Bayerischer VGH, Beschluss vom 30.06.2009 - 15 CS 08.3019
Fundstelle
openJur 2012, 100980
  • Rkr:
Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der dem Beigeladenen zu 1 erteilten Baugenehmigung für den Abbruch des bestehenden Gebäudes auf dem Grundstück FlNr. 521 Gemarkung F… sowie für den Neubau und die Erweiterung seines Hotels auf den Grundstücken FlNrn. 521 und 4109 Gemarkung F….

Das genehmigte Vorhaben liegt im Geltungsbereich des einfachen Bebauungsplans A 25 E - Nordwestliche Altstadt der Beigeladenen zu 2, der in der Fassung der vorhabenbezogenen 1. Änderung am 20. Mai 2008 in Kraft getreten ist. Der Normenkontrollantrag der Antragstellerin gegen diesen Bebauungsplan ist unter dem Aktenzeichen 15 N 08.1426 beim Verwaltungsgerichtshof anhängig. Sie ist Eigentümerin des mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks FlNr. 522/1 Gemarkung F…, das nördlich des geplanten Neubauvorhabens, außerhalb des Plangebiets liegt. Gegen den Genehmigungsbescheid vom 30. Mai 2008 hat sie Klage zum Verwaltungsgericht Augsburg erhoben und weiter beantragt, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage anzuordnen.

Mit Beschluss vom 30. Oktober 2008 lehnte das Verwaltungsgericht Augsburg diesen Antrag mit der Maßgabe ab, dass die Baugenehmigung um zwei Auflagen ergänzt werde. Dementsprechend hat das Landratsamt mit Ergänzungsbescheid vom 19. November 2008 die Auflagen Nrn. 39 und 40 zu der Baugenehmigung vom 30. Mai 2008 verfügt. Danach ist die Benutzung der Tiefgarage durch Motorräder nicht zulässig (Nr. 39) und die maßgeblichen Immissionsrichtwerte für ein Misch-gebiet nach der TA Lärm sind einzuhalten (Nr. 40).

Die Antragstellerin hat gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Beschwerde eingelegt. Was die Einschätzung der Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage betreffe, sei der angegriffene Beschluss unrichtig und widersprüchlich begründet. Es fehle an einer umfassenden und zutreffenden Abwägung der widerstreitenden Interessen, die trotz der in § 212 a BauGB zum Ausdruck gebrachten gesetzlichen Wertung notwendig sei. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass seitens des beigeladenen Bauherrn kein Bedürfnis für eine vorläufige Regelung bestehe. Demgegenüber würden bei einem sofortigen Baubeginn vollendete Tatsachen geschaffen, die bei einem Obsiegen der Antragstellerin in der Hauptsache nicht mehr rückgängig zu machen wären. Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass die Baugenehmigung im Hauptsacheverfahren voraussichtlich wegen der Verletzung nachbarschützender Vorschriften aufzuheben sei. Es habe übersehen, dass § 15 Abs. 1 Satz 2 GaStellV als Brandschutzvorschrift auch dem Schutz benachbarter baulicher Anlagen diene. Das Anwesen der Antragstellerin befinde sich direkt nördlich der Tiefgaragenzufahrt und sei daher bei einem Tiefgaragenbrand besonders gefährdet. Die Abweichung in Nr. 38 der angegriffenen Baugenehmigung habe nicht erteilt werden dürfen. Auf eine mögliche Nachrüstung mit einer Sprinkleranlage komme es nicht an. Die in der Tiefgarage vorgesehenen 37 Stellplätze seien nicht ausreichend. Eine weitere Reduzierung um vier bis fünf Stellplätze zugunsten einer nachträglich eingebauten Sprinkleranlage komme nicht in Betracht. Mit dem Bebauungsplan vom 20. Mai 2008 sei eine deutliche Verschlechterung gegenüber der aufgrund des Bebauungsplans aus dem Jahre 2004 bestehenden Planungssituation eingetreten. Die Grenze der Zumutbarkeit sei deutlich überschritten. Für die Annahme der Einhaltung der Richtwerte nach der TA Lärm im Bereich der Tiefgaragenzufahrt sei das Verwaltungsgericht von falschen Entscheidungsgrundlagen ausgegangen. Das Anwesen der Antragstellerin liege in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet, das auch die Obergrenze der zulässigen Lärmbeeinträchtigungen vorgebe. Abweichungen für die Überschreitungen der Abstandsflächen durch die Fluchttreppen auf der Nordseite des genehmigten Vorhabens seien nicht möglich. Die unästhetischen Treppen entfalteten eine erdrückende Wirkung und erschwerten möglicherweise eine Neubebauung des Grundstücks der Antragstellerin.

