OLG München, Urteil vom 19.08.2009 - 7 U 2046/09
Fundstelle
openJur 2012, 102624
  • Rkr:
Tenor

I. Das Endurteil des Landgerichts München I vom 09.02.2009 wird samt dem zugrunde liegenden Verfahren aufgehoben.

II. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Berufungsverfahrens an das Landgericht zurückverwiesen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin erhob mit Schriftsatz vom 26.02.2008, eingegangen bei Gericht am 17.03.2008, zugestellt an die Beklagte am 25.03.2008, Zahlungsklage in Höhe von 101.021,17 €.

Als Rechtsgrund macht sie Ansprüche aus Vergütung aus einem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag geltend.

Die Beklagte rügt in ihrer Klageerwiderung u. a. die fehlende Aktivlegitimation der Klägerin. Sie trug vor, dass bereits vor Rechtshängigkeit der Klage etwaige Ansprüche der Klägerin in einer die Klageforderung übersteigenden Höhe gepfändet worden seien.

Gemäß Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Hamburg-Harburg vom 10.03.2008 (B 37) wurden die Forderungen der Klägerin gegen die Beklagte gepfändet.

Die Klägerin legte mit Schriftsatz vom 24.11.2008 eine Ermächtigung der Gläubigerin des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, der D. O. GmbH, vom 21.11.2008 (K 14) vor, wonach die Klägerin ermächtigt und bevollmächtigt wird, zugunsten der D. O. GmbH nach außen hin im eigenen Namen die im streitgegenständlichen Verfahren gegen die Beklagte geltend gemachten Zahlungsansprüche gerichtlich geltend zu machen.

Die Klägerin änderte in dem selben Schriftsatz ihren Antrag dahingehend, dass

die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 101.021,17 € zuzüglich 8 %-Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB aus 8.629,95 € seit dem 03.05.2007, aus 46.195,61 € seit 17.08.2007 sowie aus 46.195,61 € seit dem 01.01.2008 zu bezahlen, mit der Maßgabe, dass der Betrag in voller Höhe an die D. O. GmbH B. Sch., zu Händen von deren Prozessbevollmächtigten Rechtsanwälte M., T., P., V., in Leipzig, auf deren Konto Nr.: ... bei der D. Bank Privat und Geschäftskunden AG, überwiesen wird.

In der mündlichen Verhandlung vom 24.11.2008 wiederholte die Klägerin diesen Antrag.

Das Landgericht München I hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert. Die Klage sei zwar zulässig, da die von der Klägerin vorgelegte Ermächtigung vom 21.11.2008 als Vertrag dahingehend auszulegen sei, dass die Klägerin die Klageforderung im Rahmen einer gewillkürten Prozessstandschaft geltend mache, jedoch sei die Klägerin aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 10.03.2008 des Amtsgerichts Hamburg nicht mehr Inhaberin der behaupteten Ansprüche. Nach ihrem Auftreten in dem gesamten Rechtsstreit und auch gemäß ihres zuletzt gestellten Antrags vom 24.11.2008 geriere sich die Klägerin als Forderungsinhaberin, da sie Zahlung an sich zu Händen der Prozessbevollmächtigten der Firma D. O. beantragt. Der Klageantrag sei so zu verstehen, dass die geltend gemachte Forderung an die Klägerin zu leisten sei, die D. O. GmbH lediglich als Zahlstelle fungiere.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch weiter. Sie trägt insbesondere vor, dass das Erstgericht zu Unrecht die Klage wegen fehlender Aktivlegitimation abgewiesen habe. Sie rügt, dass die Entscheidung mit dieser Begründung überraschend erging, da das Landgericht auf ausdrückliche Nachfrage in der mündlichen Verhandlung, ob der gestellte Antrag so in Ordnung sei, erklärt hätte, dass dies wohl der Fall sein dürfte, aber das Gericht sich noch „im Bürowege“ Gedanken hierüber machen werde. Aufgrund dieses Hinweises, sei die Klägerin davon ausgegangen, dass für den Fall, dass das Landgericht irgendwelche Unklarheiten sehen würde, ein entsprechender richterlicher Hinweis erfolgen würde.

