AG Fürth (Bayern), Urteil vom 11.08.2009 - 360 C 2932/08
Fundstelle
openJur 2012, 102666
  • Rkr:
Tenor

I.

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 2 LCD-Fernseher der Firma ... 47 PFL7642D LCD-TV 119 Zug um Zug gegen Zahlung von 419,93 EUR zu liefern und zu übereignen.

II.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, den Kläger von den durch die Inanspruchnahme der Rechtsanwälte ... in Höhe von 402,82 EUR entstandenen vorgerichtlichen Kosten freizustellen.

III.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

IV.

Das Urteil ist für den Kläger in Ziffer I. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.600,00 EUR, im übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Gestritten wird in der Hauptsache um die Lieferung zweier Fernsehapparate gegen Zahlung von 419,93 EUR.

Am 25.09.2007 war in dem Internetshop der Beklagten ein Fernsehgerät der Marke ... 47 PFL7642D LCD-TV 119 zu einem Kaufpreis von 199,99 EUR eingestellt. An diesem Tag bestellte der Kläger um 17.36 Uhr online zwei dieser Geräte. Er erhielt unmittelbar darauf eine im Wege des Auto-Reply-Verfahrens generierte E-Mail der Beklagten, wonach seine Bestellung eingegangen und die zwei Geräte lieferbar seien. Einschließlich Versandkosten war ein Gesamtbestellwert von 419,93 EUR angegeben und darauf hingewiesen worden, dass Informationen zum "aktuellen Lieferstatus Ihrer Bestellung" unter der Rubrik "Mein Konto/Bestellübersicht" abgefragt werden können.

Zum Zeitpunkt des Versands dieser E-Mail war der Beklagten bereits bekannt, dass ein Kaufpreis von 199,99 EUR eingegeben war. Die mögliche, aber nicht erfolgte Stilllegung des gesamten Online-Shops hätte diese E-Mail verhindert.

Mit Schreiben vom 28.09.2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, der Preis von 199,99 EUR sei ein Irrtum gewesen; der tatsächliche Kaufpreis betrage 1.999,99 EUR. Daher sei die Bestellung des Klägers storniert worden.

Eine Lieferung der beiden Geräte erfolgte nicht. Auch ein Schreiben der späteren Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 16.09.2008 blieb ohne Erfolg.

Durch diese vorgerichtliche Rechtsanwaltstätigkeit entstanden Kosten in Höhe von 402,82 EUR. Diese wurden von der Rechtsschutzversicherung des Klägers gezahlt. Die Rechtsschutzversicherung trat ihre übergegangenen Ansprüche dem Kläger ab.

Der Kläger trägt vor:

Bestritten werde ein Irrtum bei der Preiseingabe.

Die der Bestellung des Klägers folgende E-Mail der Beklagten sei Annahme und mangels Irrtums zum Zeitpunkt ihrer Abgabe nicht anfechtbar. Nach Entdeckung der Preiseingabe von 199,99 EUR am Mittag des 25.09.2007 hätte hinsichtlich des Artikels die Preiskorrektur gleich eingespielt werden können. Das Schreiben der Beklagten vom 28.09.2007 enthalte zudem keine Anfechtungserklärung; eine solche wäre auch nicht mehr unverzüglich erfolgt.

Der Kläger beantragt,

I.

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2 LCD-Fernseher der Firma ... 47 PFL7642D LCD-TV 119 Zug um Zug gegen Zahlung von insgesamt 419,93 EUR zu liefern und zu übereignen;

II.

die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von den nicht streitwerterhöhenden außergerichtlichen Kosten, die durch die Inanspruchnahme der Rechtsanwälte ... in Höhe von 402,82 EUR entstanden sind, freizustellen.