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 30. Oktober 2008 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 30. Mai 2008 anzuordnen.

Der Antragsgegner trägt vor, die streitgegenständliche Baugenehmigung sei zu erteilen gewesen sei, weil das Bauvorhaben dem vom Landratsamt zu beachtenden Bebauungsplan entspreche und auch im Übrigen genehmigungsfähig sei. Im Zeitpunkt der Baugenehmigung habe in F… keine Stellplatzsatzung gegolten. Der bestehende Hotelbau des Beigeladenen werfe einen Bedarf von 12 Stellplätzen auf. Durch das nunmehr genehmigte Vorhaben werde nach der GaStellV ein zusätzlicher Bedarf von 11 Stellplätzen ausgelöst. In der Begründung des Bebauungsplans A 25 E - Nordwestliche Altstadt - vorhabenbezogene 1. Änderung werde von 21 vorhandenen Stellplätzen auf dem Baugrundstück ausgegangen. Selbst wenn man annehme, dass alle 21 Stellplätze notwendige Stellplätze gewesen seien, sei bei 37 neuen Plätzen in der Tiefgarage der Stellplatzpflicht Genüge getan. Die S…gasse sei als beschränkt öffentlicher Weg für den Fußgängerverkehr gewidmet.

Der Beigeladene zu 1 beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt die ihm erteilte Baugenehmigung. Es liege keine Verletzung von Brandschutzvorschriften vor. Durch den Vollzug der Baugenehmigung mit der in Nr. 38 erteilten Abweichung von § 15 GaStellV würden keine nur schwer rückgängig zu machenden vollendeten Tatsachen geschaffen. Eine Nachrüstung des zweiten Tiefgaragenuntergeschosses mit einer Sprinkleranlage sei ohne Weiteres möglich. Auch die Abstandsflächenregeln seien nicht verletzt. Es bestehe die Möglichkeit, die an der dem Antragstellergrundstück zugewandten Seite des Bauvorhabens vorgesehenen Fluchttreppen nachträglich so zu gestalten, dass die Abstandsflächen eingehalten werden könnten. Für die Frage der Einhaltung der maßgeblichen Immissionsrichtwerte komme es im Nachbarklageverfahren ausschließlich auf Immissionsorte auf dem eigenen Grundstück des Nachbarn, hier der Antragstellerin, an. Einen offenen Ausgang des Hauptsacheverfahrens unterstellt, könne die Interessenabwägung nicht zugunsten der Antragstellerin ausgehen. Die Schaffung vollendeter nicht oder nur schwer rückgängig zu machender Tatsachen sei weder bezüglich der Sprinkleranlage noch wegen der Fluchttreppen zu erwarten. Die Rechte der Antragstellerin könnten durch nachträgliche Korrekturen jederzeit noch gewahrt werden. Demgegenüber drohe ihm bei weiterem Zuwarten der Verlust von öffentlichen Fördermitteln.

