanlage handelt es sich um ein Vorhaben im Sinne von § 29 Abs. 1 BauGB.

Die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 BauGB sind (u. a.) erfüllt, wenn die Errichtung oder Änderung einer baulichen Anlage oder die Änderung der Nutzung einer solchen Anlage bodenrechtliche (= bauplanungsrechtliche) Relevanz hat. Bodenrechtliche Relevanz ist gegeben, wenn das Vorhaben - auch und gerade bei mehrfacher Ausführung - die in § 1 Abs. 6 BauGB genannten Belange in einer Weise berührt oder berühren kann, die eine seine Zulässigkeit regelnde verbindliche Bauleitplanung grundsätzlich im Sinn von § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB erforderlich erscheinen lässt (BVerwG vom 07.05.2001 BVerwGE 114, 206 = NVwZ 2001, 1046).

Nach dem Eindruck, den die vorlegten Fotografien von der weitgehend fertiggestellten Anlage (mit bereits montierten Antennen) geben, sind diese Voraussetzungen des bauplanungsrechtlichen Vorhabensbegriffs trotz der Höhe der Anlage von nur 2,50 m wohl schon deswegen zu bejahen, weil sich solche Anlagen - jedenfalls bei mehrfacher Ausführung - in bauplanungsrechtlich erheblicher Wiese auf die Gestaltung des Ortsbildes (§ 1 Abs. 6 Nr. 5 BauGB) auswirken können. Auf den Fotografien wirkt die Anlage auf dem Dach des Bahnhofgebäudes schon für sich gesehen recht massiv. Ob das genügt, um eine bauplanungsrechtliche Relevanz im Hinblick auf den Belang des § 1 Abs. 6 Nr. 5 BauGB zu bejahen, kann dahinstehen. Jedenfalls wäre das Ortsbild in einer eine Bauleitplanung rechtfertigenden Weise berührt, wenn auf demselben Gebäude oder in dessen näherer Umgebung eine oder gar mehrere vergleichbare Anlagen hinzukommen sollten. Eine solche Entwicklung ist nicht so unrealistisch, als dass sie außer Betracht zu bleiben hätte. Die - in anderen Mobilfunkanlagen betreffenden Streitsachen bestätigte - Alltagserfahrung zeigt, dass auf Gebäuden, deren Eigentümer sich mit der Errichtung einer Mobilfunkanlage einverstanden erklärt haben, vielfach noch weitere Anlagen der anderen Anbieter errichten werden. Jedenfalls bei einer solchen Konzentration berühren auch Mobilfunkanlagen von geringer Höhe die Belange des Ortsbildes so stark, dass sie bauplanungsrechtlich relevant sind.

Abgesehen davon ist eine bauplanungsrechtliche Relevanz solcher Anlagen auch deswegen zu bejahen, weil sie - jedenfalls bei wiederum zu unterstellender mehrfacher Ausführung - Belange des Umweltschutzes, nämlich umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit sowie die Bevölkerung (§ 1 Abs. 6 Nr. 7 Buchst. c BauGB), berühren. Auch hierzu wird auf das Urteil des Senats vom 2. August 2007 verwiesen.

(3) Die Errichtung der Mobilfunkanlage wird von dem Verbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 BauGB (= § 2 Nr. 1 der Satzung über die Veränderungssperre) erfasst, obwohl die Antennenanlage beim Inkrafttreten der Veränderungssperre bereits weitgehend fertig gestellt war.

53Entgegen der Auffassung der Beigeladenen folgt dies allerdings nicht schon daraus, dass die Voraussetzungen des § 14 Abs. 3 BauGB beim Inkrafttreten der Sperre nicht erfüllt waren. Zwar trifft dies zu (3.1). § 14 Abs. 3 BauGB regelt jedoch nicht abschließend, welche Vorhaben von einer Veränderungssperre unberührt bleiben. Für verfahrensfreie Vorhaben trifft die Vorschrift keine Aussage. Ob ein verfahrensfreies Vorhaben, mit dessen Ausführung vor dem Inkrafttreten einer Veränderungssperre begonnen wurde (und das beim Inkrafttreten noch nicht fertig gestellt war), von dem Veränderungsverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 BauGB erfasst wird, hängt davon ab, ob der Bauherr darauf vertrauen durfte, dass sich die Rechtslage nach Baubeginn nicht mehr durch das Inkrafttreten einer Veränderungssperre zu seinem Nachteil ändert. (3.2). Nach diesem Maßstab wird die Errichtung der Mobilfunkanlage von der Veränderungssperre erfasst, weil auf Seiten der Antragstellerin kein schutzwürdiges Vertrauen zu Buche schlägt (3.3).

