LG Schweinfurt, Urteil vom 05.08.2009 - 14 O 192/09
Fundstelle
openJur 2012, 102649
  • Rkr:
Tenor

1. Die Klage wirdabgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird auf 30.389,40 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen Schlechterfüllung eines Anlageberatungsvertrages.

Nach Durchführung eines Beratungsgespräches mit dem Zeugen Sch einem Mitarbeiter der Beklagten in deren Filiale in ... kauften die Klägerin und ihr Ehemann bei der Beklagten am 7.2.2007 30 Zertifikate L B Treas. Co. B. V. Expr. Bonus III ZT.07 (07.03.11) SX5E für insgesamt 30.389,40 EUR. Im Dezember 2007 erwarben die Klägerin und ihr Ehemann weitere Aktienzertifikate bei der Beklagten.

Der Ehemann der Klägerin trat seine Ansprüche gegen die Beklagte aus dem Erwerb der Zertifikate an die Klägerin ab.

Wegen einer Insolvenz der US-amerikanischen Bank L B beträgt der derzeitige Wert der Zertifikate 0 Euro.

Die Klägerin behauptet:

Die Beklagte habe ihre Pflichten aus dem zwischen den Parteien bestandenen Anlageberatungsvertrag schuldhaft schlecht erfüllt. Eine Exploration der Anlagegewohnheiten, der Anlageerfahrungen, der Ziele der Geldanlage etc. sei unterblieben. Die Eheleute hätten Geld aus einer Erbschaft zur Verfügung gehabt, das in seinem Bestand sicher erhalten werden sollte. Es habe eine Umschichtung aus spekulativen Aktien stattfinden sollen. Die Beratung sei unter dem Stichwort "Rentenanlage" getätigt worden.

Die Beklagte habe es unterlassen, die Eheleute darüber aufzuklären, daß die Zertifikate nicht einem deutschen Einlagensicherungsfonds unterlagen sowie ein Emittentenrisiko und damit auch ein Totalverlustrisiko bestand. Die Risiken im Zusammenhang mit der Bank L B seien bereits im Jahr 2006 bekannt gewesen. Ein schriftliches Merkblatt mit näherer Erläuterung der Zertifikate sei erst bei Zeichnung übergeben worden.

Die Beklagte habe es auch schuldhaft unterlassen, die Eheleute auf Rückvergütungen bzw. deren genaue Höhe hinzuweisen.

Bei korrekter Aufklärung hätten die Eheleute die streitgegenständlichen Zertifikate nicht erworben. Es sei daher ein Schaden in Höhe des Kaufpreises entstanden.

Die Klägerin beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag von 30.389,40 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet:

Die Beklagte habe seit 1980 Wertpapiergeschäfte des Ehemanns der Klägerin bzw. der Eheleute abgewickelt. Die Anlagegewohnheiten, Anlageerfahrungen, etc., seien daher bekannt gewesen. 2001 sei ein entsprechender Fragebogen ausgefüllt worden, der ein risikobewußtes Profil ergeben habe. Zum Stichtag 28.2.2007 habe das Depot einen Aktien- bzw. Zertifikateanteil von 100 % aufgewiesen. Der Ehemann der Klägerin sei ein sehr kostenbewußter Anleger gewesen, der nur nach sorgfältiger Information zur Zeichnung bereit gewesen sei. Bei den streitgegenständlichen Zertifikaten habe es sich um kein riskantes Produkt gehandelt. Bis zu einem Kursverlust von 40 % der entsprechenden Aktienindizes sei es sogar deutlich weniger riskant als eine vergleichbare Aktienanlage gewesen. Der Erwerb eines Produktes "Sofortrente" sei 2005/2006 von den Eheleuten abgelehnt worden.

Die Frage des Einlagensicherungsfonds habe bei der Beratung nicht angesprochen werden müssen, da Wertpapiere derartigen Sicherungseinrichtungen ohnehin nicht unterfielen. Beim Emittentenrisiko habe es sich um ein rein theoretisches Risiko gehandelt, die Bank L B habe zum damaligen Zeitpunkt über sehr gute Ratings verfügt. Ohnehin sei im mündlichen Beratungsgespräch erläutert worden, daß es sich um eine Inhaberschuldverschreibung mit entsprechenden Risiken handele. Auch seien schriftliche Unterlagen über die Zertifikate rechtzeitig übergeben worden. Den Eheleuten seien aus dem Erwerb anderer Zertifikate die Struktur derartiger Papiere sowie die damit verbundenen Risiken bekannt gewesen.