Auch die Beigeladene zu 2 beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Niederschriften über den gerichtlichen Augenscheinstermin vom 12. März 2009 und die mündliche Verhandlung vom 3. April 2009, auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogenen Behördenakten und auf die Akten des Normenkontrollverfahrens Az. 15 N 08.1426 verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz auch unter Berücksichtigung der dargelegten Beschwerdegründe, auf deren Prüfung das Beschwerdeverfahren im Grundsatz beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 VwGO), im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

Nach der im vorläufigen Rechtsschutz gebotenen summarischen Prüfung sind die Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage der Antragstellerin offen. Es kommt deshalb auf die Abwägung der widerstreitenden Interessen an (vgl. Beschluss des Senats vom 21.12.2001 NVwZ-RR 2003,9), die ergibt, dass das Interesse des Beigeladenen zu 1 daran, von seiner Baugenehmigung Gebrauch machen zu dürfen, das Interesse der Antragstellerin an deren vorläufiger Aussetzung überwiegt.

1. Mit ihren Rechtsbehelfen gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung kann die Antragstellerin nur Erfolg haben, wenn sie in einem subjektiv öffentlichen Recht verletzt ist (§ 42 Abs 2, § 113 Abs 1 Satz 1 VwGO). Weder die vorhabenbezogene 1. Änderung des einfachen Bebauungsplans A 25 E - Nordwestliche Altstadt noch der einfache Bebauungsplan A 25 E - Nordwestliche Altstadt der Beigeladenen zu 2 vom 28. Juni 2004 enthalten nachbarschützende Festsetzungen, sodass es auf deren Gültigkeit nicht ankommt.

a) Die Antragstellerin kann nicht mit Erfolg geltend machen, das umstrittene Vorhaben verletze das in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO zum Ausdruck kommende Gebot der Rücksichtnahme, indem es ihr unzumutbare Lärmimmissionen verursache. Die insbesondere durch die Tiefgaragenzufahrt in unmittelbarer Grenznähe ausgelösten Immissionen stellen keine unzumutbaren Belästigungen dar. Dabei kommt es für den Nachbarschutz der Antragstellerin nicht auf den „Immissionsort West“ (FlNr. 529/2) an. Nach dem ergänzenden Gutachten des Ingenieurbüros Kling Consult vom 30. September 2008 werden an dem für sie allein maßgeblichen „Immissionsort Nord“ auch unter Einschluss des Zu- und Abfahrtsverkehrs auf der S…gasse und etwaiger Lärmreflexionen weder die Spitzenpegel noch die nach der TA Lärm maßgeblichen Beurteilungspegel für ein Mischgebiet von 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts überschritten. Demgegenüber hat die Antragstellerin mit dem Lärmgutachten der Firma Steger & Partner vom 17. November 2008 keine substantiierten Einwendungen erhoben, die Zweifel daran begründen würden, dass eine Einhaltung der Richtwerte möglich ist. Es kommt dabei nicht entscheidend darauf an, ob das Grundstück der Antragstellerin in einem allgemeinen Wohngebiet i.S.d. § 4 BauNVO oder in einem Mischgebiet i.S.v. § 6 BauNVO liegt. Jedenfalls bis zur Grundstücksgrenze ist von einem Mischgebiet auszugehen. Selbst wenn das Grundstück der Antragstellerin den Beginn eines nördlich anschließenden allgemeinen Wohngebiets markieren sollte, wären deshalb an der Gebietsgrenze nicht übergangslos die Immissionsrichtwerte für Allgemeine Wohngebiete heranzuziehen. Es wäre ein „Mittelwert“ (Zwischenwert) zu bestimmen, der diese Grenzlage des Anwesens der Antragstellerin berücksichtigt (vgl. BVerwG vom 18.5.1995 BVerwGE 98, 235/244; BayVGH vom 27.11.2006 ZfBR 2008, 185; vom 30.7.2008 Az. 15 B 08.265 -juris-). Dem entspricht Nr.6.7 TA Lärm, wonach in Gemengelagen die für Wohngebiete geltenden Immissionsrichtwerte auf einen geeigneten Zwischenwert der für die aneinandergrenzenden Gebietskategorien geltenden Werte erhöht werden können, soweit dies nach der gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme erforderlich ist. Für die Höhe des Zwischenwertes ist die konkrete Schutzwürdigkeit des betroffenen Gebietes maßgeblich. Wesentliche Kriterien sind die Prägung des Einwirkungsgebiets durch den Umfang der Wohnbebauung einerseits und durch die gewerbliche Nutzung andererseits, die Ortsüblichkeit eines Geräusches und die Frage, welche der unverträglichen Nutzungen zuerst verwirklicht wurde. Hiernach sind auf dem Grundstück der Antragstellerin Immissionsrichtwerte anzusetzen, die nahezu den Mischgebietsrichtwerten entsprechen, da eine überwiegende Prägung durch die südlich angrenzende gewerbliche Nutzung festzustellen ist. Dabei fällt auch ins Gewicht, dass bisher direkt an der Grenze zum Antragstellergrundstück im Nordteil der FlNr. 521 ein oberirdischer Parkplatz liegt, der für den bestehenden Hotelbetrieb des Beigeladenen zu 1 genutzt und mit dem streitigen Vorhaben durch die Tiefgarage ersetzt wird. Ob die mit Ergänzungsbescheid vom 19. November 2008 verfügte Auflage Nr. 40 Bestand haben kann, nach der die Einhaltung der reinen Mischgebietswerte ausreicht, muss im vorläufigen Rechtsschutz nicht abschließend geklärt werden, weil sie nach dem Lärmgutachten des Ingenieurbüros Kling Consult nicht erreicht werden.