Die Klägerin beantragt, das Ersturteil aufzuheben und die Angelegenheit zur weiteren Verhandlung an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt u. a. die Zurückweisung der Berufung. Sie ist insbesondere der Ansicht, der zuletzt von der Klägerin gestellte Antrag sei eindeutig. Eines Hinweises des Landgerichts hätte es daher nicht bedurft, zumal die Frage der Aktivlegitimation seit der Klageerwiderung problematisiert worden sei.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens insbesondere auch hinsichtlich des materiellen Inhalts der Klageforderung und der hiergegen vorgebrachten Einwände und der Hilfsaufrechnung wird auf die Schriftsätze der Parteien und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.08.2009 Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und führt zur Aufhebung des Ersturteils und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht (§ 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Zu Unrecht hat das Landgericht die Klage wegen fehlender Aktivlegitimation der Klägerin zurückgewiesen.

1. Dem Landgericht ist dahingehend zu folgen, dass die Klage zulässig ist. Allerdings kommt es insoweit entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht auf die rechtliche Qualifizierung der Ermächtigung vom 21.11.2008 als Vertrag über eine gewillkürte Prozessstandschaft an. Die Klägerin ist auch ohne diese Ermächtigung berechtigt, die Forderung einzuklagen. Denn der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Hamburg-Harburg vom 10.03.2008 bewirkt lediglich, dass die Klägerin die Forderung nicht mehr für sich einziehen, also nicht Leistung an sich verlangen kann. Verboten sind dem Schuldner allein Verfügungen zum Nachteil des pfändenden Gläubigers. Rechtshandlungen, die weder den Bestand der Pfandrechte noch den der gepfändeten Forderung beeinträchtigen, sind ihm infolge der bei ihm verbliebenen Berechtigung dagegen gestattet. Aus diesem Grunde darf er auf Leistung an den Pfändungläubiger klagen, und zwar aus eigenem Recht (vgl. BGH, Urteil vom 5.4.2001, IX ZR 441/99, Rdnr. 20 m.w.N.).

162. Zu Unrecht hat das Erstgericht die Aktivlegitimation verneint, denn sowohl aus dem Klagevorbringen als auch dem geänderten Klageantrag wird deutlich, dass die Klägerin den behaupteten Anspruch mittels eines Antrags auf Zahlung direkt an die Pfandgläubigerin geltend macht. Soweit der geänderte Klageantrag insoweit nicht eindeutig formuliert ist, hätte das Erstgericht prüfen müssen, ob das erkennbar gewordene Klageziel durch eine sachgerechte Fassung des Antrags zum Erfolg führen kann. Aufgrund der dem Richter gemäß § 139 Abs. 1 ZPO obliegenden Hinweispflicht war auf eine entsprechende Änderung gerade deshalb hinzuwirken, weil es lediglich einer einfachen Umgestaltung des bisher formulierten Antrags bedurft hätte. Es liegt in der Mitverantwortung des Gerichts, für eine umfassende tatsächliche und rechtliche Klärung des Streitstoffes zu sorgen (vgl. die amtliche Begründung zur ZPO-Reform in BT-Drs.- 14/4722 Seite 77). Dabei geht es nicht um die Verlagerung von Aufgaben, die originär den Parteivertretern obliegen, auf das Gericht, sondern um die Zusammenarbeit zwischen Parteien und Gericht, die für einen schnellen, rationellen und insbesondere gerechten Abschluss des Rechtsstreits von großer Bedeutung ist (vgl. Zöller, a.a.O. , § 139 Rn 1).

Der von der Klägerin gestellte Antrag vom 24.11.2008 ist nicht eindeutig, sondern auslegungsfähig und -bedürftig, da er Zahlung des Klagebetrags an die Klägerin zu Händen D. O. GmbH verlangt.

Das Erstgericht hätte daher die Klägerin darauf hinweisen müssen, dass der Antrag entgegen ihrem erkennbaren Willen anders verstanden werden kann, und im Rahmen seiner Prozessleitung darauf hinwirken müssen, dass die Klägerin ihren Antrag entsprechend so präzisiert, dass er mit Blick auf das erkennbare Ziel sachdienlich ist. Das war hier insbesondere deshalb geboten, weil die Klägerin auf Rüge der Aktivlegitimation durch die Beklagte, die Ermächtigung der D. O. GmbH vorlegte und gleichzeitig ihren Klageantrag umstellte. Der Wille der Klägerin, das für die Begründetheit der Klage Erforderliche zu tun, um so das erstrebte Ziel auf dem zulässigen prozessualen Weg zu erreichen, war klar erkennbar (vgl. BGH, Urteil vom 5.4.2001, IV ZR 1441/99, Rdnr. 18).

Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 24.11.2008 erfolgte ein Hinweis des Erstgerichts nicht. Es ist daher davon auszugehen, dass ein entsprechender Hinweis nicht erging (vgl. Zöller a.a.O. , § 139 Rn. 20). Dies begründet einen Verfahrensmangel, der für das Urteil, mit dem die Klage wegen fehlender Aktivlegitimation abgewiesen wurde, ursächlich war und damit wesentlich ist i.S.d. § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO (vgl. Zöller, ZPO, 27. Aufl., § 538 Rdnr. 20; Thomas/Putzo, ZPO, 30. Aufl., § 538 Rdnr. 7 ff.). Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 3.8.2009 (Bl. 202 d. A.) einen Antrag auf Zurückverweisung gestellt.

Aufgrund der Tatsache, dass eine Auseinandersetzung mit dem streitigen Sachvortrag bisher nicht stattgefunden hat, wird eine umfangreiche Beweisaufnahme erforderlich sein.

3. Im Einzelnen wird für das weitere Verfahren folgendes zu berücksichtigen sein:

3.1. Anspruch auf Mietzinszahlung

Ein Anspruch auf Zahlung des Mietzinses für den beantragten Zeitraum aus dem am 04.12.1999/14.01.2000 zwischen den Parteien geschlossenen Einzelvertrag (K 2) besteht nicht. Die Beklagte hat das Vertragsverhältnis durch außerordentliche Kündigung vom 11.06.2007 wirksam beendet.

a) Kündigungserklärung

Es liegt insbesondere eine wirksame Kündigungserklärung vor (B 22). Entgegen der Auffassung der Klägerin ist diese hinreichend bestimmt. Denn darin wird eindeutig auf den Einzelvertrag vom 14.01.2000 und die danach vermietete LWL-Strecke Bezug genommen. Daraus lässt sich für den Erklärungsempfänger eindeutig entnehmen, welches Vertragsverhältnis mit der außerordentlichen Kündigung beendet werden soll. Eine Benennung der einzelnen Fasern war nicht erforderlich.

b) Kündigungsgrund

Es lag auch ein wichtiger, zur fristlosen Kündigung berechtigender Grund im Sinn von Ziffer 6 des Einzelvertrages vor. Wegen der Unklarheiten hinsichtlich der Eigentumslage an der Stadtstrecke und der damit verbundenen Unsicherheit der Wirksamkeit des Vertragsverhältnisses, war der Beklagten eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses mit der Klägerin nicht zumutbar (aa). Dieser, die Stadtstrecke betreffende Umstand, wirkte sich auf den Vertrag insgesamt aus, eine vertragsändernde Herauslösung der Stadtstrecke in der Vergangenheit ist nicht wirksam erfolgt (bb).

aa) Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass es nach Abschluss des streitgegenständlichen Einzelvertrages hinsichtlich des darin vermieteten Teilabschnitts 2 zu einem Wechsel des Eigentümers gekommen ist. So ist zunächst das Glasfasernetz der BTM aufEnergis24 übergegangen, dann nach Insolvenz vonEnergis24 auf Carrier 24 und sodann auf die G. C. GmbH. Die Beklagte hat unstreitig vorgetragen, dass ihr gegenüber durch die Eigentümerin - G. C. GmbH - mit e-mail vom 06. Februar 2007 (B 13) mitgeteilt wurde, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Zugang zu den Trassen und Faserpaaren zu Wartungszwecken auf der Strecke Rostock - Peetz zum ... (= Stadtstrecke) hat, die G. C. GmbH auch keinerlei vertragliche Beziehungen zur Klägerin unterhält und der Gebrauch von Fasern ohne vorherige Ankündigung unterbrochen werden könne, falls diese unberechtigt genutzt werden.