Die Beklagte beantragt

Klageabweisung

und führt aus:

Der Preis von 199,99 EUR sei versehentlich eingegeben worden. Gewollt sei ein Preis von 1.999,99 EUR gewesen. Nach dem Bekanntwerden der Preiseingabe von 199,99 EUR im Zeitraum Mittag/Nachmittag des 25.09.2007 noch vor dem Versand der Auto-Reply-E-Mail an den Kläger hätte bei Weiterbetrieb des Online-Shops im Übrigen der fragliche Artikel nicht deaktiviert werden können.

Sollte denn diese E-Mail überhaupt eine Annahme des Angebots des Klägers darstellen, sei diese daher mit Schreiben vom 28.09.2007 rechtzeitig und wirksam wegen Irrtums nach § 119 Abs. 1 BGB angefochten worden.

Zur ergänzenden Darstellung des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, die von ihnen übergebenen Unterlagen und die Erklärungen der Beklagten im Termin vom 31.07.2009 (Blatt 51, 52 der Akte) verwiesen. Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Einvernahme der Zeugin ... Insoweit wird auf die Niederschrift der Sitzung vom 12.05.2009 (Blatt 31 ff der Akte) verwiesen.

Gründe

I.

Die zulässige Klage ist gemäß §§ 433, 320 Abs. 1, 249 Abs. 1, 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB begründet.

Folgende Erwägungen liegen der Entscheidung zugrunde:

1.

Der Kläger verlangt Kaufvertragserfüllung zu Recht.

a.

22Die E-Mail der Beklagten vom 25.09.2007 ist nicht bloß eine Zugangsbestätigung nach § 312 e Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BGB, sondern zugleich Annahme des der Beklagten am 25.09.2007 um 17.36 Uhr zugegangenen Angebots des Klägers.

Denn neben den sonstigen Angaben enthält diese E-Mail neben der Bestätigung der Lieferbarkeit durch das Wort "lieferbar" auch den Hinweis auf die Möglichkeit, Informationen zum aktuellen Lieferstatus der Bestellung im persönlichen Bereich des Klägers abzufragen. Aufgrund dieser Umstände kann die genannte E-Mail der Beklagten aus der Sicht des Klägers nur als die Annahme seiner unmittelbar zuvor getätigten Bestellung verstanden werden.

b.

Diese E-Mail ging dem Kläger kurz nach dessen Bestellung zu und wurde damit gemäß § 130 Abs. 1 S. 1 BGB wirksam, da sie zuvor von der Beklagten gerade auch abgegeben worden war. Eine empfangsbedürftige, verkörperte Willenserklärung ist mit der willentlichen Entäußerung derart in Richtung des Empfängers, dass mit ihrem Empfang bei diesem gerechnet werden kann, abgegeben.

Die fehlerhafte Preiseingabe von 199,99 EUR war der Beklagten unter Berücksichtigung der Grundsätze der Wissenszurechnung bei arbeitsteilig organisierten juristischen Personen am Mittag des 25.09.2007 bekannt geworden. Dies trug der Kläger nach der Einvernahme der Zeugin ... vor. Bis dahin hatte der Kläger – wie auch das Gericht – die Klageerwiderung so verstanden, die fehlerhafte Preiseingabe sei der Beklagten erst am 27.09.2007 aufgefallen. Die Beklagte stellte klar, dass vor ihrer E-Mail die fehlerhafte Preiseingabe bereits bekannt gewesen ist. Der Zeitangabe "mittags" wurde nicht widersprochen.