(3.1) Das Vorhaben genießt keinen „veränderungssperrenrechtlichen Bestandschutz“ nach § 14 Abs. 3 BauGB. Nach dieser Vorschrift werden Vorhaben, die vor dem Inkrafttreten der Veränderungssperre baurechtlich genehmigt worden sind, Vorhaben, von denen die Gemeinde nach Maßgabe des Bauordnungsrechts Kenntnis erlangt hat und mit deren Ausführung vor dem Inkrafttreten der Veränderungssperre hätte begonnen werden dürfen, sowie Unterhaltungsarbeiten und die Fortführung einer bisher ausgeübten Nutzung von einer Veränderungssperre nicht berührt. Keine dieser Fallgestaltungen liegt vor. Hinsichtlich der ersten (genehmigte Vorhaben) und der dritten (Unterhaltungsarbeiten) versteht sich dies von selbst. Offensichtlich ist ferner, dass die Veränderungssperre bei der Anlage der Antragstellerin nicht auf eine bereits ausgeübte Nutzung traf. Denn die Mobilfunkantenne war beim Inkrafttreten der Sperre nicht nur noch nicht im Betrieb; sie war noch nicht einmal ganz fertig gestellt.

Die Voraussetzungen der zweiten Fallgruppe, die auf Vorschriften wie den das Genehmigungsfreistellungsverfahren regelnden Art. 58 BayBO zielt, sind nicht erfüllt, weil es sich bei der Errichtung der Antennenanlage nicht um ein im Genehmigungsfreistellungsverfahren zu behandelndes Vorhaben handelt. Es liegt vielmehr ein nach Art. 56 in Verbindung mit Art. 57 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe a BayBO verfahrensfreies Vorhaben vor. Bei diesen Vorhaben sieht das bayerische Bauordnungsrecht auch dann, wenn sie nach § 29 Abs. 1 BauGB bauplanungsrechtlich relevant sind, nicht einmal eine Unterrichtung der betroffenen Gemeinde vor. Erstrecht ist nicht sichergestellt, dass die Gemeinde bei solchen Vorhaben rechtzeitig vor ihrer Ausführung über Maßnahmen zur Sicherung einer Bauleitplanung nach den §§ 14 und 15 BauGB während einer bestimmten Frist entscheiden kann und dass der Bauherr nach Ablauf dieser Frist die Gewissheit erlangt, nicht mehr mit einer für sein Vorhaben nachteiligen Änderung der Rechtslage durch Bauleitplanung rechnen zu müssen. Ob wegen dieses Mangels bei im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans geplanten verfahrensfreien Vorhaben der Regelungsauftrag des § 36 Abs. 1 Satz 3 BauGB nicht erfüllt ist, kann in diesem Zusammenhang ebenso offen bleiben wie die Frage, ob das Instrument des Antrags auf vorläufige Untersagung nach § 15 Abs. 1 Satz 3 BauGB für bauplanungsrechtlich relevante verfahrensfreie Vorhaben leer läuft, solange für diese Vorhaben die in der Vorschrift vorausgesetzte landesrechtliche Regelung einer Frist für die vorläufige Untersagung fehlt (vgl. hierzu einerseits Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 14 RdNr. 61 f; andererseits Jäde in Jäde/Dirnberger/Weiß, BauGB/BauNVO, 5. Aufl., § 15 RdNr. 31). Für die in diesem Verfahren zu treffende Entscheidung genügt die Feststellung, dass das verfahrensfreie Vorhaben der Antragstellerin nicht nach § 14 Abs. 3 BauGB von der Veränderungssperre unberührt bleibt.

(3.2) Allein daraus, dass keine der in § 14 Abs. 3 BauGB normierten Fallgestaltungen vorliegt, folgt jedoch noch nicht, dass das Vorhaben von der Veränderungssperre erfasst wird. Der Auffassung der Beigeladenen, dass mit Rücksicht auf die Planungshoheit der Gemeinde außerhalb des Anwendungsbereichs des § 14 Abs. 3 BauGB (noch nicht fertig gestellte) Vorhaben ausnahmslos auch dann noch von einer Veränderungssperre erfasst werden, wenn diese erst nach Baubeginn in Kraft tritt, ist nicht zu folgen, weil sie zu einer unverhältnismäßigen Einschränkung von durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Rechten des Bauherrn führen kann.

Wenn eine Veränderungssperre auch ein (noch nicht fertig gestelltes) Vorhaben erfasst, das, wie allem Anschein nach das Vorhaben der Antragstellerin, vor dem Inkrafttreten der Sperre rechtmäßig verfahrensfrei begonnen worden ist, dann hat dies zur Folge, dass die durch die Bauausführung jedenfalls bis zum Inkrafttreten der Sperre legal geschaffenen, unzweifelhaft in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG fallenden Vermögenswerte vorläufig entwertet werden; denn das Vorhaben darf zumindest vorläufig nicht fertig gestellt und bestimmungsgemäß genutzt werden. Ob diese „Verkürzung“ einer durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Rechtsposition endgültig zulässig ist, ist in dem Bebauungsplanverfahren zu entscheiden, dessen Durchführung durch die Veränderungssperre gesichert wird. Wenn der Bebauungsplan, wie hier, Festsetzungen enthalten soll, die die betroffene Nutzungs- bzw. Anlagenart ausschließen, muss sich die Gemeinde im Rahmen der Abwägung (§ 2 Abs. 3, § 1 Abs. 7 BauGB) darüber klar werden, ob diese Festsetzungen auch für ein legal begonnenes und vor dem Wirksamwerden planungssichernder Maßnahmen bereits teilweise fertig gestelltes Vorhaben gelten sollen oder ob im Bebauungsplan hierfür eine Übergangsregelung vorzusehen ist, um eine unverhältnismäßige Einschränkung des Eigentumsrechts (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) zu vermeiden. Beim Erlass einer Veränderungssperre findet eine Abwägung im Sinn von § 2 Abs. 3, § 1 Abs. 7 BauGB, die es ermöglicht, schutzwürdige Eigentümerinteresse auf der einen und auf der Planungshoheit beruhende Belange der Gemeinde auf der anderen Seite unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des Gleichheitssatzes in ein ausgewogenes Verhältnis bringen (vgl. BVerfG vom 19.12.2002 NVwZ 2003, 727), nicht statt (BVerwG vom 30.9.1992 NVwZ 1993, 473 = BayVBl 1993, 283). Der gebotene Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen muss deshalb durch eine einschränkende Auslegung von § 14 Abs. 1 Nr. 1 (und gegebenenfalls Nr. 2) BauGB erreicht werden. Wenn eine Veränderungssperre mit einem in Ausführung befindlichen Vorhaben einen noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt erfasst, den Maßstab für dessen bauplanungsrechtliche Zulässigkeit (vorläufig) ändert und dadurch eine vermögenswerte Rechtsposition des Bauherrn (vorläufig) entwertet, handelt es sich der Sache nach um ein Problem der unechten Rückwirkung (bzw. tatbestandlichen Rückanknüpfung). Diese ist nur dann zulässig, wenn es sich - erstens - bei dem Inkrafttreten der Veränderungssperre um einen Eingriff handelt, mit dem der Betroffene rechnen musste und folglich bei seinen Dispositionen berücksichtigen konnte, und wenn - zweitens - das Vertrauen des Betroffenen auf das Fortbestehen der bei Beginn der Bauausführung gegebenen Rechtslage im Einzelfall weniger schutzwürdig ist als der mit der Veränderungssperre verfolgte Zweck einer Sicherung der Planungshoheit. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, dann darf die Veränderungssperre ein bereits in Ausführung befindliches Vorhaben nicht erfassen, weil sie sonst das Eigentumsrecht des Betroffenen unverhältnismäßig stark einschränken würde. In diesem Fall ist der Begriff „Vorhaben“ in § 14 Abs. 1 Nr. 1 BauGB dahin einschränkend auszulegen, dass nur das noch nicht begonnene Vorhaben von dem Veränderungsverbot erfasst wird. Ist ein Vertrauen des Betroffenen auf das Fortbestehen der bei Beginn der Bauarbeiten bestehenden bauplanungsrechtlichen Lage hingegen nicht schutzwürdig, dann begegnet es keinen Bedenken, wenn eine Veränderungssperre auch ein Vorhaben vorläufig verbietet, zu dessen Verwirklichung bereits etwas „ins Werk gesetzt“ wurde. „Vorhaben“ im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ist dann auch das bereits begonnene (aber noch nicht fertig gestellte) Vorhaben (zum verfassungsrechtlichen Hintergrund dieser einschränkenden Auslegung: Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl., Art. 20 RdNrn. 67 ff., 73 ff. und Art. 14 RdNr. 47 mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts).

Bei der Abwägung, aufgrund deren somit zu entscheiden ist, ob eine Veränderungssperre auch ein bei ihrem Inkrafttreten bereits in Ausführung befindliches Vorhaben verbietet, sind zum einen - als allgemeine Gesichtspunkte - zu berücksichtigten, dass ein Vertrauen auf ein Fortbestehen einer bestimmten Rechtslage als solches nicht schutzwürdig ist und dass es sich bei einer Veränderungssperre, wie dargelegt wurde, nur um ein zeitlich begrenztes Verbot handelt. Andererseits fallen auf Seiten eines „gutgläubigen“ Bauherrn auch die zur Vorbereitung des Bauvorhabens getätigten Investitionen ins Gewicht. Letzteres mag in vielen Fällen dazu führen, dass ein Vorhaben bereits dann nicht mehr von einer Veränderungssperre erfasst werden darf, wenn es beim Inkrafttreten der Sperre bereits begonnen worden war; wenn das Vorhaben zu diesem Zeitpunkt schon nahezu fertig gestellt war, wird der Vertrauensschutz des Bauherrn sogar in aller Regel überwiegen. Wie diese Streitsache zeigt (dazu im Folgenden), muss dies aber nicht immer der Fall sein (insoweit wohl a. A. Lemmel, a. a. O., § 14 RdNr. 28 c [nach Beginn der Bauarbeiten darf das Vorhaben nicht mehr der Veränderungssperre unterworfen werden]; Stock in Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 15 RdNr. 61 a [vorläufige Untersagung gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 BauGB bei verfahrensfreien Vorhaben nur bis Baubeginn]; vgl. aber auch Stock, a. a. O., § 14 RdNr. 126 [mangels Beteiligung der Gemeinde kein Ansatzpunkt für die Bildung schutzwürdigen Vertrauens bei verfahrensfreien Vorhaben]). Wenn der Bauherr eines umstrittenen verfahrensfreien, aber bauplanungsrechtlich relevanten Vorhabens sicher gehen will, dass das Vorhaben nicht mehr von planungssichernden Maßnahmen erfasst werden darf, sollte er die Gemeinde informieren und anschließend mit dem Baubeginn einen Monat warten (vgl. Art. 58 Abs. 3 Satz 3 BayBO). Unter diesen Voraussetzungen dürfte der Vertrauensschutz stets höher zu bewerten sein als ein gegenläufiges Interesse der Gemeinde, den status quo im Hinblick auf Planungsabsichten vorläufig zu sichern.

Diese einschränkende Auslegung erschwert zwar die Prüfung, ob ein in Ausführung befindliches Vorhaben von einer Veränderungssperre erfasst wird und damit im Sinn von Art. 75 BayBO gegen öffentlichrechtliche Vorschriften verstößt. Das ist jedoch der Preis dafür, dass die Bayerische Bauordnung für bauplanungsrechtlich relevante verfahrensfreie Vorhaben keine die Voraussetzungen des § 14 Abs. 3 BauGB erfüllenden Regelungen vorsieht. Abgesehen davon darf der „erste Zugriff“ im Wege einer mündlichen Einstellung der Arbeiten bereits dann erfolgen, wenn konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Verstoßes gegen öffentlichrechtliche Vorschriften vorliegen (sog. Anscheinsgefahr). Bis zur schriftlichen Bestätigung (Art. 37 Abs. 2 Satz 2 BayBO) muss sich die Behörde allerdings darüber klar werden, ob sich der Anschein bestätigt.

(3.3) Nach diesen Maßstäben wird die Errichtung der Mobilfunkanlage von der Veränderungssperre erfasst, weil auf Seiten der Antragstellerin kein schutzwürdiges Vertrauen zu Buche schlägt. Nach summarischer Prüfung ist vielmehr anzunehmen, dass die Antragstellerin damit rechnen musste, dass die Beigeladene auf die Errichtung der Anlage mit planungssichernden Maßnahmen reagieren wird.

Die Antragstellerin hatte der Beigeladenen mit Schreiben vom 2. April 2009 mitgeteilt, dass sie beabsichtige, auf dem ehemaligen Bahnhofsgebäude eine 4,5 m hohe Antennenanlage zu errichten und hierfür die Zulassung einer Abweichung von der § 7 Abs. 1 a der Ortsgestaltungssatzung beantragt, die Antennen nur bis zu einer Höhe von 2,5 m zulässt. Die Höhe von 4,5 m sei „aus funktechnischer Sicht zwingend erforderlich“, um Versorgungsengpässe bzw. Versorgungslücken im Gemeindebereich zu schließen und die erforderlichen Sicherheitsabstände einhalten zu können. Gleichfalls mit einem Schreiben vom 2. April 2009 hatte die ...-... GmbH - als Hauptauftraggeber für das Vorhaben - die Beigeladene davon in Kenntnis gesetzt, dass sie an dem Standort am Bahnhof festhalte, nachdem sich Alternativstandorte als nicht geeignet bzw. nicht realisierbar erweisen hätten, und dass sie beabsichtige, in den nächsten Wochen die auf Wunsch der Beigeladenen unterbrochenen Aufbauarbeiten für Antenne abzuschließen. Davon, dass die Antragstellerin bereits Ende März eine Planung für eine 2,50 m hohe Antenne abgeschlossen und den Antennenträger für dieses Vorhaben am 1. April 2009 „gefertigt“ hatte und dass die am 7. April 2009 begonnenen Bauarbeiten diesem Vorhaben dienten (das nach der Darstellung der Antragstellerin im Schreiben vom 2.4.2009 zu einer „inakzeptablen Einschränkung der funktechnischen Versorgung“ führen müsste), hat die Beigeladene nach Aktenlage zunächst nichts erfahren. Angesichts dieser Vorgeschichte auf der einen und der Tatsache, dass der Antragstellerin aufgrund der vorangegangenen Bemühungen um Alternativstandorte die ablehnende Haltung der Beigeladenen gegenüber dem Standort „Bahnhofsgebäude“ bekannt war, musste die Antragstellerin damit rechnen, dass die Beigeladene das in ihrer Macht Stehende versuchen wird, bei diesem Standort nicht vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden.

c) Fehler bei der Ausübung des durch Art. 75 Satz 1 BayBO eingeräumten Ermessens liegen nicht vor. Es ist in der Regel sachgerecht, wenn die Bauaufsichtsbehörde auf Verstöße gegen öffentlichrechtliche Vorschriften bei der Ausführung eines Vorhabens mit einer Einstellung der Arbeiten reagiert. Gründe für ein Abweichen von dieser Regel sind nicht ersichtlich. Dass die mit dem Vertrauensschutz der Antragstellerin und dem Schutz der Planungshoheit der Beigeladenen zusammenhängenden Fragen nicht im Rahmen der Ermessensausübung berücksichtigt wurden, ist nicht zu beanstanden, weil es sich hierbei, wie dargelegt wurde, um den Begriff des Vorhabens im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 1 BauGB betreffende Rechtsfragen handelt. Bei der von der Antragstellerin beanstandeten Feststellung in dem Bescheid, dass das Vorhaben möglicherweise einer Abweichung von der Bauvorschrift bedürfe, handelt es sich nur um eine ergänzende, für die Ermessensausübung im Ergebnis unerhebliche Erwägung.

2. Es besteht ein öffentliches Interesse (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) daran, dass die Anordnung sofort und nicht erst nach rechtskräftigem Abschluss des Klageverfahrens vollziehbar ist. Um effizient zu sein, muss eine Baueinstellung kurzfristig angeordnet und sofort durchgesetzt werden können. Dies rechtfertigt in aller Regel die Anordnung der sofortigen Vollziehung. Gründe, aus denen dies bei dem Vorhaben der Antragstellerin ausnahmsweise nicht der Fall sein könnte, sind nicht zu ersehen.

3. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, weil sie mit ihrem Antrag unterlegen ist (§ 154 Abs. 1 VwGO). Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen werden in beiden Instanzen für erstattungsfähig erklärt (§ 162 Abs. 3 VwGO), weil die Beigeladene jeweils einen Antrag gestellt und sich damit dem Risiko, Kosten auferlegt zu bekommen, ausgesetzt hat.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG.