Bayerischer VGH, Beschluss vom 03.06.2009 - 6 ZB 09.78
Fundstelle
openJur 2012, 100884
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Kläger tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Antragsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 79,03 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.

1. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Solche ernstlichen Zweifel wären anzunehmen, wenn ein in der Entscheidung enthaltener einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt würde (BVerfG vom 23.6.2000 NVwZ 2000, 1163/1164). Dies ist hier nicht der Fall.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den Änderungsbescheid der Beklagten vom 1. April 2008, mit dem diese die Kläger als Miteigentümer des Grundstücks FlNr. 1430/22 der Gemarkung S… im Wege der Kostenspaltung zu einem Erschließungsbeitrag in Höhe von 79,03 Euro für die erstmalige endgültige Herstellung der Straßenbeleuchtung in der K…straße herangezogen hat, abgewiesen. Die K…straße sei derzeit in Bezug auf die Fahrbahn als Provisorium anzusehen. Nach § 127 Abs. 3 BauGB könne der Erschließungsbeitrag für Teile der Erschließungsanlagen im Wege der Kostenspaltung selbständig erhoben werden. Die Beklagte habe entsprechend der Planung der Stadtwerke S… GmbH (im Folgenden: Stadtwerke) die aus neun Lampen bestehende Beleuchtungsanlage erstmalig hergestellt und die Maßnahme durch die Erneuerung der an der Einmündung der W…straße in die K…straße bestehenden Lampe im Jahr 2007 abgeschlossen. Nach der Bestätigung der Stadtwerke vom 28. Juli 2008 bestehe nunmehr in der K…straße eine entsprechend DIN 5044 errichtete Straßenbeleuchtung. Wie aus der Stellungnahme der Stadtwerke vom 1. August 2007 nachvollziehbar ersichtlich sei, habe die Beleuchtung den sich aus den jeweiligen DIN-Vorschriften ergebenden Anforderungen erst mit der erstmaligen Aufstellung einer Lampe an der Einmündung der K…straße in die P… Straße im Jahr 2005 genügt, weil die Beleuchtung vorher aufgrund der herrschenden Hell-/Dunkelzone in dem Bereich bis zur …straße nicht den objektiven Verkehrsbedürfnissen entsprochen habe. Auch vor dem Inkrafttreten der einschlägigen DIN-Norm 5044 - 1 im Jahr 1981 seien Lampen in Abständen von ca. 30 bis 35 m aufgestellt worden, so dass es diesem Grundsatz nicht entsprochen habe, wenn der im Bereich der Einmündung der K…straße in die P… Straße liegende Straßenteil ohne entsprechende Beleuchtung geblieben sei.

Dem halten die Kläger entgegen, das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass die bereits seit Jahrzehnten bestehende K…straße, die ebenso seit Jahrzehnten zumindest einseitig vollständig bebaut sei, in Bezug auf die Fahrbahn als Provisorium anzusehen sei. Es verkenne dabei die in Rechtsprechung und Literatur allgemein anerkannten Grundsätze über eine „historische Straße“. Die Beklagte selbst habe den größten Teil der Bebauung entlang dieser angeblich nicht vorhandenen Erschließungsanlage erstellt und jahrzehntelang unterhalten, bis diese Gebäude in das Eigentum einer kommunalen GmbH übergegangen seien. Die Begründung des Erstgerichts, dass die Erneuerung einer Lampe innerhalb der bereits seit Jahrzehnten bestehenden Beleuchtungsanlage eine erstmalige Herstellung sei, sei nicht haltbar. Das Verwaltungsgericht habe außerdem übersehen, dass die Erklärungen der Beklagten wegen dieser Beleuchtungsanlage ausschließlich auf irgendwelchen, nicht nachgeprüften Stellungnahmen der Stadtwerke beruhten.

Hiermit können die Kläger nicht durchdringen. Streitgegenstand im vorliegenden Verfahren ist allein die Frage, ob die im Wege der Kostenspaltung (§ 127 Abs. 3 BauGB) vorgenommene Abrechnung der Beleuchtungsanlage in der K…straße berechtigt ist; die Frage, ob die Fahrbahn der K…straße bereits erstmals endgültig hergestellt ist, stellt sich daher nicht. Im Übrigen liegt aus beitragsrechtlichem Blickwinkel eine - nicht nach §§ 127 ff. BauGB abrechenbare - sog. historische Straße nur vor, wenn diese zu irgendeinem Zeitpunkt vor Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes am 30. Juni 1961 Erschließungsfunktion besessen hat und für diesen Zweck endgültig hergestellt war (u.a. BayVGH vom 24.6.2003 – 6 ZB 00.2159). Nach den vorliegenden Unterlagen kann die K…straße aufgrund der Bebauung an ihrer Ostseite frühestens 1964/65 Erschließungsfunktion erlangt haben, so dass eine historische Straße ausscheidet. Wer die Gebäude entlang der K…straße erstellt und unterhalten hat, ist rechtlich unerheblich.

Das Verwaltungsgericht hat die Frage der erstmaligen endgültigen Herstellung der Straßenbeleuchtung in der K…straße ausführlich begründet und die Erneuerung der an der Einmündung der W…straße in die K…straße bestehenden alten Lampe im Februar 2007 lediglich als Abschluss der Maßnahme angesehen. Insoweit wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Die Kläger haben diese Begründung wie auch die zitierten Stellungnahmen der Stadtwerke nicht mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt.

Zum maßgeblichen Abrechnungsgebiet hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass das im Osten der K…straße gelegene Grundstück FlNr. 1398 nicht durch diese erschlossen werde, da es weder im Geltungsbereich eines rechtsverbindlichen Bebauungsplans gemäß § 30 BauGB noch innerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile i.S. von § 34 BauGB und somit im baurechtlichen Außenbereich gemäß § 35 BauGB liege. Die Beklagte habe nach Erlass des ursprünglichen Beitragsbescheids vom 2. März 2006 in zutreffender Weise weitere Grundstücke in das Abrechnungsgebiet einbezogen, nämlich die Grundstücke FlNrn. 1401 und 1402/3 sowie die Teilfläche des Grundstücks FlNr. 1402, die im Bebauungsplangebiet gelegen sei. Der im Änderungsbescheid vom 1. April 2008 festgesetzte ermäßigte Erschließungsbeitrag sei deshalb auch in seiner Höhe nicht zu beanstanden.

Hiergegen wenden die Kläger ein, dass das Verwaltungsgericht den Umfang des zugrunde zu legenden Erschließungsgebietes grob verkannt und nicht ausreichend ermittelt habe. Der Eigentümer des Grundstücks FlNr. 1398 könne jederzeit den Anspruch auf Bebauung erheben, ebenso wie es die Beklagte selbst als Eigentümerin bereits in die Tat umgesetzt habe. Die Erschließungsanlage diene somit auch dem Grundstück FlNr. 1398 ebenso wie dem gesamten Grundstück FlNr. 1402. Es verstoße gegen die einfachsten Denkgesetze, wenn bei Zugrundelegung der Lagepläne die Grundstücke FlNrn. 1402 und 1401 als nicht bzw. nur teilweise erschlossen durch die K…straße betrachtet würden.

Mit dieser Argumentation haben die Kläger die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass das Abrechnungsgebiet nunmehr ordnungsgemäß gebildet worden sei und das Grundstück FlNr. 1398 im Außenbereich liege und damit nicht erschlossen sei, nicht mit schlüssigen Gegenargumenten erschüttert. Nach dem im Parallelverfahren vor dem Verwaltungsgericht (Az. AN 18 K 08.1965) vorgelegten Luftbild bildet das unbebaute Grundstück FlNr. 1398 zusammen mit den im Süden und Osten anschließenden, mit Wald bestockten Grundstücken eine große Freifläche, die weder in einem Bebauungszusammenhang liegt noch von umliegender Bebauung geprägt wird. Die Kläger legen hierzu nichts Substantiiertes dar. Bei einem Außenbereichsgrundstück besteht für ein nicht privilegiertes Vorhaben gerade kein „jederzeitiger Anspruch“ auf Erteilung einer Baugenehmigung (vgl. § 35 Abs. 2, Abs. 3 BauGB). Das Grundstück ist zum maßgeblichen Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Teilbeitragspflicht (mit Eingang der letzten Unternehmerrechnung am 5.4.2007) auch nicht bebaut. Die Beklagte hat das Grundstück FlNr. 1401 in das Abrechnungsgebiet einbezogen, da es im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans S-92-98 Teil A liegt. Die auf dieses Grundstück gerichteten Einwendungen der Kläger sind daher schon nicht schlüssig. Das Grundstück FlNr. 1402 wurde mit einer Teilfläche von 3.062 m² einbezogen, soweit es im räumlichen Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans S-76-89 liegt. Darüber hinaus kann es angesichts der Größe dieses Grundstücks (insgesamt 14.448 m²) und der anschließenden großen Freiflächen im Westen nicht beanstandet werden, dass die Beklagte hier ebenfalls von einer Lage im Außenbereich i.S. von § 35 BauGB und damit mangelndem Erschlossensein ausgeht. Ein „Verstoß gegen Denkgesetze“ ist damit nicht verbunden.

2. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Insoweit wird auf die Ausführungen unter 1. verwiesen.

3. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Um einen auf diesen Zulassungsgrund gestützten Antrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer 1. eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, 2. ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, 3. erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist, und 4. darlegen, weshalb ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (Happ in Eyermann, 12. Aufl. 2006, RdNr. 72 zu § 124 a). Im vorliegenden Fall fehlt es bereits an der Formulierung einer konkreten Rechts- oder Tatsachenfrage. Dass beim Verwaltungsgericht und dem Verwaltungsgerichtshof ein Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO eines weiteren Anliegers anhängig war, verleiht der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Der Antrag, die Entscheidung im vorliegenden Verfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des Beschwerdeverfahrens in der Verwaltungsstreitsache 6 CS 08.2785 auszusetzen, geht schon deshalb ins Leere, weil das Beschwerdeverfahren mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Mai 2009 rechtskräftig abgeschlossen wurde.

4. Es liegt kein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Das Verwaltungsgericht konnte die vor Ort bestehende Situation anhand der in den Akten befindlichen Lagepläne, Auszüge aus den Bebauungsplänen und eines Luftbildes beurteilen, ohne einen Augenschein durchführen zu müssen. Die Kläger haben nicht dargelegt, dass sie in den mündlichen Verhandlungen vom 23. August 2007 und vom 13. November 2008 Bedenken gegen die Geeignetheit dieser Pläne erhoben und auf eine Ortsbesichtigung hingewirkt sowie gegebenenfalls einen entsprechenden Beweisantrag gestellt hätten (vgl. BVerwG vom 3.12.2008 - 4 BN 26.08 in juris; BayVGH vom 26.3.2009 - 6 ZB 07.1469). Aus den Niederschriften über die mündlichen Verhandlungen ergibt sich auch nichts dergleichen. Im Übrigen stellt eine Aufklärungsrüge kein Mittel dar, um insbesondere das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen in der mündlichen Verhandlung zu kompensieren (vgl. BVerwG vom 3.7.1998 - 6 B 67.98 in juris). Angesichts der vorhandenen Pläne und des Luftbildes musste sich dem Verwaltungsgericht auch keine weitere Sachaufklärung aufdrängen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 47 Abs. 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 3 GKG.