b) Ferner trägt die Antragstellerin vor, § 15 GaStellV, wonach im zweiten Untergeschoss der Tiefgarage eine Sprinkleranlage zu installieren sei, habe auch nachbarschützenden Charakter; die Abweichung Nr. 38 in der streitigen Baugenehmigung habe nicht erteilt werden dürfen. Das ist im Rahmen des Hauptsacheverfahrens abschließend zu klären. Unterstellt man zu Gunsten der Antragstellerin, dass § 15 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 GaStellV drittschützende Wirkung hat und die Abweichung Nr. 38 zu Unrecht erteilt wurde, kann ausreichender Brandschutz auch mit wirtschaftlich vertretbaren Mitteln nachgerüstet werden. Die konkrete Ausgestaltung nachträglicher Brandschutzmaßnahmen für das zweite Tiefgaragenuntergeschoss kann dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Erforderlichenfalls kann nachträglich eine automatische Sprinkleranlage eingebaut und damit § 15 GaStellV Rechnung getragen werden. Der Einwand der Antragstellerin, die Nachrüstung sei unmöglich, weil wegen der dadurch wegfallenden Stellplätze der Bedarf nicht mehr erfüllt werde, trifft nicht zu. Laut dem genehmigten Plan sind in den zwei Tiefgaragengeschossen insgesamt 36 Kfz-Stellplätze und oberirdisch ein Stellplatz vor dem Hoteleingang vorgesehen. Auf die Berechnung, die die Antragstellerin anhand der am 29. Juli 2008 beschlossenen Stellplatzsatzung der Beigeladenen zu 2 vorgenommen hat, kommt es nicht an, weil diese Satzung zum maßgeblichen Zeitpunkt der Baugenehmigung nicht gegolten hat. Die Berechnung des Stellplatzbedarfs im Sinne des Art. 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BayBO richtet sich für das streitige Vorhaben nach § 20 Satz 1 GaStellV i.V.m. der Anlage zu dieser Vorschrift. Gemäß deren Nrn. 6.1 und 6.3 ist für Beherbergungsbetriebe ein Stellplatz je sechs Betten, bei Gaststätten ein Stellplatz je 10 m² Nutzfläche vorzusehen. Mit dem Hotelneubau sollen 64 Betten geschaffen werden, so dass sich ein Bedarf von 11 Stellplätzen errechnet. Nach dem insoweit unwidersprochenen Vortrag der Antragstellerin hat das schon bestehende Hotel 28 Zimmer mit 56 Betten und damit einen Stellplatzbedarf von 10 Stellplätzen. Für Café und Wintergarten (Nutzfläche laut Antragstellerin 212 m²) fällt ein Bedarf von 22 Stellplätzen an; für die Konditorei (laut Antragstellerin 87 m²) und den Laden (laut Antragstellerin 33 m²) kommt nach Nr. 3.1 der Anlage zur GaStellV ein Bedarf von weiteren drei Stellplätzen hinzu. Von dem rechnerischen Gesamtbedarf von 46 Stellplätzen sind die 15 Stellplätze abzuziehen, die der Beigeladene zu 1 bezogen auf das Grundstück FlNr. 526 (bestehendes Hotel mit Konditorei und Laden) mit Vertrag vom 15. Juli 1975 abgelöst hat. So kommt man auf einen Bedarf von maximal 31 Stellplätzen, der auch bei nachträglichem Einbau einer Sprinkleranlage im zweiten Tiefgaragengeschoss gedeckt werden kann. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob wegen des streitigen Vorhabens tatsächlich eine Neuberechnung des Stellplatzbedarfs auch hinsichtlich des Bestands erforderlich wird, weil die bislang vorhandenen oberirdischen Stellplätze an der Grenze zum Grundstück der Antragstellerin wegfallen.

c) Ferner kann der Klärung im Hauptsacheverfahren überlassen bleiben, ob wegen einer Überschreitung der Abstandsflächen durch die Fluchttreppen auf der Nordseite des Bauvorhabens eine Abweichung nach Art. 63 BayBO erteilt werden kann. Sollte das nämlich nicht der Fall sein, so besteht nach dem insoweit unwidersprochenen und nachvollziehbaren Vorbringen des Beigeladenen zu 1 (Schriftsatz vom 23.12.2008 mit Anlagen) die Möglichkeit, die Fluchttreppen auch nachträglich noch so zu gestalten, dass etwa einzuhaltende Abstandsflächen gewahrt bleiben.

d) Schließlich verletzt das genehmigte Vorhaben auch nicht deshalb das Rücksichtnahmegebot, weil es auf die Grundstückssituation der Antragstellerin „erdrückende Wirkung“ hätte. Wenn die landesrechtlichen Abstandsflächenvorschriften eingehalten sind bzw. -wie hier- eingehalten werden können, kommt die Annahme einer „erdrückenden Wirkung“ und damit eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme nur ausnahmsweise in Betracht (BVerwG vom 11.1.1999 NVwZ 1999, 879; BayVGH vom 15.9.2008 Az. 15 CS 08.2123 <juris>). Die mit Blick auf die Abstandsflächen zwischen den Beteiligten in Streit stehenden Fluchttreppen spielen für die Verletzung des Rücksichtnahmegebotes wegen „erdrückender Wirkung“ keine entscheidende Rolle.

Das Gebot der Rücksichtnahme gibt dem Nachbarn nicht das Recht, von jeglicher Beeinträchtigung der Licht- und Luftverhältnisse oder der Verschlechterung der Sichtachsen von seinem Grundstück aus verschont zu bleiben. Eine Rechtsverletzung kann erst bejaht werden, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht. Ob dies der Fall ist, ist im Wege einer Gesamtschau, die den konkreten Einzelfall in den Blick nimmt, zu ermitteln (zu den Kriterien im Einzelnen vgl. Troidl, BauR 2008, 1829 ff.; BayVGH vom 26.1.2009 Az. 15 ZB 08.2934 jeweils m.w.N.).

Von dem Vorhaben des Beigeladenen zu 1 geht keine „erdrückende Wirkung“ auf das Anwesen der Antragstellerin aus. Sie sieht sich bei dessen Verwirklichung einer zusammenhängenden Bebauung von insgesamt 69 Metern gegenüber. Die Berücksichtigung des Bestandes auf dem Grundstück FlNr. 524 (Hypobank) ist hierbei ebenso wenig ausgeschlossen wie die Berücksichtigung des Bestandes auf dem Grundstück FlNr. 526 (vgl. OVG Münster von 22.11.1991 UPR 1992, 274 f.), führt aber in Anbetracht der übrigen Umstände des Einzelfalles nicht zu einer Verletzung des Rücksichtnahmegebotes. Die Höhenentwicklung wird durch die vorgesehene Abstufung des Baukörpers relativiert. Im nördlichen, der Antragstellerin zugewandten Grundstücksteil ist lediglich eine Gebäudehöhe von rund 7 Metern und ein Flachdach vorgesehen. Der rund 16 Meter hohe und mit einem Walmdach versehene Hauptbaukörper ist nach den Plänen vom Anwesen der Antragstellerin mehr als 20 Meter abgerückt. Die Überbauung der S…gasse erfolgt nicht auf der gesamten Tiefe des vorgesehenen Hotelneubaus und ist vom Mehrfamilienhaus der Antragstellerin weiter zurückgesetzt als der Flachdachanbau. Ferner erstreckt sich die Überbauung nur vom 1. bis ins 3. Obergeschoss; das Dachgeschoss bleibt davon frei. Insgesamt ergibt sich der Eindruck eines in Höhenentwicklung und Distanz zum Anwesen der Antragstellerin gegliederten Baukörpers (vgl. hierzu OVG Münster vom 13.9.1999 BauR 2001, 917; BayVGH vom 27.6.2007 Az. 15 CS 07.430 <juris>), der von dem Wohngebäude der Antragstellerin so weit abgerückt ist, dass nicht von einer dominanten, optisch bedrängenden Wirkung auszugehen ist. Bei der Schutzwürdigkeit der Antragstellerin ist auch die hier relativ hohe Vorbelastung der Grundstückssituation durch den Bestand zu berücksichtigen. Das Grundstück ist in einer Art Innenhoflage umschlossen von den drei Straßenzügen der A…-, der A…- und der B…straße, die sich im P…platz optisch fortsetzt. Nach Süden zu besteht vom Antragstellergrundstück aus mit Ausnahme der S…gasse auch schon ohne das streitige Vorhaben der Eindruck einer geschlossenen Bebauung. Im übrigen ist vom Wohnhaus der Klägerin bis auf die Beeinträchtigung in südwestlicher Richtung nach wie vor in alle übrigen Himmelsrichtungen ein ungestörter Ausblick möglich. Von einer „Einmauerung“ durch das in Streit stehende Bauvorhaben kann bei dieser Gesamtsituation nicht gesprochen werden.

2. Die Abwägung zwischen dem Suspensivinteresse der Antragstellerin einerseits und dem Vollzugsinteresse des Beigeladenen zu 1 andererseits ergibt, dass es bei der gesetzlichen Wertung in § 212 a BauGB bleibt. Auch wenn die abschließende Klärung sich stellender Rechtsfragen erst im Hauptsacheverfahren erfolgen kann, ist keine schwere und nicht mehr rückgängig zu machende Beeinträchtigung rechtlich geschützter Interessen der Antragstellerin zu besorgen. Ihre Rechte und Interessen können bei Bedarf durch Nachbesserung der bestehenden Planung noch nachträglich gewahrt werden. Vom Beigeladenen zu 1 wurde nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass - unterstellt, die angegriffene Baugenehmigung würde Nachbarrechte der Antragstellerin verletzen - sowohl beim Brandschutz wie auch bei der Ausgestaltung der Fluchttreppen Lösungen möglich sind, die eine Abhilfe zu Gunsten der Antragstellerin bedeuten und zugleich eine Umsetzung des Bauvorhabens nicht gefährden. Dem Beigeladenen zu 1 drohen dagegen bei einem Zuwarten mit dem Baubeginn bis zur Entscheidung in der Hauptsache erhebliche wirtschaftliche Nachteile.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar gemäß § 152 Abs. 1 VwGO.