Die sogenannte Kick-back-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei nicht auf Kaufverträge wie den vorliegenden anwendbar. Hier liege keine Rückvergütung vor, zudem liege die Verkaufsgebühr von einmalig 3,5 % im herkömmlichen Bereich. Hieraus ergebe sich, daß kein Interessenkonflikt bestanden habe.

Die Schadensberechnung der Klägerin sei unschlüssig, da der Ausgang des Insolvenzverfahrens der Bank L B noch nicht bekannt sei. Daneben müßte sich die Klägerin ein Mitverschulden anrechnen lassen. Ohnehin müsse sie Zug-um-Zug die Zertifikate übertragen.

Wegen der näheren Einzelheiten, insbesondere der geäußerten Rechtsansichten, wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 15.7.2009 Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben gem. Beweisbeschluß vom 15.7.2009 durch uneidliche Einvernahme der Zeugen V und Sch. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Gründe

A.

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Klägerin stehen keine Schadenersatzansprüche aus eigenem bzw. abgetretenem Recht wegen Schlechterfüllung der Pflichten der Beklagten aus dem zwischen den Parteien bestehenden Anlageberatungsvertrag zu, §§ 280 I, 398 BGB.

I.

Die Klägerin wirft der Beklagten vor, die Beklagte habe die Anlagegewohnheiten, Anlageerfahrungen, Ziele der Anlage, etc. nicht exploriert und im Ergebnis eine für die Anlageziele der Klägerin bzw. ihres Ehemannes nicht geeignete Anlage empfohlen.

1. Die Beklagte hat substantiiert vorgetragen, daß sie seit 1980 Wertpapiergeschäfte für die Klägerseite abgewickelt habe. Weiterhin wurde ein im Jahr 2001 ausgefüllter Fragebogen vorgelegt. Die Klägerseite hat dies im Ergebnis nicht bestritten. Vor diesem Hintergrund trifft der Vorwurf einer mangelhaften Exploration nicht zu.

2. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß die Zertifikate für die konkreten Anlageziele der Klägerin bzw. ihres Ehemanns ungeeignet gewesen wären.

Der Zeuge V hat selbst eingeräumt, daß es bei dem streitgegenständlichen Beratungsgespräch nicht um eine Rentenanlage gegangen sei. Auch trifft nach der Aussage des Zeugen V die schriftsätzlich aufgestellte Behauptung nicht zu, man habe eine Umschichtung aus spekulativen Aktienanlagen vornehmen wollen.

Nach den Ausführungen des Zeugen V sei es vielmehr so, daß ein Betrag, der aus einer Erbschaft zur Verfügung stand, als Festgeld angelegt gewesen sei. Wegen der ständig wechselnden Konditionen habe man eine andere Anlageform gesucht. Hierbei habe es sich um eine sichere Anlage handeln sollen, es hätten aber auch Renditegesichtspunkte eine Rolle gespielt.

Die Beklagtenseite weist zu Recht darauf hin, daß mit Ausnahme des Emittentenrisikos (auf das noch gesondert eingegangen wird) die streitgegenständlichen Zertifikate für diese Anlageziele durchaus geeignet waren. Bis zu einem massiven Einbruch der entsprechenden Aktienindizes von 40 % war die Anlage in diesen Zertifikaten deutlich sicherer als eine Anlage in Aktien, selbst wenn diese breit gestreut worden wäre. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß die Klägerin bzw. ihr Ehemann bereits über ein umfangreiches Aktiendepot verfügten, war die Empfehlung der hier streitgegenständlichen Zertifikate daher durchaus folgerichtig.

Der Zeuge V hat selbst eingeräumt, daß er die grundlegende Mechanik dieser Zertifikate durchaus verstanden habe. Er störe sich vielmehr am eingetretenen Totalverlust.

II.

Die Klägerin wirft der Beklagten weiterhin vor, nicht darüber aufgeklärt zu haben, daß die Zertifikate nicht dem deutschen Einlagensicherungsfonds unterliegen und daß ein Emittenten- und daraus resultierendes Totalverlustrisiko bestand.

1. Die Beklagtenseite weist zu Recht darauf hin, auch Wertpapiere nicht dem Einlagensicherungsfonds unterfallen und damit nicht ersichtlich ist, weshalb ein Anleger bei der Zeichnung eines Zertifikates, der auf den Kursen bestimmter Aktienindizes fußt, hierauf hingewiesen werden müßte. Auch hierbei ist zu berücksichtigen, daß die Klägerin bzw. ihr Ehemann erfahrene Anleger waren, die insbesondere ein umfangreiches Aktiendepot hatten. Es handelte sich damit nicht um unerfahrene und gleichzeitig sehr sicherheitsbewußte Anleger, bei denen eventuell gesondert auf diesen Umstand hätte hingewiesen werden müssen.

2. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme hat die Klägerin den Nachweis nicht geführt, daß die Beklagte eine Aufklärung über das Totalverlustrisiko unterlassen hätte.

Die Beweislast für eine Verletzung der Pflichten aus dem zwischen den Parteien bestehenden Anlageberatungsvertrag liegt bei der Klägerin. Der von ihr benannte Zeuge V hat zwar angegeben, daß nicht über das Totalverlustrisiko gesprochen worden sei. Der Zeuge Sch hat hingegen ausgesagt, sich sicher zu sein, über ein Totalverlustrisiko aufgeklärt zu haben. Im Ergebnis stand damit Aussage gegen Aussage. Für das Gericht war die Aussage des Zeugen V zumindest nicht glaubwürdiger als die des Zeugen Sch. Der Zeuge Sch hat keineswegs einseitig den Sachvortrag der Beklagten, seiner Arbeitgeberin, bestätigt. Soweit er sich an Einzelheiten nicht genau erinnern konnte, hat er dies offen eingeräumt. Er konnte allerdings nachvollziehbar und überzeugend darlegen, bei Anlagen, die ein Totalverlustrisiko haben, generell auf das Totalverlustrisiko hinzuweisen.

3. Ein ausdrücklicher Hinweis auf das Emittentenrisiko, das hier einen Unterfall des Totalverlustrisikos darstellt, war nach Auffassung des Gerichts vor diesem Hintergrund von der Beklagten nicht geschuldet.

Das Risiko, daß die Emittentin, d. h. die Bank L B, ausfiel und sich dadurch das Totalverlustrisiko realisiert, bestand zwar objektiv bereits zum damaligen Zeitpunkt, war aber nahezu nur theoretischer Natur.

Die Beklagtenseite weist zu Recht auf die durchgehend sehr guten Ratings der Bank L B zum Zeitpunkt der Verkäufe und darüber hinaus hin.

Es trifft auch zu, daß in der Finanzwelt der Zusammenbruch der Bank L B, einer der vier großen US-amerikanischen Investmentbanken, aufgrund der Größe dieser Einrichtung und der von einem derartigen Zusammenbruch ausgehenden Verwerfungen für das Weltfinanzsystem bzw. die Weltwirtschaft als nahezu ausgeschlossen angesehen wurde. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, daß auch zum damaligen Zeitpunkt zwar schon Probleme insbesondere auf dem US-amerikanischen Kreditmarkt absehbar gewesen sein mögen. Es konnte aber davon ausgegangen werden, daß selbst bei existenzbedrohenden Schwierigkeiten einer Großbank eine Lösung durch ein Eingreifen der Mitbewerber bzw. des Staates gefunden wird, wie dies auch bei anderen Banken der Fall war bzw. ist.

III.

Der Klägerin steht kein Schadenersatzanspruch wegen des unterlassenen Hinweises auf die Vergütung zu, die die Beklagte für den Verkauf der Zertifikate erhielt.

Es kann im Ergebnis dahinstehen, ob die sogenannte Kick-back-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs überhaupt auf den Verkauf derartiger Zertifikate wie der hier streitgegenständlichen anwendbar ist.

Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme fehlt ein kausaler Zusammenhang zwischen einer etwaigen Pflichtverletzung und dem behaupteten Schaden. Der Bundesgerichtshof hat zwar klargestellt, daß auch im Rahmen der sogenannten Kick-back-Rechtsprechung die Vermutung des aufklärungsrichtigen Verhaltens grundsätzlich gilt (BGH, Urteil vom 12.5.2009, XI ZR 586/07). Der Zeuge V hat aber ausgesagt, er gehe eher davon aus, daß der Kauf auch getätigt worden wäre, wenn auf den Verkaufserlös von 3,5 % hingewiesen worden wäre. Ihm sei damals schon klar gewesen, daß eine Bank nicht umsonst arbeite. Aufgrund dieser ehrlichen Aussage des Zeugen V ist die Vermutung des aufklärungsrichtigen Verhaltens hier widerlegt.

B.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 I ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 Satz 1, 2 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung erfolgt gem. §§ 48 GKG, 3 ZPO.