Mit Schreiben vom 14. März 2007 hat die Beklagte der Klägerin Gelegenheit gegeben, die Eigentumsverhältnisse an der Stadtstrecke mit Fristsetzung bis 27. März 2007 darzustellen und gegebenenfalls einen Nachweis vorzulegen, dass die Klägerin zur Gebrauchsüberlassung berechtigt ist. Die Klägerin hat mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 27.03.2007 (B 15) eine entsprechende Auskunftserteilung abgelehnt, insbesondere weder die Eigentumsverhältnisse offengelegt, noch einen Nachweis über eine berechtigte Gebrauchsüberlassung vorgelegt. Mit Schreiben vom 12.04.2007 (B 18) hat die Beklagte die Klägerin unter Fristsetzung zum 26.04.2007, mit nochmaliger Verlängerung der Frist bis zum 07.05.2007, zu einer ergänzenden Stellungnahme aufgefordert und gleichzeitig darauf hingewiesen, dass G. C. mitgeteilt habe, dass der Gebrauch der Fasern ohne vorherige Ankündigung unterbrochen werden könne. Die Klägerin hat auch auf dieses Schreiben nicht die verlangte Auskunft erteilt, insbesondere keinen Nachweis der Berechtigung zur Überlassung von LWL-Faserpaaren vorgelegt. Daraufhin hat die Beklagte unstreitig über die Stadtstrecke einen Vertrag mit G. C. abgeschlossen (B 19).

Dieser Sachverhalt begründet einen wichtigen Grund im Sinne von § 543 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB, denn der Beklagten war die Fortsetzung des Vertragverhältnisses nicht mehr zumutbar. Sie musste insbesondere nicht an dem Vertragsverhältnis so lange festhalten, bis ihr die Nutzung der LWL-Fasern tatsächlich entzogen worden wäre. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen, die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann, § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. BGH,, Urteil vom 9.3.2005, VIII, ZR 394/05, Rdnr. 12). In der Mitteilung der Eigentümerin G. C. liegt die Ankündigung eines drohenden Gebrauchsentzugs. Der Klägerin ist der Vorwurf zu machen, dass sie ihren Vertragspartner, die Beklagte, in dieser Situation über die Eigentums,- bzw. Besitzüberlassungsverhältnisse im Unklaren ließ. Die Beklagte musste befürchten, dass ihr die Nutzung der Faserkabeln ohne Ankündigung abgeschnitten wird, was für sie ihrerseits wegen Vertragsverpflichtungen gegenüber eigenen Kunden unzumutbar gewesen wäre. Zwischen den Parteien eines Mietvertrages besteht ein Vertrauensverhältnis dahingehend, dass der jeweilige Vertragspartner sich darauf verlassen kann, bei Umständen, die das Bestehen des Mietverhältnisses gefährden, über diese bei Nachfrage auch informiert zu werden.

Die Beklagte befand sich im Zeitpunkt der außerordentlichen Kündigung in einer unsicheren Position, weil sie nicht davon ausgehen konnte, dass die Klägerin als Vermieterin die ihr obliegenden Hauptpflichten, nämlich insbesondere die Überlassung der gemieteten Sache, weiterhin gewährleisten konnte. Der Beklagten war nicht zumutbar, abzuwarten, ob die tatsächliche Eigentümerin ihren Herausgabeanspruch gegenüber der Beklagten geltend machte und die Nutzung der Faserpaare unterbrach. Auch die nach § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB vorzunehmende Interessenabwägung führt dazu, dass von einem wichtigen Grund auszugehen ist. Die Klägerin weigerte sich, der Beklagten die Erfüllung ihrer Hauptleistungspflicht verbindlich zu bestätigen. Es ist nicht ersichtlich, aus welcher Interessenlage heraus die Klägerin ihrer Mieterin gegenüber die entsprechende Auskunft bzw. den Nachweis über die Nutzungsberechtigung verweigerte.

bb) Die außerordentliche Kündigung umfasste den gesamten Einzelvertrag, so dass die Beklagte damit auch das Mietverhältnis über die Fernstrecke wirksam gekündigt hat. Insbesondere erfolgte zu keinem Zeitpunkt eine Herauslösung der Stadtstrecke (Teilabschnitt 2) aus dem Einzelvertrag. Damit ist von einem einheitlichen Vertrag im Zeitpunkt der Kündigung auszugehen, der auch nur einheitlich beendet werden konnte.

Die Klägerin hat nicht nachgewiesen, dass der Einzelvertrag wirksam geändert worden ist. Eine solche Vertragsänderung hätte nach Ziffer 11 Satz 1 des Einzelvertrages zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedurft. Nach Satz 2 ist zu einer Abbedingung des Schriftformerfordernis ebenfalls die Schriftform erforderlich. Entgegen der Auffassung der Klägerin genügt das „Bestätigungsschreiben“ vom 15.04.02 (K 3) nicht den Anforderungen, die an eine schriftliche Vertragsänderung zu stellen sind.

Das Schreiben enthält ausschließlich die Erklärung der Klägerin - ohne eine entsprechende Erklärung und Unterschrift der Beklagten -, dass an den Vertrags- bzw. Abrechnungskonditionen festgehalten werde, wobei am Ende des Schreibens darauf hingewiesen wird, dass noch eine Abstimmung mit der Beklagten notwendig sei. Auch wenn die Klägerin inhaltlich darin eine Trennung der Streckenlängen und eine entsprechend modifizierte Abrechnung vornimmt, liegt darin mangels entsprechender Erklärung der Beklagten, keine einvernehmliche Aufhebung des Schriftformerfordernisses.

Die Beklagte hat ferner vorgetragen, den von der Klägerin mit Rechnung vom 14.06.04 (B 46) geforderten Zins für die Stadtstrecke in den Leistungszeitraum 01.10.2001 bis 30.06.2004 bezahlt zu haben. Auch in dieser Rechnung bezieht sich die Klägerin noch auf den Einzelvertrag vom 14.01.2000. Gleichermaßen verfährt sie im Übrigen im Schreiben vom 24.10.01 (B 8). Darin bestätigt sie, dass sie selbst nicht von einer Herauslösung der Stadtstrecke ausgeht. Das ergibt sich zusätzlich aus dem Schreiben der Klägerin vom 28.07.2004 (B 01), in welchem sie selbst hinsichtlich der Fasern betreffend das Rostocker Stadtnetz von einer Vertragserfüllung entsprechend dem Vertrag vom 14.01.2000 ausgeht.

Eine wirksame Vertragsänderung erfolgte auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt. Auch dafür wäre ein entsprechend schriftlicher Änderungsvertrag erforderlich gewesen.

Die Klägerin kann der Notwendigkeit des doppelten Schriftformerfordernisses auch nicht mit Erfolg den Einwand des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens entgegenhalten (§ 242 BGB), weil die Beklagte durch ihr tatsächliches Verhalten gezeigt habe, dass sie selbst von einer Vertragsänderung ausgehe. Insbesondere hätte die Beklagte nurmehr einen reduzierten Mietzins bezahlt. § 242 BGB könnte dem mangelnden Formerfordernis nur dann entgegengehalten werden, wenn es nach den Beziehungen der Parteien und den gesamten Umständen mit Treu und Glauben unvereinbar wäre, das Rechtsgeschäft am Formmangel scheitern zu lassen; das Ergebnis müsste für die betroffene Partei nicht bloß hart, sondern schlechthin untragbar sein (vgl. Palandt, BGB, 68. Aufl., § 125 Rdnr. 22 m.w.N.). Das ist vorliegend nach dem Sachvortrag der Klägerin nicht erkennbar. Insbesondere ist dabei zu berücksichtigen, dass die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 21. Mai 2004 (B 11) angeboten hat, bei Vorlage einer entsprechenden Rechnung den ausstehenden Mietzins zu bezahlen. Eine rechtsmissbräuchliche Zahlungsverweigerung liegt daher nicht vor. Die Beklagte hat vorgetragen, dass ihr von der Klägerin mit Rechnung vom 14. Juni 2004 (Bl. 46) der ausstehende Mietzins für die Stadtstrecke für den Leistungszeitraum 01.10.2001 bis 30.06.04 in Rechnung gestellt wurde und sie diesen beglichen habe. Auch daraus folgt, dass die Beklagte davon ausgehen konnte, dass die Klägerin von einer unveränderten Fortgeltung des Mietvertrages ausging.