Die Beklagte wusste damit schon Stunden vor der Generierung dieser E-Mail, dass bis zum Wirkungszeitpunkt entsprechender Korrektur in der Nacht zum 26.09.2007 die von ihr in Gang gesetzte, bediente und beherrschte Maschine bei Bestellungen eines Kunden und Lieferbarkeit des Produkts E-Mails mit bekanntem Inhalt mit einem Kaufpreis von 199,99 EUR pro Gerät generiert und absendet. Diesem Prozess musste die Beklagte nicht handlungsunfähig, quasi gefesselt, zusehen. Nur Letzteres würde eine Abgabe hindern. Die Beklagte hatte aber nunmehr unstreitig die Möglichkeit, durch vorübergehende Stilllegung des Online-Shops die Bestellung des Klägers und die dieser folgende eigene E-Mail zu verhindern. Die Beklagte tat dies dennoch nicht und gab damit die in der E-Mail liegende Annahmeerklärung ab. Dass der der Beklagten bekannte Inhalt nicht gewollt war, spielt für die Frage der willentlichen Entäußerung einer Erklärung keine Rolle.

c.

Die Annahmeerklärung der Beklagten blieb auch wirksam, da ein Anfechtungsrecht nicht besteht. Ein Anfechtungsrecht nach § 119 Abs. 1 BGB entsteht (erst) dann, wenn einer der dort genannten Irrtümer zum Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung (noch) vorhanden ist. Zwar ist der Wortlaut von § 119 Abs. 1 BGB sprachlich vielleicht mehrdeutig, doch der maßgebende Zeitpunkt ist immer der der Abgabe der Willenserklärung (Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 3. Auflage, 2008, Rdnr. 20 zu § 119 BGB; Münchener Kommentar zum BGB, 5. Auflage, 2006, Vorbemerkung zu §§ 116 ff BGB, Rdnr. 7). Dies deshalb, weil bis zu dem Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung sich diese noch im Einfluss- und Herrschaftsbereich des Erklärenden befindet.

Nur wenn tatsächlich Gewolltes und nach außen Erklärtes gerade zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung und dies dem Erklärenden gerade unbewusst auseinanderfallen, gewährt das Gesetz bei Irrtümern der in § 119 Abs. 1 BGB genannten Art ein Anfechtungsrecht.

29Zwar lag der E-Mail der Beklagten der von der Zeugin ... bekundete, ihr am 24.09.2007 unterlaufene Fehler bei der Preiseingabe zugrunde. Dieser Eingabefehler war jedoch nicht das letzte menschliche Handeln vor der Abgabe der Erklärung am 25.09.2007 kurz nach 17.36 Uhr. Denn einige Stunden zuvor war die Beklagte unter Berücksichtigung der Grundsätze der Wissenszurechnung wissend geworden. Die Beklagte wusste auch, dass die von ihr beherrschte Maschine bis zum Wirkungszeitpunkt entsprechender Korrektur in der Nacht zum 26.09.2007 auf Bestellungen hin und bei Lieferbarkeit des Artikels Annahmeerklärungen zu einem Kaufpreis von 199,99 EUR generiert, wenn die Maschine vorher nicht gestoppt wird. Bei Abgabe ihrer Erklärung war der Beklagten mithin gerade bewusst, dass äußerer Erklärungswert und innerer Geschäftswille auseinanderfallen. Dies fällt nicht unter § 119 Abs. 1 BGB; einige Fälle von bei Abgabe bewussten Willensmängeln regelt das Gesetz in §§ 116 bis 118 BGB.

Dies ist nichts anderes, als wenn sich jemand bei Verkörperung einer Erklärung verschreibt, dies vor Abgabe der Erklärung allerdings entdeckt und danach dennoch den Brief zur Post gibt.

Eine Maschine wie einen Computer kann man ausschalten.

Ein Anfechtungsrecht der Beklagten besteht nach alledem nicht. Ein Irrtum bestand bei Abgabe, wie dargelegt, nicht mehr. Nach dem Gesetz ist nur ein solcher relevant.

d.

Die Beklagte trug nicht vor, der Kläger hätte bei Abgabe seines Angebots gewusst, dass der Preis von 199,99 EUR auf einem Eingabefehler beruht. Fragen von Treu und Glauben können daher dahinstehen.

2.

Der Freistellungsanspruch hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten folgt aus §§ 249 Abs. 1, 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB.

II.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.

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