3.2. Anspruch auf Nutzungsentschädigung

a) Der Klägerin steht kein Anspruch auf Nutzungsentschädigung gemäß § 546 a BGB zu. Voraussetzung dafür wäre, dass die Beklagte der Klägerin die genutzten Glasfaserkabel vorenthält, was einen entsprechenden Rücknahmewillen der Klägerin voraussetzt. An einem solchen fehlt es aber hier, da die Klägerin sich auf die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung beruft und eine Fortsetzung des Vertrages annimmt (vgl. BGH, NJW 2006, Seite 140).

b) Der Klägerin könnte aber ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung aus § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB zustehen. Voraussetzung dafür wäre, dass der Beklagten die Gebrauchsüberlassung durch die Klägerin als Berechtigte gewährt wurde soweit die Klägerin nicht selbst als Erbringerin eigener Vertragsleistungen an die Beklagte geleistet hat.

Die Klägerin hat vorgetragen, dass der im Mietvertrag vereinbarte Mietzins auch die Instandhaltung und das Servicemanagement enthalte (Bl. 94 d. A.), so dass sich das Nutzungsentgelt nach dem Vortrag der Klägerin aus zwei Teilen zusammensetzt, nämlich aus 40 % Gegenstandsmiete und 60 % Instandhaltungsmanagement und Servicemanagement. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vom 19.08.2009 darauf hingewiesen, dass sich ihr bisheriges bestreitendes Vorbringen auch auf die Gesamtkalkulation der Klägerin insbesondere in Bezug auf das vorgetragene Verhältnis zwischen Mietzins und Dienstleistungskomponente beziehe. Da sowohl die für die Nutzungsentschädigung maßgebliche Frage, ob die Klägerin zur Gebrauchsüberlassung berechtigt war, also auch ob sie Dienstleistungstätigkeiten erbracht hat, zwischen den Parteien streitig ist, bedarf es insofern der Beweisaufnahme.

Die Klägerin hat hinsichtlich der Berechtigung zur Gebrauchsüberlassung Beweis angeboten durch Vernehmung der Zeugen K. und P., die Beklagte Gegenbeweis durch Vernehmung des Zeugen Ma. Im Rahmen der Beweisaufnahme wird insbesondere zu klären sein, ob die Klägerin hinsichtlich der Fernstrecke trotz Kündigung ihres Mietvertrages durch die D. O. GmbH zu einer Gebrauchsüberlassung während des streitgegenständlichen Zeitraumes von Anfang an berechtigt war. Sollte die Beweisaufnahme eine entsprechende Berechtigung der Klägerin ergeben, wird hinsichtlich der Höhe der Nutzungsentschädigung Beweis zu erheben sein über den Umfang der Nutzungen und damit über das geschuldete Entgelt. Die Beklagte wendet gegen die Forderung der Klägerin ein, sie hätte nur zwei Faserpaare der streitgegenständlichen Strecke genutzt. Insoweit wird es einer Einvernahme des dazu angebotenen Zeugen Gerd K. bedürfen.

Die Beklagte bestreitet ferner sowohl die von der Klägerin behauptete Gesamtkalkulation (40%/60%), als auch, dass von der Klägerin überhaupt im streitgegenständlichen Zeitraum Wartungsleistungen erbracht wurden. Außerdem ficht sie auch die Höhe dieser Dienstleistungen an. Insoweit wird es gegebenenfalls der Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Feststellung bedürfen, ob das von der Klägerin der Beklagten in Rechnung gestellte Entgelt angemessen ist.

Sollte sich nach der Beweisaufnahme ergeben, dass der Klägerin ein Zahlungsanspruch gegen die Beklagte aus § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB zusteht, wird über die von der Beklagten hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen zu entscheiden sein.

Die Kostenentscheidung ist dem erstinstanzlichen Schlussurteil vorbehalten (Zöller, ZPO, 27. Aufl., § 538 Rdnr. 58). Als aufhebendes und zurückverweisendes Urteil war die Entscheidung für vorläufig vollstreckbar zu erklären (Zöller, a.a.O., Rdnr. 59).

Die Voraussetzung für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 543 Abs. 2 ZPO.

Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortführung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts.